Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*** Allgemeine Versicherungs AG, Köln 1, Gereonstraße 43-45, vertreten durch Dr.Franz Klaban und Dr.Ekhardt Blahut, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. K*** & Co, Radfeld, Bundesstraße 18 a, und 2. Otto K***, Kaufmann, ebendort und Wörgl, Bruder William-Straße 13, beide vertreten durch Dr.Gerhard Blasche, Rechtsanwalt in Wien, wegen DM 27.479,52 (S 192.356,64 s.A.), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22.Juni 1989, GZ 1 R 79/89-49, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 5.Jänner 1989, GZ 21 Cg 804/87-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.832,78 (darin S 1.472,13 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei ist der Transportversicherer der William P***-W*** GmbH & Co KG mit Sitz in Stolberg, Bundesrepublik Deutschland, die nach einer mit der C*** S***, Segrate, Italien, getroffenen Vereinbarung zur Lieferung von 9 Paletten Kupferband "franko Segrate, verzollt, unversteuert" zu einem Kaufpreis von DM 102.501,46 verpflichtet war. Zur Durchführung des Transportes bedienten sich die William P*** W*** ihrer Hausspedition, der Günter L*** GmbH in Stolberg. Diese beauftragte die D*** Spedition GmbH, Köln, die ihrerseits die erstbeklagte Partei als Frächter heranzog, wobei außer der Ware der William P*** W*** auch noch andere Waren transportiert werden sollten.
Die erstbeklagte Partei - der Zweitbeklagte ist ihr persönlich haftender Gesellschafter - war hinsichtlich des Transports bei der Versicherung für die Bauwirtschaft und A*** S*** UND U*** AG (VAV), Wien, CMR-haftpflichtversichert.
Der Transport ging am 13.6.1984 in Stolberg, BRD, ab und traf am 14.6.1984 in Mailand ein, wo der LKW-Lenker der erstbeklagten Partei das Fahrzeug in der Zeit zwischen 20 Uhr und 20 Uhr 30 in der Via Tofetti abstellte. Der LKW, der mit keiner Diebstahlehen war und nicht bewacht wurde, wurde gestohlen. Dadurch ging auch die gesamte Ladung verloren.
Mit Telex vom 15.6.1984 erklärte die D*** Spedition gegenüber der erstbeklagten Partei, sie mache sie im Hinblick auf den Diebstahl für den Verlust voll haftbar und ersuchte um Bekanntgabe des CMR-Versicherers. In der Folge kam es zu einer direkten Kontaktaufnahme zwischen der klagenden Partei und der VAV. Mit schriftlichen Erklärungen vom 10.9.1984 und 4.10.1984 traten die D*** Spedition und die William P*** W*** alle Rechte und Ansprüche aus dem Frachtvertrag an die klagende Partei ab. Die klagende Partei übersandte diese Abtretungserklärungen am 15.11.1984 der VAV und verlangte die Bezahlung des Schadens in der Höhe der Warenfaktura von DM 102.501,46. Die VAV bezahlte namens ihrer Versicherungsnehmerin am 17.12.1984 unter Abzug eines Selbstbehalts DM 95.378. Den sich aus dem Selbstbehalt ergebenden Differenzbetrag bezahlte die erstbeklagte Partei.
