TE OGH 1990/1/30 4Ob13/90

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Veröffentlicht am 30.01.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***-Verlag Gesellschaft m.b.H. & Co KG, Wien 19., Muthgasse 2, vertreten durch Dr.Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Oskar B*** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 2.) Oskar B*** Gesellschaft m.b.H., beide Wien 1., Herrengasse 1, beide vertreten durch Dr.Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufes (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 9. November 1989, GZ 3 R 195/89-11, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 19.Juli 1989, GZ 37 Cg 191/89-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 15.643,98 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 2.607,33 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Medieninhaberin der täglich erscheinenden "Neuen Kronen-Zeitung"; die Erstbeklagte, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Zweitbeklagte ist, ist Medieninhaberin der Tageszeitung "Der Standard".

In der Ausgabe des "Standards" vom 1./2.Juli 1989 erschien auf Seite 7 ("Chronik") folgender redaktionelle Artikel:

"'Schweinchen' kostet Kronen-Zeitung Millionen Prostitutions-Vorwurf an Lainz-Schwester W***

entkräftet - 21 Seiten Entgegnung oder hohe Entschädigungszahlung Wien (fl) - 'Heut ist kein Schwurgericht, wir können es lässig machen', meinte Presserichter Bruno W*** beim Eintritt in den Verhandlungssaal. Das Ende im Prozeß, den die wegen mehrfachen Mordes angeklagte Lainzer Hilfsschwester Waltraud W*** gegen die Kronen-Zeitung angestrengt hatte, war dann wenig moderat. Das kleinformatige Boulevardblatt muß innerhalb der kommenden fünf Tage in einer Ausgabe nunmehr von Richter W*** genau festgelegte Entgegnungen im Umfang von rund 21 Manuskriptseiten bringen. Die W***-Anwälte Georg ZANGER und Wilhelm PHILIPP hatten Entgegnungen in vier Ausgaben verlangt, da auch die Beschuldigungen in vier aufeinander folgenden Tagen erhoben worden waren. Die 'Krone' hatte W*** der nebenberuflichen Geheimprostitution bezichtigt und sie als 'Schweinchen, das alles macht' sowie als 'geile Trude' bezeichnet. W*** strengte daraufhin ein Entgegnungsverfahren an.

'Die Kronen-Zeitung hat sehr viel gelogen', sagte der Hauptzeuge, der die 'Krone'-Journalisten auf die Spur einer ähnlich aussehenden Gertrude gebracht hatte. Ihm seien auch keine Fotos der Beschuldigten, worauf er sie hätte identifizieren können, vorgelegt worden. Die drei Reporter waren trotz der Ladung als Zeugen nicht erschienen.

Die vielseitige Entgegnung - sie würde rund die Hälfte einer Ausgabe der Kronen-Zeitung ausmachen - könnte noch abgewendet werden. Der Anwalt des Kleinformats, Alfred Boran, flog sofort nach Prozeßende zu Krone-Herausgeber Hans D*** nach Sizilien. Dort soll entschieden werden, ob nicht doch noch ein millionenschwerer Vergleich möglich sei, der dem Kleinformat die Entgegnungsflut ersparen könnte.

W***-Anwalt Georg ZANGER beschuldigte die KronenZeitung, diese 'unvergleichbare Medienjustiz' bewußt in Kauf genommen zu haben, um die Auflage zu erhöhen. Er wäre auch mit einer Entschuldigung anstelle einer Entgegnung in der 'Krone' einverstanden gewesen. 'Das wären aber zuviele Buchstaben, das geht nicht in eine Zeile', meinte Krone-Anwalt Alfred Boran zynisch.

Derzeit sind sieben weitere Prozesse, drei Verfahren im Justizpalast und vier beim Handelsgericht, zwischen Kronen-Zeitung und Waltraud W*** anhängig."

In der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 4.Juli 1989 wurde die Entgegnung zu dem in dieser Zeitung am 23.April 1989 erschienenen Artikel "Mordschwester war Geheimprostituierte" veröffentlicht. Der Entgegnungstext, zu dessen Veröffentlichung die Klägerin verurteilt war, umfaßte rund 5 Textseiten; die fiktiven Inseratenkosten für diesen Entgegnungstext würden in der "Neuen KronenZeitung" rund 3 Millionen S betragen.

Die Klägerin begehrt - soweit für das Rechtsmittelverfahren noch von Bedeutung - zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort zu gebieten, die herabsetzenden Behauptungen über das Unternehmen und über Handlungen der Klägerin, insbesondere "Schweinchen" koste die Kronen-Zeitung Millionen, und die vielseitige Entgegnung mache rund die Hälfte einer Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" aus, zu unterlassen. Auf Grund der durch ihre Größe und den Fettdruck auffallenden Überschrift des Artikels im "Standard" vom 1./2.Juli 1989 gewinne der flüchtige Leser den tatsachenwidrigen Eindruck, daß die "Neue Kronen-Zeitung" mehrere Millionen zu zahlen habe; auch die Behauptung, daß die mit gerichtlichem Urteil festgelegte Entgegnung rund die Hälfte einer Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" umfasse, sei unrichtig. Diese Behauptungen seien betriebsgefährdend, weil sie bei den Zeitungslesern eine nachteilige Meinung über den Geschäftsbetrieb und die Berichterstattung der auflagenstärksten Tageszeitung Österreichs erweckten; sie seien geeignet, der Klägerin Nachteile in der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit zuzufügen. Der Verfasser des Artikels habe die Klägerin überdies pauschal abgewertet und über sie in gehässiger Weise irreführend berichtet. Die Beklagten, deren Wettbewerbsabsicht zu vermuten sei, hätten demnach gegen §§ 1 und 7 UWG verstoßen.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die beanstandete Artikelüberschrift könne bei den Lesern des "Standards" nicht den unrichtigen Eindruck erwecken, daß die "Neue Kronen-Zeitung" mehrere Millionen zu zahlen habe. Die Behauptung, daß die der Klägerin aufgetragene Entgegnung "rund die Hälfte einer Ausgabe" der "Neuen Kronen-Zeitung" ausmache, sei hingegen tatsächlich unrichtig. Beide Behauptungen seien aber nicht geeignet, den Erwerb oder Kredit der Klägerin zu schädigen; vielmehr seien sie eher geeignet, diesen zu fördern, werde doch dadurch das Interesse des Publikums und damit auch der Inserenten nur noch gesteigert. Der Erstrichter erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Durch die beanstandete Artikelüberschrift werde bei einem Durchschnittsleser der unrichtige Eindruck hervorgerufen, daß die Klägerin entweder zu einer Zahlung in Millionenhöhe verhalten worden sei oder einen Millionenschaden erlitten habe; beides sei jedoch unrichtig. Da auch die weitere beanstandete Behauptung tatsachenwidrig sei, liege ein Verstoß gegen § 7 UWG vor. Die beanstandeten Äußerungen seien deshalb zur Schädigung des Betriebes oder des Kredits der Klägerin geeignet, weil es nicht auf den Eintritt eines konkreten Schadens, sondern nur auf die abstrakte Gefährdung und objektive Eignung, dem Mitbewerber Nachteile in der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit zuzufügen, ankomme. Die Überschrift "'Schweinchen' kostet Kronen-Zeitung Millionen" sei mit Rücksicht auf ihren aggressiven Ton auch als Verstoß gegen § 1 UWG zu werten. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000 übersteige. Sowohl § 1 als auch § 7 UWG setzten ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbes voraus. Die Rechtsfrage, ob das Verhalten der Beklagten objektiv geeignet ist, ihren Wettbewerb zu fördern, sei an Hand des beanstandeten Artikels zu beurteilen. Dieser berichte in sachlicher Form über eine gegen die Klägerin ergangene gerichtliche Entscheidung und deren wirtschaftliche Folgen. Da durch die auffällige und wiederholte Berichterstattung der Klägerin in der Öffentlichkeit allgemein bekannt gewesen sei, daß die "Neue Kronen-Zeitung" Waltraud W*** der nebenberuflichen Geheimprostitution bezichtigt und sie als "Schweinchen, das alles macht" bezeichnet hatte, habe ein Interesse der Öffentlichkeit an diesen Vorgängen bestanden. In dem beanstandeten Artikel werde daher die Öffentlichkeit über Vorgänge von allgemeiner Bedeutung unterrichtet, wobei sich der Verfasser jeglicher polemischen, aggressiven oder pauschal herabsetzenden Äußerung über die Mitbewerberin enthalten habe. Der Leser verstehe die Schlagzeile "'Schweinchen' kostet die Kronen-Zeitung Millionen" schon infolge des Untertitels "21 Seiten Entgegnung oder hohe Entschädigungszahlung" eindeutig dahin, daß die Klägerin auf Grund ihrer strafgerichtlichen Verurteilung zur aufwendigung Veröffentlichung einer Entgegnung oder - um dies abzuwenden - zu einer hohen Entschädigungszahlung verhalten sei. Daß durch eine - in der Folge tatsächlich auf 5 Seiten durchgeführte - Veröffentlichung die Einschaltung von Inseraten unmöglich gemacht werde, liege auf der Hand; dadurch entstünden der Klägerin erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Überdies sei die objektive Eignung einer solchen Meldung, Leser vom Erwerb der "Neuen KronenZeitung" oder Inserenten vom Einschalten von Anzeigen in dieser Zeitung abzuhalten, nicht zu sehen; dazu habe die Klägerin auch kein konkretes Vorbringen erstattet. Das gelte auch für die (objektiv unrichtige) Meldung, die Entgegnung mache rund die Hälfte einer Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" aus; auch damit werde nur eine Information verbreitet, die nicht geeignet sei, den eigenen Absatz auf Kosten des Konkurrenten zu fördern. Der Umfang der Entgegnung werde im übrigen an anderer Stelle des beanstandeten Artikels richtig mit 21 Manuskriptseiten wiedergegeben. Da die beanstandeten Aussagen sohin keine Wettbewerbshandlungen waren, sei der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu verneinen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Beklagten beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach Ansicht der Klägerin seien die beanstandeten Äußerungen sehr wohl geeignet gewesen, Leser vom Kauf der "Neuen Kronen-Zeitung" und - infolge des dadurch ausgelösten Rückganges der Auflagenhöhe - präsumptive Inserenten vom Einschalten ihrer Anzeigen in dieser Zeitung abzuhalten. Dem kann nicht zugestimmt werden:

