TE Vfgh Erkenntnis 2001/11/26 B1444/00

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Veröffentlicht am 26.11.2001
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Index

43 Wehrrecht
43/01 Wehrrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BDG 1979 §43 Abs2
HeeresdisziplinarG

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch mangelhafte Bescheidbegründung in Form eines bloßen Verweises auf eine frühere Berufungsentscheidung in einem Disziplinarverfahren eines Bediensteten des Bundesheeres betreffend eine strafgerichtliche Verurteilung wegen übler Nachrede

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 2.143,68 Euro bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er versieht als Vizeleutnant des österreichischen Bundesheeres Dienst bei der Stabskompanie des Jägerregimentes 5 im Jägerbataillon 17.

2.1. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen in Graz vom 6. Mai 1997 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der üblen Nachrede gemäß §111 Abs1 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen a ATS 250,- verurteilt.

2.2. Mit Schreiben vom 4. Dezember 1998 erstattete der Beschwerdeführer gemäß §67 Abs2 Heeresdisziplinargesetz 1994, BGBl. 522 (im Folgenden: HDG), Selbstanzeige. Darin heißt es wie folgt:

"Auf Grund des Antrages (des Kompaniekommandanten) an den Dienststellenausschuß ... um Freigabe des (Beschwerdeführers) gem. §28 B-PVG mit der Begründung:

'Verurteilung wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach §111 Abs1 StGB. Begründeter Verdacht einer Verletzung gem. §3 ADV Abs2 zweiter Satz festgelegten Pflicht zur Kameradschaft'

wird um Klärung dieser Vorwürfe zu gewährleisten eine Selbstanzeige gemäß §67 Abs2 des Heeresdisziplinargesetzes 1994 (HDG 1994) erstattet."

Unter Bezugnahme auf die Selbstanzeige des Beschwerdeführers beantragte die Disziplinarkommission für Unteroffiziere beim Militärkommando Steiermark beim zuständigen Dienststellenausschuss dessen "Freigabe" gemäß §28 Bundes-Personalvertretungsgesetz, BGBl. 1967/133 (im Folgenden: PVG), die mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 auch erteilt wurde.

2.3. Mit Beschluss vom 15. April 1999 leitete die Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (im Folgenden: Disziplinarkommission) gemäß §71 HDG ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer ein. Seine dagegen erhobene Berufung wurde von der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt als unbegründet abgewiesen.

2.4. In weiterer Folge verfügte die Disziplinarkommission mit Bescheid vom 21. Oktober 1999 gemäß §72 Abs1 HDG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Begründend wurde dabei im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seine Dienstpflichten dadurch verletzt, dass er

"sowohl seinen Vorgesetzten Obst. P als auch Vzlt. S in einer am 11. März 1996 an die Staatsanwaltschaft Graz gerichteten Sachverhaltsdarstellung und für Dritte wahrnehmbaren Weise eines unehrenhaften Verhaltens bezichtigt hat, indem er den Verdacht des Amtsmissbrauchs durch die (Behauptung), dass im Jahre 1995 ... Vzlt. S eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Überstunden für seine Tätigkeit als Personalvertreter und Diätenabrechnungen und Fahrtkosten für die Teilnahme an Zentralausschusssitzungen mit Wissen des Kommandanten Obst. P in Rechnung gestellt habe, erhoben hatte, dies sich aber als unwahre (Anschuldigung) herausgestellt hatte und er sich somit in unkameradschaftlicher Art und Weise gegenüber seinem Vorgesetzten und einem Gleichrangigen verhalten hat."

Der Beschwerdeführer auf Grund dieses Verhaltens im Verdacht, sowohl gegen die allgemeinen Dienstpflichten eines Beamten gemäß §43 Abs2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. 333 (im Folgenden: BDG), als auch gegen die allgemeinen Pflichten eines Soldaten gemäß §3 Abs6 der Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer, BGBl. 1979/43 (im Folgenden: ADV), verstoßen und dadurch eine Pflichtverletzung iSd. §2 Abs1 HDG begangen zu haben.

2.5. Mit Eingabe vom 5. November 1999 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung wegen "Nichtigkeit" und beantragte u.a. die Aufhebung des "Einleitungsbeschlusses".

Begründend führte er - unter Hinweis auf seine Funktion als Personalvertreter der Dienststelle Strass - zum einen aus, dass gemäß eines Erlasses des Bundesministers für Landesverteidigung in einem Ersuchen um Zustimmung zur Freigabe eines Personalvertreters iSd. §28 PVG der konkrete Sachverhalt anzuführen sei, aus dem sich der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung ergebe. Was das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren betreffe, so sei jedoch weder im Antrag der Stabskompanie des Jägerregimentes 5 noch im Antrag der Disziplinarkommission für Unteroffiziere beim Militärkommando Steiermark ein konkreter Sachverhalt angeführt worden, sodass dieses Verfahren rechtlich nicht gedeckt sei. Der Dienststellenausschuss habe nur die Begründung dieser Anträge zur Entscheidungsfindung heranziehen können. Daher sei die "Freigabe" nur im Hinblick auf §3 Abs2 zweiter Satz ADV erteilt worden.

(Dies bestätigte auch der Vorsitzende des Dienststellenausschusses in einem Schreiben vom 1. September 1999, in welchem er unter Bezugnahme auf den Einleitungsbeschluss dem Vorsitzenden der Disziplinarkommission mitteilte, dass die "Freigabe" des Beschwerdeführers gemäß §28 PVG nur im Hinblick auf die Pflicht zur Kameradschaft gemäß §3 Abs2 zweiter Satz ADV erfolgt sei, auf welche Bestimmung sowohl der Antrag des Kompaniekommandanten als auch der Antrag der Disziplinarkommission Bezug genommen habe.)

Ein zweiter Nichtigkeitsgrund sei darin zu sehen, dass nach einem weiteren Erlass des Bundesministers für Landesverteidigung die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Landesverteidigung eingerichtet werde. Der Senatsvorsitzende müsse demgemäß ein Angehöriger der Zentralstelle sein; im vorliegenden Fall gehöre der Senatsvorsitzende jedoch einer nachgeordneten Dienststelle, nämlich dem Heeresgebührenamt, an, sodass dem erwähnten Erlass nicht entsprochen und von der Nichtzuständigkeit der Kommission auszugehen sei.

2.6. Mit Bescheid der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt vom 20. Dezember 1999 wurde der solcherart bekämpfte Bescheid gemäß §66 Abs2 AVG iVm. §72 Abs1 und 2 sowie §72a HDG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen. Begründend wird dazu u.a. Folgendes ausgeführt:

"Im vorliegenden Verfahren ist aufgrund der Aktenlage davon auszugehen, dass die Sachlage mit Rechtskraft des Einleitungsbeschlusses unverändert ist und auch keine weiteren Erhebungen seitens der belangten Behörde vorgenommen worden sind. Die für die Abweisung der Berufung im Zusammenhang mit dem Einleitungsbeschluss maßgebenden Überlegungen sind daher vollinhaltlich aufrecht. Ein Mangel im Sinne des §28 PVG hätte - soferne er erkennbar gewesen wäre - bereits damals aufgegriffen werden müssen. Weiters ist dem BW (Berufungswerber) diesbezüglich zu entgegnen, dass die Zustimmung der Personalvertretung zur Verfolgung sachverhalts- und nicht tatbestandsbezogen zu sehen ist. Es wird also die Zustimmung zur Verfolgung hinsichtlich eines Sachverhaltes, nicht aber hinsichtlich dessen rechtlicher Würdigung erteilt. Aus dem Umstand, dass der Vorsitzende des Dienststellenausschusses das offensichtlich verkannt hat (siehe Schreiben vom 1. September 1999)(vgl. oben Pkt. 2.5.), ist für den BW nichts zu gewinnen. Die rechtliche Wertung des dem BW im Verdachtsbereich angelasteten Verhaltens, das auch der Personalvertretung bekannt war, ist letztlich Aufgabe der Disziplinarkommission im abschließenden Disziplinarverfahren.

Für den als zweite 'Nichtigkeit' geltend gemachten Mangel fehlt es an jeglichem rechtlichen Hintergrund. Abgesehen davon, dass die Rechtsauffassung des BW, der Senatsvorsitzende dürfe nur ein Angehöriger des Bundesministeriums sein, einer normativen Deckung entbehrt, wird darauf hingewiesen, dass der vom BW genannte interne Erlass, der rechtlich als generelle Weisung zu werten ist, keine für die Berufungskommission als weisungsfreie Behörde nach Art133 Z4 B-VG maßgebende Bindung entfalten kann."

Ungeachtet dessen sei die Berufung aber - aus im Zuge einer Gesamtprüfung der angefochtenen Entscheidung hervorgekommenen Überlegungen - im Ergebnis berechtigt: Der Verhandlungsbeschluss sei wegen des Fehlens der Bekanntgabe der Zusammensetzung des Disziplinarsenates (§72 Abs2 HDG) einerseits und im Hinblick auf Mängel iZm. der Darstellung der Anschuldigungspunkte andererseits rechtswidrig. Zu prüfen sei auch eine allfällige Verletzung der Meldepflicht gemäß §53 Abs1 BDG.

2.7. Daraufhin verfügte die Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung - nach Durchführung weiterer Erhebungen im Sinne des Bescheides der Berufungskommission - mit Bescheid vom 20. März 2000 neuerlich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wobei die Anschuldigungspunkte wie folgt dargestellt wurden:

"Vzlt F A (der Beschwerdeführer) wird beschuldigt, er habe seine Dienstpflichten dadurch verletzt, dass er

1. am 11. März 1996, ohne hiezu berechtigt zu sein, eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Graz betreffend seinen Vorgesetzten Oberst P als auch Vizeleutnant S gerichtet hat und

2. in der unter Punkt 1 genannten Sachverhaltsdarstellung seinen Vorgesetzten Obst P als auch Vzlt S in leichtfertiger Weise eines unehrenhaften Verhaltens bezichtigt hat.

Durch dieses Verhalten steht (der Beschwerdeführer) in Verdacht,

in Punkt 1 gegen die Bestimmungen des §53 Abs1 BDG 1979 (Meldepflichten)

in Punkt 2 gegen die Bestimmungen des §43 Abs2 BDG 1979 (Allg. Dienstpflichten)

verstoßen und eine Pflichtverletzung im Sinne des §2 Abs1 HDG begangen zu haben."

Des Näheren wird dazu ausgeführt, der Beschwerdeführer wäre verpflichtet gewesen, nach Auftreten der ersten Bedenken gegen die Richtigkeit der Diäten- und Überstundenabrechnungen diese Bedenken auf dem Dienstweg vorzubringen und nicht der Staatsanwaltschaft Graz anzuzeigen. §3 Abs6 ADV lege fest, dass alle Soldaten ihren Kameraden mit Achtung zu begegnen hätten; ein Soldat, der leichtfertig falsche Beschuldigungen gegen Vorgesetzte erhebe, verstoße gegen seine Pflicht zur Wahrhaftigkeit und zu einem achtungsvollen Verhalten. Das Vorgehen des Beschwerdeführers, aufgrund dessen er mit Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz des Vergehens der üblen Nachrede für schuldig befunden wurde, sei als unangemessene Kritik zu bewerten, die zur Verletzung der menschlichen Würde des Vorgesetzten und eines Kameraden geführt habe und durch die der Betriebsfriede und die dienstliche Zusammenarbeit ernstlich gestört worden sei.

2.8. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er iW Folgendes ausführte:

"1) Ich bringe die Unzuständigkeit dieser Disziplinarkommission für Soldaten in I. Instanz vor:

Gemäß §15 Abs1 Z1 HDG 1994 ist in erster Instanz eine Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV) einzurichten.

Eingerichtet wurde diese 'Disziplinarkommission für Soldaten beim BMLV', aber nicht im BMLV, sondern organisatorisch bei einer dem BMLV nachgeordneten Dienststelle, wie es der Organisationsplan des Heeresgebührenamtes beweist. (Der Leiter des Heeresgebührenamtes übt daher auch die Dienstaufsicht über meinen zust. Senatsvorsitzenden aus.)

Die Bundesminister sind monokratisch organisierte Verwaltungsorgane, die den Bundesministerien vorstehen. Die Bundesministerien sind der behördliche Apparat, der den Bundesministern unmittelbar zur Verfügung steht.

Meiner Ansicht ist das 'beim BMLV' wie 'im BMLV (Zentralstelle)' zu verstehen. Dafür spricht auch §7 BMG 1986 (Einrichtung der Bundesministerien), in dem die Gliederung des Bundesministeriums festgelegt ist.

Würde ihre Auffassung dem Gesetz entsprechen, könnten alle BMLV-Kommissionen bei irgendeinem Kdo bzw. Dienststelle im Bereich des BMLV organisatorisch eingerichtet werden.

...

3) Die beabsichtigte Erstattung einer Disziplinaranzeige gegen einen Bediensteten ist gemäß §9 Abs3 litc PVG dem DA schriftlich mitzuteilen - parallele Bestimmung im §22 HDG. Für mich als Personalvertreter finden aber die speziellen Bestimmungen des §28 PVG Anwendung.

       Es stimmt schon, dass die Zustimmung des DA zur Verfolgung

sachverhalts- und nicht tatbestandsbezogen zu sehen ist. Die

Disziplinarkommission für UOCh beim Militärkommando ST hat mit

Schreiben ... vom 11.12.1998 die Freigabe auf Grund der Selbstanzeige

vom 4.12.1998 beantragt, ohne einen Sachverhalt dem DA mitzuteilen.

Daraufhin hat der DA mit Schreiben ... vom 23.12.1998 die Freigabe

erteilt. Mit Schreiben ... vom 1.9.1999 hat der DA seine Freigabe vom

23.12.1998 insofern eingeschränkt, als dass er mich nur für den vorgebrachten §3 ADV Abs2 zweiter Satz 'festgelegten Pflicht zur Kameradschaft' zur disziplinären Würdigung freigegeben hat.

Würde die Disziplinarkommission für Soldaten beim BMLV bei der disziplinären Würdigung sachverhaltsmäßig nun darüber hinaus gehen, würde sie verfassungswidrig (Verletzung des gesetzlichen Richters) handeln."

3. Mit dem nunmehr beim Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport (im Folgenden: Berufungskommission) vom 20. Juni 2000 wurde der Berufung teilweise Folge gegeben, sodass der Verhandlungsbeschluss nunmehr wie folgt lautet:

"(Der Beschwerdeführer) wird beschuldigt, er habe seine Dienstpflichten dadurch verletzt, dass er am 11. März 1996 in einer Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Graz seinen Vorgesetzten Obst. P wie auch Vzlt. S in leichtfertiger Weise eines unehrenhaften Verhaltens bezichtigt hat.

Durch dieses Verhalten steht (der Beschwerdeführer) im Verdacht, gegen die Bestimmungen des §43 Abs2 BDG 1979 (Allg. Dienstpflichten) verstoßen und eine Pflichtverletzung im Sinne des §2 Abs1 HDG begangen zu haben."

Begründend wird dazu u.a. ausgeführt:

"...

(D)ie Einwände, die der BW in den Punkten 1 und 3 seiner Berufung vorbringt, sind ... nicht zutreffend.

Diese Einwände wurden bereits im Rahmen der gegen den Verhandlungsbeschluss der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 21. Oktober 1999 ... eingebrachten Berufung inhaltsgleich geltend gemacht und von der Berufungskommission in der Berufungsentscheidung vom 20. Dezember 1999 ... ausführlich behandelt und als nicht zutreffend erkannt. Zur Vermeidung von Wiederholungen darf auf die Begründung in der oa. Berufungsentscheidung verwiesen werden."

4. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gerügt und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

Begründend wird zu den hier relevanten Vorwürfen im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Nach der Judikatur des ... Verfassungsgerichtshofes wird durch die Entscheidung einer Kollegialbehörde, die nicht gesetzeskonform konstituiert ist, das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt (VfSlg. 13.932 u. a.). Dieser Fall ist in concreto verwirklicht. Die erstinstanzlich tätig gewordene Behörde nennt sich zwar 'Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung', ist aber nicht als eine Organisationseinheit bei diesem Ministerium konstituiert worden. Vielmehr wurde sie bei einer untergeordneten Dienststelle eingerichtet und das widerspricht zweifellos dem Gesetz. Nach §15 Abs1 HDG sind die gegenständlichen Disziplinarkommissionen sämtliche 'beim Bundesministerium für Landesverteidigung einzurichten'. Diese Gesetzesbestimmung kann somit denkbarerweise nicht dahingehend verstanden werden, dass es schon genügt, wenn in der Behördenbezeichnung die Formulierung 'beim Bundesministerium für Landesverteidigung' aufscheint. Es muss vielmehr eine organisatorische Ein- oder Angliederung an das Ministerium bestehen, ansonsten ist dem Gesetzesauftrag nicht entsprochen. In concreto fehlt es an dieser Ein- oder Angliederung, es besteht hinsichtlich der zuständigen Behörde ein gesetzwidriger Zustand, das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter ist verletzt.

Weiters ist in diesem Punkt auch Entscheidungswillkür gegeben. Entgegen der Behauptung der belangten Behörde habe ich in meiner früheren Berufung vom 5.11.1999 gegen den Verhandlungsbeschluss vom 21.10.1999 den gegenständlichen Konstituierungsmangel nicht geltend gemacht. Ich hatte dort lediglich ausgeführt, dass ich aus einem Erlass ableitete, dass die Disziplinarkommission eine solche beim Bundesministerium für Landesverteidigung sei und dass daher der Senatsvorsitzende ein Beamter dieses Ministeriums sein müsse. Das ist eine ganz andere Argumentation, die ich aufgegeben habe, weil ich erkannte, dass sie nicht entsprechend stichhältig ist. In der Entscheidung über jene Berufung konnte die belangte Behörde daher auch zutreffend erwidern, dass meinem Vorbringen der gesetzliche Hintergrund fehle. Das gilt jedoch entsprechend den obigen Ausführungen für das durch den beschwerdegegenständlichen Bescheid erledigte Berufungsvorbringen keineswegs und somit liegt insoweit überhaupt keine Begründung vor, durch welche dieses Berufungsvorbringen erledigt werden könnte. Das stellt sich im Sinne der einschlägigen Judikatur des ... Verfassungsgerichtshofes als Entscheidungswillkür dar (B1713/94 vom 26.2.1996 und B1651/95 vom 27.2.1996)."

5. Die Berufungskommission als belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdeausführungen entgegentritt und beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Dass die bei der Erlassung des angefochtenen Verhandlungsbeschlusses angewendeten Rechtsvorschriften wegen Verstoßes gegen den - auch den Gesetzgeber bindenden - Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig wären oder in verfassungswidriger Weise angewendet worden wären, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet; auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren sind Anhaltspunkte dafür nicht hervorgekommen.

1.2.1. Eine Verletzung des vom Beschwerdeführer geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 9726/1983, 10.413/1985, 10.997/1986, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Im Erkenntnis VfSlg. 10.057/1984 nahm der Verfassungsgerichtshof mit Beziehung auf seine Vorjudikatur (vgl. insbesondere VfSlg. 9293/1981) unter dem Aspekt einer Gleichheitsverletzung infolge Willkür der entscheidenden Behörde den Standpunkt ein, dass eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit dann vorliegt, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen kein Begründungswert zukommt. Nach Ansicht des Gerichtshofes, der bei diesem Standpunkt bleibt, gilt dies umso mehr im hier gegebenen Fall, in dem die Behörde einen besonders wichtigen Teil ihrer Entscheidung der Partei gegenüber begründungslos trifft. Ein solcher Fehler wiegt nicht weniger schwer als das vom Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Gleichheitsgebot (zB VfSlg. 9660/1983) als gravierend gewertete Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt.

1.2.2. Die Begründung der Berufungskommission für ihre mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte Entscheidung erschöpft sich in dem Hinweis, dass die in der Berufung geltend gemachten Einwände bereits im Rahmen der gegen den (ersten) Verhandlungsbeschluss der Disziplinarkommission vom 21. September 1999 eingebrachten Berufung inhaltsgleich geltend gemacht und von der Berufungskommission in der damals ergangenen Berufungsentscheidung vom 20. Dezember 1999 ausführlich behandelt und als nicht zutreffend erkannt worden seien. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die Begründung der vorgenannten Berufungsentscheidung verwiesen.

In der Beschränkung auf diesen Verweis liegt aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Gleichheitsrecht (vgl. etwa VfSlg. 9293/1981, 10.057/1984, 10.997/1986, 11.851/ 1988, 12.476/1990, VfGH 27.11.2000 B1019/98) eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides.

2. Der angefochtene Bescheid war daher schon wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben, sodass es sich erübrigte, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953; in den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG 1953 in Höhe von 181,68 Euro und Umsatzsteuer in Höhe von 327 Euro enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Bescheidbegründung, Dienstrecht, Disziplinarrecht, Militärrecht, Heeresdisziplinarrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1444.2000

Dokumentnummer

JFT_09988874_00B01444_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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