TE OGH 1990/2/1 12Os167/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.02.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Februar 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roman R*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.Oktober 1989, GZ 3 c Vr 12048/88-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

1. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen der Vergehen nach § 198 Abs. 1 StGB (2) und nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG (3) sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

2. Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie die von der Maßnahme nach § 290 Abs. 1 StPO erfaßten Schuldsprüche (2 und 3) betrifft, sowie mit seiner Berufung auf die obige Entscheidung verwiesen.

3. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zurückgewiesen.

4. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der 37jährige Roman R*** wurde (zu 1) des Verbrechens des (schweren) Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB, (zu 2) des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB und (zu 3) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 (vierter Fall) SuchtgiftG schuldig erkannt. Darnach hat er - zusammengefaßt wiedergegeben - am 24.Mai 1988 nach gewaltsamer Öffnung der Eingangstür aus der Wohnung des Univ.Doz. Dr. Stanislav S*** Bargeld und Wertgegenstände in einem 25.000 S übersteigenden Wert gestohlen (1), in im Urteil näher bezeichneten Zeiträumen seine Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn Harald R*** gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß dessen Unterhalt ohne Hilfe von dritter Seite gefährdet gewesen wäre (2) und schließlich zwischen Anfang März und Ende Mai 1989 durch wiederholten Erwerb von Paracodein (richtig: Paracodin)-Tabletten sowie geringer Mengen Haschisch Suchtgifte erworben (3). Die vom Angeklagten gegen das Hauptfaktum (1) aus § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl. Weshalb es von Bedeutung sein sollte, daß das Einbruchswerkzeug (ein Schraubenzieher) von Cornelia S*** erst am 30.Mai 1988 (also rund eine Woche nach der Tat) am Tatort gefunden wurde, wird in der Mängelrüge nicht schlüssig dargetan und kann auch aus den Akten nicht ersehen werden. Die vom Beschwerdeführer angestellten Überlegungen über das "Legen einer Spur" sind rein hypothetischer Natur und im Nichtigkeitsverfahren ohne Belang. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, es sei nicht geklärt worden, wie es dazu kam, daß eine aufgebrochene Kassette in der Wohnung (der Mutter) des Angeklagten gefunden wurde, die Spuren vom Einbruchswerkzeug aus der Wohnung S*** aufwies, geht gleichfalls ins Leere, weil darauf bezügliche Beweisanträge in der Hauptverhandlung - abgesehen von demjenigen auf Beischaffung und Verlesung eines Strafaktes, dem ohnehin entsprochen wurde - nicht gestellt wurden und die Bewertung der Tatsache des Vorhandenseins der fraglichen Kassette im Zusammenhalt mit dem am Tatort vorgefundenen Schraubenzieher einen Akt der (unbedenklichen, weil schlüssigen) Beweiswürdigung darstellt, auf den im Nichtigkeitsverfahren im Detail nicht einzugehen ist. Das Gleiche gilt von den im Rechtsmittel angestellten Mutmaßungen darüber, daß der Beschwerdeführer - wäre er der Täter gewesen - als Süchtiger gewiß den Giftschrank aufgebrochen hätte, um sich Drogen zu verschaffen und daß er infolge des ihm zur Verfügung gestandenen längeren Zeitraumes gewiß auch die in der Wohnung befindlichen Golddukaten und die freiliegende zweite Uhr mitgenommen hätte. Nach dem Gesagten war mithin die das Diebstahlsfaktum (1) betreffende Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Sitzung sofort zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

In Ansehung der beiden weiteren Schuldsprüche (2 und 3) erübrigte sich eine Befassung mit der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, weil diese mit vom Beschwerdeführer zwar nicht geltend gemachter, jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmender materieller Nichtigkeit (Z 9 lit a) behaftet sind:

Der Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB (2) stützt sich darauf, daß der Angeklagte in der Zeit vom 11. Jänner 1988 bis 20.November 1988, vom 3.März 1989 bis 19. April 1989 und vom 20.April 1989 bis 5.Juni 1989 für seinen (ehelichen) Sohn Harald keine Unterhaltszahlungen leistete, nicht als arbeitslos gemeldet war und keiner Beschäftigung nachging, obwohl er - abgesehen von den Zeiten seiner Haft vom (lt Ersturteil) 20. November 1988 bis 3.März 1989 (siehe indes das Vollzugsdatum zu Punkt 14 der Strafregisterauskunft in ON 36 sowie S 119 in 3 U 1173/85 des Strafbezirksgerichtes Wien im Hinblick auf eine allenfalls anschließende Polizeihaft!) und vom 19.April 1989 bis 20. April 1989 - "jedenfalls" zu leichten Arbeiten in der Lage gewesen wäre (S 230). Ob der Angeklagte, der angesichts seiner Betreuung im Methadon-Programm (S 205) und seiner Konstitution "jedenfalls" (siehe aber die Ausführungen des gerichtsärztlichen Sachverständigen S 206: "vermutlich nur") leichte Arbeiten zu leisten vermag, überhaupt auf einen entsprechenden Arbeitsplatz zu vermitteln gewesen wäre (siehe SSt 46/29), wurde vom Erstgericht allerdings nicht festgestellt. Zudem würde (erst) bei Bejahung der Vermittelbarkeit des Angeklagten die in der Nichtigkeitsbeschwerde aufgeworfene Frage aktuell, ob und in welcher Dauer ihm ein Zeitraum für die Arbeitssuche nach der Entlassung jedenfalls aus der einen, ins Gewicht fallenden Strafhaft (siehe oben) zuzubilligen wäre (siehe Entscheidungsgruppe 48 a zu § 198 StGB in Mayerhofer-Rieder2). Bei nicht nachgewiesener Vermittelbarkeit bliebe zu prüfen, ob dem Angeklagten in einzelnen Monaten des inkriminierten Zeitraumes Unterhaltsleistungen allenfalls schon aus der bezogenen Sozialhilfe möglich und zumutbar gewesen wären. Obwohl Anhaltspunkte hiefür der Aufstellung ON 23 zu entnehmen wären, wurden eindeutige - eine zuverlässige Prüfung zulassende - Feststellungen hierüber vom Erstgericht nicht getroffen und auch nicht konstatiert, in welchen Monaten die Sozialhilfe 3.400 S betragen haben soll (siehe S 223 unten).

Da ein Unterhaltsschuldner, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht einmal dazu ausreicht, ohne Verzicht auf die Befriedigung der dringendsten eigenen Lebensbedürfnisse Unterhalt zu erbringen, nicht tatbildlich im Sinne des § 198 Abs. 1 StGB handelt (siehe die Ausführungen und Judikaturhinweise in Leukauf-Steininger2 RN 19 bis 21 und RN 25 zu § 198 StGB; ferner LSK 1985/10), hindern die erwähnten - gerade die Leistungsfähigkeit des Angeklagten berührenden - Feststellungsmängel eine erschöpfende rechtliche Beurteilung.

Der Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG

(3) leidet daran, daß weder im Urteilstenor noch in den Entscheidungsgründen festgehalten wurde, daß der Suchtgifterwerb den bestehenden Vorschriften zuwiderlief. In Ansehung des Suchtgiftes Haschisch steht dies allerdings schon auf Grund des in § 9 Z 1 und 3 SuchtgiftV ausgesprochenen Verbotes der Verschreibung (ua) von Cannabis in Substanz oder in Zubereitung außer Zweifel. Hingegen ist Paracodin als pharmazeutische Zubereitung von Dihydrocodein zwar gleichfalls - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - ein Suchtgift im Sinne des § 1 SuchtgiftG in Verbindung mit den Anhängen II und III der Einzigen Suchtgiftkonvention 1961 (BGBl 531/1978) und der Suchtgiftverordnung 1979 (BGBl 390/1979, siehe RZ 1987/39, 11 Os 33/85, 9 Os 157/80). Zufolge Zitierung solcher Zubereitungen auch im Anhang III zur Suchtgiftverordnung ist es jedoch von den strengen Bestimmungen der Suchtgiftrezeptur ausgenommen; als Hustenreiz stillendes Medikament ist es schon mittels gewöhnlichen ärztlichen Rezeptes beziehbar (siehe Maurer in RZ 1983, 60). Durch Erwerb von Paracodin auf solchem Wege (bei gegebener medizinischer Notwendigkeit) hätte der Angeklagte nicht gegen bestehende Vorschriften verstoßen; ein nicht (mehr) medizinisch indizierter späterer Konsum des rechtmäßig erworbenen und besessenen Medikamentes könnte den Tatbestand des § 16 Abs. 1 SuchtgiftG nicht verwirklichen.

Da die aufgezeigten Mängel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können, die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, waren die beiden zuletzt erörterten Schuldsprüche (2 und 3) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zu kassieren (§ 285 e StPO), ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf das darauf bezügliche Beschwerdevorbringen weiter einzugehen; vielmehr genüge es, den Angeklagten mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und - infolge der Aufhebung des Strafausspruchs - mit seiner Berufung auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E19668

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00167.89.0201.000

Dokumentnummer

JJT_19900201_OGH0002_0120OS00167_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten