TE OGH 1990/2/8 6Ob515/90

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Veröffentlicht am 08.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 19.November 1987 verstorbenen zuletzt in 2230 Gänserndorf, Strassergasse 9, wohnhaft gewesenen Dr. Leopold N***, infolge Revisionsrekurses des erblasserischen Sohnes Dr. Wolfgang N***, Arzt, 1080 Wien, Florianigasse 50/1/6, vertreten durch Dr. Josef Olischar, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 7. November 1989, GZ 5 R 236/89-22, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Gänserndorf vom 21.April 1989, GZ A 374/87-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wid zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Dr. Leopold N*** ist am 19.November 1987 verstorben. Mit notariellem Schenkungsvertrag, Erbvertrag und weiteren letztwilligen Anordnungen vom 25.Oktober 1971 hatte er seine Ehefrau Friedgard N*** zur Alleinerbin eingesetzt. Sein Sohn Wolfgang N*** sollte in Anrechnung auf seinen Pflichtteil die dem Erblasser gehörige ideelle Hälfte der Liegenschaft EZ 1505 KG Gänserndorf erhalten, der Ehefrau daran ein lebenslanges Fruchtgenußrecht zustehen.

Im Abhandlungsverfahren fand beim Gerichtskommissär am 19. April 1989 eine Tagsatzung zur Abhandlung statt, an welcher die erblasserische Witwe, deren Machthaber und Dr. Harald S*** für Rechtsanwalt Dr. Josef O*** als Machthaber des erblasserischen Sohnes Dr. Wolfgang N*** teilnahmen. Die Witwe wandelte ihre zum gesamten Nachlaß bedingt abgegebene Erbserklärung in eine unbedingte um und erstattete ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis, in welches unter anderem unter den Aktiven die erblasserische Liegenschaftshälfte EZ 1505 KG Gänserndorf, bewertet nach dem Einheitswertbescheid des Finanzamtes Gänserndorf mit S 84.000 und unter den Passiven eine pfandrechtlich sichergestellte Forderung des erblasserischen Sohnes Dr. Wolfgang N*** von insgesamt S 269.433,20 aufgenommen wurden und das insgesamt Aktiven von S 269.729,04 und Passiven von S 431.880,36, sohin eine Überschuldung von S 162.151,32 aufweist. Der Machthaber des erblasserischen Sohnes erklärte, das im Schenkungsvertrag samt Erbvertrag und weiteren letztwilligen Anordnungen vom 25.Oktober 1971 vermachte Legat nicht in Anspruch zu nehmen, sondern sich auf den gesetzlichen Pflichtteil zurückzuziehen. Die vom erblasserischen Sohn angemeldete Forderung wurde von der Witwe nicht anerkannt. Dr. Wolfgang N*** wurde mit seinen Forderungen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Schließlich wurde die Einantwortung beantragt.

Mit Mantelbeschluß vom 21.April 1989 legte das Verlassenschaftsgericht unter Punkt 4. das eidesstättige Vermögensbekenntnis vom 19.April 1989 zugrunde und erließ die Einantwortungsurkunde.

Gegen diesen Beschluß, soweit Aktiva von S 269.729,04 und eine Überschuldung des Nachlasses der Abhandlung zugrundegelegt wurden, erhob der Einschreiter Rekurs mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß zu beheben, "das erblasserische Vermögen zu inventieren", die Schätzung der Liegenschaftshälfte EZ 1505 der KG Gänserndorf im Sinne des § 305 ABGB vorzunehmen und das Ergebnis dem Abhandlungsverfahren zugrundezulegen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs keine Folge.

Es führte aus, als Pflichtteilsberechtigter sei der Rekurswerber grudsätzlich befugt, die Errichtung eines Nachlaßinventares und die Ermittlung des Wertes einer Liegenschaft durch Schätzung zu begehren. Der im Abhandlungsverfahren anwaltlich vertretene Einschreiter habe aber seinen Anspruch auf Inventarerrichtung im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht. Es fehle zwar an einer positiven gesetzlichen Anordnung, bis zu welchem Zeitpunkt ein Verlangen nach § 804 ABGB auf Errichtung eines Inventares gestellt sein müsse. Gerade deshalb müsse ein Pflichtteilsberechtigter, der trotz Kenntnis der im Zuge befindlichen Abhandlung mit einer Antragstellung nach § 92 Abs.1 AußStrG zögere, gewärtigen, daß die Voraussetzungen nach § 174 Abs.1 AußStrG für eine Beendigung der Abhandlungspflege ohne seine weitere vorherige Unterrichtung erfüllt sein könnten. Da er im Verfahren von der Möglichkeit der Antragstellung nicht ausgeschlossen gewesen sei, müsse sein nunmehriges Rekursvorbringen als unzulässige Neuerung gewertet werden.

Diesen bestätigenden Beschluß bekämpft der Sohn des Erblassers wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, weil im Außerstreitverfahren kein Neuerungsverbot bestehe, sein Antrag auf Inventarerrichtung hätte daher berücksichtigt werden müssen.

Rechtliche Beurteilung

Es ist zwar richtig, daß es den Parteien nach § 10 AußStrG unbenommen ist, in Vorstellungen und Rekursen neue Umstände und Beweismittel anzuführen. Die Parteien können im Rekurs das vorliegende Tatsachenmaterial ergänzen oder berichtigen oder für bisher unbewiesene Behauptungen neue Beweise erbringen, sie dürfen aber nicht von den bisherigen Behauptungen abweichende Tatsachenbehauptungen und solche vortragen, die bisher überhaupt noch nicht aufgestellt worden sind. Die im § 10 AußStrG eröffnete Möglichkeit, neue Umstände oder Beweismittel aufzunehmen, dient nicht dazu, die maßgebende Sachlage, wie sie dem Erstgericht vorlag, zu verschieben, sondern nur, sie zu ergänzen. Neue Sachanträge können daher nicht gestellt werden (EvBl.1974/226 ua). Aus der Aktenlage ergibt sich eindeutig, daß der Revisionsrekurswerber im Verfahren erster Instanz von der Möglichkeit, das ihm als Noterbe zustehende Recht auf Errichtung eines Inventares und Schätzung der Liegenschaft geltend zu machen, nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr bei Erstattung des eidesstattlichen Vermögensbekenntnisses durch seinen Machthaber vertreten war, ohne seinen Anspruch auf Inventarerrichtung geltend zu machen. Daß er davon abgesehen hat, war somit ausschließlich Ausfluß seiner eigenen Verfahrensdisposition.

Gerade weil es an einer positiven gesetzlichen Anordnung darüber fehlt, bis zu welchem Zeitpunkt ein Verlangen nach § 804 ABGB auf Errichtung eines Inventares (§ 92 Abs.1 AußStrG) gestellt sein muß, muß ein Pflichtteilsberechtigter, der trotz Kenntnis der im Zuge befindlichen Abhandlung mit einer Antragstellung nach § 92 Abs.1 AußStrG zögert, damit rechnen, daß die Voraussetzungen nach § 174 Abs.1 AußStrG für eine Beendigung der Abhandlungspflege ohne seine weitere Verständigung erfüllt sein könnten. Im konkreten Fall war am Ende der Abhandlungstagsatzung, bei welcher der Einschreiter anwaltlich vertreten war, klar, daß keine weiteren Abhandlungsschritte mehr erforderlich waren, daher wurde auch bereits die Erlassung der Einantwortung beantragt. Von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit oder einer Nullität kann daher keine Rede sein.

Die Beendigung der Abhandlung unter Übergehung eines erst im Rekurs gegen die vom Abhandlungsgericht erlassene Einantwortungsurkunde und den gleichzeitig erlassenen Mantelbeschluß gestellten Antrages auf Errichtung eines Verlassenschaftsinventares könnte bloß einen - schlichten - Verfahrensmangel darstellen. Mangels Ausführung eines im § 16 Abs.1 AußStrG genannten Anfechtungsgrundes war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Anmerkung

E20071

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00515.9.0208.000

Dokumentnummer

JJT_19900208_OGH0002_0060OB00515_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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