Im März 1985 schrieb die italienische Steuerbehörde den William P*** W*** eine Einfuhrumsatzsteuer hinsichtlich der gestohlenen Ware in der Höhe von Lit 17,804.680 vor, wobei sie eine diesbezüglich bestehende Bankgarantie von DM 20.000 mit 5.3.1985 zur Gänze zum Einzug brachte. Die klagende Partei ersetzte den William P*** W*** die von ihr geleistete Steuerzahlung durch Überweisung in der Höhe des Klagebetrages und forderte die VAV mit Schreiben vom 20.3.1985 auf, Deckung zu leisten. Die VAV lehnte dies mit Schreiben vom 13.5.1985 mit der Begründung ab, Umsatz- und Verbrauchssteuern fielen nicht in den Deckungsrahmen des Art. 23 Abs. 4 CMR. Über Verlangen der klagenden Partei erklärte die VAV namens der erstbeklagten Partei mit Schreiben vom 5.6.1985, daß sie ohne Präjudiz für die Haftung ihres Versicherungsnehmers auf die Einrede der Verjährung bis 31.8.1985 verzichte, soferne die Rechte gegenüber dem Frachtführer bereits auf die klagende Partei übergegangen seien und noch keine Verjährung eingetreten sei. Dieser Verjährungsverzicht wurde mit Schreiben vom 14.10.1985 bis zum 1.12.1985 unter den gleichen Bedingungen verlängert. Im Zuge der letztlich vorgenommenen Regulierung hatte die klagende Partei angeboten und erklärt, daß sie die Einfuhrumsatzsteuer dem Vertragspartner ihres Versicherungsnehmers, der C*** S***, Segrate, vorstrecke, daß diese jedoch in der Folge einen Antrag auf Erstattung bei der italienischen Finanzbehörde stellen solle. Die C*** S***, Segrate, lehnte dies ab. Die klagende Partei hat alle Originalurkunden, die zur Schadensabwicklung von der VAV verlangt wurden, an diese übersandt. Nicht festgestellt wurde, daß diese Urkunden jemals wieder retourniert worden wären.
Mit Erklärung vom 12.4.1985 wiederholten die William P*** W***, alle ihre Rechte und Ansprüche aus dem Frachtvertrag betreffend den gegenständlichen LKW-Diebstahl der klagenden Partei abzutreten. Im Jahre 1988 erklärte auch die Günter L*** GmbH, daß sie alle aus dem Vertrag zwischen ihr und der D*** Spedition entstandenen Rechte und Ansprüche, insbesondere gegen jedweden Regreßgegner, der klagenden Partei abtrete.
Mit ihrer am 27.11.1985 eingelangten Klage stellt die klagende Partei das Begehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, ihr den Betrag von DM 27.479,52 s.A. zu bezahlen. Entgegen der Ansicht der VAV handle es sich bei der von den William P*** W*** bezahlten Einfuhrumsatzsteuer um Kosten im Sinne des Art. 23 Abs. 4 CMR. Die Forderung sei gemäß § 67 VersVG auf die klagende Partei übergegangen. Sie sei ihr von ihrem Versicherungsnehmer überdies am 2.4.1985 abgetreten worden. Die Aktivlegitimation der klagenden Partei ergebe sich auch daraus, daß die VAV als Haftpflichtversicherer der erstbeklagten Partei die Forderung aus dem Verlust der Ladung der klagenden Partei ersetzt und damit ihr Forderungsrecht anerkannt und, daß die D*** Spedition als Absenderspediteur mit Zessionserklärung vom 10.9.1984 ihre Schadenersatzansprüche gegen die erstbeklagte Partei als den Frachtführer an die klagende Partei abgetreten habe. Der Anspruch sei nicht verjährt, weil die VAV auf die Erhebung dieser Einrede bis 1.12.1985 verzichtet habe. Den William P*** W*** stehe die auf die klagende Partei übergegangene Forderung auch auf Grund der Deliktshaftung der erstbeklagten Partei zu. Der Lenker der erstbeklagten Partei habe grob fahrlässig gehandelt, weil er den LKW in der durch Fahrzeugdiebstähle bekannt verrufensten Stadt Italiens (Mailand) ohne Bewachung und ohne Diebstahlssicherung abgestellt habe.
Die beklagten Parteien beantragen die Abweisung der Klage. Es mangle an der Aktiv- und Passivlegitimation. Die Beklagten seien weder mit den William P*** W*** noch mit der Spedition L*** in Vertragsbeziehungen getreten. Vertragspartner der Beklagten sei ausschließlich die D*** Spedition gewesen. Von dieser könne die klagende Partei die Klagslegitimation nicht ableiten, weil ihr keine Ansprüche aus eigenem Recht zustünden. Die Spedition D*** könnte Regreßansprüche lediglich dann geltend machen, wenn sie selbst auf Zahlung in Anspruch genommen worden wäre; dies sei jedoch nicht der Fall. Die Spedition L***, die die Beförderung zu einem Frachtkostenpauschale übernomen habe, sei ebenso wie die Spedition D*** als Frachtführer zu betrachten; die erstbeklagte Partei sei daher der dritte Frachtführer. Da ein durchgehender Frachtbrief nicht existiere, könnten die Bestimmungen des Art. 34 CMR nicht zur Anwendung gelangen. Die Ansprüche der klagenden Partei seien gemäß Art. 32 CMR verjährt, weil die dort normierte Einjahresfrist am 12.8.1985 und somit vor Einbringung der Klage abgelaufen sei. Die Einfuhrumsatzsteuer stelle keine nach Art. 23 Abs. 4 CMR zu ersetzende Kosten dar. Sie sei nicht aus Anlaß des Transports, sondern aus Anlaß des Diebstahls entstanden. Die William P*** W*** wären verpflichtet gewesen, auf Zahlung der Steuer durch den italienischen Empfänger zu dringen, weil die Lieferung ausdrücklich "unversteuert" vereinbart worden sei. Auch außervertragliche Ansprüche der klagenden Partei seien verjährt.
Das Erstgericht gab der Klage statt und traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Die gegenständlichen Rechtsverhältnisse seien infolge des grenzüberschreitenden Güterverkehrs nach den Normen des Übereinkommens über die Beförderung im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) zu beurteilen. Die William P*** W*** seien als Versender, die Spedition L*** sei - da sie zu fixen Kosten abgeschlossen habe - als erster Frachtführer, die D*** Spedition - die eine Sammelladung zusammengestellt habe - als zweiter
Frachtführer - Absender, die erstbeklagte Partei als ausführender Frachtführer anzusehen. Die Frächterhaftung der D*** Spedition ändere nichts an ihrem direkten Anspruch als frachtbriefmäßiger Absender gegen die erstbeklagte Partei. Auf Grund der Abtretungserklärung der D*** Spedition sei die klagende Partei ab 10.9.1984 berechtigt gewesen, deren Ansprüche gegen die erstbeklagte Partei geltend zu machen. Ab 4.10.1984 seien ihr auch die Ansprüche des Versenders abgetreten worden, welche überdies auf Grund der Legalzession des § 67 VersVG auf sie übergegangen seien. Der Umstand, daß der klagegegenständliche Anspruch erst nach den genannten Zeitpunkten entstanden sei, ändere nichts an der grundsätzlichen Position der Klägerin als Zessionarin. Die Bestreitung der Aktivlegitimation sei im übrigen mutwillig und sittenwidrig. Die Klägerin habe in Anbetracht der Regulierung des Hauptschadens durch den Versicherer der erstbeklagten Partei darauf vertrauen können, daß auch bei Geltendmachung weiterer Ansprüche nur materiellrechtlich begründete Ablehnungen erhoben werden. Es liege ein konkludentes Anerkenntnis der grundsätzlichen Berechtigung zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche vor. Der mit Schreiben vom 20.3.1985 erstmalig geltend gemachte Anspruch der klagenden Partei auf Ersatz der Einfuhrumsatzsteuer sei auch nicht verjährt. Die klagende Partei habe sich in diesem Schreiben auf die der VAV bereits anläßlich der Geltendmachung des Warenschadens übersandten und noch nicht retournierten Originalurkunden berufen. Aus dem Ablehnungsschreiben der VAV vom 13.5.1985 sei nicht zu entnehmen, daß diese Urkunden retourniert worden wären. Die Verjährungsfrist sei daher gemäß Art. 32 Abs. 2 CMR gehemmt. Dem Umstand, daß die Reklamation gegenüber dem Versicherer und nicht gegenüber der erstbeklagten Partei erfolgt sei, komme keine Bedeutung zu, weil unmittelbar nach dem Schadenseintritt der Absender, die D*** Spedition, gegenüber der erstbeklagten Partei reklamiert habe. Zudem müsse sich die erstbeklagte Partei nach dem Sinn der Bestimmung des Art. 32 Abs. 2 CMR das Wissen ihres Versicherers zurechnen lassen. Die VAV habe mit Erklärung vom 5.6.1985 vorerst einen Verzicht auf die Verjährungseinrede bis 31.8.1985 abgegeben und diesen in weiterer Folge verlängert. Die in dem Schreiben genannte Voraussetzung, daß die klagende Partei bereits eigene Rechte geltend machen könne und diese Ansprüche noch nicht verjährt seien, sei auf Grund der vorliegenden Zessionen und, da die einjährige Verjährungsfrist erst mit 12.8.1985 geendet habe, erfüllt gewesen. Die klagende Partei sei auch nicht verpflichtet gewesen, darauf zu dringen, daß der italienische Käufer die Einfuhrumsatzsteuer bezahle. Die William P*** W*** hätten nämlich auf Grund der Vereinbarung, daß die Ware "frei Haus" zu liefern sei, die Gefahr des Verlustes der Ware getragen. Die vorgeschriebene