Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Chlan (Arbeitgeber) und Anton Tauber (Arbeitnehmer) als Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Rudolf P***, Pensionist, 1060 Wien, Stumpergasse 20/6, vertreten durch Dr. Michael Gabler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER
A***, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 18 b Cgs 286/86 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.September 1989, GZ 34 Rs 192/89-7, womit der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27.Juni 1989, 6 Cgs 35/89-3, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit Bescheid vom 21.11.1986 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den Antrag des Klägers auf rückwirkende Richtigstellung der mit Bescheid vom 20.9.1984 zuerkannten Leistung (Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei Arbeitslosigkeit seit 28.9.1977, als Alterspension seit 25.2.1980) gemäß § 101 ASVG ab, weil weder ein wesentlicher Irrtum über den Sachverhalt noch ein offenkundiges Versehen unterlaufen sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 19.12.1986 beim damaligen Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien zu 18 b C 286/86 Klage mit folgenden Behauptungen:
Der beklagten Anstalt sei anläßlich der bescheidmäßigen Feststellung der dem Kläger zustehenden Pension mehrmals ganz offensichtlich entweder ein wesentlicher Irrtum über den Sachverhalt oder ein offenkundiges Versehen unterlaufen, wodurch seine jeweilige Pension zu niedrig, weil ohne gehörige Berücksichtigung der zwischen Oktober 1946 und Mai 1950 erworbenen weiteren Versicherungszeiten bemessen worden sei. Der Kläger sei im fraglichen Zeitraum einerseits als öffentlicher Verwalter eines Tischlereibetriebes in Wien, andererseits nachträglich Inhaber einer auf die Dauer der Funktion als öffentlicher Verwalter beschränkten Gewerbeberechtigung geworden. Die Tatsache der seinerzeitigen Bestellung zum öffentlichen Verwalter sei der beklagten Anstalt zur Kenntnis gebracht worden, sodaß aus der Nichtbeachtung dieses relevanten Sachverhaltes nur auf ein Versehen geschlossen werden könne. Der Kläger begehrte das Urteil, die beklagte Partei sei schuldig, mit Wirkung vom Tage der Auswirkung ihres offenkundigen Versehens den gesetzlichen Zustand bei der Bemessung der dem Kläger zustehenden Pensionsleistung unter Berücksichtigung des Klagsvorbringens herzustellen.
Das Arbeits- und Sozialgericht Wien, das die Rechtssache gemäß § 101 Abs 1 Z 2 ASGG fortsetzte, wies die (im Urteilsspruch von Amts wegen ohne vorherige Erörterung mit dem anwaltlich vertreten gewesenen Kläger modifizierte) Klage "auf Anrechnung der Zeit von Oktober 1946 bis Mai 1950 als Ersatzzeit gemäß § 229 Abs 1 Z 4 ASVG für die Bemessung der Höhe der dem Kläger gebührenden Alterspension" mit rechtskräftigem Beschluß vom 19.3.1987, 18 b Cgs 286/86-7, zurück. Zur Begründung führte es aus, der neuerlichen Entscheidung über die vorliegende Klage stehe das Hindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen. Bereits mit der beim Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien am 22.7.1980 zu 19 C 110/80 eingebrachten Klage habe der Kläger die Anrechnung weiterer Versicherungszeiten begehrt und in diesem Verfahren ausdrücklich auch die Berücksichtigung der Zeiten von Oktober 1946 bis Mai 1950 verlangt. Das Schiedsgericht der Sozialversicherung habe mit Urteil vom 6.7.1982, 19 C 110/80-25, die Berücksichtigung dieser Zeiten nach ausführlicher Überprüfung ausdrücklich abgelehnt. Mit der am 20.2.1989 beim Erstgericht eingelangten Wiederaufnahmsklage begehrt der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens 18 b Cgs 286/86 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien aus dem Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Der Kläger habe nach Einsicht in den Pensionsakt feststellen können, daß Versicherungszeiten vom 1.10.1944 bis April 1945 und vom Oktober 1945 bis Jänner 1946 nachgewiesen seien. In der Hauptsache begehrte der Kläger das Urteil, die beklagte Partei sei schuldig, Zeiten vom 1.10.1944 bis Mai 1950 als Versicherungszeiten anzuerkennen. Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage.
Das Erstgericht wies die Klage gemäß § 538 ZPO als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurück, weil ein tauglicher Wiederaufnahmsgrund nicht geltend gemacht werde.
Das Rekursgericht gab dem vom Kläger erhobenen Rekurs nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Klägers ist nicht berechtigt. Gegenstand des Vorprüfungsverfahrens ist über § 538 Abs 1 ZPO hinaus ganz allgemein die Prüfung, ob der Wiederaufnahmskläger selbst bei Annahme des Zutreffens der von ihm behaupteten Umstände das Ziel seiner Rechtsgestaltungsklage, nämlich die Aufhebung oder Abänderung der bekämpften gerichtlichen Entscheidung erreichen könnte (Fasching Komm. IV540). Der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO setzt ausdrücklich voraus, daß die neuen Tatsachen- und Beweismittel im früheren Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung der Hauptsache herbeigeführt hätten (vgl. Fasching aaO 541; derselbe Zivilprozeßrecht Rz 2068, 2084). Bei Unschlüssigkeit ist die Wiederaufnahmsklage in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluß zurückzuweisen (vgl. SSV-NF 1/40 mwH). Die vorliegende Wiederaufnahmsklage begehrt ausdrücklich die Wiederaufnahme des Verfahrens 18 b Cgs 286/86 (und nicht etwa des Verfahrens 19 C 110/80 des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien), somit eines Verfahrens, welches durch Zurückweisung der Klage wegen rechtskräftig entschiedener Sache abgeschlossen wurde. Der Zurückweisungsbeschluß ist mangels Anfechtung durch den anwaltlich vertreten gewesenen Kläger in Rechtskraft erwachsen. Geht man davon aus, daß dem damaligen Klagebegehren das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegenstand, weil über die geltend gemachten Versicherungszeiten schon in einem früheren Urteil entschieden worden war (Fasching Rz 726, 1539 ff), dann erfolgte die Klagszurückweisung zu Recht; auch die vom Kläger nunmehr ins Treffen geführten angeblich neuen Beweismittel wären nicht geeignet gewesen, das Prozeßhindernis zu beseitigen und damit eine für ihn günstigere Entscheidung (als die Klagszurückweisung) herbeizuführen. Daraus erhellt, daß der behauptete Wiederaufnahmsgrund in keinem rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung steht, weil die geltend gemachten Umstände ersichtlich von vornherein keinerlei Einfluß auf diese Entscheidung haben konnten. Der Kläger hat allerdings bereits in seiner Wiederaufnahmsklage geltend gemacht, die Vorentscheidung, nämlich das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien vom 6.7.1982, 19 C 110/80-25, habe weder im Spruch noch in den Gründen über die in Frage stehenden Versicherungszeiten (Oktober 1946 bis Mai 1950) abgesprochen. Damit ist aber selbst im Fall der Richtigkeit dieses Argumentes für den Revisionsrekurswerber nichts gewonnen.
Die am 19.12.1986 überreichte Klage wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die beklagte Partei die rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG abgelehnt hatte. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung vom 20.6.1989, 10 Ob S 21/88 = JBl. 1989, 736 = SSV-NF 3/76 mit ausführlicher Begründung und unter ausdrücklicher Ablehnung älterer gegenteiliger Judikatur und Lehre dargelegt hat, liegt in einem solchen Fall keine Leistungs-, sondern eine Verwaltungssache vor, weshalb gegen den die Ablehnung aussprechenden Bescheid eine Klage nicht zulässig ist. Die oben genannte Klage hätte daher mangels Zulässigkeit des Rechtsweges (§ 42 JN) zurückgewiesen werden müssen. Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis als die Klagszurückweisung - wenn auch aus einem anderen Grund - wäre auch bei Vorliegen der behaupteten Wiederaufnahmsgründe nicht herbeizuführen gewesen.
Die Entscheidung über die vorliegende Wiederaufnahmsklage gehört hingegen jedenfalls auf den Rechtsweg; eine "die Sache erledigende Entscheidung" iS des § 530 Abs 1 ZPO liegt auch dann vor, wenn das Verfahren aus prozessualen Gründen, etwa durch einen die Klage zurückweisenden Beschluß beendet wurde (Fasching Rz 2038; EBzRV des KSchG 744 BlgNR 14.GP S 54; 8 Ob 519/84; vgl. auch Fasching, Komm. IV 485).
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 1/19, 2/26, 27 ua).
Anmerkung
E20171European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00438.89.0206.000Dokumentnummer
JJT_19900206_OGH0002_010OBS00438_8900000_000