Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Basalka und Erika Hantschel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Lorenz D***, Arbeiter, Wien 3,
Paulusplatz 3/2/31, vertreten durch Dr.Gerlinde Dellhorn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R. Q*** Spedition Gesellschaft mbH, Bergheim, Handelszentrum 318, vertreten durch Dr.Wolfgang Zarl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 55.901,05 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.Oktober 1989, GZ 32 Ra 92/89-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.April 1989, GZ 17 Cga 1151/88-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird dahin Folge gegeben, daß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Arbeitsrechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung zurückverwiesen wird. Die Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit der Behauptung, er sei zu Unrecht entlassen worden, begehrte der Kläger vorerst von einer Firma R. Q***, Spedition, Handelszentrum, SalzburgBergheim 318, als Beklagten S 55.901,05 brutto sA an restlichem Entgelt, Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen und Urlaubsabfindung.
Das als Beklagte in Anspruch genommene Unternehmen beantragte, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei kurz vor dem 31.Oktober 1988 auf frischer Tat bei einem Diebstahl betreten und unmittelbar darauf entlassen worden.
Dazu brachte der Kläger ergänzend vor, daß er nie bestritten habe, Waren aus einer Retourlieferung an sich genommen zu haben. Der Prokurist der Beklagten, Josef H***, habe ihn aber deswegen lediglich verwarnt und ihm ausdrücklich die Weiterarbeit gestattet. In der Folge machte die Beklagte den Mangel der passiven Klagelegitimation geltend. Eine Firma R. Q***, Spedition, Handelszentrum 318, Bergheim, existiere nicht. Es gebe zwar unter der in der Klage angeführten Anschrift die R. Q*** Spedition Gesellschaft mbH, doch sei diese Gesellschaft nicht Arbeitgeberin des Klägers gewesen. Arbeitgeberin des Klägers sei vielmehr die
R. Q*** Spedition Gesellschaft mbH, Wien 11,
1. Molostraße/Hafen Albern, gewesen. Die Beklagte spreche sich aber "schon jetzt" gegen eine Klageänderung oder eine allfällige Richtigstellung der Parteienbezeichnung aus.
Das Erstgericht berichtigte die Bezeichnung der Beklagten auf "R. Q*** Spedition Gesellschaft mbH, Bergheim,
Handelszentrum 318," und gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:
Unter derselben Bezeichnung "R. Q*** Spedition
Gesellschaft mbH" sind in Österreich sechs juristische Personen registriert. Lediglich die beigefügte Anschrift läßt "Eingeweihte" erkennen, welche Rechtsperson jeweils gemeint ist. Die Geschäftsanteile gehören entweder (über die R. Q*** Spedition Gesellschaft mbH & Co KG mit Sitz in Bergheim) mittelbar oder unmittelbar Rudolf Q***. Die Salzburger
"Niederlassung", deren Geschäftsführer Rudolf Q*** ebenso ist wie jener der Wiener "Niederlassung" und deren Einzelprokurist Hartwig B*** ist, nimmt zu den übrigen Gesellschaften die Position der Zentrale gegenüber den (rechtlich selbständigen) Filialen ein. Der Personalstelle in Salzburg obliegt unter der Leitung des Personalchefs F*** die gesamte Personalleitung und die Lohnverrechnung. Hartwig B*** fungiert überdies bei allen "Filialen" als Gesamtprokurist und ist Leiter der Wiener "Niederlassung".
Rudolf G***, der in der Betriebsstätte (Hafen Albern) der "R. Q*** Spedition Gesellschaft mbH" mit dem Sitz in Wien 11, 1. Molostraße, als Lagerleiter arbeitete, durfte sich zwar geeignete Mitarbeiter selbst aussuchen, er hatte aber deren Daten nach Salzburg zu übermitteln, von wo die Einzelheiten des neuen Arbeitsverhältnisses schriftlich bestätigt wurden. Auch der Kläger meldete sich auf Grund einer Annonce auf dem Betriebsgelände der "R. Q*** Spedition Gesellschaft mbH" in Wien und bewarb sich dort um eine Stelle als Lagermeister. G*** holte die Zustimmung der Zentrale in Salzburg (Bergheim) ein und teilte dem Kläger telefonisch mit, daß Salzburg mit dem Arbeitsverhältnis einverstanden sei. Er erklärte dem Kläger, daß Arbeitgeber die "Firma Q***" mit der Zentrale in Salzburg und deren Nebenstelle in Wien sei. G*** war selbst der Ansicht, daß es nur eine einzige "Firma Q***" mit Salzburg als "Hauptstelle" gebe. Der Prokurist B***, der von Salzburg gekommen war, um sich den Kläger persönlich anzusehen, gab keinerlei Erklärung über die "Anhäufung von Filialen" gleicher Bezeichnung ab.
Eine Woche nach der Anstellung erhielt der Kläger einen mit 18. Juli 1988 datierten Dienstzettel. Dieser enthielt ebenso wie der Bewerbungsbogen den Vordruck "R. Q*** Spedition"; darunter stand zu lesen "Salzburg, Linz, Wien, Graz, Villach, Innsbruck" und die maschingeschriebene Beifügung "R. Q*** Spedition GesmbH, A-1110 Wien, 1. Molostraße/Hafen Albern Personalabteilung bzw. zentrales Personalbüro". Auf dem Dienstzettel war das Eintrittsdatum in den "Firmenverband" mit 20.Juni 1988 vermerkt. Die Lohnzettel, die der Kläger erhielt, wiesen lediglich eine "R. Q*** Spedition" als Arbeitgeberin aus. Die Anmeldungen zur Gebietskrankenkasse erfolgten unter der Wiener Adresse; ebenso die in Salzburg unterschriebene Lohnsteuerbescheinigung, die Überweisung der Familienbeihilfe, die Lohnsteuerkarte und die Arbeitsbescheinigung mit einer Salzburger Telefonnummer. Das Entlassungsschreiben vom 31.Oktober 1988 enthält den Vordruck "R. Q*** - R. Q*** Spedition Gesellschaft mbH,
A-1110 Wien, 1. Molostraße, Hafen Albern" und die Unterschrift F*** mit dem Zusatz "R. Q*** Spedition
Gesellschaft mbH Wien - Zentrale Personalverwaltung". Ein an die R. Q*** Spedition" in Salzburg gerichtetes Mahnschreiben des Klägers blieb unbeantwortet.
Im Wiener Lager, in dem der Kläger während der Nachmittagsschicht arbeitete, kam es immer wieder zu Diebstählen. Als im Oktober 1988 größere Fehlmengen auftraten, nahm der Lagerleiter G*** am 21.Oktober 1988 eine Überprüfung vor. Ein Lagerarbeiter berichtete ihm, daß die ganze Frühschicht stehle. Daraufhin wurden am 24.Oktober 1988 die Arbeiter der Frühschicht angezeigt, wovon auch der Kläger Kenntnis erhielt. Die Polizei plante eine gleichzeitige Einvernahme der Verdächtigen und regte an, die betroffenen Arbeiter nicht zu verständigen bzw. nicht zu entlarven. Am Abend des 24.Oktober 1988 stahl der Kläger aus dem Lager einen Karton mit Kosmetik- und Haushaltsartikeln im Wert von ca. S 1.700. Dabei wurde er vom Gesamtprokuristen der Wiener Niederlassung Josef H*** betreten. Da sich der Kläger damit verantwortete, der Lagermeister B*** habe ihm die Wegnahme des Kartons erlaubt, kam es am 25.Oktober 1988 zu einer Gegenüberstellung, die damit endete, daß der Kläger eine Ermahnung und Belehrung erhielt. Der Kläger wollte daraufhin das Arbeitsverhältnis beenden. Prokurist H*** erwiderte, daß der Kläger weiterarbeiten solle, er nehme das auf seine Kappe; der Kläger möge aber in Hinkunft als Meister ein Vorbild sein und darauf achten, daß keine Retour- oder Bruchwaren mitgenommen werden. Am 28.Oktober 1988 wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt, alle Verdächtigen einvernommen und in Verwahrungshaft genommen. Beim Kläger fand man nichts. Am 31.Oktober 1988 kam der Gesamtprokurist und Niederlassungsleiter Hartwig B*** nach Wien und entließ alle belasteten Arbeitnehmer, darunter auch den Kläger.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß durch die Vereinbarungen, die der Lagerleiter G*** und der Prokurist B*** mit dem Kläger getroffen hätten, ein Arbeitsvertrag mit der Beklagten zustandegekommen sei. Diese Personen hätten nicht zu erkennen gegeben, daß sie für eine andere Rechtsperson auftreten. Die Beklagte sei dem Kläger durch den Dienstzettel, ihr Geschäftspapier und die aus Salzburg kommenden Weisungen in einer Art entgegengetreten, die nur den Schluß zulasse, daß eben mit der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zustandegekommen sei. Der Kläger habe zwar durch den Diebstahl den Entlassungsgrund des § 82 lit. d GewO 1859 verwirklicht, doch habe ihn der Prokurist H*** angewiesen, weiterzuarbeiten. Durch die Verwarnung und Ermahnung, es in Hinkunft besser zu machen, habe die Beklagte auf die Geltendmachung dieses Entlassungsgrundes verzichtet. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es vertrat die Rechtsansicht, daß es sich aus dem Dienstzettel, der Arbeitsbescheinigung, Anmeldung zur Wiener Gebietskrankenkasse, Lohnsteuerbescheinigung und dem Entlassungsschreiben klar ergebe, daß nicht die "R. Q*** Spedition Gesellschaft mbH" in Bergheim, wo bloß das Personalbüro zentral geführt werde, Arbeitgeber des Klägers gewesen sei, sondern die Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien. Der Beklagten fehle daher die passive Klagelegitimation. Eine Berichtigung der Parteienbezeichnung sei nicht einmal im Berufungsverfahren beantragt worden. Zu einer Berichtigung von Amts wegen bestehe keine Veranlassung.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und in eventu begehrt, den Namen der Beklagten auf "R. Q*** Spedition Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien" zu berichtigen.
Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Bei juristischen Personen ist der Begriff des Arbeitgebers differenziert zu sehen. Abstrakter Arbeitgeber ist die juristische Person; sie ist auch Partner des Arbeitsvertrages. Als konkrete Arbeitgeber sind in erster Linie die zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufenen Organe anzusehen, die gegenüber dem Arbeitnehmer tatsächlich die Arbeitgeberfunktionen ausüben (SchwarzLöschnigg, Arbeitsrecht4 129). Da die Arbeitnehmer nur mit diesen natürlichen Personen zu tun haben, kommt es in der Praxis häufig zu den Schwierigkeiten, wer oder welche juristische Person formell als Arbeitgeber zu belangen ist, da deren Rechtsverhältnisse in manchen Fällen nur schwer durchschaubar sind. Diese Undurchschaubarkeit wird im vorliegenden Fall noch dadurch erhöht, daß unter derselben Firma sechs verschiedene Kapitalgesellschaften registriert sind, die sich nur durch ihren Firmensitz unterscheiden und neben einem einzigen Geschäftsführer noch Vertreter haben, die für alle Gesellschaften bestellt sind.
Richtig ist, daß Rechtsträger nicht die Firma, sondern die hinter ihr stehende juristische Person ist (HS 10.046 mwH). Um die dahinterstehende juristische Person einwandfrei erkennen zu können, muß die Firma unterscheidungskräftig sein. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung hat die Bezeichnung als Gesellschaft mbH immer zusammenhängend am Ende der Firma aufzuscheinen (vgl. Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, 20). Der nach § 5 Abs. 4 GmbHG zu bestimmende Sitz der Gesellschaft ist nicht Firmenbestandteil und trägt daher im vorliegenden Fall zu einer Unterscheidung nichts bei.
Haben mehrere Gesellschaften denselben Geschäftsführer und wird nicht deutlich, welche der Gesellschaften er vertritt, so ist bei einem betriebsbezogenen Geschäft diejenige Gesellschaft Vertragspartner geworden, der das Geschäft nach den objektiven Umständen zugeschrieben werden kann. Fehlt es an ausreichenden Unterscheidungsmerkmalen, so müssen alle Gesellschaften die Erklärung gegen sich gelten lassen (Reich-Rohrwig aaO 117). Dies ist hier der Fall. Verhandlungspartner des Klägers war zwar nicht der Geschäftsführer Rudolf Q***, jedoch ein für Personalangelegenheiten zuständiger Vertreter der Beklagten. Auch wenn der vom Lagerleiter G*** geschaffene Vertrauenstatbestand allein der Beklagten nicht zugerechnet werden könnte, da G*** nur für die Wiener Gesellschaft tätig werden durfte, ist es nicht unerheblich, daß es der Einzelprokurist der Beklagten, Hartwig B***, selbst war, der von Salzburg anreiste, um letztlich über die Anstellung des Klägers zu befinden. Der Prokurist unterließ dabei jegliche Aufklärung und Offenlegung. Eine solche ist auch dem Dienstzettel vom 18.Juli 1988, der dem Kläger ausgefolgt wurde, objektiv nicht zu entnehmen.
Wie vom Erstgericht festgestellt, enthielt der Dienstzettel den Vordruck "R. Q*** Spedition" und die Anführung der Städte Salzburg, Linz, Wien, Graz, Villach, Innsbruck. Der maschingeschriebene Zusatz "R. Q*** Spedition
Gesellschaft mbH, A-1110 Wien, 1. Molostraße/ Hafen Albern" enthielt auch den Hinweis auf die Personalabteilung, die sich aber unbestritten in Salzburg befindet, und korrespondiert insoferne mit dem vereinbarten Dienstort "1110 Wien, 1. Molostraße". Daraus ist daher noch keineswegs zweifelsfrei zu entnehmen, daß es mehrere Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit identer Firma gibt und daß Vertragspartner des Klägers allein die R. Q*** Spedition Gesellschaft mbH" mit dem Sitz in Wien sein sollte. Diese Annahme wird geradezu ausgeschlossen durch die Bestimmungen über den Beginn des Dienstverhältnisses im Dienstzettel, in denen vor einem Eintrittsdatum in den "Firmenverband" die Rede ist. Soweit der Kläger aber in den Firmenverband (Salzburg, Linz, Wien, Graz, Villach, Innsbruck) aufgenommen wurde, konnte dem angeführten Sitz der Gesellschaft in Wien objektiv gesehen nur die Bedeutung des Dienstortes zukommen. Die dem Kläger monatlich zugegangenen Lohnabrechnungen wiesen als Arbeitgeber lediglich "Firmenname R. Q*** Spedition" - wiederum ohne jegliche
Unterscheidung - auf. Insoweit ist der Kläger mit Recht davon ausgegangen, daß (auch) die Beklagte Arbeitgeberin geworden ist. Gegenüber den im Dienstzettel festgehaltenen Vereinbarungen kommt dem Entlassungsschreiben keine vertragsändernde Wirkung zu. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Beklagte sei nicht passiv klagelegitimiert, ist sohin unzutreffend. Da es das Berufungsgericht aber auf Grund seiner Rechtsauffassung unterließ, zur Berechtigung der Entlassung und insbesondere zur Höhe des Klagebegehrens Stellung zu nehmen, ist das Verfahren noch nicht spruchreif.
Die Kostenentscheidung ist in § 52 Abs. 1 ZPO begründet.
Anmerkung
E19849European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00369.89.0214.000Dokumentnummer
JJT_19900214_OGH0002_009OBA00369_8900000_000