Kopf
Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch den stellvertretenden Vorsitzenden Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert als Vorsitzenden sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte Dr. Bauer,
Hon.Prof. DDr. Dittrich, Dr. Fremuth, Dkfm. Dr. Grünwald, Mag. Kinscher und Dr. Placek in der Kartellrechtssache des Antragstellers VSW-V*** FÜR S*** W***, Salzburg, Mildenburggasse 6, vertreten durch Dr. Peter Raits, Dr. Alfred Ebner, Dr. Walter Aichinger und Dr. Peter Bleiziffer, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die Antragsgegnerin M*** Warenhandels-Aktiengesellschaft, Wiener Neudorf, Industriezentrum, NÖ-Süd, Straße 3, Objekt 16, vertreten durch Dr. Kurt Waneck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Untersagung gemäß § 3 a NVG infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien vom 10.August 1989, NaV 14/88-29, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Antragsteller begehrt, der Antragsgegnerin gemäß § 3 a NVG zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Waren, insbesondere Lustenauer Senf, mild oder scharf, 200 g Tube, unter dem Einstandspreis - das ist der Preis, der sich nach Abzug aller Rabatte oder sonstiger Preisnachlässe ergibt, die der Antragsgegnerin vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungstellung eingeräumt werden, zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten. Er brachte vor, die Antragsgegnerin habe in ihrer Betriebsstätte in Dornbirn, Schwefel 71, am 19.8.1988 Lustenauer Senf, mild oder scharf, 200 g Tube, um S 5,90 angeboten und diese Ware auch zu diesem Preis verkauft. Der Einstandspreis betrage mindestens S 5,36 vor Umsatzsteuer und S 6,19 nach Umsatzsteuer. Es liege somit ein Verkauf unter dem Einstandspreis vor. Die Antragsgegnerin habe auch in einem Inserat in den "Vorarlberger Nachrichten" vom 18.8.1988 den Verkauf dieser Ware um S 5,90 beworben.
Die Antragsgegnerin bestritt die Antragslegitimiaton des Antragstellers. Sie führte weiters aus, die Mitkonkurrentin "familia" (Z***) habe in den "Vorarlberger Nachrichten" vom 28.7.1988 diesen Senf um S 5,90 angeboten. Die Antragsgegnerin habe sich zur Herstellung gleicher Wettbewerbsverhältnisse zu einer Aktion in der Zeit vom 18.8. bis 10.9.1988 entschlossen, in der sie Lustenauer Senf zu eben diesem Verkaufspreis offeriert und feilgeboten habe. In Kenntnis der Marktstärke der "familia" in Vorarlberg habe sie davon ausgehen dürfen, daß "familia" etwa die gleichen Abnahmemengen an Senf wie die Antragsgegnerin bezogen habe und der Preis von S 5,90 offenbar zulässig sei. Die Filiale in Dornbirn habe im Juli 1988 insgesamt 1428 Tuben Senf zum Preis von je S 8,55, insgesamt um S 12.209,40, mit einem 5 %-igen Skonto im Betrag von S 610,47 von der B*** KG erworben. Die Lieferantin habe der Antragsgegnerin im Jahre 1988 ein Werbekostenpauschale im Betrag von S 5.727,11 gutgeschrieben, das bei der Kalkulation des Angebots von Lustenauer Senf Berücksichtigung gefunden habe. Demnach ergebe sich ein Einstandspreis pro Tube von S 4,53 inklusive 10 % Umsatzsteuer. Ein Verkauf unter dem Einstandspreis liege demnach nicht vor. Die Verrechnung von Werbekostenzuschüssen müsse dem Gutdünken jedes Unternehmers vorbehalten bleiben, um nicht Wettbewerbsnachteile zu erleiden.
Da sich der Untersagungsantrag nur auf das Produkt Lustenauer Senf beziehe, erscheine das darüber hinausgehende Untersagungsbegehren für Waren ohne jede nähere Spezifikation unstatthaft.
Der Paritätische Ausschuß hat in der Rechtssache keine einvernehmliche Stellungnahme erarbeitet. Die vom Österreichischen Arbeiterkammertag namhaft gemachten Mitglieder vertraten die Auffassung, daß Rabatte und ähnliche Preisnachlässe auf die Preise der Ware dann anrechenbar seien, wenn dies im Zeitpunkt der Rechnungslegung nicht ausdrücklich ausgeschlossen gewesen sei. Die nachträgliche Umlegung eines Jahresbonus müsse möglich sein. Die von der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft namhaft gemachten Mitglieder lehnten diese Auffassung in Anlehnung an die bisher vom Kartellgericht beim Oberlandesgericht Wien vertretene Rechtsauffassung ab.
Das Kartellgericht untersagte der Antragsgegnerin, im geschäftlichen Verkehr die Ware "Lustenauer Senf mild oder scharf, 200 g Tube", unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten. Das weitere Begehren wies es (unbekämpft) ab.
Das Kartellgericht stellte fest:
Nach der Vereinssatzung erstreckt sich die Tätigkeit des antragstellenden Vereins auf ganz Österreich; Zweck des Vereins ist die Förderung und Sicherung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs und Gleichgewichts und die Sicherung von wirtschaftlichen Interessen von Unternehmern, insbesondere durch die Bekämpfung aller Erscheinungsformen unlauteren Wettbewerbs. Der Vereinszweck soll unter anderem durch Einschreiten bei Wettbewerbsverstößen im engeren und weiteren Sinn verfolgt werden. Zu den Mitgliedern des Vereines zählen neben verschiedenen Handelsgesellschaften auch das Landesgremium des Lebens- und Genußmittelgroßhandels (Salzburg) und das Landesgremium des Lebensmitteleinzelhandels (Salzburg). Die "familia" bot in einem Prospekt Lustenauer Senf, mild oder scharf, 200 g Tube, in der Zeit vom 28. bis 30.7.1988 statt um S 9,90 um S 5,90 an. In einem Inserat in den Vorarlberger Nachrichten vom 18.8.1988 bot die Antragsgegnerin dieses Produkt ebenfalls um S 5,90 inklusive Mehrwertsteuer an und verkaufte es auch zu diesem Preis. Die Antragsgegnerin bezog die Ware von der B*** KG, Lustenau, Rheinstraße 15. Der Einkaufspreis betrug S 8,55 je Tube zuzüglich 10 % Mehrwertsteuer. Die Antragsgegnerin erhält 5 % Skonto bei Zahlung innerhalb einer bestimmten Frist und einen 5 %-igen Werbekostenbeitrag. Dieser wird von der Umsatzmenge des abgelaufenen Geschäftsjahres berechnet und zum Ende des Gechäftsjahres mit einer Gutschrift verrechnet, die mit einer der folgenden Lieferungen gegenverrechnet wird. Eine spezielle Widmung für die Verwendung des Werbekostenpauschales wurde nicht vereinbart. Die Antragsgegnerin hatte der B*** KG auch keinerlei Nachweise über die Verwendung des Werbekostenbeitrages zu erbringen, das Pauschale wurde von der B*** KG im guten Glauben an seine zweckentsprechende Verwendung gewährt. Die Antragsgegnerin hat der B*** KG daher auch keine Mitteilung über die Verwendung des Werbekostenpauschales gemacht. Die Rechnung über den gelieferten Senf enthielt keinen Hinweis auf das Werbekostenpauschale. Die Antragsgegnerin verwendete den für 1988 auf Grund der Umsatzergebnisse des Jahres 1987 erwarteten Bonus zum Teil für die Aktion im August 1988. Es könnte auch sein, daß im Zeitpunkt dieser Aktion noch Werbekostenbeiträge für den im Jahr 1987 getätigten Umsatz an Lustenauer Senf vorhanden waren, die dann auch für die Aktion Verwendung hätten finden können. Das Konkurrenzunternehmen der Antragsgegnerin, die "familia" bezog den Lustenauer Senf zu ähnlichen Bedingungen wie die Antragsgegnerin von der Firma B*** KG. Die Einkaufskonditionen der "familia" waren der Antragsgegnerin nicht bekannt, sie nahm jedoch an, daß sie ihren eigenen ähnlich waren.
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Kartellgericht die Aktivlegitimation des Antragstellers. Seit der Novelle zum Nahversorgungsgesetz vom 6.7.1988, BGBl.424, seien gemäß § 7 Abs 2 zum Antrag nach § 3 a Abs 1 NVG auch Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern, bei denen zumindest u. a. eine nach dem Handelskammergesetz errichtete Körperschaft öffentlichen Rechts Mitglied sei, berechtigt. Sowohl das Landesgremium für den Lebensmittelgroßhandel als auch jenes für den Einzelhandel seien nach dem Handelskammergesetz errichtete Körperschaften öffentlichen Rechts. Die Frage, ob ein für ein Bundesland eingerichtetes Landesgremium auch Wettbewerbsverstöße in einem anderen Bundesland ahnden könne, könne dahingestellt bleiben, weil in diesem Verfahren nicht ein Landesgremium als Antragsteller auftrete, sondern ein Verein, dem zwei Landesgremien als Mitglieder angehören. Der antragstellende Verein erfülle daher die im § 7 Abs 2 NVG genannten Voraussetzungen und sei zur Einbringung des Untersagungsantrags legitimiert.
Gemäß § 3 a Abs 1 NVG sei der Einstandspreis jener Preis, der sich nach Abzug aller Rabatte oder sonstiger Preisnachlässe ergebe, die vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungslegung eingeräumt werden. Nach den getroffenen Feststellungen habe der Einkaufs-Rechnungspreis für die Tube Lustenauer Senf, mild oder scharf, 200 g-Tube, S 8,55 zuzüglich Mehrwertsteuer von 10 % abzüglich 5 % Skonto betragen. Der Verkaufspreis von S 5,90 liege demnach erheblich unter diesem Einkaufspreis. Was die Verrechnung des Werbekostenbeitrages betreffe, sei zunächst davon auszugehen, daß es sich dabei um Beiträge zu den Werbekosten handle, die kalkulatorisch nicht als Minderung des Einstandspreises einer Ware ausgewiesen werden. Nach dem eigenen Vorbringen der Antragsgegnerin stelle der Werbekostenbeitrag einen teilweisen Ersatz für Werbekosten dar. Ein auch nur teilweiser oder pauschalierter Ersatz von Werbekosten verringere allenfalls diese Werbeausgaben, bewirke aber keinesfalls eine Reduktion des Einstandspreises. Selbst wenn man aber der Ansicht wäre, das Werbekostenpauschale könnte den Einstandspreis beeinflussen, wäre für die Antragsgegnerin nichts gewonnen. Weder jene Werbekostenbeiträge, die für das Jahr 1987 bereits zu Beginn des Jahres 1988 mittels Gutschrift verrechnet worden seien, noch jene, die für das Jahr 1988 - wenn auch auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung - erst zu erwarten waren, könnten als Preisnachlässe angesehen werden, die vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungslegung für die konkrete Ware eingeräumt wurden. Soweit sich die Antragsgegnerin zur Rechtfertigung ihres Verkaufspreises auch auf den von der "familia" verlangten Preis von S 5,90 berufe, komme auch diesem Einwand Berechtigung nicht zu. Wohl sehe § 3 a Abs 2 Z 4 NVG vor, daß die Bestimmung des Abs 1 des § 3 a NVG nicht anzuwenden sei, wenn die Preiserstellung in Anpassung an die von Mitbewerbern offenbar zulässigerweise geforderten Preise erfolgten. Da die Antragsgegnerin aber davon ausgegangen sei, daß ihre Konkurrentin zu etwa denselben Bedingungen wie sie selbst die Ware Lustenauer Senf beziehe, habe ihr klar sein müssen, daß die von "familia" angekündigten Preise nicht in offenbar zulässiger Weise gefordert wurden.
Gegen den dem Antrag stattgebenden Teil der Entscheidung des Kartellgerichtes richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß, allenfalls nach Verfahrensergänzung, dahin abzuändern, daß der Antrag abgewiesen werde, in eventu, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur Neudurchführung der Verhandlung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.
Der Antragsteller beantragte in seiner Gegenäußerung, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht gerechtfertigt.
Zunächst ist auf die im Rekurs behauptete Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen des Kartellgesetzes und des Nahversorgungsgesetzes einzugehen.
Grundsätzlich bestünde auch für das Kartellobergericht die Möglichkeit, gesetzliche Bestimmungen, die es im konkreten Fall anzuwenden hat und gegen die es verfassungsrechtliche Bedenken hegt, beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Beim Kartellobergericht handelt es sich nämlich jedenfalls um ein Gericht zweiter Instanz, weshalb die Voraussetzungen des Art.89 Abs 2 B-VG gegeben wären. Die Antragsgegnerin meint, die Bestimmung des § 88 Abs 2 KartG 1988, wonach der Rechtszug gegen Beschlüsse des Kartellgerichtes in zweiter und letzter Instanz an das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof gehe, verstoße gegen Art.92 Abs 1 B-VG, wonach oberste Instanz in Zivilsachen der Oberste Gerichtshof ist. Mit dem Kartellobergericht sei ein weiteres Höchstgericht etabliert worden. Es verstoße auch gegen die Bundesverfassung, wenn ein Nichtmitglied des Obersten Gerichtshofs Vorsitzender eines Senates des beim Obersten Gerichtshof eingerichteten Kartellobergerichtes sei. Schließlich sei entgegen dem OGH-Gesetz für das Kartellobergericht lediglich ein Richter anstatt mindestens drei Berufsrichter vorgesehen, was eine unsachliche Differenzierung darstelle. Verfassungsrechtlich bedenklich sei es auch, wenn in§ 7 Abs 2 NVG den dort genannten Organisationen Parteistellung im Verfahren eingeräumt werde, andererseits aber eben diese Organisationen auch das Recht zur Entsendung von beisitzenden Richtern zukomme; ähnliches gelte für den Paritätischen Ausschuß.
Was zunächst die Frage des Instanzenzuges anlangt, soll nach überwiegender Lehre (Walter-Mayer, Grundriß6 Rz 766; Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht 540 f; ähnlich Ringhofer,
Die österreichische Bundesverfassung 288 und Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit 170 f; ablehnend dagegen Hellbling in JBl 1956, 331) Art. 92 B-VG nur den Bestand des Obersten Gerichtshofs garantieren, doch ist damit nicht ausgesprochen, daß der Oberste Gerichtshof stets in allen Zivil- und Strafrechtssachen als oberste Instanz einschreiten muß. Auch der Verfassungsgerichtshof hat ausgesprochen, weder aus Art.92 B-VG noch aus den Art.82 ff B-VG könne ein Schluß auf den Umfang der Gerichtsbarkeit und damit auch nicht auf einen verfassungsgesetzlich garantierten Aufgabenbereich des Obersten Gerichtshofs gezogen werden (VfSlg.3121). Ebenso hat der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf Walter (Verfassung und Gerichtsbarkeit 171 f) die Ansicht vertreten, Art.92 Abs 1 B-VG stelle keine Regelung des Instanzenzuges, insbesonders nicht in dem Sinne dar, daß der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung über jede Zivil- und Strafrechtssache berufen wäre (EvBl 1970/211). Der Gesetzgeber kann daher auch Materien des Zivilrechtes sowohl den Verwaltungsbehörden als auch dafür geschaffenen außerordentlichen Gerichten zur Entscheidung zuweisen.
Bei dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht handelt es sich um Sondergerichte des Privatrechts (Fasching Kommentar I 53 und Zivilprozeßrecht Rz 107; Schönherr, Österreichisches Kartellrecht 23). Der Umstand, daß sie beim Oberlandesgericht Wien bzw. beim Obersten Gerichtshof eingerichtet sind, ist daher verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Die Regelung hinsichtlich des Kartellobergerichtes ist ähnlich wie die seinerzeitige Regelung des § 15 Abs 4 Drittes Rückstellungsgesetz über die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof. Dazu hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung VfSlg. Anhang 1948/1 ausgesprochen, daß es sich dabei zwar nicht um ordentliche Gerichte, sondern um Sondergerichte handelt, jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert (vgl. dazu auch VfSlg.3121). Gegen die Regelung des Rechtszuges im Kartellgesetz und zufolge der Verweisung des § 6 NVG auch in Verfahren nach diesem Gesetz, bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Daß gemäß § 91 Abs 1 KartG nur der Vorsitzende des Kartellobergerichtes dem Kreis der Mitglieder des Obersten Gerichtshofs zu entnehmen ist, nicht aber auch seine Stellvertreter, ist verfassungsrechtlich ohne Bedeutung, weil derzeit sämtliche richterlichen Mitglieder des Kartellobegerichtes Mitglieder des Obersten Gerichtshofs sind. Die Möglichkeit, daß ein Nichtmitglied des Obersten Gerichtshofs Vorsitzender in einem Senat des Kartellobergerichtes ist, besteht daher derzeit nicht. Schließlich bestehen auch gegen die Regelung über die Zusammensetzung der Senate keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei den vom Kartellobergericht zu beurteilenden Fragen handelt es sich vorwiegend um schwierige wirtschaftliche Fragen, die es rechtfertigen, von der üblichen Besetzung abzugehen und die Senate so zusammenzusetzen, daß durch die nichtrichterlichen Mitglieder zu den den wirtschaftlichen Problemen aus allen denkbaren Blickwinkeln (aus der Sicht der Arbeitnehmer und Konsumenten, der gewerblichen Wirtschaft und der öffentlichen Interessen) Stellung genommen werden kann. Daß dem Senat nur ein Berufsrichter als Vorsitzender angehört, beruht daher nach Meinung des erkennenden Senates auf sachlichen Erwägungen und ist somit verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Die Mitglieder des Kartellobergerichtes werden gemäß § 90 KartG 1988 vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt, wobei den in § 92 KartG 1988 genannten Organisationen in Ansehung der Beisitzer nur ein Vorschlagsrecht, nicht aber wie die Antragsgegnerin vermeint, ein Entsendungsrecht zukommt. Die Einräumung eines Vorschlagsrechtes ist aber verfassungsrechtlich unbedenklich.
Die Antragsgegnerin sieht ferner in den Bestimmungen des § 3 a NVG, die sich nur auf Warenhändler bezögen und nicht auch auf den Hersteller der Ware, einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Auch dagegen bestehen keine Bedenken.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt auch bei der Beschränkung auf Händler schon deshalb nicht vor, weil der Gesetzgeber Unterschiede im Tatsächlichen auch unterschiedlich regeln kann. Der Gleichheitssatz verwehrt es dem Gesetzgeber nicht, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen (VfSlg.2930, 2957, 4036, 5356 ua.). Zwischen den Produzenten von Waren und Händlern bestehen aber grundlegende Unterschiede. Aufgabe des Handels ist die Beschaffung von Waren und deren Verkauf, ohne daß eine nennenswerte Veränderung dieser Waren stattfindet. Im weiteren Sinn wird darunter jeder Austausch von wirtschaftlichen Gütern verstanden (Brockhaus Enzyklopädie17 VIII 129; Meyers Enzyklopädisches Lexikon9 XI 389; Herder Staatslexikon7 II 1179). Gegenstand der Industrie ist dagegen die Gewinnung von Rohstoffen sowie die Be- und Verarbeitung von Rohstoffen und Halbfabrikaten. Merkmale der Industrie sind Arbeitsteilung und Spezialisierung. Mechanisierung und Rationalisierung der Produktion (Meyers Enzyklopädisches Lexikon9 XII 569) sowie eine starke Fixkostenbelastung aus dem Bestreben, die Kapazität voll auszunützen (Gablers Wirtschaftslexikon11 I 2129). Daraus ergeben sich unterschiedliche Kostenstrukturen, die eine Differenzierung sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen.
Auch aus dem Gesichtspunkt der Unverletzlichkeit des Eigentums bestehen gegen § 3 a NVG keine Bedenken. § 3 a NVG stellt - wenn überhaupt - eine bloße Eigentumsbeschränkung, nicht aber einen (teilweisen) Entzug des Eigentumsrechtes dar. Unter einer Eigentumsbeschränkung ist die bloße Einschränkung der Befugnis zu verstehen, mit der Sache nach Willkür zu schalten. Entziehung ist dagegen der Entzug der Befugnis, jeden anderen davon auszuschließen, und die daraus folgende Einräumung entsprechender Einwirkungsbefugnisse an andere (Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 365; VfSlg.6390, 5208, 5105, 4908 ua.). Für bloße Eigentumsbeschränkungen als inhaltliche Gestaltung des Rechtes im Verhältnis zum Allgemeininteresse genügt aber nach dem rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers die Sachlichkeit der Maßnahme, soweit sie nicht den Wesenskern des Rechtes verletzt (Spielbüchler aaO Rz 4; VfSlg.8212, 7306, 6780, 5208 ua.). Mit dem Verbot des Verkaufes unter dem Einstandspreis wird aber weder der Wesenskern des Eigentumsrechtes verletzt noch kann gesagt werden, es handle sich um eine unsachliche Maßnahme. § 3 a NVG soll nämlich einerseits vor unlauteren Wettbewerbshandlungen schützen, andererseits der Sicherung eines leistungsgerechten Wettbewerbs und dem Konsumentenschutz dienen.
Für einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der Verfassungsgemäßheit verschiedener Bestimmungen des Kartellgesetzes bzw. des Nahversorgungsgesetzes besteht demnach kein Anlaß. Was die Aktivlegitimation der Antragstellerin betrifft, so ist sie zu bejahen. Gemäß § 7 Abs 2 NVG idF BGBl 1988/424 sind zum Antrag nach § 3 a Abs 1 auch Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern, bei denen zumindest (ua) eine nach dem Handelskammergesetz errichtete Körperschaft öffentlichen Rechts Mitglied ist, berechtigt. Gemäß § 1 Abs 2 HandelskammerG sind die nach diesem Bundesgesetz gebildeten Organisationen der gewerblichen Wirtschaft Körperschaften öffentlichen Rechts. Dazu gehören auch die im Rahmen der Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft errichteten Fachgruppen, die im Bereich der Sektion Handel die Bezeichnung Landesgremium führen (vgl § 3 Fachgruppenordnung, BGBl 1947/223, in der geltenden Fassung). Dem Nahversorgungsgesetz ist nicht zu entnehmen, daß nur ein solcher Verein antragslegitimiert sein soll, dem ein Landesgremium des Bundeslandes angehört, in dem der behauptete Verstoß gegen das Nahversorgungsgesetz gesetzt wurde. Selbst wenn der vorliegende Antrag über Initiative eines der in Rede stehenden Landesgremien gesetzt wurde, was nicht feststeht, und das Landesgremium damit seine sachliche Zuständigkeit überschritten haben sollte, führt dies nicht zur Verneinung der Aktivlegitimation, weil nicht das Landesgremium, sondern der Verein, dessen Zweck auf die Bekämpfung aller Erscheinungsformen unlauteren Wettbewerbes im ganzen Bundesgebiet gerichtet ist, als Antragsteller auftritt. Zu einer einschränkenden Auslegung des Gesetzes besteht umso weniger Anlaß, als die Neufassung der Bestimmung des § 7 Abs 2 NVG durch das Bundesgesetz BGBl 1988/424 von der Absicht geleitet war, durch die Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten das Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis wirksam zu machen (Bericht des Handelsausschusses 694 Blg NR 17.GP, abgedruckt bei Barfuß-Auer, Kartellrecht4, 161). Im Hinblick auf die Zusammensetzung der Vereinsmitglieder kann auch von einem "Prozeßführungsverein", der in Wahrheit andere Ziele als die Förderung der wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder verfolgt, nicht gesprochen werden. Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof bereits zur Bestimmung des § 14 UWG ausgesprochen, daß dann, wenn einem Verband auch öffentlich-rechtliche Körperschaften, deren Gremien oder ähnliche Institutionen angehören, ungeachtet der Zusammensetzung der übrigen Mitglieder ein den Interessen des Gesetzgebers entsprechendes Vorgehen in der Regel gewährleistet ist (ÖBl 1986, 9; ÖBl 1986, 100). Durch die Mitgliedschaft des Landesgremiums des Lebens- und Genußmittelgroßhandels (Salzburg) und des Landesgremiums des Lebensmitteleinzelhandels (Salzburg) neben einer Reihe von Handelsunternehmen erfüllt der Antragsteller demnach die Voraussetzungen des § 7 Abs 2 NVG.
Unter dem Rekursgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung führt die Rechtsmittelwerberin aus, das Erstgericht hätte auf Grund der vorliegenden Verfahrensergebnisse die Feststellung treffen müssen, daß der Antragsgegnerin auf Grund der mit der B*** KG getroffenen Vereinbarung ein Werbekostenpauschale in Höhe von 5 % zustand und die Verrechnung des im Aktionszeitraum von der Filiale Dornbirn bezogenen Werbekostenzuschuß einen Einstandspreis von S 4,53 ergibt. Ausdrücklich bestritten werde die Feststellung, wonach der Einkaufspreis der Ware S 8,55 je Tube zuzüglich 10 % Mehrwertsteuer betragen habe.
