TE OGH 1990/1/31 9ObA24/90

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Veröffentlicht am 31.01.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Meches und Franz Ovesny als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Yasar Ö***, Arbeiter, Hohenems, Kaiser-Franz-Josef-Straße 11, vertreten durch Dr.Heinz Klocker, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei C*** Gesellschaft mbH, Hohenems, Schweizerstraße 59, vertreten durch Dr.Kurt Martschitz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 110.000 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17.Oktober 1989, GZ 5 Ra 134/89-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Juni 1989, GZ 33 Cga 6/89-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.999,40 (darin S 1.999,90 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 16.172,20 (darin S 1.028,70 Umsatzsteuer und S 10.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 13.November 1973 bei der Beklagten als Hofarbeiter beschäftigt. Am 18.November 1988 wurde er "wegen wiederholter eigenmächtiger Urlaubsverlängerung" entlassen. Mit der Behauptung, die Entlassung sei nicht gerechtfertigt und überdies verspätet erfolgt, begehrt der Kläger letztlich den der Höhe nach außer Streit stehenden Betrag von S 110.000 brutto sA an Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen und Abfertigung. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Trotz schriftlicher Verwarnung wegen ähnlicher Vorfälle und Disziplinlosigkeiten habe der Kläger den ihm für den Vormittag des 17. November 1988 gewährten Urlaub überzogen und sei erst wieder am nächsten Tag zur Arbeit erschienen. Überdies habe er über den Grund seines ungerechtfertigten Fernbleibens, wie in vorangegangenen Fällen, eine falsche Darstellung gegeben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Während der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte kam es fallweise zu Unregelmäßigkeiten. Der Kläger hielt die Arbeitszeit nicht immer ein und arbeitete etwa ohne Erlaubnis in der Mittagszeit. Es kam auch vor, daß er aufgetragene Arbeiten, die ihm ungelegen waren, erst nach mehrmaliger Aufforderung oder gar nicht verrichtete. So befolgte der Kläger Anfang Februar 1988 die Anordnung seines Vorgesetzten Wolfgang S***, das Chemikalienlager aufzuräumen, nicht. Er erklärte dazu lediglich, die Arbeit, die zu seinem Aufgabenbereich gehörte, nicht zu erbringen. Wegen dieser Weigerung wurde der Kläger vom Personalleiter mit Schreiben vom 9.Februar 1988 unter Androhung der Entlassung im Wiederholungsfall verwarnt.

Am 29. und 30.Juni 1988 hatte der Kläger Urlaub. Er hätte seine Arbeit vereinbarungsgemäß am Freitag, den 1.Juli 1988 wieder antreten müssen. Der Kläger erschien jedoch am Freitag nicht im Betrieb; er gab in der Folge fälschlich an, daß er bei der Rückfahrt von Wien Probleme gehabt habe und erst im Verlauf des Freitags nach Hohenems zurückgekommen sei. Nachträglich stellte sich heraus, daß der Kläger in Wahrheit schon am Donnerstag Vormittag von seiner Reise zurückgekehrt war. Der Personalleiter der Beklagten verwarnte den Kläger mit Schreiben vom 4.Juli 1988 wegen dieser eigenmächtigen Urlaubsverlängerung; er machte ihn ausdrücklich darauf aufmerksam, daß bei einer gleichartigen Übertretung die Entlassung ausgesprochen werde.

Am 7.November 1988 fragte der Kläger gegen ca. 6.30 Uhr seinen Vorgesetzten Wolfgang S***, ob er den Rest des Tages freihaben könne. S*** verneinte, da noch dringende von der Geschäftsleitung angeordnete Arbeiten zu erledigen seien. Der Kläger erlärte, daß er nach Bregenz zur Bank müsse, um Geld abzuholen. Nach längerem Verhandeln gab S*** dem Kläger bis 13.00 Uhr frei. Er wies den Kläger aber ausdrücklich darauf hin, daß er um 13.00 Uhr wieder zur Arbeit erscheinen müsse. Der Kläger war damit einverstanden. Er verließ den Betrieb um 9.00 Uhr, kehrte aber an diesem Tag nicht wieder zurück. Die für ihn vorgesehene Arbeit, das Aufräumen eines Schuppens, für die an diesem Nachmittag ein Stapler zur Verfügung gestanden wäre, unterblieb.

Der Kläger begab sich am Vormittag des 17.November 1988 zu einer Bank in Bregenz, wo er gegen 11.00 Uhr ein Darlehen in Höhe von S 75.000 ausgefolgt erhielt. Hievon wollte er S 60.000 dem in Dornbrin wohnhaften Caver Ö***, bei dem er Schulden hatte, überbringen. Er fuhr nach Dornbirn, doch traf er Ö*** erst um ca. 15.00 Uhr an. Der Kläger hatte mit Ö*** zwar keinen bestimmten Rückzahlungstermin vereinbart, es war aber ausgemacht, daß er die Schuld an dem Tag, an dem er den Kredit bekommt, zurückzahlt. Wäre der Kläger nach dem Verlassen der Bank sofort nach Hohenems zurückgefahren, wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, die Arbeit um 13.00 Uhr wieder aufzunehmen.

