TE OGH 1990/1/25 7Ob701/89

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Veröffentlicht am 25.01.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa B***, Hausfrau, Kitzbühel, Seebichlweg 23, vertreten durch Dr.Helmut Kasseroler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ingeborg P***, Hausfrau, Kitzbühel, Seebichlweg 27, vertreten durch Dr.Manfred Trentinaglia, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Feststellung (Streitwert S 320.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14.Juni 1989, GZ 3 R 173/89-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.Dezember 1988, GZ 11 Cg 53/87-33, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.745 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.957,50 USt) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Die Klägerin hat die Liegenschaft EZ 227 II KG Kitzbühel mit Kaufvertrag vom 23.3.1972 von Dkfm. Dr.Friederike B*** erworben. Das zum Gutsbestand dieser Liegenschaft gehörige Grundstück 3159/2 grenzt südwestlich und nordwestlich an das Grundstück der Beklagten 3159/3. Die Grenze zwischen beiden Grundstücken war strittig geworden. Die Klägerin vertrat im wesentlichen den Standpunkt, daß die an den südwestlich ihres Grundstücks verlaufenden Weg angrenzende Böschung zu ihrem Grundstück gehöre und der Weg durch Abgrabung der Böschung auf ihr Grundstück verbreitert worden sei. In dem von der Klägerin beantragten Grenzberichtigungsverfahren wurde vom Bezirksgericht Kitzbühel die Grenze gegen den Standpunkt der Klägerin entsprechend dem letzten ruhigen Besitzstand im Sinne der Vermessungsergebnisse des Dipl. Ing.Heinrich K*** vom 20.4.1972 festgelegt (2 Nc 10/81-35 des Bezirksgerichtes Kitzbühel).

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, daß die Grenze gemäß dem Lageplan des Dipl. Ing.Norbert M*** vom 21.10.1986 und mit dem Eventualbegehren die Feststellung, daß die Grenze gemäß dem Lageplan des Dipl. Ing.Karl S*** vom 2.11.1979 verläuft (AS 266, ON 31).

Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab. Nach seinen Feststellungen wurde das Grundstück 3159/2 laut Teilungsausweis des Evidenzhaltungsgeometers Wilhelm G*** vom 18.4.1908 gebildet. Das Grundstück 3159/3 wurde laut Plan des Oberstleutnants L*** vom Mai 1912 durch Teilung des Grundstückes 3159/1 neu gebildet und am 27.11.1913 von Johann A*** an seine Tochter Anna A***, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, verkauft. Entlang der Südwestgrenze des Grundstücks 3159/2 führt ein Feldweg von Südosten nach Nordwesten zum Haus der Beklagten. Der Weg verläuft gerade und ist ca 100 m lang, 2,1 m breit befahrbar und weist zwei geschotterte Fahrrillen mit einer Grasnarbe in der Mitte auf. Nordöstlich grenzt an den Weg eine mit Gras und Unkraut bewachsene etwa 1 m hohe Böschung, die in die Liegenschaft der Klägerin übergeht. Auf der Böschungsoberkante befindet sich entlang des Weges eine Baumreihe aus ca 50jährigen Fichten. Diese Fichten stellten ursprünglich eine geschlossene, in gerader Linie angepflanzte Hecke dar. An einigen Stellen weisen die Baumstämme alte und eingewachsene Drahtreste auf, die von einem früher zwischen den Baumstämmen gespannten Drahtzaun herrühren. Vor Jahrzehnten, als die Fichtenhecke gesetzt wurde, präsentierte sich der Zufahrtsweg als schmaler Wiesenweg, der zur Gänze grasbewachsen war. Ursprünglich wurde der Weg mit Handkarren und Pferdefuhrwerken befahren, später auch mit Kraftfahrzeugen. Hiebei nahm der Weg die heutige Gestalt an und wurde nach und nach breiter, ohne daß jedoch die nordöstlich angrenzende Böschung abgegraben worden wäre. Seit 1960 wurde der Weg nicht mehr wesentlich verändert. Er wurde lediglich einmal aufgeschottert, da sich tiefe Fahrrillen gebildet hatten. Von Ernst W***, der von 1965 bis 1974 im Haus der Beklagten Hausmeister war, wurde der Zufahrtsweg und die angrenzende Böschung gepflegt. Im Winter wurde der Schnee geräumt, von der Fichtenhecke wurden die in den Weg hineinragenden Äste abgeschnitten, das Gras auf der Böschung wurde gemäht und weggeführt. Nach Unwettern wurde die Böschung von Ernst W*** mit Rechen und Schaufel ausgeputzt. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin beobachtete die Pflege der Böschung, ohne sie zu beanstanden, beklagte jedoch das Abschneiden der Äste. Nachdem sie darauf hingewiesen worden war, daß das Abschneiden über die Grundstücksgrenze hinausragender Äste erlaubt sei, unternahm sie nichts mehr. Die Nutzung der Böschung erfolgte im gesamten Bereich durch die Beklagte und deren Rechtsvorgänger. Im Jahre 1976 hatte die Klägerin einmal Laub oder Heu auf die Böschung gebracht, was ihr in der Folge untersagt wurde.

Im Jahre 1970 wurde der Grenzverlauf über Antrag der Beklagten durch den Zivilgeometer Dipl. Ing.K*** vermessen. Die von diesem gesetzten Grenzzeichen - Punkte 5, 7, 16 und 38 - sind in der Natur vorhanden. Am 22.3.1972 wurde der Grenzverlauf über Auftrag der Klägerin durch Dipl. Ing.K*** neuerlich vermessen und über die Grenzen der Grundstücke der Bestandsplan GZ 10.613/72 verfaßt. Hiebei wurde die Darstellung des Grenzverlaufs aus dem Plan aus 1970 übernommen. Der Grenzpunkt 7 ist in diesem Plan in der gleichen Lage wie 1970 kartiert, das Koordinatenverzeichnis aus 1972 weist jedoch geänderte Koordinaten für diesen Punkt aus. Mit den im Original-Meßprotokoll vom 29.3.1972 enthaltenen Meßdaten ergibt eine Nachberechnung der Lagekoordinanten jedoch die gleichen Werte wie 1970. Der Grenzpunkt 7 war zum Zeitpunkt der Überprüfung im Jahre 1972 noch unverändert vorhanden. Dieser Punkt erhielt vom Vermessungsamt Kitzbühel die amtliche Punktnummer 13.026. Die von Dipl. Ing.K*** im Jahre 1970 vermessenen und vermarkten Grenzen weisen gegenüber dem auf Grund des Anmeldungsbogens und des Teilungsplanes aus dem Jahre 1908 bzw 1912 vom Sachverständigen Dipl. Ing. Dr.Jürgen E*** rekonstruierten Grenzverlauf folgende Differenzen auf: Die 1970 vermarkte Südwestgrenze liegt im Nordem 0,5 m und im Süden 0,4 m weiter östlich als im Jahre 1908. Die im Jahre 1970 vermarkte Nordwestgrenze liegt bei Punkt 16 0,3 m und bei Punkt 7 0,4 m weiter nördlich als 1908. Zwischen Punkt 7 und Punkt 5 schneiden sich die alte und die neue Grenze. Bei Punkt 5 liegt die Vermarkung von 1970 um 0,3 m weiter südlich als im Jahre 1908. Innerhalb der Toleranzgrenze der Konstruktionsgeneuigkeit stimmen jedoch die Grenzvermessungen des Dipl. Ing.K*** mit denen aus dem Jahre 1908 überein. Auch die derzeit vorhandenen Grenzsteine liegen innerhalb der zulässigen Toleranzgrenze. Das von der Klägerin in Auftrag gegebene Privatgutachten des Dipl. Ing.Norbert M*** ergibt gegenüber der Vermessung durch Dipl. Ing.K*** Differenzen von 0,72 m im Norden und 0,48 m im Süden. Der Zaun an der Nordwestgrenze steht nach dem Gutachten des Dipl. Ing.M*** bis zu 1,2 m auf dem Grund der Klägerin.