Was zunächst die Zulässigkeit der Bekämpfung der Tatsachenfeststellungen des Kartellgerichtes betrifft, so gelten gemäß § 7 Abs 1 NVG für das Verfahren vor dem Kartellobergericht die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen mit bestimmten hier nicht relevanten Besonderheiten. Da nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Grundsatz der Unmittelbarkeit im Verfahren außer Streitsachen nicht gilt, ist das Rekursgericht berechtigt, Beweismittel unabhängig vom Erstgericht frei zu würdigen und die entsprechenden Tatsachenfeststellungen zu treffen (JBl 1961, 232; RZ 1967, 17; EvBl 1956/90 ua). Das Kartellobergericht ist freilich gleichzeitig auch höchste Instanz, was jedoch nichts daran ändert, daß eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung auch im Tatsachenbereich angezeigt erscheint.
Das Kartellobergericht ist demnach befugt, die vom Kartellgericht aufgenommenen Beweise umzuwürdigen. Der von der Antragsgegnerin erhobenen Beweisrüge kommt aber Berechtigung nicht zu. Die Antragsgegnerin räumte selbst ein (Schriftsatz vom 4.11.1988, Punkt 4), daß die Filiale in Dornbirn-Schwefel im Juli 1988 von der B*** KG 1.428 Tuben Lustenauer Senf zum Preis von S 8,55 bezogen habe, wobei vom Lieferanten ein Skonto von 5 % gewährt wurde. Nach der Aussage des Zeugen Reinhard B*** betrug der Verkaufspreis für eine Tube Lustenauer Senf S 8,55 zuzüglich 10 % Mehrwertsteuer mit 5 % Skonto (ON 26, S 3). Es ist daher nicht recht verständlich, wenn die Feststellung des Erstgerichtes über den "Einkaufs-Rechnungspreis" bekämpft wird. Es kann auch nicht zweifelhaft sein, daß damit nur der von der B*** KG fakturenmäßig in Rechnung gestellte Preis gemeint ist, der sich freilich nicht mit dem Einstandspreis im Sinne des § 3 a Abs 1 NVG decken muß, weil darunter jener Preis zu verstehen ist, der sich nach Abzug aller Rabatte oder sonstiger Preisnachlässe ergibt, die vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungsstellung eingeräumt werden. Der von der B*** KG gewährte und von der Antragsgegnerin in Anspruch genommene 5 %ige Skonto ist daher vom Fakturenbetrag in Abzug zu bringen. Keine Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage stellt es dar, ob der Betrag von S 5.727,11, den die Antragsgegnerin im Jahre 1988 an Werbekostenpauschale bezogen haben will, auf den Rechnungsbetrag von S 12.209,40 (für 1.428 Tuben Lustenauer Senf) angerechnet werden darf. Bei Prüfung dieser Frage ist von der auf Grund der Aussage des Direktors Helmut S*** der Antragsgegnerin getroffenen Feststellung auszugehen, wonach die Antragsgegnerin den für das Jahr 1988 auf Grund der Ergebnisse des Jahres 1987 erwarteten Werbekostenbonus zum Teil für die Aktion im August 1988 verwendete, wobei möglicherweise hiefür auch ein Teil des Werbekostenpauschales für das Jahr 1987 Verwendung fand. Eine genaue Feststellung war dem Kartellgericht nicht möglich, weil sich Direktor Helmut S*** unter Berufung auf das Geschäftsgeheimnis weigerte, genauere Zahlen bekanntzugeben (vgl ON 26, S 7, 8). Fest steht auch, daß eine Rahmenvereinbarung mit der B*** KG bestand, wonach der Werbekostenzuschuß, der ohne Nachweis tatsächlicher Aufwendungen geleistet wurde, am Ende eines jeden Jahres mittels Gutschrift verrechnet wurde, die mit einer der folgenden Lieferungen gegenverrechnet wurde. Nach Aussage des Direktors Helmut S*** (ON 26, S 5), wurde der Werbekostenzuschuß von der Antragsgegnerin "nach Belieben" verwendet. Diese Feststellungen rechtfertigen die Annahme, daß es sich bei dem Werbekostenbeitrag, ungeachtet der Bezeichnung dieser Vergütung, nicht um den Ersatz konkreter