Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Jänner 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hubert F*** wegen des Verbrechens des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 19. Oktober 1989, GZ 20 Vr 2231/89-74, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Angeklagten F*** und der Verteidigerin Dr. Prokopp, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Hubert F*** - nachdem er im ersten Rechtsgang des versuchten Mordes schuldig erkannt und im zweiten Verfahrensgang die Entscheidung ausgesetzt worden war, nunmehr - des Verbrechens des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er sich am 1.September 1988 in Röthis in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zum Versuch hinreißen lassen, Renate F*** durch einen Messerstich in den Hals zu töten.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.
Die Eventualfrage II in Richtung §§ 15, 87 Abs 1 StGB war entgegen der Beschwerdeauffassung im Hinblick auf seine einen Tötungsvorsatz leugnende Verantwortung und auf das für den Fall der Richtigkeit jener Darstellung nach der Art seiner Tathandlung aktuelle Naheliegen der Annahme, daß er dabei jedenfalls mit der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) gehandelt hat, das Tatopfer schwer zu verletzen (§ 84 Abs 1 StGB), sehr wohl indiziert (§ 314 Abs 1 StPO).
Verfehlt ist auch die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, daß die Zusatzfrage (§ 313 StPO) in Richtung § 11 StGB insoweit, als sie auch zur Eventualfrage I nach Totschlag gestellt wurde, aus rechtlichen Erwägungen nicht zulässig gewesen wäre, weil eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung voraussetze, daß der Täter zur Tatzeit noch "steuerungsfähig" sei, sodaß er im Fall einer Zurechnungsunfähigkeit das Tatbild des Totschlags niemals verwirklichen könne.
Dazu genügt im vorliegenden Fall ein Hinweis auf die vom Obersten Gerichtshof schon in seiner kassatorischen Entscheidung vom 7. März 1989, GZ 15 Os 21/89-6, zum Ausdruck gebrachte - und demgemäß mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht mehr bekämpfbare (§§ 285 d Abs 1 Z 1 zweiter Fall, 344 StPO) - Rechtsansicht, daß zu sämtlichen im erneuerten Verfahren aktuellen Schuldfragen entsprechende Zusatzfragen (§ 313 StPO) zu stellen sein werden, falls in der neuen Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden sollten, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - in rechtlicher Hinsicht zur Annahme der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) des Angeklagten führen würden: daß ein derartiges "Vorbringen" (iS des § 313 StPO) nicht erfolgt wäre, wird aber vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 76 StGB zu
sechs Jahren Freiheitsstrafe.
Dabei wertete es sein heimtückisches Vorgehen gegen seine schlafende Gattin, die nur durch sehr glückliche Umstände mit dem Leben und ohne schwerste Verletzungsfolgen davonkam, als erschwerend, seinen vordem ordentlichen Lebenswandel, die höhergradige Einschränkung seiner Zurechnungsfähigkeit, den Umstand, daß die Tat beim Versuch geblieben ist, und die Tatsache, daß er durch seine Verantwortung im Vorverfahren wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, sowie die teilweise Schadensgutmachung durch die Erfüllung des Privatbeteiligtenanspruchs hingegen als mildernd.
Der Berufung des Angeklagten, der eine Strafherabsetzung unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung sowie die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.
Eine als mildernd wirkende Selbststellung (§ 34 Z 16 StGB) kann dem Berufungswerber nach der Aktenlage nicht zugebilligt werden; die Einschränkung seiner Zurechnungsfähigkeit, den seiner vormaligen Unbescholtenheit entsprechenden Gegensatz der Tat zu seinem sonstigen Verhalten sowie seinen Beitrag zur Wahrheitsfindung aber hat das Geschwornengericht ohnehin berücksichtigt, und eine heimtückische Tatbegehung wurde ihm durchaus zu Recht angelastet. Bei Abwägung der darnach in erster Instanz zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründe erweist sich die Dauer der vom Erstgericht über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) selbst dann, wenn man seelische Nachwirkungen des Taterlebnisses auf seinen damals fünf Jahre alt gewesenen Sohn ins Kalkül zieht, als durchaus angemessen und demnach weder erhöhungs- noch reduktionsbedürftig. Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen, wobei angemerkt sei, daß die Berufung der Anklagebehörde entgegen der von der Verteidigerin im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vertretenen Meinung als rechtzeitig ausgeführt anzusehen ist, weil der schon vor der Übermittlung des Aktes samt Urschrift gemäß § 78 StPO (S 165) vorgenommenen Übersendung einer (bloßen) Ausfertigung des Urteils an die Staatsanwaltschaft durch die Geschäftsabteilung nicht die Bedeutung einer den Fristenlauf nach § 294 Abs 2 StPO auslösenden Zustellung zukam (vgl. EvBl. 1986/144 ua).
Anmerkung
E19687European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00156.89.0130.000Dokumentnummer
JJT_19900130_OGH0002_0150OS00156_8900000_000