TE OGH 1990/2/15 8Ob525/90

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Veröffentlicht am 15.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Schwarz, Dr.Graf und Dr.Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef K***, Landwirt, Pertisau 80, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Erich R***, Landwirt, Jenbach, Schalserstraße 30, vertreten durch Dr. Dietmar Ritzberger und Dr. Erich Janovsky, Rechtsanwälte in Schwaz, wegen S 20.000 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 5. Dezember 1989, GZ 1 a R 569/89-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schwaz vom 21. August 1989, GZ 2 C 1549/87x-32, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt für die landwirtschaftliche Nutzung der ihm gehörigen Liegenschaft EZ 90.011 KG Achental (= EZ 11 I) im

2. Halbjahr 1985 vom beklagten Pächter einen restlichen Pachtzins von S 20.000 samt Zinsen.

Der Beklagte stellte außer Streit, daß - unter Zugrundelegung einer Weidefläche von 10 ha und eines Pachtzinses von 0,40 Groschen pro m2 - ein jährlicher Pachtschilling von S 40.000 vereinbart war; er beantragt jedoch unter Einwendung diverser mit der Pacht zusammenhängender Gegenforderungen die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger bringt gegen diese Gegenforderungen vor, daß wegen eines anhängigen Flurbereinigungsverfahrens, welches einen Teil der gepachteten Flächen erfasse, diesbezüglich der Rechtsweg unzulässig sei. Hinsichtlich der Klageforderung sei der Rechtsweg zulässig, weil der größere Teil der Pachtfläche vom Flurbereinigungsverfahren nicht erfaßt sei. Hierauf replizierte der Beklagte, daß das Pachtverhältnis als Gesamtheit zu sehen sei; es bestünde nur die Möglichkeit der Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit des Rechtsweges. Das Erstgericht erklärte das gesamte durchgeführte Verfahren als nichtig, hob es auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück.

Hiebei ging es davon aus, daß der Kläger dem Beklagten den geschlossenen Hof EZ 11 I KG Achental mit Ausnahme einiger weniger Grundstücke verpachet hat. Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 20. Juli 1983 wurde hinsichtlich einiger der verpachteten Parzellen ein Flurbereinigungsverfahren eingeleitet, das bislang noch nicht abgeschlossen ist.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob die angefochtene Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf und wies das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an.

Zusammengefaßt beurteilte das Rekursgericht den Sachverhalt so:

die Zuständigkeit der Agrarbehörde nach § 72 Abs 4 und 5 lit c des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes (TFLG) erstrecke sich im Zusammenhang mit einem Flurbereinigungsverfahren auch auf Streitigkeiten über Gegenleistungen für die Benützung der in das Verfahren einbezogenen Grundstücke; dazu gehöre auch der Pachtschilling. Hieraus folge, daß hinsichtlich der Grundstücke, welche in das Flurbereinigungsverfahren einbezogen sind, die Zuständigkeit der Agrarbehörde gegeben sei. Hinsichtlich jener Pachtgrundstücke, welche nicht in das Flurbereinigungsverfahren einbezogen sind, sei jedoch der Rechtsweg zulässig, weil sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde nur auf die in das Verfahren einbezogenen Grundstücke beziehe. Die Kompetenz der Agrarbehörde sei in Angelegenheiten, die ansonsten in die Zuständigkeit anderer Behörden fallen, nur dann gegeben, wenn die Einbeziehung zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung unbedingt erforderlich sei. Dies sei jedoch hinsichtlich der in das Flurbereinigungsverfahren nicht einbezogenen Pachtgrundstücke nicht nötig, weil sich aus § 8 LPG ergebe, daß ein Pachtverhältnis grundsätzlich auch teilbar sei. Der Kläger habe zu Recht geltend gemacht, daß die Tatsachenfeststellung des Erstgerichts hinsichtlich der Parzellen, welche Gegenstand des Pachtvertrages gewesen seien bzw. hinsichtlich deren das Flurbereinigungsverfahren eingeleitet worden sei, einen Widerspruch enthalte. Das Schicksal der Grundparzelle 184 und der Bauparzelle 43 sei aufklärungsbedürftig. Die angefochtene Entscheidung sei daher zur Klärung des Schicksals dieser Grundstücke aufzuheben. Sodann werde vom Erstgericht im Sinn der oben angeführten Überlegungen zu entscheiden sein. (Im einzelnen wird auf die ausführliche rechtliche Beurteilung des angefochtenen Beschlusses S. 6 bis 16 verwiesen.)

Das Rekursgericht hielt einen Rechtskraftvorbehalt für angebracht, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei einem einheitlichen Pachtverhältnis dann, wenn nur einzelne Grundstücke aus diesem Pachtverhältnis in ein Flurbereinigungsverfahren einbezogen werden, der Rechtsweg insgesamt zulässig sei oder nicht bzw. eine Aufteilung, bezogen auf die einzelnen in das Flurbereinigungsverfahren einbezogenen und nicht einbezogenen Grundstücke, stattzufinden habe.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Er beantragt, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Zurückweisungsbeschluß der ersten Instanz wiederherzustellen; hilfsweise begehrt er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Rückverweisung der Sache an das Rekursgericht. Der Kläger beantragt, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus den im Aufhebungsbeschluß angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Im Hinblick auf die umfassende und zutreffende rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes genügt es, zur Vermeidung von Wiederholungen auf dessen Begründung zu verweisen. Dem Rekursgericht ist darin beizustimmen, daß die Agrarbehörden über Ansprüche auf Bezahlung des Pachtzinses für in Flurbereinigungsverfahren einbezogene Grundstücke sowie über damit zusammenhängende Gegenforderungen zu entscheiden haben (JBl. 1961, 412 ua; vgl. auch SZ 49/128 und 59/212).

Zu Recht vertritt das Rekursgericht auch die Ansicht, daß Streitigkeiten über den Pachtschilling hinsichtlich der vom Flurbereinigungsverfahren nicht betroffenen Pachtgrundstücke nicht in die Zuständigkeit der Agrarbehörde, sondern, weil es sich dabei um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt, in die Zuständigkeit der Gerichte fallen. Dies beruht auf dem Grundsatz, daß immer dann, wenn von der Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung über bürgerliche Rechtssachen (§ 1 JN) eine Ausnahme geschaffen werden soll, dies in dem hiefür erforderlichen "besonderen Gesetz" klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden muß. Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, welche die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig. Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen mangels ausdrücklicher (SZ 49/128; 50/70; 56/167; 59/107) oder unzweifelhaft schlüssiger (EvBl 1982/61 S. 211 = SZ 54/129; SZ 55/184; JBl. 1986, 38, SZ 60/18; ImmZ 1989, 312 ua) anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden.

Dem Einwand des Rekurswerbers, daß mangels Anwendbarkeit des § 8 LPG auf den gegenständlichen Rechtsstreit die Agrarbehörde auch über die Streitigkeit betreffend den Pachtschilling und die damit zusammenhängenden Gegenforderungen hinsichtlich der in das Flurbereinigungsverfahren nicht einbezogenen Grundstücke entscheiden müsse, weil eine Teilung des Schicksals der verpachteten Liegenschaften unzulässig sei, ist zu entgegnen, daß nicht § 8 LPG angewendet werden soll, sondern aus dieser Bestimmung - ebenso wie aus § 9 Abs 1 dieses Gesetzes - nur abgeleitet wird, daß eine Teilung ursprünglich gemeinsam gepachteter Grundstücke und der gewissen Voraussetzungen zulässig ist.

Auch aus § 72 Abs 5 lit b TFLG, wonach Streitigkeiten aus dem Grenzverlauf zwischen einbezogenen und nicht einbezogenen Grundstücken in die Zuständigkeit der Agrarbehörde fallen, kann kein Anhaltspunkt dafür gewonnen werden, daß auch für nicht in das Flurbereinigungsverfahren einbezogene Pachtgrundstücke die Zuständigkeit der Agrarbehörde gegeben wäre. Daß die Streitigkeit über den Grenzverlauf zwischen einem einbezogenen und einem nicht einbezogenen Grundstück vor die Agrarbehörde gehört, ist deshalb verständlich, weil die Entscheidung über den Grenzverlauf eines in das Verfahren einbezogenen Grundstücks zwangsläufig auch über den Grenzverlauf des nicht in das Verfahren einbezogenen Grundstücks abspricht.

Das Rekursgericht ist daher zutreffend zum Ergebnis gelangt, daß das Erstgericht vorerst mit den Parteien zu erörtern und zu klären haben wird, welche vom Pachtvertrag umfaßten Parzellen in das Flurbereinigungsverfahren einbezogen sind, weil nur hinsichtlich der übrigen Grundstücke der Rechtsweg zulässig ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E20102

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00525.9.0215.000

Dokumentnummer

JJT_19900215_OGH0002_0080OB00525_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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