und bezahlte Einfuhrumsatzsteuer zähle zu den in Art. 23 Z 4 CMR genannten Kosten, da sie nicht auf Grund des Diebstahles, sondern der transportbedingten Einfuhr entstanden sei. Die klagende Partei habe außerdem auch einen direkten, über die Bestimmungen des CMR hinausgehenden Schadenersatzanspruch ihres Versicherungsnehmers, da der Verlust der Ware durch Diebstahl auf Grund der gegebenen Umstände auf grobes Verschulden der erstbeklagten Partei zurückzuführen sei. Daß der den Transport durchführende LKW-Lenker offensichtlich allein unterwegs gewesen sei, obwohl man mit mehreren Stops habe rechnen müssen, sowie, daß der Lenker während eines Lokalbesuches den LKW unbewacht, ungesichert und offenbar nicht einmal in Sichtkontakt abgestellt habe, erscheine unter Berücksichtigung der notorischen Diebstahlshäufigkeit in Italien als eine grobe Vernachlässigung der Pflichten eines Frächters und wäre, selbst wenn ein Anspruch gestützt auf die CMR verneint werden sollte, anspruchsbegründend.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Kapitel VI der CMR komme hier nicht zur Anwendung, weil weder ein durchgehender, mehreren aufeinanderfolgenden Frachtführern mit dem Gut weitergegebener Frachtbrief, noch ein einziger Frachtbrief vorliege. Von den beteiligten Unternehmen seien jeweils einzelne Verträge abgeschlossen worden. Es fehle daher die gesamtschuldnerische Verklammerung aller im Verhältnis zum ersten Auftraggeber. Jeder Beteiligte sei nur seinem Vormann kraft des mit ihm geschlossenen Vertrages zur Beförderung verpflichtet. Der Unterfrachtführer sei Erfüllungsgehilfe des Hauptfrachtführers. Im Verhältnis der D*** Spedition zur erstbeklagten Partei, das gemäß § 36 IPR-Gesetz nach österreichischem Recht zu beurteilen sei, weil die erstbeklagte Partei die nicht in Geld bestehenden Leistungen zu erbringen gehabt habe, sei daher die D*** Spedition Geschäftsherr, die erstbeklagte Partei Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 1313 a ABGB. Der Geschäftsherr könne wie ein Gesamtschuldner nach § 896 ABGB Zahlung erst begehren, wenn er den seinem Vertragspartner entstandenen Schaden ersetzt habe. Die D*** Spedition habe eine Zahlung der Schuld nicht geleistet. Die Erklärung dieses Unternehmens, seine Rechte an die klagende Partei abzutreten, könne diese daher nicht aktiv legitimieren. Dasselbe gelte für die Abtretungserklärungen der Speditin L***, aber auch der William P*** W*** und für die Legalzession nach § 67 VersVG, soweit die Haftung der erstbeklagten Partei aus den Frachtverträgen in Anspruch genommen werde. Zutreffend jedoch habe das Erstgericht das Bestehen einer deliktischen Haftung der erstbeklagten Partei bejaht. Wer als Frachtführer oder Spediteur fremdes Gut entgegennehme, um damit auf irgendeine Weise gegen Entgelt zu verfahren, müsse auch ohne vertragliche Verpflichtung Sorgfalt auf die Erhaltung und Bewahrung des Gutes verwenden. Sei der Verlust des empfangenen Gutes auf eine derartige Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht des Frachtführers und nicht nur auf Verletzung der vertraglichen Obsorgepflicht zurückzuführen, führe dies zur deliktischen Haftung des Frachtführers. Im Rahmen der Deliktshaftung hafte der Frachtführer entsprechend den allgemeinen Rechtsgrundsätzen für Fehler in der Betriebsorganisation oder in der Auswahl und Überwachung seiner Leute auch dann für den vollen Schaden, wenn diese Fehler nur auf leichter Fahrlässigkeit beruhten. Im Anwendungsbereich der CMR verjährten Deliktsansprüche jener Personen, die auch Ansprüche aus dem Frachtvertrag besitzen oder am Frachtvertrag wenigstens insofern beteiligt sind, als der Absender für sie in verdeckter Stellvertretung oder mit ihrem Einverständnis das Frachtgut der Gefährdung ausgesetzt hat, nach Art. 32 CMR. Der Versender genieße die Vorteile des Frachtgeschäftes und setze sein Gut bewußt dem Beförderungsrisiko aus. Es sei daher vertretbar, ihn auch den Nachteilen des Frachtrechtes zu unterwerfen. Gemäß Art. 32 CMR betrage die Verjährungsfrist bei Vorsatz oder einem Verschulden, das nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichstehe, drei Jahre. Daß grobes Verschulden dem Vorsatz hinsichtlich des Ersatzes von Vermögensschäden nach österreichischem Recht grundsätzlich gleichstehe, bewiesen die §§ 1331 und 1332 ABGB. Der LKW-Lenker der erstbeklagten Partei sei nur mit einem Lenker besetzt gewesen. Dieses Organisationsverschulden der erstbeklagten Partei sei als grob fahrlässig zu werten. Die mit einer Route durch Italien für die Ladung von LKWs verbundenen Gefahren seien allgemein bekannt, die Stadt Mailand sei für Diebstähle von LKWs, die auch nur für kurze Zeit unbeaufsichtigt abgestellt wurden, berüchtigt. Die erstbeklagte Partei hätte deshalb dafür Sorge tragen müssen, daß das Fahrzeug nicht unbewacht bleibt, und dem Lenker eine zweite Person mitgeben müssen. Ersatzansprüche verjährten daher erst drei Jahre nach den im Art. 32 Z 1 lit. a bis c CMR genannten Anfangszeitpunkten. Die Klage sei daher rechtzeitig eingebracht worden. Die William P*** W*** hätten sich zur Lieferung der Ware "franko Segrate, verzollt, unversteuert" verpflichtet. Die neuere Rechtsprechung verstehe eine derartige Klausel im zwischenstaatlichen Verkehr auch als Gefahrentragungsregelung. Auch die Parteien hätten die getroffene Vereinbarung dahin verstanden, daß die Gefahr erst mit Ablieferung der Ware beim Empfänger auf diesen übergehen sollte. Der Schaden sei daher bei den William P*** W*** eingetreten und infolge Zahlung gemäß § 67 VersVG auf die klagende Partei übergegangen. Die von den Beklagten behauptete Schadensminderungspflicht habe im Hinblick auf diese Regelung nicht bestanden. Da die erstbeklagte Partei grob fahrlässig gehandelt habe, könne sie sich gemäß Art. 29 CMR auf die ihre Haftung ausschließenden oder einschränkenden Bestimmungen des IV. Kapitels und somit auch auf die Bestimmung des Art. 23 Abs. 4 CMR nicht berufen. Der Klagebetrag wäre aber auch nach Art. 23 Abs. 4 CMR zuzusprechen gewesen. Aus Anlaß eines Verlustes oder einer Beschädigung des Gutes entstandene Kosten, wie Steuern und Zölle, seien nach der genannten Bestimmung dann nicht zu ersetzen, wenn sie ausschließlich durch den Diebstahl verursacht worden seien, etwa wenn im Transitverkehr Zoll nur deshalb vorgeschrieben werde, weil die Ware durch den Diebstahl im vorgesehenen Transitland in Verkehr gebracht werde. Im vorliegenden Fall aber wäre die Einfuhrumsatzsteuer auch bei ordnungsgemäßer Durchführung des Transports in derselben Form und Höhe entstanden. Wirtschaftlich gesehen habe bereits die Tatsache der Beförderung, nämlich die mit ihr verbundene Verbringung nach Italien, die Steuerpflicht ausgelöst. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil insbesondere der Frage der Auslegung der CMR für die Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme.
