TE OGH 1990/2/14 9ObA29/90

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Veröffentlicht am 14.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Basalka und Erika Hantschel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ernestine F***, Reinigungsfrau, Grünburg, Wagenhub 40, vertreten durch Dr.Otto Hauck, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wider die beklagte Partei G*** G***, vertreten durch den Bürgermeister Theodor W***, dieser vertreten durch Dr.Alfred Haslinger und andere, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung und Anfechtung einer Kündigung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 14.Dezember 1989, GZ 13 Ra 86/89-16, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 27.Juli 1989, GZ 8 Cga 29/89-12, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Rekurskosten selbst zu tragen. Die Kosten der Rekursbeantwortung der Klägerin sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin war seit 15.April 1987 als Wäscherin (und nach ihren Behauptungen schon seit 3.Februar 1986 als Aushilfskraft) im Altersheim der beklagten Gemeinde beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Dienstverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 28.März 1989 gemäß § 32 VBG 1948 zum 31.Mai 1989 mit der Begründung auf, die Klägerin habe den im allgemeinen erzielbaren angemessenen Arbeitserfolg trotz Ermahnungen nicht erreicht (§ 32 Abs 2 lit c VBG 1948) und ein den Interessen des Dienstes abträgliches Verhalten gesetzt (§ 32 Abs 2 lit f VBG 1948). Die Kündigung wurde der Klägerin am 29.März 1989 zugestellt. Im Betrieb der Beklagten sind mehr als fünf Dienstnehmer beschäftigt; es ist kein Betriebsrat errichtet.

Am 7.April 1989 überreichte die Klägerin die Klage "auf Anfechtung einer Kündigung gemäß § 107 ArbVG und § 50 Abs 2 ASGG", behauptete das Vorliegen von Anfechtungsgründen nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG, bestritt aber auch ausdrücklich, den (durchschnittlichen) Arbeitserfolg nicht erreicht zu haben. Sie begehrt die Feststellung, daß ihre Kündigung vom 28.März 1989 durch die Beklagte rechtsunwirksam sei und somit das bisherige Dienstverhältnis weiter aufrecht bestehe. Mit vorbereitetem Schriftsatz vom 27.Juni 1989 stellte sie das Eventualbegehren, es werde festgestellt, daß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen über den 31.Mai 1989 hinaus aufrecht sei und erstattete nunmehr ein ausführliches Vorbringen zu den von der Beklagten geltend gemachten Kündigungsgründen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, wendete Verspätung der Anfechtungsklage ein und beantragte, das zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führende Eventualbegehren nicht zuzulassen.

Das Erstgericht wies das Haupt- und Eventualbegehren mit Urteil zurück. Das Hauptbegehren der Klägerin sei eindeutig als Anfechtungsklage nach § 107 ArbVG (§ 105 ArbVG) anzusehen. Die Klägerin habe die Kündigung nicht binnen einer Woche nach Zugang angefochten und damit die Anfechtungsfrist versäumt. Auch das Eventualbegehren sei zurückzuweisen. Eine Klageänderung auf Feststellung sei zwar grundsätzlich zulässig; sie würde aber in einem Verfahren, das einerseits auf Anfechtung der Kündigung nach dem ArbVG und andererseits auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses gerichtet sei, wegen der einander zum Teil ausschließenden Tatsachenbehauptungen beider Begehren zu einer erheblichen Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens führen. Dazu komme, daß für beide Begehren verschiedene Verfahrensgrundsätze anzuwenden seien.

Das Berufungsgericht behandelte die Entscheidung des Erstgerichtes als Sachentscheidung, weil die Anfechtungsfrist der §§ 105 Abs. 4, 107 ArbVG eine materiell-rechtliche Präklusivfrist (nunmehr aber 9 Ob A 289/89 vom 6.Dezember 1989, wonach eine Wiedereinsetzung in die Anfechtungsfristen des § 105 Abs 4 ArbVG zulässig ist) sei, deren Versäumung zur Abweisung der Anfechtungsklage führe und gab dem Rechtsmittel der Klägerin ("Berufung bzw. Rekurs") Folge; es hob die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 30.000,-- übersteige.

Die Klägerin habe zwar ihre Klage ausdrücklich als Anfechtungsklage nach § 107 ArbVG bezeichnet, in der Klage aber nicht nur auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung hingewiesen, sondern das Vorliegen von Kündigungsgründen iS des § 32 VBG 1948 bestritten und im Schriftsatz ON 5 ausgeführt, daß schon ihr Hauptbegehren ein Feststellungsbegehren (auf Fortbestehen des Dienstverhältnisses) enthalte. Da zudem eine Kündigungsanfechtung nach den §§ 105 ff ArbVG eine nach zivilrechtlichen Grundsätzen rechtsgültige Kündigung voraussetze und das Erstgericht die Klägerin auf die rechtliche Unschlüssigkeit eines Hauptbegehrens auf Kündigungsanfechtung nicht hingewiesen habe, könne nach dem derzeitigen Verfahrensstand noch nicht endgültig gesagt werden, ob das Hauptbegehren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung oder auf Kündigungsanfechtung gerichtet sei. Auch die Zulässigkeit des Eventualbegehrens könne noch nicht beurteilt werden. Ein auf Kündigungsanfechtung gerichtetes Hauptbegehren wäre wegen Verspätung abzuweisen. Das schließe die Entscheidung über ein damit im Widerspruch stehendes Eventualbegehren nicht aus. Den erschwerten Zulassungsbedingungen einer Klageänderung widerspreche ein solches Begehren nur, wenn es auf neues und abweichendes Tatsachenvorbringen gestützt werde. Den gegen diesen Aufhebungsbeschluß wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Rekurs der Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekursgrund der Nichtigkeit liegt nicht vor. Die Klägerin hatte sich in ihrer Berufung mit Recht dagegen gewendet, daß ihr Hauptbegehren nur unter dem Gesichtspunkt eines verspäteten Anfechtungsbegehrens nach § 107 ArbVG geprüft und das Eventualbegehren überhaupt ohne Eingehen in die Sache zurückgewiesen wurde. Der von der Klägerin gestellte Aufhebungsantrag entsprach sohin der Rechtslage; es kommt nicht darauf an, ob dem Erstgericht mit diesem Antrag die "Durchführung des ordentlichen Verfahrens" oder nur dessen Fortsetzung aufgetragen werden sollte. Es kann keine Rede davon sein, daß das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung die Berufungsanträge (und damit seine "Kompetenz") überschritten hätte.

Auch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO); eine auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhende Verletzung der Anleitungspflicht ist mit dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu rügen (Fasching, ASGG 190; Kuderna, Komm II 873; III, 842). Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, nach dem derzeitigen Verfahrensstand könne noch nicht endgültig gesagt werden, ob das Hauptbegehren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung oder auf Kündigungsanfechtung gerichtet sei, ist zutreffend. Es reicht daher aus, insoweit auf die Richtigkeit der Beurteilung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG). Ergänzend ist dem Argument der Rekurswerberin, die Klägerin habe doch ihre Klage ausdrücklich als Klage "nach § 107 ArbVG und § 50 Abs 2 ASGG" bezeichnet (und damit jeden Zweifel über das Wesen ihres Hauptbegehrens beseitigt) entgegenzuhalten, daß dieser Qualifikation die ausdrückliche Bestreitung der von der Beklagten geltend gemachten Kündigungsgründe widerspricht, weil die Rechtswirksamkeit der Kündigung eine notwendige Voraussetzung des Anfechtungsbegehrens ist; (FlorettaStrasser ArbVG2, 263 FN 2 und 280 E 8; Floretta in ZAS 1978, 191 ff). Zudem wies die Klägerin bei der Erhebung des Eventualbegehrens darauf hin, daß schon ihr Hauptbegehren ein Feststellungsbegehren enthalten hatte; sie brachte damit zum Ausdruck, daß es sich dabei nicht nur um ein Vergreifen in der Formulierung gehandelt hat.

Das Berufungsgericht hatte daher - unabhängig davon, daß ein primär erhobenes Rechtsgestaltungsbegehren auch nach seiner Ansicht verspätet gewesen wäre, dem Erstgericht die Klärung der Frage aufzutragen, ob das - bisher als Feststellungsbegehren formulierte - Hauptbegehren überhaupt als Rechtsgestaltungsbegehren nach den §§ 105 Abs 4, 107 ArbVG gemeint war. Sollte dies der Fall sein, wäre zwar das Hauptbegehren verspätet (und daher für dieses Begehren auch die Vorfrage der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Kündigung gegenstandslos), aber damit auch der Weg frei, über das für den Fall der Erfolglosigkeit des Hauptbegehrens erhobene Eventualbegehren auf Feststellung des Fortbestehens des Dienstverhältnisses zu entscheiden. Das dazu erforderliche Vorbringen war im wesentlichen schon in der Klage enthalten, so daß eine Erschwerung und Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist.

Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 und 52 ZPO.

Anmerkung

E19852

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00029.9.0214.000

Dokumentnummer

JJT_19900214_OGH0002_009OBA00029_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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