Muß eine Zeitung eine Entgegnung auf einen ihrer Berichte bringen, dann kann das gewiß ihrem Ansehen schaden, weil damit - wie die Klägerin in erster Instanz zur Rechtfertigung ihres Unterlassungsanspruches ausgeführt hat (S. 6 und 9) - allenfalls eine nachteilige Meinung über ihren Betrieb und insbesondere über die Art ihrer Berichterstattung hervorgerufen werden kann. Ein solches Mißtrauen gegen die Verläßlichkeit der Informationen kann potentielle Interessenten davon abhalten, diese Zeitung zu kaufen. Daß aber ein Teil einer Zeitungsausgabe zum Abdruck eines Entgegnungstextes verwendet wird oder daß der Medieninhaber infolge seiner unrichtigen Berichterstattung Zahlungen - seien es Schadenersatzbeträge oder Geldstrafen - zu leisten hat, kann für sich allein auf den Kaufentschluß von Lesern keinen Einfluß haben, erwarten doch diese nicht, daß im Hinblick auf den - wenn auch noch so umfangreichen - Entgegnungstext die wichtigen und interessanten Meldungen wegfallen, daß also - wie die Klägerin meint (S. 90) - die Zeitung nur von knalligen Headlines wie "Im Namen der Republik!" oder Titeln wie "Entgegnung" oder "Mitteilung gemäß § 37 Mediengesetz" geprägt wäre. Sofern der beanstandete Artikel im "Standard" irgend jemanden davon abgehalten hatte, künftig die "Neue Kronen-Zeitung" zu kaufen, dann nur deshalb, weil aus diesem Bericht hervorgegangen war, daß die Klägerin, ohne vorher gewissenhaft recherchiert zu haben, eine Frau ungerechtfertigt der Prostitution beschuldigt hatte; das trifft aber tatsächlich zu. Die Erwartung, daß demnächst in einer Nummer der Kronen-Zeitung eine überaus umfangreiche Entgegnung zu lesen sein und daß die Klägerin im Zusammenhang damit Aufwendungen oder auch Zahlungen in Millionenhöhe zu leisten haben werde, spielte jedoch für den potentiellen Leser keine Rolle. Sollte jemand vom Kauf der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 4. Juli 1989 mit der schon auf der Titelseite in großen Lettern gedruckten Entgegnung Abstand genommen haben, dann war dies eine Folge der Aufmachung dieser Ausgabe, nicht aber des beanstandeten Artikels. War aber kein Absatzrückgang infolge der von den Beklagten aufgestellten Behauptungen zu erwarten, so bestand auch für präsumptive Inserenten kein Grund, ihre Anzeigen nicht in der "Neuen Kronen-Zeitung" einzuschalten.

Da eine Tatsachenbehauptung nur dann betriebsgefährdend im Sinne des § 7 Abs 1 UWG ist, wenn sie objektiv geeignet ist, dem Mitbewerber Nachteile in der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit zuzufügen, also seine wirtschaftliche Stellung und seine Entwicklungsmöglichkeiten zu untergraben (ÖBl. 1961, 7) oder seine zukünftigen geschäftlichen Verhältnisse nachteilig zu beeinflussen (ÖBl. 1973, 105), ist der Tatbestand des § 7 UWG nicht verwirklicht. Aber auch von einem Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG kann keine Rede sein: Der beanstandete Artikel enthält nur Tatsachenbehauptungen, daß er "in einseitiger Parteiennahme scharf polemisch" gegen die Klägerin gehalten sei (S. 88), trifft nicht zu. Die einzelnen von der Klägerin im Revisionsrekurs hervorgehobenen Aussagen dieses Artikels sind überdies nicht Gegenstand des Unterlassungsbegehrens. Die beiden Äußerungen der Beklagten, die allein im Revisionsrekursverfahren zu beurteilen sind, können jedenfalls nicht als unsachliche oder unnötige - und damit sittenwidrige (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 684 Rz 288 zu § 1 dUWG) - Herabsetzung der Klägerin gewertet werden; weder die Überschrift "'Schweinchen' kostet Kronen-Zeitung Millionen" noch die Behauptung, daß die Entgegnung rund die Hälfte einer Ausgabe der Kronen-Zeitung ausmachen würde, läßt die von der Klägerin in erster Instanz geltend gemachte gehässige Tendenz erkennen. Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E20030

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00013.9.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19900130_OGH0002_0040OB00013_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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