Die Beklagten bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Wie die Beklagten in ihrer Revision selbst ausführen, regelt die CMR grundsätzlich Vertragsrecht (Art. 1 Z 1 CMR; vgl. Muth-Glöckner, Leitfaden zur CMR, Rz 16 zur Einleitung). Sie regelt allerdings bei weitem nicht alle privatrechtlichen Fragen, die sich aus der Güterbeförderung auf der Straße ergeben. Nicht geregelt werden unter anderem die Ansprüche auf Schadenersatz. Sie bleiben dem nationalen Recht vorbehalten (Muth-Glöckner aaO, Rz 3). Daran ändert nichts, daß sich der Frachtführer nach Art. 28 Abs. 1 CMR dann, wenn Verluste, Beschädigungen oder Überschreitungen der Lieferfrist bei einer der CMR unterliegenden Beförderung eingetreten sind, die nach dem anzuwendenden (innerstaatlichen) Recht zur Erhebung außervertraglicher Ansprüche führen können, demgegenüber auf die Bestimmungen der CMR berufen kann, die seine Haftung ausschließen oder den Umfang der zu leistenden Entschädigung bestimmen oder begrenzen (es sei denn, es finden die Bestimmungen des Art. 29 Anwendung). Diese Regelung wurde geschaffen, um die grundsätzlichen Haftungsbestimmungen im internationalen Straßengüterverkehr nicht etwa durch die vielgestaltigen nationalen Regelungen einer außervertraglichen Haftung zu entwerten und damit eine klare Abgrenzung der gesamten Haftung des Frachtführers festzulegen (vgl. SZ 54/165). Die Annahme einer außervertraglichen (deliktischen) Haftung des Frachtführers im Rahmen der Bestimmungen der CMR wird durch dieses Übereinkommen daher keineswegs ausgeschlossen (Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach der CMR, 187). Den Revisionsausführungen, wonach der Oberste Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen habe, daß auch Deliktsansprüche von Personen, die zwar Eigentümer des Frachtgutes, aber nicht Partei des Frachtvertrages sind, den Bestimmungen der CMR unterliegen, "wenn sie am Frachtvertrag wenigstens insofern beteiligt sind, als der Absender für sie in verdeckter Stellvertretung oder mit ihrem Einverständnis das Frachtgut der Gefährdung ausgesetzt hat", ist entgegenzuhalten, daß die zweite Instanz gerade unter ausdrücklichem Hinweis auf diese Rechtsprechung (SZ 54/165) zum Ergebnis gekommen ist, es seien die Verjährungsbestimmungen des Art. 32 CMR in diesen Fällen auch bei außervertraglicher Haftung des Frachtführers anzuwenden. Unter Hinweis auf Helm, Haftung für Schäden an Frachtgütern (324 f.), hat das Berufungsgericht zutreffend auch den Versender zu diesen Personen gezählt.
Die Ausführungen der Revision zur Aktivlegitimation der klagenden Partei decken sich (mit Ausnahme des letzten Absatzes, in dem die Meinung vertreten wird, eine Inanspruchnahme der erstbeklagten Partei auf Grund
außvertraglicher - deliktischer - Haftung sei zu verneinen) im Ergebnis mit der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Urteils, die sie ausdrücklich und wiederholt als "zutreffend" bezeichnet. Ein Eingehen darauf und auf die entsprechenden Ausführungen der zweiten Instanz erübrigt sich schon deshalb, weil das Revisionsgericht, wie noch darzulegen sein wird, die Ansicht des Berufungsgerichtes, die erstbeklagte Partei hafte für den geltend gemachten Anspruch deliktisch, teilt.
Nach Art. 29 Abs. 1 CMR kann sich der Frachtführer auf die Bestimmungen des IV. Kapitels der CMR, die seine Haftung ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast umkehren, nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht hat, das nach dem Recht des angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleichsteht. Nach Abs. 2 dieses Artikels gilt das gleiche, wenn Bediensteten des Frachtführers oder sonstigen Personen, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, Vorsatz oder ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden zur Last fällt, wenn diese Bediensteten oder sonstigen Personen in Ausübung ihrer Verrichtungen handeln (entsprechend der grundsätzlichen Bestimmung des Art. 3 CMR). Die Verjährungsfrist beträgt in diesem Fall gemäß Art. 32 Abs. 1 CMR drei Jahre (wobei die Verjährungsfrist nach lit. b bei gänzlichem Verlust dann, wenn eine Lieferfrist nicht vereinbart war, mit dem 60. Tag nach der Übernahme des Gutes durch den Frachtführer beginnt), während sonst Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung in einem Jahr verjähren.
