TE OGH 1990/1/31 9ObA352/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Meches und Franz Ovesny als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ursula S***, Angestellte, Graz, Krottendorfer Straße 90/7, vertreten durch Dr.Gunther Gahleithner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Günter S***, Facharzt für interne Medizin, Graz, Wachtelgasse 22, vertreten durch Dr.Alfred Lind und Dr.Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen 86.850 S brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.September 1989, GZ 7 Ra 75/89-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12.Mai 1989, GZ 36 Cga 90/89-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.629,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 771,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind seit 15.Mai 1971 miteinander verheiratet. Die Klägerin war beim Beklagten - er ist Facharzt für interne Medizin - in dessen Ordinantion vom Jänner 1977 bis 14.Februar 1989 als Ordinationshilfe beschäftigt. Sie arbeitete von Mittwoch bis Freitag von 15.00 Uhr bis 20.00 Uhr in der Ordination und überdies am Mittwoch von 8.00 Uhr bis 12.30 Uhr im Labor. Die Klägerin unterhielt seit einiger Zeit ein intimes Verhältnis mit Helmut S***; sie kaufte in diesem Zusammenhang im Jahre 1986 eine Eigentumswohnung in Graz. Der Beklagte, der schon seit längerer Zeit das Verhältnis ahnte, erhielt am 10.Jänner 1989 einen konkreten Hinweis und beauftragte daraufhin ein Detektivbüro mit Nachforschungen. Am 10.Februar 1989 erhielt er den Detektivbericht. Am 11.Februar 1989 teilte er der Klägerin mit, daß sie ab 15.Februar 1989 nicht mehr (zur Arbeit) kommen solle. Den Patienten des Beklagten hatte die Klägerin schon seit längerem von den seit etwa sechs Jahren bestehenden privaten Spannungen mit dem Beklagten erzählt und ließ durchblicken, daß sie der Beklagte unterdrücke und tyrannisiere. Davon erfuhr der Beklagte bereits im Herbst 1988. In den letzten beiden Jahren führte die Klägerin trotz mehrmaliger Aufforderung kein Laborbuch mehr. Auch der Beklagte unterhält seit Herbst 1988 ein Verhältnis mit Barbara B***.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten insgesamt 86.850 S brutto sA an entlassungsabhängigen Ansprüchen (Kündigungsentschädigung, anteilige Sonderzahlungen und Abfertigung). Ein Entlassungsgrund liege nicht vor.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Grundlage des Arbeitsverhältnisses sei ein entsprechendes Verhalten der Klägerin auch als Ehefrau gewesen. Durch das ehebrecherische Verhältnis, das die Klägerin erst nach Vorhalt des Detektivberichtes zugegeben habe, sei der Anstellung der Klägerin die Basis entzogen worden. Die Entlassung sei aber auch gerechtfertigt, weil die Klägerin versucht habe, den Beklagten vor Patienten schlecht zu machen und schlampig gearbeitet habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß das Arbeitsverhältnis mit fester Dienstzeit, bestimmtem Dienstort und Weisungsgebundenheit nicht vom aufrechten Bestand der Ehe und der Erfüllung der damit verbundenen Pflichten abhängig gewesen sei. Überdies sei die Entlassung verspätet ausgesprochen worden, weil der Beklagte schon am 10.Jänner 1989 vom Verhältnis der Klägerin erfahren habe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsauffassung, daß hier anders als in dem der Entscheidung ZAS 1981/1 = Arb. 9.631 zugrundeliegenden Fall die familienrechtlichen und arbeitsrechtlichen Beziehungen nicht so eng miteinander verknüpft seien, daß die Verletzung der ehelichen Treuepflicht die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt habe. Die Klägerin sei in der Ordination und im Labor nach den Weisungen und unter der Aufsicht des Beklagten unter Einhaltung bestimmter Dienstzeiten tätig gewesen und habe nicht erklärt, dieses Arbeitsverhältnis nicht mehr in der bisherigen Form fortzsetzen zu wollen. Darüber hinaus sei in den letzten Jahren zwischen den Ehegatten eine Entfremdung eingetreten und habe der Beklagte auch selbst längere Zeit vor der Entlassung der Klägerin ehewidrige Beziehungen aufgenommen. Die übrigen Verfehlungen der Klägerin seien dem Beklagten schon seit längerer Zeit bekannt gewesen, ohne daß er die Konsequenzen gezogen habe. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung ZAS 1981/1 = Arb. 9.631 hervorhob, setzte die Zusammenarbeit der Prozeßparteien gerade in der vereinbarten Form, die der besonderen Stellung der Klägerin als Ehefrau des Beklagten Rechnung trug und ihr große Freiheiten innerhalb des Arbeitsverhältnisses ließ, ein besonderes Vertrauen voraus, das in der enstandenen Lage weggefallen war. Auch Hoyer wies in seiner Entscheidungsbesprechung ZAS 1981, 18, darauf hin, daß in diesem besonderen Fall die Klägerin als Arbeitnehmerin einen Teil der Freiheiten eines Unternehmers (Mitgesellschafters) gehabt habe, insbesondere hinsichtlich der Bestimmung der Arbeitszeit; dies habe auf der besonderen, außerhalb der arbeitsrechtlichen Beziehung begründeten Vertrauensbasis beruht. Davon abgesehen kam die Klägerin wegen der ehewidrigen Beziehungen ihrer Arbeitspflicht nicht nach. Das gegenständliche Arbeitsverhältnis war hingegen nicht vom familienrechtlichen Naheverhältnis zwischen den Ehegatten und dem daraus resultierenden besonderen Vertrauen geprägt und unterschied sich in seiner Gestaltung (feste Arbeitszeit, bestimmte unter der Aufsicht und nach den Weisungen des Arbeitgebers zu verrichtende Tätigkeiten) nicht vom Arbeitsverhältnis mit einer familienfremden Arbeitnehmerin. Bei dieser Sachlage kann eine Zerrüttung der familienrechtlichen Beziehungen für sich allein eine fristlose Entlassung der Arbeitnehmerin nicht rechtfertigen; erst wenn zu befürchten ist, daß durch das (außerdienstliche) Verhalten der Arbeitnehmerin auch betriebliche Interessen ernsthaft gefährdet werden, ist der Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht (vgl Holzer, Zivilrechtliche Konsequenzen der Angehörigenmitarbeit, in Ruppe, Handbuch der Familienverträge, 159 ff [189]; Kramer, Arbeitsvertragsrechtliche Verbindlichkeiten neben Lohnzahlung und Dienstleistung, 41 und 107; Schwarz-Holzer, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und ihre künftige Gestaltung, 50 f). Eine derartige ernstliche Gefährdung betrieblicher Interessen, die dem Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist unzumutbar gemacht hätte (vgl. Kuderna, Entlassungsrecht 37 f), lag hier, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht vor. Daß die zwei Jahre hindurch andauernden Unterlassungen bezüglich des Laborbuches durch die Eheverfehlungen der Klägerin veranlaßt worden wären, wurde weder behauptet noch bewiesen; darüber hinaus hat der Beklagte durch Weiterbeschäftigung der Klägerin in Kenntnis dieser von ihm hingenommenen Unterlassungen sein allfälliges Entlassungsrecht (für die bisherigen Pflichtwidrigkeiten verloren). Auch der Umstand, daß die Klägerin Patienten über ihre privaten Probleme mit dem Beklagten erzählte, war dem Beklagten seit längerer Zeit bekannt, ohne daß er dies zum Anlaß einer Entlassung genommen hätte. Daß deswegen eine ernstliche Gefährdung betrieblicher Interessen zu befürchten gewesen wäre, ist nicht ohne weiteres zu unterstellen, sodaß auch bei Annahme eines - im übrigen vom Beklagten im Verfahren erster Instanz gar nicht

behaupteten - Zusammenhanges zwischen den ehewidrigen Beziehungen der Klägerin und ihren Äußerungen über Eheprobleme mit dem Beklagten dieser Sachverhalt insgesamt eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Kündigungsfrist nicht unzumutbar gemacht hätte.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E19851

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00352.89.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19900131_OGH0002_009OBA00352_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten