TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/22 2005/03/0112

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.2005
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

TKG 2003 §1 Abs2;
TKG 2003 §133 Abs7;
TKG 2003 §37 Abs2;
TKG 2003 §40 Abs1;
TKG 2003 §43 Abs1 Z2;
TKG 2003 §43 Abs2;
TKG 2003 §43 Abs3;
TKMV 2003 §1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der Telekom Austria AG in Wien, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 21. Februar 2005, Zl M 4/03-59, betreffend Feststellung beträchtlicher Marktmacht und Auferlegung spezifischer Verpflichtungen nach dem TKG 2003, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 37 Abs 2 erster Satz TKG 2003 festgestellt, dass die Beschwerdeführerin auf dem Markt für Inlandsgespräche für Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt) gemäß § 1 Z 4 der Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 (TKMVO 2003) über beträchtliche Marktmacht verfügt (Spruchpunkt 1.). Mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wurden der Beschwerdeführerin folgende spezifische Verpflichtungen auferlegt:

"2.1. Die Telekom Austria AG hat gemäß § 43 Abs. 1 iVm Abs. 2 iVm Abs. 3 TKG 2003 ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen inklusive Dienstebeschreibungen sowie ihre Endkundenentgelte, ausgenommen Aktionsangebote bis zu einer Dauer von drei Monaten, der Regulierungsbehörde vorab zur Genehmigung vorzulegen. Die Endkundenentgelte müssen dem Maßstab der Kostenorientierung entsprechen.

Von der Kostenorientierung sind folgende Verbindungsentgelte umfasst:

a)

Tarife für Gespräche zu allen Inlandszonen,

b)

Tarife für Gespräche in nationale Mobilnetze,

c)

Tarife für Rufe in den Nummernbereich 07xx,

d)

Tarife für Rufe zu privaten Netzen in den Nummernbereich 05xx,

              e)              Tarife für Gespräche innerhalb VPNs, sondern die Kommunikation über Netzabschlusspunkte des öffentlichen Telefonnetzes erfolgt,

              f)              Verbindungsnetzbetrieb durch Telekom Austria AG ('Dial 1001') betreffend die genannten Verbindungsprodukte gemäß a) - e),

              g)              Rabatte betreffend a) - f).

2.2. Die Telekom Austria AG hat gemäß § 40 Abs. 1 TKG 2003 zur Verhinderung unerlaubter Quersubventionierung erstmals bezogen auf das Jahr 2004 ihre Kosten und Erträge auf dem vorliegenden Markt getrennt von den übrigen von ihr angebotenen Produkten und zumindest gegliedert nach den Märkten der Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 in einem Kostenrechnungssystem aufzuschlüsseln ('getrennte Buchführung'). In diesem Zusammenhang sind entsprechend den Anforderungen der Regulierungsbehörde zumindest folgende Informationen bereitzustellen:

-

Erträge,

-

Kosten (unterscheidbar nach Personalkosten, Kosten für Abschreibungen von Anlagegütern, Kapitalkosten und sonstigen Kosten),

-

detaillierter Anlagenspiegel des Unternehmens, Personalkennzahlen, Kostentreiber wie insbesondere die Verkehrsmengen und sonstige für die Überprüfung der Kostenrechnung notwendigen Informationen."

Mit Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides wurden sämtliche auf Grund der festgestellten marktbeherrschenden Stellung nach § 33 TKG 1997 iVm § 133 Abs 7 TKG 2003 bis zur Rechtskraft des angefochtenen Bescheides geltenden Verpflichtungen der Beschwerdeführerin "in Bezug auf die Leistungen hinsichtlich des Spruchpunktes 2.1." gemäß § 37 Abs 2 zweiter Satz TKG 2003 aufgehoben.

              2.              Als Ergebnis der Wettbewerbsanalyse am gegenständlichen Markt stellt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (zusammenfassend) fest, dass die Beschwerdeführerin insbesondere auf Grund der spezifischen Marktstrukturmerkmale, mit nach wie vor signifikanten und stabil bleibenden Umsatzmarktanteilen von über 60 %, sowie der generell auch bei Inlandsgesprächen nicht vernachlässigbaren Marktbarrieren, wie über einen langen Zeitraum existierenden Vertragsverhältnissen von Kunden der Beschwerdeführerin und der damit verbundenen entsprechenden Loyalität sowie dem hohen Bekanntheitsgrad des ehemaligen Monopolisten, der für alternative Wettbewerber nicht oder nur schwer erreichbar sei, über signifikante Marktmacht verfüge.

Im Hinblick auf die Auswahl und Bewertung der Regulierungsinstrumente für den gegenständlichen Markt stellt die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass die Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene trotz bestehender Verpflichtung zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl nicht ausreichten, um die festgestellten Wettbewerbsprobleme (Gefahr der Kampfpreise in Verbindung mit Marktmachtübertragung durch Produktbündelung) zu beheben, da gegenwärtig kein vom Markt angenommenes Resale-Angebot existiere und sich auch aus derzeitiger Sicht innerhalb des relevanten Zeitraums von ca zwei Jahren an den festgestellten Wettbewerbsbedingungen nichts Gravierendes ändern werde. Für die preislichen Wettbewerbsprobleme würden sich die Verpflichtungen nach § 43 Abs 2 und 3 TKG 2003 aus ökonomischer Sicht insoferne eignen, als das Unternehmen Kampfpreise zu unterlassen habe und Endnutzer nicht unangemessen bevorzugen dürfe.

              3.              In der rechtlichen Beurteilung setzt sich die belangte Behörde unter Darlegung der angewendeten Rechtsvorschriften und unter Bezugnahme auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren mit der Frage des Bestehens beträchtlicher Marktmacht der Beschwerdeführerin auf dem gegenständlichen Markt auseinander und kommt zusammenfassend zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin als Unternehmen mit alleiniger beträchtlicher Marktmacht im Sinne des § 37 Abs 2 iVm § 35 Abs 1 und 2 TKG 2003 einzustufen sei. Auf dem gegenständlichen Markt bestehe das Wettbewerbsproblem der Marktmachtübertragung durch Produktbündelung mit dem Grundentgelt sowie mit Produkten, die außerhalb der Märkte der TKMVO 2003 lägen.

Zur Auswahl der Regulierungsinstrumente führt die belangte Behörde aus, dass es sich dabei um komplementäre und nicht alternative Instrumente handle. Jedes für sich diene der Begegnung bestimmter Teilprobleme im Zusammenhang mit den identifizierten Wettbewerbsproblemen. Nur bei Einsatz aller Instrumente sei sichergestellt, dass den Auswirkungen der identifizierten Wettbewerbsprobleme tatsächlich begegnet werden könne.

In § 43 TKG 2003 komme der Grundsatz des Vorrangs der Regulierung auf Vorleistungsebene zum Ausdruck. Nur wenn die Regulierungsbehörde gemäß § 43 Abs 1 Z 1 TKG 2003 festgestellt habe, dass das betreffende Unternehmen auf dem gegenständlichen Markt über beträchtliche Marktmacht verfüge und gemäß Z 2 leg lit spezifische Verpflichtungen nach den §§ 38 bis 42 oder 46 nicht zur Erreichung der in § 1 Abs 2 TKG 2003 vorgegebenen Regulierungsziele führen würden, seien auf Endkundenmarktebene ex ante-Regulierungsinstrumente aufzuerlegen.

Trotz bestehender Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl bestehe auf dem gegenständlichen Markt das Wettbewerbsproblem der Kampfpreise durch Rabattgewährung in Verbindung mit dem Bestehen von Markteintrittsbarrieren weiter. Nach Ansicht der belangten Behörde bestehe für die Beschwerdeführerin gegebenenfalls die Möglichkeit, einzelne Anschlussprodukte und Verbindungsprodukte in einer Weise zu bündeln, sodass eine Replizierbarkeit seitens anderer Anbieter auf Basis der bestehenden Vorleistungsprodukte nicht möglich sei. Daher seien die auf dem komplementären Zugangsmarkt auferlegten Verpflichtungen zur Verbindungsnetzbetreiber(vor)auswahl und zum Wiederverkauf der Teilnehmeranschlussleistung nicht alleine zur effektiven Begegnung der festgestellten Wettbewerbsprobleme geeignet.