Aus den §§ 1331, 1332 ABGB ergibt sich, daß nach österreichischem Recht grobes Verschulden dem Vorsatz hinsichtlich des Ersatzes von Vermögensschäden grundsätzlich "gleichsteht" (SZ 47/106; SZ 60/64 mwN).
Die Beklagten versuchen dieser Ansicht entgegenzuhalten, es müsse, da die österreichischen Verjährungsvorschriften kein "dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden" kennen, nach funktionell ähnlichen innerstaatlichen Bestimmungen gesucht und geprüft werden, ob und inwieweit Vorsatz und/oder grobe Fahrlässigkeit die Dauer der Verjährungsfrist beeinflussen. Man gelange dabei aber zu dem Ergebnis, daß nach allen funktionell ähnlichen Bestimmungen des österreichischen Rechtes ausschließlich vorsätzliches Handeln, nicht auch grobe Fahrlässigkeit zum Ausschluß der verkürzten Verjährungsfrist führe. So vor allem nach § 414 Abs. 4 HGB iVm § 439
HGB.
Es trifft zu, daß nach § 414 Abs. 1, erster Satz, HGB - die Bestimmungen des § 414 HGB, die den Spediteur betreffen, finden gemäß § 439 HGB auf das Frachtgeschäft entsprechend Anwendung -, die Ansprüche gegen den Spediteur wegen Verlustes, Minderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung des Gutes in einem Jahr verjähren, und daß diese Vorschrift nach § 414 Abs. 4 HGB dann keine Anwendung findet, wenn der Spediteur den Verlust, die Minderung, die Beschädigung oder die verspätete Ablieferung des Gutes vorsätzlich herbeigeführt hat.
Damit ist hier entgegen den sonstigen frachtrechtlichen Bestimmungen - vgl. § 430 Abs. 3 HGB, wonach der Ersatz des vollen Schadens gefordert werden kann, wenn der Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt worden ist - ein Unterschied zwischen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit gemacht (Schlegelberger, HGB5 VI, Rz 4 zu § 439).
Die Frage, ob die kurze Verjährungsfrist des § 414 Abs. 4 HGB (hinsichtlich des Frachtführers in Verbindung mit § 439 HGB) nur für Vertragsansprüche gilt oder auch auf Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung Anwendung findet, wird in der Lehre nicht einheitlich beantwortet. So "empfiehlt" Helm im Großkommentar zum HGB3 V/1, Anm. 3 zu § 414, für Ansprüche aus unerlaubter Handlung die analoge Anwendung des § 414 HGB, und auch Schlegelberger tritt in HGB5 VI Anm. 1 a zu § 414 HGB dafür ein, daß auch außervetragliche Ansprüche der Versender gegen den Spediteur unter die Verjährungsregeln des § 414 HGB fallen. Nach der ständigen Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes (siehe bei Helm aaO und Schütz in Straube, HGB, Anm. 3 zu § 439), der sich das Revisionsgericht in der Entscheidung JBl. 1986, 248 mit ausführlicher Begründung angeschlossen hat und nach überwiegender Ansicht der Lehre (Baumbach-Duden-Hopt, HGB28 Anm. 1 zu § 414 und Anm. 1 A zu § 439, Hämmerle-Wünsch, HGB3 III 325; auch Schlegelberger aaO Rz 5 und 7 zu § 439) findet aber die Verjährungsfrist des § 414 Abs. 1 HGB, außer im Fall einer besonderen Vereinbarung, nicht auch auf die Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung Anwendung.
Ist ein deliktischer Anspruch bei grober Fahrlässigkeit gegeben, verjährt dieser daher entgegen der in der Revision vertretenen Meinung (Punkt 3 der Rechtsmittelausführungen) innerhalb von drei Jahren (Art. 32 Abs. 1 CMR).
Daß der erstbeklagten Partei im konkreten Fall grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, haben die Vorinstanzen zu Recht angenommen. Die Häufigkeit von Fahrzeugdiebstählen gerade in Mailand hätte sowohl die erstbeklagte Partei, als auch ihren LKW-Lenker zu besonderer Aufmerksamkeit verallassen müssen (vgl. BGH in TranspR 1984, 68, teilweise zitiert in Heuer, Zur Frachtführerhaftung nach der CMR, VersR 1988, 312 ff., insbesondere 317; sowie VersR 1977, 860). Hat deshalb die erstbeklagte Partei nicht Vorsorge dafür getroffen, daß ihr Lenker nicht genötigt ist, den LKW auch nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit allein zu lassen und hat der Lenker das Fahrzeug in der Folge tatsächlich unbeaufsichtigt und ungesichert abgestellt, ist ihr auffalende Sorglosigkeit im Sinn des § 1324 ABGB, eine auffällige Vernachlässigung ihrer Sorgfaltspflicht, die den Eintritt des Schadens geradezu als wahrscheinlich erscheinen läßt, vorzuwerfen. Daß die Vorkehrung entsprechender Schadensverhütungsmaßnahmen Kosten erfordern kann, die sich auf den durch seine gewerbliche Tätigkeit erzielten Gewinn des Frächters erheblich auszuwirken vermögen (vgl. Heuer aaO, 316 f.), ändert nichts an dem Gewicht des Vorwurfs bei Unterlassung notwendiger Vorsichtsmaßnahmen.
Die zutreffenden Ausführungen der 2. Instanz über eine allgemeine Sorgfaltspflicht desjenigen, der als Frachtführer fremdes Gut entgegenimmt, um mit ihm auf irgendeine Weise gegen Entgelt zu verfahren (vgl. BGHZ 46, 146 mwH), werden in der Revision nicht mehr bekämpft.
Da sich der Frachtführer, wie bereits ausgeführt wurde, auf die Bestimmungen des IV. Kapitels der CMR, die seine Haftung ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast umkehren, gemäß Art. 29 CMR nicht berufen kann, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht hat, das nach dem Recht des angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleichsteht, und die Bestimmungen des Art. 23 Abs. 4 CMR in dieses Kapitel fallen, sind Ausführungen darüber, ob die Einfuhrumsatzsteuer zu den in diesem Artikel genannten Kosten gehört, an sich entbehrlich (vgl. SZ 58/102). Doch pflichtet das Revisionsgericht der zweiten Instanz bei, daß die vom Versicherungsnehmer der klagenden Partei gezahlte Einfuhrumsatzsteuer aus Anlaß der Beförderung des Gutes, nicht aus Anlaß des Diebstahls entstanden ist. Eine Einfuhrumsatzsteuer wäre bei dem Transport des Frachtgutes in jedem Fall zu entrichten gewesen, da es sich anders als etwa im Fall der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Hamburg vom 7.11.1985, TranspR 1985, 15, und des Landesgerichtes Köln vom 17.10.1986, TranspR 1987, 98, nicht um eine Steuer handelt, die nur deshalb zu entrichten war, weil der Diebstahl in einem Transitland erfolgte und die Ware in jenem Land in den Verkehr gebracht wurde (vgl. Decker, Verlust des Gutes im internationalen Straßengüterverkehr, TranspR 1985, 311 ff., insbesondere 314 f; Heuer, Der Umfang der Kostenerstattung gemäß Art. 23 Abs. 4 CMR, TranspR 1987, 357 ff., insbesondere 360; sowie Koller, Die Erstattungspflicht von Frachten, Zöllen und sonstigen Kosten gemäß Art. 23 Abs. 4 CMR, VersR 1989, 2 ff.). Daß der Versicherungsnehmer der klagenden Partei Einfuhrumsatzsteuer nicht zu bezahlen gehabt hätte, wäre das Frachtgut nicht gestohlen worden, weil die Steuer in diesem Fall vom Empfänger bezahlt worden wäre (der sie rückvergütet erhalten hätte), vermag daran nichts zu ändern. Denn der Empfänger war vor der Übernahme des Frachtgutes nach den getroffenen Vereinbarungen zur Versteuerung nicht verpflichtet. Von einer Kaution im Sinne von Heuer aaO 361 kann, soweit die Zahlung des Versicherungsnehmers der klagenden Partei aus einer zur Sicherstellung der Einfuhrumsatzsteuer bestehenden Bankgarantie (von DM 20.000) geleistet wurde, keine Rede sein. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht das Klagebegehren abgewiesen, sodaß der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E20094European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00698.89.0125.000Dokumentnummer
JJT_19900125_OGH0002_0070OB00698_8900000_000