Nach der Ansicht des Erstgerichtes liege die Abweichung der von Dipl. Ing.K*** ermittelten Grenze gegenüber der Grenze von 1908 innerhalb der zulässigen Fehlergrenze nach § 4 der VermV und stelle damit die maßgebliche Grenze dar. Nach dieser in der Natur festgelegten Grenze sei das Grundstück der Klägerin übergeben worden, die daran Eigentum ohne Rücksicht darauf erworben habe, welcher Umfang des Grundstücks sich allenfalls aus der Mappe ergebe. Eigentum an einem Grundstück werde nicht nach der Mappe, sondern nach den tatsächlich vorhandenen natürlichen Grenzen erworben. Eine Ersitzung habe die Klägerin nicht nachgewiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil in der Hauptsache und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, es könne dahingestellt bleiben, ob die Vermessungsergebnisse des Dipl. Ing.K*** die Toleranzgrenze nach § 4 VermV überschritten hätten oder nicht. Es komme hier lediglich darauf an, ob der von der Klägerin, gestützt auf das Gutachten des Dipl. Ing.Norbert M***, behauptete Grenzverlauf (entsprechend ihrem Hauptbegehren) bzw der Grenzverlauf laut Lageplan des Dipl. Ing.S*** (entsprechend dem Eventualbegehren) der richtige sei. Beides sei nach den Feststellungen nicht der Fall. Die Vermessung des Dipl. Ing.K*** habe zwar keine neue Grenze schaffen können, es komme dieser Grenze aber dennoch Bedeutung zu. Jeder Grunderwerber erwerbe nämlich das Grundstück nicht nach der Mappe, sondern nach den tatsächlich vorhandenen natürlichen Grenzen, wie es der Rechtsvorgänger besessen habe. Der derzeitige Naturzustand entspräche dem Plan des Dipl. Ing.K***. Die von ihm im Jahre 1970 vorgenommene Vermarkung habe sich seither auch nicht geändert. Die Klägerin habe demnach das Grundstück 3159/2 in dem durch diese natürliche Grenze umschriebenen Umfang erworben. Die im Klagebegehren angeführte Grenzlinie entspräche weder dem zum Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks bestandenen natürlichen Grenzverlauf noch der Mappengrenze aus dem Jahr 1908.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und die behauptete Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die strittig gewordene Grenze zwischen den Grundstücken der Parteien wurde im Außerstreitverfahren nach dem letzten ruhigen Besitzstand festgelegt. Jeder Partei blieb es aber gemäß § 851 Abs 2 ABGB vorbehalten, ihr besseres Recht im Prozeßweg geltend zu machen. Dieses bessere Recht kann Eigentum oder publizianischer Besitz an der strittigen Fläche sein. Die klagende Partei bleibt aber für die zuletzt in der dafür vorgesehenen Rechtsform festgelegte Grenze voll beweispflichtig (SZ 57/47; Spielbüchler, Grundbuch und Grenze in JBl 1980, 170), Gelingt der klagenden Partei dieser Beweis nicht, hat es bei der vom Außerstreitrichter festgelegten Grenze zu verbleiben. Beizupflichten ist der Revision darin, daß der von Dipl. Ing.K*** vorgenommenen Vermessung und Vermarkung für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zukommt. Nur wenn die strittig gewordene Grenze von den Parteien einvernehmlich berichtigt worden wäre, wäre diese Grenzziehung maßgeblich. Richtig ist auch, daß sich der Titel der Klägerin (der Kaufvertrag vom 3./23.3.1972) auf das gesamte Grundstück 3159/2 erstreckte und die Klägerin somit durch Eintragung Eigentum am gesamten Grundstück erworben hat. Damit ist aber für den Standpunkt der Klägerin nichts gewonnen, weil die Grenze eben strittig war. Entgegen der Meinung der Klägerin ergibt sich die wahre Grenze aber nicht schon aus den Grundkatasterunterlagen aus dem Jahre 1908 bzw 1912. Diese Unterlagen dienten nur dem Zwecke der Grundbesteuerung, nicht aber dazu, die tatsächliche Gestaltung der Grundstücke oder die Eigentumsverhältnisse nachzuweisen (vgl Ergänzungsgutachten ON 22 AS 199). Für sie gilt nichts anderes als für die Grundbuchsmappe. Nach einhelliger Auffassung können Grundbuchsmappe und Katastermappe noch keinen Beweis über die Größe und Grenzen der Grundstücke machen (SZ 56/141; JBl 1967, 39; EvBl 1967/101; SZ 38/32; SZ 28/127; 1 Ob 6/89). Maßgeblich sind nicht die Papiergrenzen, sondern die Naturgrenzen (Spielbüchler aaO 169; derselbe in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 431; Demelius, Österreichisches Grundbuchsrecht 20). Der tatsächliche Grenzverlauf für den Zeitpunkt des entstandenen Grenzstreites (vgl SZ 57/47) konnte hier aber nicht festgestellt werden. In dieser Richtung fehlt es schon an einem entsprechenden Sachvorbringen. Auch bei der von Dipl. Ing.Jürgen E*** auf Grund der Grundsteuerkatasterunterlagen rekonstruierten Grenze handelt es sich nur um eine Papiergrenze und es steht nicht fest, daß diese dem wahren Grenzverlauf entsprach. Insoweit sich die Revision dagegen wendet, daß die zweite Instanz nicht auf Grund der Zeugenaussagen und insbesondere der Lichtbilder den tatsächlichen Grenzverlauf jedenfalls am Böschungsfuß feststellte, bekämpft sie die Beweiswürdigung der Vorinstanz (vgl ON 37 AS 367), die jedoch irrevisibel ist.

Mangels Nachweises eines besseren Rechtes durch die Klägerin haben daher die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht Haupt- und Eventualbegehren abgewiesen.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E19801

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00701.89.0125.000

Dokumentnummer

JJT_19900125_OGH0002_0070OB00701_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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