TE OGH 1990/1/30 15Os157/89

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Veröffentlicht am 30.01.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Jänner 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günther U*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 30.Juni 1989, GZ 23 Vr 3358/87-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung, mit Ausnahme jener gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche, werden zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten dieses Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird der Akt dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde Günther U*** im zweiten Verfahrensgang abermals des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt, weil er am 21.Juli 1987 in Kundl als Lenker eines Fahrrades durch Fahren in Fahrbahnmitte und mangelnde Aufmerksamkeit einen Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden Radfahrer Josef K*** mitverschuldete und dadurch fahrlässig dessen Tod herbeiführte.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht begründete den Schuldspruch mit zwei dem Beschwerdeführer zur Last fallenden Fahrlässigkeitskomponenten, nämlich damit, daß er ebenso wie der entgegenkommende Radfahrer "in der Mitte der Fahrbahn" (US 4) - genauer: 1,45 m von dem in seiner Fahrtrichtung gesehen linken Rand der 3 m breiten

Fahrbahn - gefahren war, sowie zum anderen damit, daß er ebenso wie der entgegenkommende Radfahrer den Gegenverkehr nicht beachtete, wiewohl er in seiner Fahrtrichtung gesehen über die nachmalige Zusammenstoßstelle hinaus eine weitere freie Sicht von rund 25 m hatte (US 5, 8).

Mit der zu der zuletzt bezeichneten Fahrlässigkeitskomponente in der Mängelrüge (Z 5) aufgestellten apodiktischen Beschwerdebehauptung, der Angeklagte hätte, auch wenn er äußerst rechts gefahren wäre, "überhaupt keine Möglichkeit gehabt", den Unfall zu verhindern, übergeht er die - als solche nicht bekämpfte - Konstatierung, daß der entgegenkommende Radfahrer K*** bis zum Zusammenstoß rund 25 m im möglichen Sichtbereich des Angeklagten zurücklegte und dabei mit einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern oder allenfalls geringfügig mehr (US 4, 5) fuhr, sodaß dem Angeklagten ein Zeitraum von rund 3 Sekunden (allenfalls knapp darunter) zu einer Reaktion zur Verfügung gestanden wäre, der - dem Gutachten des verkehrstechnischen Sachverständigen zufolge (S 128, 255) - hingereicht hätte, sein Fahrrad bis zur Zusammenstoßstelle (zumindest nahezu) zum Anhalten zu bringen und damit die nach dem gerichtsmedizinischen Gutachten für den letalen Ausgang der Verletzungen des Josef K*** bedeutsame hohe Anprallwucht ganz entscheidend zu verringern.

Zum Beweis dafür, daß der Angeklagte keine Möglichkeit gehabt hätte, "entsprechende Maßnahmen zu setzen", wenn er weiter rechts gefahren wäre, wurde die Einholung eines fotogrammetrischen Gutachtens in erster Instanz nicht beantragt (S 256). Es fehlt dem Angeklagten daher die Beschwerdelegitimation, soweit er nun diesen Gesichtspunkt in seiner Verfahrensrüge (Z 4) aufzugreifen sucht. Wird ein fahrlässig begangenes Tötungs-, Verletzungs- oder Gefährdungsdelikt durch mehrere fahrlässige Handlungen oder Unterlassungen verwirklicht, kann ein Verfahrens- oder Begründungsmangel oder ein Rechtsirrtum in Ansehung des Ausspruches über eine der Fahrlässigkeitskomponenten nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, sofern nur bezüglich zumindest einer der weiteren Fahrlässigkeitskomponenten nach einem insoweit mängelfreien Verfahren ohne Begründungsmangel rechtsrichtig entschieden wurde (SSt 39/65, SSt 32/53, SSt 28/79 uva).

Demnach sind schon im Hinblick auf die Konstatierung der unterlassenen Reaktion alle weiteren Beschwerdeausführungen, mit denen die Urteilsannahme, der Beschwerdeführer sei in der Mitte der Fahrbahn gefahren, bekämpft wird, unerheblich.

Nur am Rande sei demzufolge noch darauf hingewiesen, daß der Antrag auf Einholung eines fotogrammetrischen Gutachtens angesichts des Umstandes, daß die auf der Fahrbahn sichtbar gewesenen Radier- und Blockierspuren vom erhebenden Gendarmeriebeamten anhand von Fixpunkten außerhalb der Fahrbahn vermessen wurden (S 29, 31), die anläßlich eines gerichtlichen Ortsaugenscheines verifiziert wurden (S 126), und hinsichtlich derer vom technischen Sachverständigen zum Ausdruck gebracht wurde, daß eine fotogrammetrische Auswertung gegenüber dem Vermessungsergebnis äußerstenfalls eine Abweichung von etwa 5 cm erbringen könnte (S 255), einer Begründung dahingehend bedurft hätte, weshalb durch das beantragte Gutachten dennoch ein anderes Ergebnis als die Konstatierung eines Fahrens des Beschwerdeführers "in der Fahrbahnmitte" zu erwarten wäre, zumal auch die Lichtbilder (S 33 und 35) geradezu die Richtigkeit der Spurenaufnahme unterstreichen. Gleichermaßen läge im übrigen ein Begründungsmangel des erstgerichtlichen Urteils in bezug auf die Heranziehung der Aussage des Zeugen K***, der mit gesenktem Kopf im Abstand von 20 cm im Windschatten des Angeklagten hinter diesem nachgefahren war, nicht vor, denn K*** brachte in seiner Aussage vom 7.Juli 1988 (S 120 f) nicht nur - was der Beschwerdeführer isoliert herauszieht - zum Ausdruck, er schätze, der Angeklagte und er seien ungefähr ein Drittel vom rechten Fahrbahnrand entfernt gewesen, sondern außerdem, daß sie "eher in der Mitte" fuhren, sodaß das Schöffengericht aus dem Zusammenhalt des Gutachtens des verkehrstechnischen Sachverständigen, wonach die 1,45 m vom linken Fahrbahnrand entfernt gelegene Blockierspur dem Fahrrad des Angeklagten zuzuordnen ist, und den nur eine geschätzte Angabe enthaltenden und ein Fahren soweit rechts wie möglich jedenfalls verneinenden Angaben des Zeugen K*** ohne Begründungsmangel zu der relevierten Feststellung gelangen konnte.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war aus den angeführten Erwägungen daher nach Anhörung der Generalprokuratur sogleich bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO).

In dem als "Berufung" bezeichneten Punkt 3 der Rechtsmittelschrift wendet sich der Angeklagte nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung gegen den Schuldspruch an sich. Dieses insoweit unzulässige Rechtsmittel war gleichfalls zurückzuweisen. Über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche hingegen wird das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben (§ 281 i StPO).

Anmerkung

E19688

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00157.89.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19900130_OGH0002_0150OS00157_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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