Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Meches und Franz Ovesny als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gertraud K***, Angestellte, Wien 12, Tivoligasse 13/6/10, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M*** A*** Gesellschaft mbH, Wien 13, Amalienstraße 59-61, vertreten durch Mag. DDr. Ingeborg Schäfer-Guhswald, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 31.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Oktober 1989, GZ 34 Ra 37/89-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13. Oktober 1988, GZ 11 Cga 1512/88-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.352,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 548,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen der Klägerin und der beklagten Partei wurde mit Wirkung vom 1. Dezember 1980 ein Angestelltenverhältnis begründet. Bei den im März 1987 durchgeführten Betriebsratswahlen wurde die Klägerin zum Mitglied des Betriebsrates gewählt. In der Folge kam es zu Unstimmigkeiten zwischen der Klägerin und der Unternehmensführung. Im Dezember 1987 verständigten die Klägerin, Gerhard W*** und Anton L*** den Bundesminister Alfred D*** von einem zwischen der Geschäftsleitung der beklagten Partei und dem Betriebsrat bestehenden Konflikt. Der Bundesminister versprach darauf in seiner Funktion als Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten zu intervenieren und lud zu diesem Zweck am 11. Jänner 1988 die japanischen Geschäftsführer der beklagten Partei zu einem Gespräch ein. An diesem Tag erschienen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales außer den japanischen Geschäftsführern der österreichische Geschäftsführer Roland S*** sowie Anton L***, die Klägerin und Gerhard W***. Die drei
Geschäftsführer betonten in einem Gespräch mit D***, daß sie an einer gütlichen Einigung interessiert seien. Einzelheiten sollten zwischen Gewerkschaftssekretär L*** und der Beklagtenvertreterin "am grünen Tisch" ausgehandelt werden. Der Bundesminister sagte zu, sich nochmals für eine einvernehmliche Lösung zu verwenden, sofern eine solche bis 15. Februar 1988 nicht zustandekommen sollte. Angesichts der guten Atmosphäre bei dem Gespräch zweifelte niemand daran, daß eine solche Lösung in Aussicht stehe. Da D*** aus früheren Gesprächen bekannt war, daß die Klägerin unter den herrschenden Umständen nicht gerne bei der beklagten Partei arbeitete, machte er von sich aus den Vorschlag, die Klägerin bis zu einer einvernehmlichen Lösung vom Dienst freizustellen. Was sein sollte, wenn keine Lösung gefunden werden sollte, wurde in diesem Zusammenhang nicht erörtert. Die Klägerin erklärte sich gegenüber dem Geschäftsführer Roland S*** mit einer Dienstfreistellung einverstanden. Zwischen der Klägerin und der Geschäftsführung der beklagten Partei kam es sohin zu einer Einigung darüber, daß die Klägerin bis zur sicher scheinenden Bereinigung der Angelegenheit dienstfrei gestellt werde. Die Klägerin machte mit Ausnahme der Äußerung, daß sie unter den herrschenden Verhältnissen froh sei, derzeit nicht mehr in der Firma arbeiten zu müssen und ihrer Dienstfreistellung zustimme, keine weitere Bemerkung. Insbesonders sagte sie nicht, sie wolle nicht mehr bei der beklagten Partei arbeiten. Auch eine weitere Äußerung, die als Ausspruch ihrer eigenen Kündigung aufzufassen gewesen wäre, machte sie nicht. Am 15. Jänner 1988 kam ein Vergleichsgespräch nicht zustande. Mit Schreiben vom 18. Jänner 1988, das der Klägerin am selben Tag zukam, erklärte der österreichische Geschäftsführer der beklagten Partei Roland S*** namens der beklagten Partei "seine Zustimmung zu der von der Klägerin am 11. Jänner 1988 ausgesprochenen Kündigung und dem damit verbundenen Ersuchen um Dienstfreistellung". Die Klägerin ist mittlerweile von der beklagten Partei gekündigt worden. Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß ihr Dienstverhältnis über den 29. Februar 1988 hinaus aufrecht sei. Die Behauptung der beklagten Partei, die Klägerin habe das Dienstverhältnis am 11. Jänner 1988 aufgekündigt und dieses sei daher mit 29. Februar 1988 beendet worden, treffe nicht zu. Eine Kündigungserklärung sei von ihrer Seite nicht erfolgt. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe am 11. Jänner 1988 mit den Worten, sie wolle keinen Tag mehr länger bei der beklagten Partei arbeiten und auch nicht mehr "zu ihr zurückkehren", ihre Kündigung erklärt und sei deshalb sofort dienstfrei gestellt worden. Das Dienstverhältnis sei durch diese Kündigungserklärung mit 29. Februar 1988 beendet worden. Das Erstgericht gab dem Begehren statt. Die Äußerung der Klägerin, sie sei froh, unter den obwaltenden Umständen nicht ins Büro gehen zu müssen, könne im Hinblick auf die Umstände des Gespräches nicht als Kündigungserklärung aufgefaßt werden; es komme her nur ihre Zustimmung zur Dienstfreistellung bis zur gütlichen Regelung zum Ausdruck. Sonstige Erklärungen, die als Kündigung des Dienstverhältnisses durch die Klägerin aufgefaßt werden könnten, habe die Klägerin nicht abgegeben. Der von der beklagten Partei vertretenen Auffassung, das Dienstverhältnis habe mit 29. Februar 1988 geendet, fehle daher die Grundlage. Das Berufungsgericht gab der auf die Berufungsgründe der unrichtigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es erachtete die Beweiswürdigung des Erstgerichtes für unbedenklich und die Tatsachenfeststellungen für zutreffend. Da die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt sei, habe eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung zu entfallen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit, der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an eine der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen; hilfsweise wird ein Abänderungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Vorliegen eines rechtlichen Interesses für eine Feststellungsklage ist keine Prozeßvoraussetzung, sondern nachständiger Rechtsprechung ein Tatbestandselement des Klagsanspruches. Die Klage ist daher abzuweisen, wenn dem Kläger im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung das rechtliche Interesse an der Feststellung des von ihm behaupteten Rechtes fehlt. Die in der Literatur vertretene Auffassung, daß in einem solchen Fall die Klage (mit Beschluß) zurückzuweisen sei, wird von der Rechtsprechung abgelehnt (JBl 1975, 607; 9 Ob A 180, 181/89 ua). Mit den Ausführungen zum Revisionsgrund der Nichtigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mit denen die beklagte Partei ein Fehlen des Feststellungsinteresses behauptet, wird daher kein Nichtigkeitsgrund geltend gemacht, sondern eine Rechtsrüge erhoben. Auch soweit die Klägerin im Rahmen der Ausführungen des Revisionsgrundes der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ausführt, daß die Vorinstanzen im Hinblick auf die Außerstreitstellung über die zwischenzeitige Kündigung des Dienstverhältnisses verpflichtet gewesen wären, zu prüfen, in welchen Zeitpunkt das Dienstverhältnis durch diese (spätere) Kündigung beendet worden sei, weil vom Wegfall des Feststellungsinteresses in diesem Zeitpunkt auszugehen sei, wird weder ein Stoffsammlungsmangel noch eine Aktenwidrigkeit gerügt, sondern ein Feststellungsmangel geltend gemacht, und die Klägerin erstattet in Wahrheit Rechtsausführungen. Sie erachtet das Berufungsverfahren für mangelhaft, weil ausgehend von der von ihr nunmehr vertretenen Ansicht, weitere Tatsachenfeststellungen zu treffen gewesen wären.
Im Berufungsverfahren bekämpfte die beklagte Partei die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes und vertrat die Ansicht, daß aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens festzustellen gewesen wäre, daß die Klägerin bei der Besprechung am 11. Jänner 1988 erklärt habe, sie möchte nicht mehr bei der beklagten Partei arbeiten, sie möchte nicht einmal einen einzigen Tag mehr bei M*** arbeiten.
Das Berufungsgericht erachtete jedoch die Beweiswürdigung des Erstgerichtes für unbedenklich und übernahm dessen Feststellungen. Die Rechtsrüge der Berufung beschränkte sich auf die Ausführung, daß auf der Grundlage der von der beklagten Partei gewünschten Feststellungen das Klagebegehren abzuweisen wäre. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes wurde in keinem Punkt auf der Feststellungsgrundlage des bekämpften Urteiles angefochten. Die Rechtsrüge der Berufung war daher nicht ordnungsgemäß ausgeführt, sodaß das Berufungsgericht zu Recht eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung ablehnte. Hat jedoch die unterlegene Partei ihre Berufung nicht auch auf den Berufungsgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt und diesen gesetzmäßig ausgeführt, so kann die von ihr versäumte Rechtsrüge in der Revision nicht mehr nachgetragen werden (SZ 50/152; EvBl 1951/268). Dem Revisionsgericht ist daher ein Eingehen auf die Revisionsausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung verwehrt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Im Hinblick auf die von der Klägerin vorgenommene Bewertung beträgt die Kostenbemessungsgrundlage (§ 4 RATG iVm § 56 Abs 2 JN) 31.000 S.
Anmerkung
E19857European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00028.9.0131.000Dokumentnummer
JJT_19900131_OGH0002_009OBA00028_9000000_000