TE OGH 1990/2/20 5Ob58/89

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Veröffentlicht am 20.02.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Johann S***, Beamter, Dürnstein, Oberloiben 21, wider die Antragsgegnerin G*** W***- UND

S***-A*** "S***" , Wien 1, Sailerstätte 17,

vertreten durch Dr. Alfred Peter Musil, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 22 Abs.1, 17 WGG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. Jänner 1989, GZ 41 R 632/88-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 1. Juli 1988, GZ 4 Msch 4/88-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Johann S*** war vom 1. Mai 1978 bis 31. August 1986 Mieter der Wohnung top.Nr. 40 in dem der Antragsgegnerin gehörigen Haus Wien 14., Schanzstraße 41. Die Antragsgegnerin ist eine gemeinnützige Bauvereinigung im Sinne des § 1 Abs.1 WGG. Zu Beginn des Mietvertrages leistete der Antragsteller der Antragsgegnerin zur Finanzierung der Baukosten einen Betrag von 114.101,55 S und zur Finanzierung der Grundkosten einen Betrag von 76.402,80 S. Anläßlich dieser Zahlungen wurde schriftlich vereinbart, daß der Beitrag zur Finanzierung der Baukosten innerhalb von 50 Jahren jährlich mit 2 % abgeschrieben, bei einer Kündigung des Vertrages vor Ablauf dieser Zeit der noch nicht abgeschriebene Beitrag zur Finanzierung der Baukosten an den scheidenden Mieter rückerstattet und der Beitrag zur Finanzierung der Grundkosten zur Gänze rückerstattet werde. Die vom Antragsteller zum 31. August 1986 aufgekündigte Wohnung wurde der Antragsgegnerin termingemäß geräumt übergeben. Trotz Bemühungen der Antragsgegnerin sowie des Antragstellers konnte die Wohnung erst am 1. September 1987 neuerlich vermietet werden. Der neue Mieter hatte für die Wohnung einen Finanzierungsbeitrag von 158.690 S zu leisten.

Mit dem am 13. April 1987 beim Magistrat der Stadt Wien, MA 50, Zentrale Schlichtungsstelle, eingebrachten Antrag begehrte Johann S*** die Feststellung des ihm von der Antragsgegnerin nach § 17 WGG zurückzuzahlenden Finanzierungsbeitrages.

Der Antragsteller gab sich mit der im Sinne der Feststellung eines Rückzahlungsbetrages von 158.690 S ergangenen Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht zufrieden und rief rechtzeitig das Gericht an (§ 40 Abs.1 MRG iVm § 22 Abs.4 WGG).

