TE OGH 1990/2/8 6Ob516/90

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Veröffentlicht am 08.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Werner F***, geboren am 17.September 1942, wohnhaft in 9065 Ebental, Jamnigweg Nr 22, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 1.Dezember 1989, GZ 1 R 607, 608/89-12, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 23.Oktober 1989, GZ SW 21/89-7 und 8, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Über Anregung der Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Kärnten in Klagenfurt vom 12.6.1989 nahm das Erstgericht am 25.7.1989 eine Erstanhörung des Betroffenen vor und bestellte für diesen mangels eines gesetzlichen oder freigewählten Vertreters mit Beschluß vom 23.10.1989 zur Vertretung im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft wird, Robert N*** zum einstweiligen Sachwalter (ON 7). Zugleich bestellte das Erstgericht mit gesondertem Beschluß vom gleichen Tage Prim. Dr.Otto S*** zum Sachverständigen und beauftragte diesen, ein Gutachten darüber zu erstatten, ob der Betroffene an einer psychischen Krankheit leide, die ihn daran hindere, seine Angelegenheiten, insbesondere die notwendige Personensorge für sich selbst, zu besorgen (ON 8). Den erstgenannten Beschluß begründete das Erstgericht damit, daß es bei Erstanhörung des Betroffenen den Eindruck gewonnen habe, es sei eine Selbstgefährdung wegen mangelnder Krankheitseinsicht gegeben, die ihren Ausdruck in der Versäumung der regelmäßig erforderlichen medizinischen Kontrollen und der nötigen Depotspritzen finde. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte über Rekurs des Betroffenen beide erstgerichtlichen Beschlüsse. Es meinte, es seien hinreichende Anhaltspunkte für die Einleitung des Sachwalterschaftsverfahrens gegeben, weil der Betroffene nach den bisherigen Verfahrensergebnissen insbesondere zur Überwachung seiner medizinischen Versorgung eines Sachwalters bedürfe. Ob dies aber tatsächlich zutreffe, müsse gerade im fortgesetzten Verfahren geklärt werden, für welches dem Betroffenen gemäß § 238 Abs 1 AußStrG zwingend ein einstweiliger Sachwalter zu bestellten gewesen sei; hiedurch werde der Betroffene in seinen Rechtshandlungen auch nicht beschränkt. Für das fortgesetzte Verfahren werde aber durch § 241 Abs 2 AußStrG die Beiziehung zumindest eines psychiatrischen Sachverständigen vorgeschrieben, ohne dessen Gutachten daher die Schaffung einer zur abschließenden Klärung notwendigen Sachgrundlage gar nicht möglich sei.

Gegen den bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der erst am 9.1.1990, sohin nach Ablauf der 14-tägigen Rekursfrist des § 11 Abs 1 AußStrG und demnach, weil Außerstreitsachen Ferialsachen sind (AnwZ 1936, 457; JBl 1938, 58; NZ 1969, 154; 6 Ob 710/87; 6 Ob 669/88 ua), verspätet beim Erstgericht zu Protokoll gegebene Revisionsrekurs des Betroffenen mit dem Antrag auf Abänderung des Beschlusses im Sinne einer Einstellung des Sachwalterschaftsverfahrens, hilfsweise auf Beschlußaufhebung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionrekurs ist unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Zulässigkeit eines Rechtsmittels vor dessen Rechtzeitigkeit zu prüfen (EFSlg 47.081, 55.490 uva, zuletzt etwa 6 Ob 610/89; 8 Ob 529, 530/89). Da auch im Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters mangels besonderer Regelung auf den Revisionsrekurs die Bestimmungen der §§ 14 und 16 AußStrG anzuwenden sind (so die in NZ 1986, 71 zitierten Entscheidungen 7 Ob 621/84 und 6 Ob 546/85; SZ 58/61; NZ 1987, 37; vgl auch Gamerith in NZ 1988, 70 und die dort unter FN 101 angeführte weitere Rechtsprechung), ist das Rechtsmittel des Betroffenen nach § 16 AußStrG zu beurteilen. In diesem Umfang ist es auf die Anfechtungsgründe der offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit und der Nullität beschränkt. Derartige Anfechtungsgründe vermag der Rechtsmittelwerber aber nicht aufzuzeigen:

Der Betroffene macht im wesentlichen nur geltend, er brauche auf keinen Fall einen Sachwalter, die Einleitung des Sachwalterschaftsverfahrens beruhe auf falschen Angaben, er lasse sich zwar keine Depotspritzen verabreichen, aber sonst freiwillig behandeln und er wolle auf keinen Fall von einem Sachverständigen untersucht werden. Mit diesen Ausführungen übersieht der Rechtsmittelwerber jedoch, daß § 236 AußStrG (§ 273 ABGB) als einzige materiellrechtliche Voraussetzung für die amtswegige Einleitung des Verfahrens über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person das Vorliegen begründeter Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme verlangt. Unter welchen konkreten Umständen im Einzelfall das Vorliegen solcher begründeter Anhaltspunkte anzunehmen ist, wird im Gesetz nicht geregelt. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß unter den im vorliegenden Einzelfall gegebenen Umständen begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Betroffenen vorlägen und daher das Bestellungsverfahren gemäß § 238 Abs 1 AußStrG fortzusetzen sei, kann daher nicht offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG sein (Gamerith, aao, 68; 8 Ob 539/87; 6 Ob 732/87; 4 Ob 542/88; 5 Ob 576/89; 6 Ob 606-608/89 ua). Wird aber das Verfahren auf Grund des persönlichen Eindruckes, den das Gericht vom Betroffenen gewonnen hat, fortgesetzt, so hat es gleichzeitig für dessen Rechtsbeistand zu sorgen. Das kann der gesetzliche oder ein gewählter Vertreter sein. Fehlen solche Vertreter - wie hier - so ist gemäß § 238 Abs 1 AußStrG ein einstweiliger Verfahrenssachwalter (zum Begriff vgl Pichler in JBl 1984, 230 und Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis, Anm 5 zu § 238) zu bestellen, der nur im Verfahren selbst Vertretungsmacht, und zwar neben dem, nicht statt des Betroffenen, hat. Der Betroffene wird somit dadurch in seiner Geschäftsfähigkeit und in seiner Fähigkeit, eigene Rechtsmittel einzubringen, nicht beschränkt (Gamerith, aaO, 69). Im weiteren Verfahren muß gemäß § 241 Abs 2 AußStrG zumindest ein Sachverständiger bestellt werden, der sein Gutachten in mündlicher Verhandlung vorzutragen hat. Es ist daher auch eine allenfalls amtswegig wahrzunehmende Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung aus dem Akteninhalt nicht zu erkennen. Daraus folgt bereits die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses, sodaß auch in Ansehung der bestätigten Sachverständigenbestellung nicht mehr geprüft werden muß, ob hier die Anfechtung nicht etwa schon in analoger Anwendung der §§ 351 Abs 1, 366 Abs 2 ZPO (vgl Maurer, aaO, Anm 11 zu § 241) ausgeschlossen gewesen wäre; ebensowenig die Frage, ob auf das verspätete Rechtsmittel im Hinblick auf § 11 Abs 2 AußStrG überhaupt noch Bedacht zu nehmen gewesen wäre.

Anmerkung

E20060

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00516.9.0208.000

Dokumentnummer

JJT_19900208_OGH0002_0060OB00516_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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