Als der Kläger am nächsten Tag zur Arbeit erschien, wurde er von seinem Vorgesetzten zur Rede gestellt. Er erklärte diesem fälschlich, den Kredit erst um 14.00 Uhr erhalten zu haben und aus diesem Grund am Nachmittag nicht mehr zur Arbeit gekommen zu sein. S*** ging mit dem Kläger darauf zum Personalleiter, dem der Kläger dieselbe Auskunft erteilte. Ein Anruf des Personalleiters bei der Bank ergab, daß der Kläger um etwa 10.00 Uhr dort erschienen sei und um 11.00 Uhr den Kreditbetrag erhalten habe. Auch nach Vorhalt dieser Mitteilung der Bank und der Aufforderung, die Wahrheit zu sagen, blieb der Kläger bei seiner ursprünglichen Darstellung. Daraufhin wurde er entlassen.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger einen Entlassungsgrund im Sinne des § 82 lit. f GewO 1859 verwirklicht habe. Er sei schuldhaft und pflichtwidrig nicht mehr zur Arbeit erschienen, ohne dafür einen rechtmäßigen Hinderungsgrund in Anspruch nehmen zu können. Es habe keine Notwendigkeit bestanden, einen Teil des Geldes noch am selben Tag an Ö*** weiterzugeben. Infolge der bereits einschlägigen Verwarnung müsse an das Verhalten des Klägers ein strenger Maßstab angelegt werden. Daran ändere es auch nichts, daß die Entlassung vom Personalleiter vorwiegend deshalb ausgesprochen worden sei, weil ihn der Kläger angelogen habe. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß von einer erheblichen Arbeitsversäumnis nicht gesprochen werden könne. Auch wenn der Kläger einige Arbeitsstunden versäumt habe oder gelegentlich etwas unpünktlich gewesen sei, rechtfertige dies nicht seine Entlassung. Es sei lediglich das Aufräumen eines Schuppens, das für diesen Nachmittag vorgesehen gewesen sei, unterblieben. Der Umstand, daß für diese Arbeit ein Stapler eingeplant gewesen sei, habe die unterlassene Arbeitsleistung noch nicht dringlich gemacht. Es fehle daher auf Seiten der Beklagten an dem wesentlichen Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist unter unbefugtem Verlassen der Arbeit im Sinne des § 82 lit. f erster Tatbestand GewO 1859 jede mit der Verpflichtung des Arbeitnehmers, die vereinbarte oder ortsübliche Arbeitszeit einzuhalten, unvereinbare absichtliche Unterlassung oder ein länger dauerndes Aufgeben der Arbeit anzusehen. Das Versäumnis muß pflichtwidrig, erheblich und schuldhaft sein und überdies eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes entbehren. Erheblich ist das Dienstversäumnis insbesondere dann, wenn ihm nach Dauer der versäumten Arbeitszeit, nach Maßgabe der Dringlichkeit der zu verrichtenden Arbeit oder wegen des Ausmaßes des zufolge des Versäumnisses nicht erzielten Arbeitserfolges oder sonstige durch sie eingetretene betriebliche Nachteile besondere Bedeutung zukommt; dabei ist stets auf die Umstände des konkreten Falls abzustellen (Kuderna, Das Entlassungsrecht 66 ff; Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 305; Arb. 10.427, 10.449, 10.714 uva).

Es mag sein, daß die Tätigkeit des Klägers als Hofarbeiter für die Beklagte insgesamt nicht von so großer Bedeutung war, daß seine Abwesenheit eine Beeinträchtigung des Betriebs zur Folge gehabt hätte. Im Rahmen seiner Arbeitspflichten kam aber dem Ausfall seiner Arbeitskraft für einige Stunden immerhin die Bedeutung zu, daß der von ihm zu erwartende Arbeitserfolg zur Gänze ausgeblieben ist; der Schuppen wurde nicht aufgeräumt und das Staplerfahrzeug stand ungenützt. Der Kläger kann daher nicht für sich ins Treffen führen, daß der Arbeitsausfall unerheblich gewesen sei. Dazu kommt der den Feststellungen zu entnehmende Hang des Klägers zu eigenmächtigem Vorgehen und die durch hartnäckiges Leugnen manifestierte Uneinsichtigkeit. Der Kläger wurde wenige Monate vor diesem Vorfall bereits wegen einer eigenmächtigen Verlängerung des Urlaubs um einen Tag verwarnt und ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß bei einer gleichartigen Übertretung die Entlassung ausgesprochen werde. Die Beklagte ließ ihn somit über die Folgen eines weiteren eigenmächtigen Vorgehens nicht im unklaren.

Auf das Vorliegen eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes hat sich der Kläger gar nicht berufen, zumal er in der Klage vorbrachte, S***, der zugleich Vorsitzender des Betriebsrates war, habe ihm erklärt, daß es nichts mache, wenn er am Nachmittag nicht erscheine. Soweit er bereits am Morgen des 7.November 1988 vorhatte, vorerst mit der Bahn noch von Bregenz nach Dornbirn zu fahren, um dort einen Bekannten aufzusuchen, konnte er von vorneherein nicht damit rechnen, rechtzeitig nach Hohenems zurückzukommen. Dies entspricht auch seiner Aussage als Partei, daß er ohnehin den ganzen Tag freibekommen habe; ansonsten hätte er ohne weiteres um 13.00 Uhr die Arbeit wieder aufnehmen können. Die Mutmaßungen des Berufungsgerichtes, der Kläger habe die Arbeit nur aus einem Bedürfnis heraus, einen großen Geldbetrag nicht lange herumtragen zu müssen, versäumt, entsprechen nicht den Verfahrensergebnissen. Da die Entlassung des Klägers gerechtfertigt war, stehen ihm die geltend gemachten entlassungsabhängigen Ansprüche nicht zu. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E19862

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00024.9.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19900131_OGH0002_009OBA00024_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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