TE OGH 1990/1/31 9ObA313/89

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Veröffentlicht am 31.01.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Meches und Franz Ovesny als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Josef M***, Chemiker, Messern, Poigern 56, vertreten durch Dr.Gustav Teicht, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** T*** AG, vormals Ö*** T***, Wien

9, Porzellangasse 51, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien und Dr.Walter Schuppich ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Juni 1989, GZ 31 Ra 21/89-96, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 4.Mai 1988, GZ 6 Cga 2/86-87, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 17.317,80 (darin S 2.886,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, mit dem lediglich nicht rechtserhebliche Feststellungsmängel geltend gemacht werden, liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO). Im übrigen hat das Berufungsgericht die allein entscheidende Frage, ob der Kläger im Sinne der §§ 29 und 30 der Arbeitsordnung für die Angestellten der A*** T*** AG (kurz Arbeitsordnung) wirksam gekündigt wurde, zutreffend gelöst. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist zur Rechtsrüge der Beklagten auszuführen, daß sie in den wesentlichen Punkten nicht von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen ausgeht, wonach es ihr nicht gelungen ist, auch nur einen einzigen der gegen den Kläger erhobenen und eine Kündigung rechtfertigenden Vorwürfe zu beweisen. So hat sich insbesondere der zunächst erhobene schwerwiegende Vorwurf, der Kläger habe vom Lieferanten K*** jährlich zwischen S 150.000 und S 200.000 an "Provisionen" erhalten, sowohl in einem Strafverfahren als auch in diesem Verfahren als völlig haltlos erwiesen. Dem Standpunkt der Revisionswerberin, der subjektive Verdacht der Untreue genüge und es komme auf die letztliche Rehabilitierung des Arbeitnehmers nicht an, kann nicht beigepflichtet werden. Insoferne trug die Beklagte vielmehr das Risiko der Wirksamkeit ihrer Kündigung. Der Kläger kannte den Lieferanten K*** seit dem Jahre 1949. Sie waren seit 1966 Hausnachbarn und als Mitglieder einer Wassergenossenschaft am Bau einer Wasserleitung beteiligt. Im Zusammenhang mit dieser Wassergenossenschaft und als Beitrag für diese stellte K*** dem Kläger öfters einen VW-Bus zur Verfügung. Beide verbrachten im Jahr 1967 oder 1968 mit ihren Familien eine Urlaubswoche in der Schweiz, wo jeder sein Quartier selbst bezahlte. Lediglich einmal lud K*** den Kläger mit Gattin anläßlich einer Familienfeier dort zum Abendessen ein. Zwei bis drei Mal benützte der Kläger ein Haus K*** an der Alten Donau in der Dauer von jeweils 14 Tagen unentgeltlich; er pflegte jedoch den Garten und Rasen; seine Gattin nähte Überzüge und Vorhänge. Die Benützung lag im Interesse beider Teile, zumal K*** während seiner Abwesenheit jemanden im Haus haben wollte, um Einbrüchen vorzubeugen. Zwischen dem Kläger und K*** bestand ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis. Dazu stellten die Vorinstanzen noch ausdrücklich fest, daß keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür hervorgekommen seien, daß der Kläger, der keinen Einfluß auf die Preisgestaltung und auf die Durchführung der Bestellung selbst hatte, K***-Produkte ohne sachliche Rechtfertigung bevorzugt hätte. Er ist bei der Begutachtung und Prüfung von Aroma- und Zusatzstoffen nicht willkürlich und unsachlich vorgegangen und hat K*** aus diesen Gründen nicht bevorzugt. Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß der Kläger durch dieses Verhalten, obgleich er der Beklagten seine privaten Kontakte zu K*** verschwieg, weder den Kündigungsgrund nach § 29 Abs. 3 lit. b Arbeitsordnung noch den ebenfalls als Kündigungsgrund vorgesehenen Entlassungsgrund nach den §§ 29 Abs. 3 lit. a, 30 Arbeitsordnung iVm § 27 Z 1 AngG verwirklichte. Der Kläger verstieß insbesondere nicht gegen § 12 Arbeitsordnung, da diese Bestimmung nur die Annahme von Geschenken oder sonstigen Vorteilen im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit verbietet, die Vorinstanzen aber einen solchen mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang ausschlossen. Daß der Kläger seine nachbarschaftlichen Beziehungen zu K*** trotz Befragens verheimlicht hätte, wurde nicht festgestellt. Die diesbezüglichen, eine in dritter Instanz unzulässige Beweisrüge enthaltenden Einwände der Revisionswerberin gehen nicht vom maßgeblichen Sachverhalt aus. Um so weniger kann die Kündigung durch die fachliche Tätigkeit des Klägers begründet werden. Soweit die Revisionswerberin ihre bereits im Berufungsverfahren vorgetragenen Einwände gegen die Empfehlung des (teureren) Digenol B wiederholt, ist ihr vorerst entgegenzuhalten, daß dieses Zusatzmittel nicht von K***, sondern von der F*** H*** AG geliefert wurde und bereits vom Vorgänger des Klägers eingeführt worden war. Dieses Mittel war von der Universität Münster geprüft und für den Einsatz in der Tabakindustrie als geeignet befunden worden. Immerhin gab es während der Verwendung von Digenol B keinen Schimmelbefall in der Produktion, der aber sowohl vorher als auch nachher aufgetreten war. Soweit der Kläger, der keine Ausbildung in Mikrobiologie erhalten hat und in den Räumen der Beklagten auch nicht über die Möglichkeit der mikrobiologischen Austestung von Substanzen verfügte, angesichts der bewährten Wirkung des Mittels keine Untersuchung über die fungizide Wirkung der im Digenol B enthaltenen Sorbinsäure anstellte oder anstellen ließ, kann ihm dies nicht zum Vorwurf gereichen. Die in der Revision aufgestellte Behauptung, er hätte entgegen den Angaben des Herstellerwerks wissen müssen, daß Digenol B keine fungizide Wirkung habe, sind in den Feststellungen nicht begründet. Einer Einholung eines Sachverständigengutachtens dafür, daß der Kläger durch die Verwendung des Mittels seine Dienstpflicht beharrlich verletzt hätte, bedurfte es insoweit nicht. Es mag sein, daß es Ziel der Geschäftsleitung der Beklagten war, die deutschen Tabakverordnungen auch in Österreich anzuwenden. Es gab jedoch keine diesbezüglichen Weisungen, insbesondere nicht an den Kläger. Dieser nahm auf diese Verordnungen zwar hinsichtlich der ATW München Bedacht, hielt sich jedoch hinsichtlich der inländischen Produktion nur an solche Bestimmungen, die ihm medizinisch gesichert schienen. Wie die Revisionswerberin selbst einräumt, fehlen in Österreich entsprechende gesetzliche Vorschriften für die Herstellung von Tabakwaren. Hätte die Beklagte die Einhaltung der ausländischen Vorschriften erreichen wollen, hätte sie nur eine entsprechende Anordnung zu treffen gehabt. Mangels einer solchen kann sie keine Dienstpflichtverletzung durch den Kläger ins Treffen führen. Daß die Geschäftsleitung der Beklagten auf die Einhaltung der deutschen Tabakverordnuneng "bestanden" hätte, ist ebensowenig festgestellt, wie der behauptete Umstand, daß der Kläger der "Adressat eines ungeschriebenen Gesetzes" gewesen wäre. Schließlich versagt auch die Rüge, die Vorinstanzen hätten dem Feststellungsbegehren mit einem anderen als dem begehrten Inhalt stattgegeben. Der Kläger hat sein Feststellungsbegehren bereits mit Schriftsatz vom 11.März 1983 (Band I S. 27) berichtigt. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet. Für eine ohne näheren Hinweis begehrte Erhöhung der Entlohnung für die Revisionsbeantwortung im Sinne des § 21 Abs. 1 RATG besteht keine Berechtigung.

Anmerkung

E19853

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00313.89.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19900131_OGH0002_009OBA00313_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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