Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Feber 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian K*** wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 16.November 1989, GZ 19 Vr 817/89-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Gloß, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß gemäß § 43 a Abs. 3 StGB ein Teil der Strafe, nämlich 12 (zwölf) Monate, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.Dezember 1958 geborene Kraftfahrzeugmechaniker Christian K*** des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 29.Juli 1989 in Weinburg mit der damals 10-jährigen, demnach unmündigen Natascha H*** den außerehelichen Beischlaf unternommen.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen mißbrauchte der Angeklagte die damals 10-jährige Natascha H*** im Kellerraum einer Wohnanlage sexuell dadurch, daß er den Geschlechtsteil des Kindes betastete und dann daran leckte, es veranlaßte, seinen erregten Geschlechtsteil anzufassen und (wiederholt) in den Mund zu nehmen. Schließlich drückte er mit dem Vorsatz, einen Geschlechtsverkehr vorzunehmen, sein erregtes Glied fest gegen die Scheide des Mädchens, wobei es allerdings zu einem Eindringen seines Gliedes in die Scheide nicht gekommen ist. Als eine unbekannt gebliebene Person den - vom Angeklagten vorher versperrten - Kellerraum öffnen wollte, ließ der Angeklagte von seinem Opfer ab (US 6).
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher er eine Tatbeurteilung als Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB, allenfalls als Versuch des Verbrechens nach § 206 Abs. 1 StGB mit dem Argument anstrebt, daß es zum Beischlaf mit dem unmündigen Mädchen gar nicht gekommen sei. Seiner Meinung nach könne aus der Überschrift ("Beischlaf mit Unmündigen") und aus der Formulierung des Tatbestandes (§ 206 Abs. 1 StGB: "Wer mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf unternimmt ...") nicht abgeleitet werden, daß bereits der Versuch, den Beischlaf zu vollziehen, das vollendete Delikt darstelle.
Die Subsumtionsrüge ist nicht begründet.
Die im § 206 Abs. 1 StGB umschriebene Tathandlung besteht nicht im Vollzug, sondern im Unternehmen des außerehelichen Beischlafs. Deliktsvollendung setzt daher keineswegs, wie der Beschwerdeführer meint, die Vollziehung des Beischlafes, also das Eindringen des männlichen Gliedes in die Scheide des Tatopfers voraus. Ein Beischlaf im Sinne des § 206 Abs. 1 StGB ist vielmehr bereits dann unternommen und dieses Delikt damit vollendet, wenn es zwar zu einem Eindringen des männlichen Gliedes in die Scheide des Tatopfers nicht kommt, wohl aber mit darauf gerichtetem Vorsatz dazu angesetzt und solcherart der Geschlechtsakt versucht wird. Zur Vollendung des Verbrechens nach § 206 StGB genügt demnach die Berührung des Geschlechtsteils des Täters mit jenem des Tatopfers, wenn dies - wie vorliegend von den Tatrichtern festgestellt wurde - mit auf Vollziehung des außerehelichen Beischlafs gerichtetem Vorsatz erfolgt (Pallin im WK, Rz 3; Leukauf-Steininger Komm.2 RN 3, 7, 8 je zu § 206). Der bezügliche Tatbestand wurde solcherart vom Gesetzgeber bewußt (nach Art eines Versuchsdeliktes) so konzipiert, daß bereits der der Vollziehung des Beischlafes unmittelbar vorangehende, in der Berührung der Geschlechtsteile des Täters und des Tatopfers gelegene Akt das vollendete Delikt des Beischlafs mit Unmündigen darstellt.
Dem Erstgericht ist sohin kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn es das im Urteil festgestellte Tatverhalten des Beschwerdeführers dem Verbrechenstatbestand nach § 206 Abs. 1 StGB unterstellte.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 206 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten.
Dabei wertete es den Umstand, daß der Angeklagte neben dem an dem (unmündigen) Mädchen unternommenen Beischlaf auch noch andere massive Unzuchtshandlungen gesetzt hat, als erschwerend; als mildernd nahm es hingegen das volle und umfassende Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand an, daß der Angeklagte bemüht ist, durch psychotherapeutische Maßnahmen einen Rückfall zu vermeiden.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die Gewährung bedingter Strafnachsicht (§ 43 StGB) bzw. die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe gemäß § 43 a StGB an.
Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.
Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt. Dabei wurde dem Berufungsvorbringen zuwider das vom Angeklagten abgelegte reumütige Geständnis ohnedies uneingeschränkt als Milderungsgrund gewertet und hiedurch auch der von der Berufung ins Treffen geführten Selbststellung Rechnung getragen. Insoweit darf jedoch nicht übersehen werden, daß die Mutter des Tatopfers den verfahrensgegenständlichen Vorfall zu diesem Zeitpunkt der Polizei bereits zur Kenntnis gebracht hatte.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen und unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) ist die über den Angeklagten in erster Instanz verhängte Freiheitsstrafe nicht überhöht. In diesem Umfang mußte daher der Berufung ein Erfolg versagt bleiben.
Begründet ist das Rechtsmittel hingegen, soweit es auf Gewährung bedingter Nachsicht eines Teiles der Strafe abzielt. Wenngleich eine gänzliche bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe angesichts des vorliegend keinesfalls geringen Schuld- und Unrechtsgehaltes nicht in Betracht kam, ist im Hinblick darauf, daß der Angeklagte das Strafübel des Freiheitsentzuges bisher noch nicht erlitten hat, sich nach der Tat freiwillig einer rund zweimonatigen stationären Behandlung im Niederösterreichischen Landeskrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Mauer unterzogen hat (S 65) und auch derzeit noch in Behandlung einer einschlägigen Fachärztin steht, die Erwartung gerechtfertigt, daß die Strafzwecke (§ 20 Abs. 1 StVG) durch die Anwendung der (durch das StRÄG 1987) neu geschaffenen Möglichkeiten einer teilbedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe (§ 43 a Abs. 3 StGB iVm § 43 Abs. 1 StGB) erreicht werden können, wobei es erforderlich erschien, den nicht bedingt nachgesehenen Teil mit einem Drittel der Strafe, demnach mit sechs Monaten, festzusetzen.
Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
Anmerkung
E19919European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0140OS00008.9.0220.000Dokumentnummer
JJT_19900220_OGH0002_0140OS00008_9000000_000