Dem Wettbewerbsproblem der Kampfpreise könne nur mit kostenorientierten Preisen in Form einer ex ante Entgeltgenehmigung effizient begegnet werden. Eine "Price Cap"- Regulierung sei für die Verbindungsmärkte kein geeignetes Instrument, dem Wettbewerbsproblem, das primär nicht in überhöhten Preisen, sondern in der Möglichkeit zu Margin Squeeze durch Kampfpreise bei entsprechender Produktbündelung bestehe, zu begegnen.

Ergänzend zu den Maßnahmen der Entgeltregulierung bestehe weiters die Notwendigkeit einer getrennten Buchführung, da diese die Basis für eine rasche Überprüfung der Entgelte schaffe und auch Produktbündelung als (potenzielles) Wettbewerbsproblem identifiziert worden sei.

Da die Regulierungsinstrumente auf Vorleistungsebene innerhalb des relevanten Zeitraums von ca zwei Jahren nicht alleine dazu beitragen könnten, den festgestellten Wettbewerbsproblemen zu begegnen, seien die genannten Regulierungsinstrumente auf dem gegenständlichen Verbindungsmarkt notwendig, geeignet sowie das gelindeste - weil einzig effektive - Mittel, um die Ziele der Regulierung, das seien der Schutz der Konsumenten vor dem Missbrauch von Marktmacht, die Verhinderung von Marktmachtübertragung und die Förderung von Markteintritten und des Wettbewerbs, zu fördern. Die Auferlegung der Verpflichtung zur ex ante-Entgeltkontrolle erscheine ferner auch vor dem Hintergrund der bereits auf Grund des ONP-Rechtsrahmens bestehenden Verpflichtung zur ex ante-Entgeltkontrolle und der getrennten Buchführung als verhältnismäßig.

              4.              Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hat auf die Gegenschrift repliziert.

              5.              Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der vorliegende Beschwerdefall ist in den wesentlichen Rechtsfragen jenem vergleichbar, der dem hg Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl 2005/03/0109, zu Grunde lag. Mit diesem Erkenntnis wurde ein ebenfalls die Beschwerdeführerin betreffender Bescheid der belangten Behörde betreffend die Feststellung beträchtlicher Marktmacht und Auferlegung spezifischer Verpflichtungen nach dem TKG 2003 auf dem Markt für Auslandsgespräche für Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt) gemäß § 1 Z 6 der Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 (TKMVO 2003) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der vorliegend angefochtene Bescheid betrifft die Feststellung beträchtlicher Marktmacht und Auferlegung spezifischer Verpflichtungen nach dem TKG 2003 auf dem Markt für Inlandsgespräche für Nichtprivatkunden über das öffentliche Telefonnetz an festen Standorten (Endkundenmarkt) gemäß § 1 Z 4 der Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 (TKMVO 2003), wobei die Beschwerdeführerin auch auf diesem Markt einen Marktanteil in ähnlicher Höhe wie auf dem Markt für Auslandsgespräche für Nichtprivatkunden - rund 60 % - aufweist.

Auch im vorliegend angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde bei der nach § 43 Abs 1 Z 2 TKG 2003 vorzunehmenden Beurteilung, dass die dort genannten spezifischen Verpflichtungen nicht zur Erreichung der in § 1 Abs 2 TKG 2003 vorgegebenen Ziele führen würden, nicht alle der Beschwerdeführerin auferlegten oder aufzuerlegenden spezifischen Verpflichtungen nach den §§ 38 bis 42 TKG 2003 und deren Auswirkungen auf die Erforderlichkeit von Regulierungsmaßnahmen nach § 43 Abs 2 und 3 TKG 2003 berücksichtigt und den angefochtenen Bescheid damit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (auf die näheren Entscheidungsgründe im hg Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl 2005/03/0109, wird gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs 1 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 22. November 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005030112.X00

Im RIS seit

25.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten