TE OGH 1990/2/20 14Os179/89

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Veröffentlicht am 20.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Feber 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kamal Mustapha N*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 dritter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 10.August 1989, GZ 20 n Vr 1326/89-77, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Reitschmid zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der unter verschiedenen Namen aufgetretene Angeklagte, der sich (ua) bei der Vernehmung (gemäß § 220 Abs. 1 StPO) durch den Vorsitzenden nach Rechtskraft der Anklage "Kamal Mustapha N***" nannte (S 329), in der Hauptverhandlung jedoch seinen Namen mit "Abbate T***" angab,

(1.) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 dritter Fall StGB und (2.) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 1.Februar 1989 in Wien

(zu 1) "mit Gewalt gegen eine Person, wodurch diese durch die ausgeübte Gewalt schwer verletzt wurde, einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern, und zwar dadurch, daß er Sabine H*** einen Schlag in das Gesicht versetzte, wodurch sie stürzte und mit dem Hinterkopf auf den Gehsteig aufschlug, er sodann mit beiden Händen auf den Kopf der Frau einschlug, wodurch sie ein Monokelhämatom im Bereich des rechten Auges, einen Bruch des rechten Jochbeines sowie einen Bluterguß auf dem Hinterhaupt, sohin eine schwere Körperverletzung erlitt, er sodann den Tragriemen ihrer Umhängetasche ergriff und die Tasche entreißen wollte, in der Folge, da Sabine H*** die Tasche festhielt, die Frau am

Taschenriemen etwa 2 Meter auf dem Boden mitschleifte und sodann ihre Geldbörse mit einem Bargeldbetrag von 1.410 S ergriff und flüchtete";

(zu 2) "Karin M*** durch Versetzen eines Schlages von hinten, wodurch die Frau zu Boden stürzte und er sodann auf die auf dem Boden Liegende wiederholt einschlug und eintrat, wodurch diese einen Bruch im Bereich des linken Jochbeinbogens sowie den Verlust von zwei Schneidezähnen aus dem Unterkiefer, sohin eine an sich schwere Körperverletzung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt".

Dieser Schuldspruch beruht auf dem Wahrspruch der Geschwornen, welche (jeweils im Stimmenverhältnis 7 : 1) die anklagekonformen Hauptfragen bejaht und die Zusatzfrage nach Tatbegehung in einem Zustand der Zurechnungsunfähigkeit verneint hatten. Die Eventualfrage nach Verübung der mit Strafe bedrohten Handlungen im Zustand voller Berauschung war demgemäß unbeantwortet geblieben. Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Gründe nach Z 5 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Die Verfahrensrüge (Z 5) wendet sich gegen die Ablehnung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Vernehmung des Dozenten Dr. P*** und auf Beischaffung der Röntgenbilder (bezüglich der Verletzung der Zeugin Sabine H***) zum Beweise dafür, daß die Genannte keinen

Jochbeinbruch erlitten habe und daher nicht schweren Grades verletzt worden sei (S 380).

Durch das abweisende Zwischenerkenntnis (S 381 f) des Schwurgerichtshofes wurden Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt, weil nach den Verfahrensergebnissen eine Eignung der angestrebten Beweise zur sachdienlichen Erweiterung der Entscheidungsgrundlage nicht ersichtlich war und der Antragsteller keinerlei Gründe vorbrachte, aus denen dennoch ein brauchbares Ermittlungsergebnis erwartet werden könnte (Mayerhofer-Rieder, StPO2 ENr 19 zu § 281 Z 4).

Auszugehen ist davon, daß dem Erstgericht ein in der Hauptverhandlung erörtertes schriftliches Gutachten des Sachverständigen für forensische Medizin Dr. S*** über die von Sabine H*** davongetragenen Verletzungen vorlag (ON 34). Darin wurde ausgeführt, daß über die ambulante ärztliche Versorgung der Sabine H*** im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien Untelagen der I.Universitätsklinik für Unfallchirurgie und der Universitätsklinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie vorhanden sind und daß bei einer Nachbefundung der dortigen Originalröntgenbilder durch den Sachverständigen die bereits im Krankenhaus getroffene Feststellung eines Bruches des rechten Jochbeins bestätigt werden konnte.

Bei dieser Sachlage hätte es zur Abgrenzung der angestrebten Beweisführung von einem bloßen Erkundungsbeweis der Angabe von konkreten Gründen bedurft, inwieweit neben dem vom Gesetz grundsätzlich vorgesehene Sachverständigenbeweis (§ 132 StPO) auch die zeugenschaftliche Vernehmung des Dr. P*** - bei dem es sich nach der Aktenlage um den Vorstand der Universitätsklinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie handelt - und die Besichtigung der Röntgenbilder geeignet sein sollen, über die Art der Verletzung der Sabine H*** andere Ergebnisse zu gewinnen als der zuvor genannte Sachverständige. Die Funktion Dris. P*** als Leiter einer der beiden Kliniken, in deren Ambulanzen die Zeugin Sabine H*** behandelt wurde, läßt nach allgemeiner Erfahrung noch nicht die Annahme zu, daß er persönliche Wahrnehmungen über diese Körperbeschädigung gemacht oder sonst über ein diesen Behandlungsfall betreffendes Wissen verfügt hätte, welches die maßgeblichen Befunde erweitern könnte. Ebensowenig ergibt sich aus dem hiezu vom Beschwerdeführer angeführten Arztbrief der Universitätsklinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie vom 8. Februar 1989, in dem die Verletzung als Contusion bezeichnet wurde (S 109), eine derartige, für die Wahrheitsfindung im Wege eines Zeugenbeweises sachdienliche Kenntnis des Klinikvorstandes. Zu der auf dieses Schreiben abgestellten Beschwerdeargumentation, wonach darin eine "Spitalsdiagnose" mit Negierung eines Knochenbruches zum Ausdruck komme, sei bloß am Rande noch darauf hingewiesen, daß neben der I.Universitätsklinik für Unfallchirurgie auch die Universitätsklinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie eine eigenständige Verletzungsanzeige wegen einer Bruchverletzung der Sabine H*** erstattet hat (S 144, 147).