Das Erstgericht setzte den dem Antragsteller zurückzuzahlenden Betrag mit 171.487,04 S fest. Da die Wohnung des Antragstellers erst nach Ablauf von 6 Monaten nach ihrer Räumung durch den Antragsteller und nur zu einem nicht aufgewerteten Finanzierungsbetrag habe vermietet werden können, stehe dem Antragsteller nach § 17 WGG nur der abgeschriebene, nicht aufgewertete Finanzierungsbetrag zu. Wenngleich Abweichungen von diesen Bestimmungen in vor dem Inkrafttreten des WGG 1979 abgeschlossenen Miet- oder Nutzungsverträgen gemäß § 21 WGG rechtsunwirksam seien, so gelte diese Rechtsunwirksamkeit doch nur dann, wenn die Verträge zum Nachteil des Mieters von den bisherigen Bestimmungen abwichen. Im gegenständlichen Fall sei daher die für den Mieter günstigere vertragliche Regelung vorzusehen, wonach wohl der Beitrag zu den Baukosten abgewertet werde, nicht jedoch auch der Grundkostenbeitrag. Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge und erklärte den weiteren Rekurs für zulässig. Es billigte vorerst die Zulässigkeit der Feststellung des nach § 17 WGG zurückzuzahlenden Betrages auch nach Inkrafttreten des ersten WÄG im Verfahren nach § 22 WGG. Es erkannte aber auch der von der Antragsgegnerin erhobenen Rechtsrüge, das Erstgericht sei zu Unrecht zur Ansicht gelangt, vertragliche vor Inkrafttreten des WGG 1979 vereinbarte Regelungen über die Berechnung des zurückzuzahlenden Betrages gingen der gesetzlichen Regelung vor, keine Berechtigung zu. Gemäß § 21 Abs.1 Z 1 WGG 1979 seien Vereinbarungen insoweit rechtsunwirksam, als sie zum Nachteil des Vertragespartners der Bauvereinigung von den Bestimmungen der §§ 14 bis 20 und 22 abwichen. § 39 Abs.8 mit seiner hier maßgeblichen Übergangsbestimmung nehme weder § 21 WGG noch § 17 WGG von der rückwirkenden Anwendung auf Verträge über "alte Baulichkeiten" aus. Damit würden Vereinbarungen, die § 17 WGG zum Nachteil des Mieters widerstreiten, auch in bestehenden Verträgen rechtsunwirksam. Gereiche die Vereinbarung hingegen dem Mieter zum Vorteil, so sei sie weder in einem Vertrag über eine "alte Baulichkeit" noch in einem anderen Vertrag (teil-)unwirksam. Führe die vertragliche Berechnung des rückzuzahlenden Betrages zugunsten des scheidenden Mieters zu einem höheren Rückzahlungsbetrag, so gelte die vertragliche Vereinbarung. Der nach dem Gesetz zurückzuerstattende Gesamtbetrag werde die vertragliche Regelung wohl nur dann übersteigen, wenn der Rückzahlungsbetrag auch aufzuwerten sei, weil rechtzeitig ein Nachmieter habe gefunden werden können. Diesfalls sei die gesamte Berechnung, also auch der Abwertung, nach dem Gesetz vorzunehmen und ein nach § 17 Abs.3 WGG binnen 8 Wochen schon erstatteter, sich einst ergebender höherer abgewerteter Betrag in Abzug zu bringen. Die Gefahr der Vermischung verschiedener Berechnungsmethoden entstehe hiebei nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Antragsgegnerin gegen diesen rekursgerichtlichen Sachbeschluß erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt. Hinsichtlich der auch in der Revision relevierten Frage der Anwendbarkeit des besonderen außerstreitigen Verfahrens nach dem MRG auf den vorliegenden Antrag vermag sich der Oberste Gerichtshof der Ansicht der Revisionsrekurswerberin nicht anzuschließen. Das Rekursgericht hat zutreffend auf die vom Obersten Gerichtshof vorgenommene Auslegung des im § 22 WGG idF vor dem 1. WÄG normierten Umfanges der in das besondere außerstreitige Verfahren verwiesenen Angelegenheiten hingewiesen (vgl MietSlg. 39.250, 39.698/10) und die Motive zur Darstellung gebracht, die für die Änderung der genannten Verweisungsnorm (§ 22 WGG) maßgebend waren, nämlich die vom Obersten Gerichtshof vorgenommene berichtigende Auslegung festzuschreiben (214 BlgNR 17. GP Z 8 des V. Abschnittes des 1. WÄG). Da den Gesetzesmaterialien - wie vom Rekursgericht zutreffend erkannt wurde - die Absicht des Gesetzgebers, eine normative Änderung der Zulässigkeit des besonderen außerstreitigen Verfahrens durch Ausschluß der Anträge auf Feststellung des nach § 17 WGG zurückzuzahlenden Betrages, nicht zu entnehmen ist, und auch sonstige Gründe für eine solche, den bisherigen, vom Gesetzgeber berücksichtigenden Bestrebungen zuwiderlaufenden Maßnahme auch nicht erkennbar sind, billigt der Oberste Gerichtshof die vom Rekursgericht unter Hinweis auf die Lehre (Würth in WoBl 1988, 64 und Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 3 zu § 22 WGG) vertretene Ansicht, dem Gesetzgeber sei hier insofern ein offensichtlicher Redaktionsfehler unterlaufen, als die bisherige Verweisungsbestimmung des § 22 Abs.1 Z 5 WGG unbeabsichtigt entfallen ist, also eine planwidrige Unvollständigkeit im Sinne einer nicht gewollten Lücke des Gesetzes vorliegt, die im Weg berichtigender Auslegung zu beseitigen ist. Die von der Antragsgegnerin im Revisionsrekurs gegen diese Ansicht vorgebrachten Argumente, die in der Annahme gipfeln, der Gesetzgeber hätte selbst eine Korrektur vorgenommen, wenn ihm ein Fehler unterlaufen wäre, vermögen mangels sachlicher Anhaltspunkte für eine solche Annahme nicht zu überzeugen.

In ihrer Rechtsrüge hält die Revisionsrekurswerberin auch an der Rechtsmeinung fest, die neue gesetzliche Regelung über die auch bei den Grundkosten vorzunehmende 2 %ige Abschreibung pro Jahr des Vertragsverhältnisses gehe der vertraglichen Regelung, wonach der Beitrag zur Finanzierung der Grundkosten zur Gänze rückerstattet werde, vor: Es könne nicht rechtens sein, daß durch die Änderung der Gesetzeslage der für den Mieter ungünstigere Teil der Vereinbarung, und zwar die mangelnde Aufwertung des Baukostenbeitrages, rechtsunwirksam werde, jedoch der nach der neuen Gesetzeslage für den Mieter günstigere Teil der Vereinbarung, wonach der Beitrag zur Finanzierung der Grundkosten zur Gänze rückerstattet werde, gültig bleiben solle. Auch hier kann der Antragsgegnerin nicht gefolgt werde.

Auf Grund der Übergangsbestimmungen des § 39 Abs.8 WGG gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes - von bestimmt angeführten Ausnahmen abgesehen - nicht nur für neu zu begründende Verträge, sondern auch für bereits bestehende, "alte Baulichkeiten" betreffende Verträge. Die Bestimmungen der §§ 17 und 21 WGG sind von der genannten Ausnahmeregelung nicht betroffen. Von der Teilnichtigkeit von Vereinbarungen einer Bauvereinigung mit einem Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten im Sinne des § 21 Abs.1 Z 1 WGG sind - wie sich schon aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes ergibt - nur Vertragspunkte betroffen, die zum Nachteil des Vertragspartners der Bauvereinigung von den Bestimmungen der §§ 14 bis 20 und 22 WGG abweichen (vgl MietSlg. 39.697/42). Sind die Bestimmungen des § 17 WGG somit nur einseitig zwingendes Recht, so sind Vereinbarungen, die zum Vorteil des Vertragspartners der Bauvereinigung abweichen, rechtswirksam. Ist aber eine in Neuverträgen getroffene, von § 17 Abs.4 WGG abweichende, dem Nutzungsberechtigten zum Vorteil gereichende Vertragsbestimmung - wie etwa die Regelung der Rückerstattung der Beiträge zur Finanzierung der Grundkosten in ungekürztem Ausmaß - rechtswirksam, so muß dies auch für eine solche Bestimmung in einem (alten) Vertrag betreffend eine "alte Baulichkeit" gelten. Daß die nunmehrige gesetzliche Regelung zur Zeit des Abschlusses eines solchen Vertrages noch nicht bekannt war, ändert nichts, weil nach der damaligen Rechtslage hinsichtlich der Rückzahlung von Baukostenzuschüssen, Grund- und Baukostenbeiträgen und ähnlichen Leistungen, deren wirtschaftliche Zielsetzung es war, dem Bauträger aliquote Mittel zur Finanzierung der Bauvorhaben zur Verfügung zu stellen, anderseits aber auch für die Zukunft dem Mieter einen geringeren Bestandzins zu ermöglichen, keine ausdrückliche gesetzliche Regelung bestand (vgl Korinek-Funk-Scherz-Weinberger-Wieser, WGG Kommentar und Handbuch 5. Lfg. 54, Anm 1 zu § 17 WGG), zu der hier vorgenommenen vertraglichen Regelung somit keine unbedingte Notwendigkeit bestand. Dazu kommt noch, daß der Grundgedanke der Vorschrift des § 17 WGG das Anliegen war, dem scheidenden Nutzungsberechtigten von dem geleisteten Baukostenbeitrag einen aliquoten, noch nicht "abgewohnten" Teil zurückzuerstatten (vgl Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 2 zu § 17 WGG), Beiträge zur Finanzierung der Grundkosten jedoch einer solchen "Abwohnung" nicht unterliegen und das mit diesen Beiträgen finanzierte Aktivum Grund und Boden in der Regel keiner Wertminderung unterliegt (vgl Popper, WGG 1979, 162, Anm 1 zu § 17 WGG). In der von den Vorinstanzen vertretenen, von der Antragsgegnerin bekämpften Rechtsansicht (vgl auch Popper, aaO, 163, Anm 6 zu § 17 WGG) kann somit kein Rechtsirrtum erblickt werden, weshalb dem Revisionsrekurs kein Erfolg beschieden sein konnte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 22 Abs.4 WGG in Verbindung mit § 37 Abs.1 Z 19 MRG und § 40 ZPO.

Anmerkung

E20346

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00058.89.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19900220_OGH0002_0050OB00058_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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