aufgelaufener Kosten, sondern in wirtschaftlicher Betrachtungsweise um einen Rabatt handelt. Der Rabatt war auch insoferne im Zeitpunkt der Rechnungsstellung bereits eingeräumt (§ 3 a Abs 1 zweiter Satz NVG), als der Antragsgegnerin auf Grund der mit der B*** KG getroffenen Rahmenvereinbarung eine Vergütung in Höhe von 5 % des Nettowarenpreises zustand, die nur erst zum Jahresende zur Verrechnung gelangte. Die Antragsgegnerin will aber den für 1988 auf Grund der Ergebnisse für 1987 erwarteten Bonus für Werbekosten für die Verkaufsaktion im August 1988 verwenden. Das Kartellobergericht hat aber bereits ausgesprochen, daß die Anrechnung eines vorauskalkulierten Rabattsatzes dem Abstellen des Gesetzes auf einen bestimmten Zeitpunkt widerspricht und der Umgehung des Gesetzes Vorschub leisten würde (Okt 1/89). Ein gänzliches oder teilweises "Umschichten" von Rabatten, die der Antragsgegnerin auf Grund früher getätigter Verkäufe zustehen oder auf Grund künftig zu erwartender Verkäufe möglicherweise zustehen werden, ist demnach nicht zulässig. Ob die Antragsgegnerin auch zum Abzug des Werbekostenzuschusses von 5 % des Nettowarenpreises bei Berechnung des Einstandspreises für den Artikel berechtigt ist, für den der Rabatt gewährt wird, kann dahingestellt bleiben, weil sich auch dann ein weit über S 5,90 liegender Einstandspreis ergibt. Immerhin sei aber darauf verwiesen, daß das Kartellobergericht - in Kenntnis der gegenteiligen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 10.10.1989, 4 Ob 117/89 = RdW 1990,13 - daran festhält, daß die Bestimmungen der §§ 1 und 3 a NVG nicht isoliert voneinander betrachtet werden dürfen, weil es ein Wertungswiderspruch wäre, wenn das Gesetz einerseits kaufmännisches Wohlverhalten fordert, andererseits aber eine gröbliche Mißachtung dieses Gebotes bei der Erstellung des Einstandspreises hinnähme. Daß in § 3 a Abs 1 NVG alle Rabatte als abzugsfähig erklärt werden, rechtfertigt bei wertender Betrachtung nicht die Annahme, daß dies auch für gesetzlich unzulässige Preisnachlässe zu gelten hätte.
Die Antragsgegnerin beruft sich weiters darauf, daß sie die Preiserstsellung in Anpassung an den von einem Mitbewerber, nämlich der "familia", offenbar zulässigerweise geforderten Preis, erstellt habe (§ 3 a Abs 2 Z 4 NVG). Dem Erstgericht wäre es in Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 2 Abs 2 Z 4 AußStrG) oblegen, den von der "familia" geforderten Preis daraufhin zu überprüfen, ob er ein zulässiger war. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt jedoch nicht vor. Offenbar zulässigerweise gefordert im Sinne des Gesetzes ist ein Preis nur dann, wenn seine Zulässigkeit nicht erst durch ein umfangreiches Beweisverfahren festgestellt werden muß. Durch die Verwendung des Wortes offenbar bringt das Gesetz zum Ausdruck, daß ein Anbieter - ohne daß ihm weitwendige Erhebungen zugemutet würden - es als ganz offensichtlich annehmen darf, daß ein Konkurrent gesetzeskonform über dem Einstandspreis, dennoch aber günstig verkauft. Wenn nun die Antragsgegnerin erklärtermaßen (vgl Direktor Helmut S*** ON 26, S 6) davon ausging, daß Unternehmen gleicher Größenordnung gleiche Einkaufsbedingungen vorfinden und daß somit "familia" (etwa) zu den selben Konditionen einkauft, wie die Antragsgegnerin selbst, konnte sie den von "familia" verlangten Preis nicht als offenbar zulässig erkennen.
Insgesamt ist demnach dem Rekurs der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E20179European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:000OKT00004.89.0122.000Dokumentnummer
JJT_19900122_OGH0002_000OKT00004_8900000_000