Mangels jeglicher Darlegungen durch den Antragsteller, weshalb von einer zeugenschaftlichen Vernehmung des Dr. P*** noch nicht aktenkundige und zur Widerlegung des Sachverständigengutachtens geeignete Erkenntnisse über die damalige KÖrperbeschädigung der Sabine H*** zu erwarten seien und auf welche Weise die erfahrungsgemäß nur von Personen mit medizinischer Ausbildung verläßlich auswertbaren Röntgenbilder dem Beweisziel dienlich sein sollen, durfte der Schwurgerichtshof die Beweisaufnahme wegen Aussichtslosigkeit ablehnen. Soweit die Beschwerde ins Treffen führt, daß der Sachverständige Dr. S*** in der Hauptverhandlung nicht vernommen worden sei, wäre es dem Verteidiger freigestanden, eine derartige Verfahrensergänzung zu begehren. Mangels einer darauf gerichteten Antragstellung in der Hauptverhandlung gelangt der angerufene Nichtigkeitsgrund (Z 5) insoweit nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Aber auch mit der auf § 345 Abs. 1 Z 8 StPO gestützten Behauptung, die den Geschwornen über die gesetzliche Regelung der Zurechnungsunfähigkeit erteilte Belehrung sei in irreführender Weise unvollständig und undeutlich geblieben, ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.

Die Rüge geht davon aus, daß der Begriff einer den sonstigen im § 11 StGB bezeichneten Zuständen gleichwertigen seelischen Störung durch beispielsweise Aufzählung der hier in Betracht kommenden krankhaften Defekte zu erläutern gewesen wäre. Damit wird jedoch weder ein unzutreffender Inhalt der Instruktion, noch ein zur Irreführung geeignetes Fehlen gebotener Erörterungen aufgezeigt, weil die Tragweite des bezüglichen Gesetzeswortlautes - wonach neben Geisteskrankheit, Schwachsinn und tiefgreifender Bewußtseinsstörung auch andere seelische Störungen mit gleichem Gewicht als Ursache einer Zurechnungsunfähigkeit in Betracht kommen - ohne nähere Erörterung allgemein verständlich ist. Die in der Beschwerde zitierte Äußerung des Sachverständigen für forensische Psychiatrie hebt der Sache nach die gerichtliche Beweiswürdigungskompetenz hervor und vermag wegen ihrer alleinigen Bezugnahme auf Tatfragen von vornherein keinen Anhaltspunkt dafür zu bieten, daß die Gegebenheiten des Falles in rechtlicher Beziehung eine spezielle Erklärung des in Rede stehenden Gesetzesbegriffes erfordert hätten. Das Unterbleiben der vom Beschwerdeführer vermißten demonstrativen Auflistung medizinischer Zustandsbezeichnungen hat somit keine Unrichtigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung nach sich gezogen.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 143 erster Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren.

Dabei wertete es das Zusammentreffen zweier Delikte als erschwerend, hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel im Inland und die objektive Schadensgutmachung beim Raub als mildernd. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe an; ihr kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen dem Berufungsvorbringen hat das Erstgericht weder "Vermutungen", daß der Angeklagte hinsichtlich seines "Vorlebens etwas zu verbergen" habe, noch den Umstand, daß er Ausländer ist und sein "Vorleben in anderen Ländern verbracht" hat, als Erschwerungsgrund gewertet. Ein während seines Aufenthaltes in Österreich ordentlicher Lebenswandel aber wurde dem Berufungswerber - der im vorliegenden Verfahren bei Angabe unterschiedlicher Geburtsdaten unter verschiedenen Namen aufgetreten ist - ohnedies als mildernder Umstand zugute gehalten. Eine allfällige Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit durch den Genuß eines berauschenden Mittels (Alkohol und Medikamente) hinwieder wird nach Lage des Falles, wie das Geschwornengericht zutreffend erkannte, durch den Vorwurf, den der ausgedehnte Gebrauch der in Rede stehenden berauschenden Mittel begründet, aufgehoben (§ 35 StGB). Ein "besonders brutales oder rücksichtsloses Verhalten" bei der Tatbegehung schließlich wurde als (besonderer) Erschwerungsgrund nicht herangezogen.

Die demzufolge im wesentlichen richtig und vollständig angenommenen Strafzumessungsgründe hat das Geschwornengericht auch ihrem Gehalt entsprechend zutreffend gewürdigt. Angesichts des hohen Schuld- und Unrechtsgehalts der vorliegenden Straftaten ist die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe nicht zu hoch bemessen, sodaß auch der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E19920

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0140OS00179.89.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19900220_OGH0002_0140OS00179_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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