Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Feber 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alois G*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 13.Juni 1989, GZ 2 BE 9/88-13, sowie gegen den Vorgang, daß die sofortige Verständigung vom Widerrufsbeschluß im Verfahren 6 Vr 2971/88 zum betroffenen Verfahren 2 BE 9/88, beide Landesgericht für Strafsachen Graz, unterblieb, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Gesetz wurde verletzt
1. im Strafverfahren AZ 6 Vr 2971/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz durch den Vorgang, daß der Vorsitzende nicht unverzüglich das Landesgericht für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht zu AZ 2 BE 9/88 vom Beschluß des erkennenden Schöffengerichtes vom 2.März 1989 (ON 18), mit dem die bedingte Entlassung des Alois G*** widerrufen worden war, verständigte, in der Bestimmung des § 494 a Abs. 7 alt (nunmehr Abs. 8) StPO;
2. im Strafvollzugsverfahren AZ 2 BE 9/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz durch den Beschluß vom 13.Juni 1989 (ON 13), mit dem die bedingte Entlassung des Alois G*** für endgültig erklärt wurde, in der Bestimmung des § 48 Abs. 3 StGB; dieser Beschluß wird aufgehoben.
Text
Gründe:
Mit rechtskräftigem Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 26.Jänner 1988, GZ 2 BE 9/88-4, wurde der am 9.Jänner 1954 geborene Alois G*** mit Wirkung vom 1. März 1988 aus einer Freiheitsstrafe bedingt entlassen. Die Probezeit wurde mit einem Jahr bestimmt.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2.März 1989, GZ 6 Vr 2971/88-17, wurde Alois G*** wegen des innerhalb der Probezeit (am 3.November 1988) begangenen Verbrechens des schweren Diebstahls (durch Einbruch) nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB neuerlich zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich (§ 494 a Abs. 4 StPO) wurde die bedingte Entlassung widerrufen (S 110 und ON 18). Dieser Beschluß blieb unangefochten. Das Urteil hingegen erwuchs erst am 16. Juni 1989 in Rechtskraft.
In der Endverfügung vom 28.Juni 1989 ordnete der Vorsitzende zwar die Übermittlung einer Ablichtung des Widerrufsbeschlusses zum früheren Strafverfahren, nicht aber zum Entlassungsverfahren an. Mittlerweile war jedoch vom Vollzugsgericht in Unkenntnis der erwähnten Folgeumstände die bedingte Entlassung mit Beschluß vom 13. Juni 1989, GZ 2 BE 9/88-13, für endgültig erklärt worden. Erst die das Strafregister führende Bundespolizeidirektion Wien verständigte das Vollzugsgericht vom Vorliegen der einander widersprechenden Entscheidungen über die bedingte Entlassung (ON 17).
Rechtliche Beurteilung
In den im Spruch bezeichneten beiden Verfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Graz wurde, wie der Generalprokurator zutreffend in seiner gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes aufzeigt, jeweils das Gesetz verletzt:
Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 13.Juni 1989, GZ 2 BE 9/88-13, verletzt § 48 Abs. 3 StGB, weil es an der für die Endgültigerklärung der bedingten Entlassung begriffsessentiellen Voraussetzung des bisherigen Unterbleibens des Widerrufs fehlte.
Dieser, sohin gesetzwidrige Beschluß, vermochte den schon vorher durch das zuständige Gericht ausgesprochenen Widerruf der bedingten Entlassung weder zu beseitigen noch sonst für den Verurteilten irgendwelche Rechtswirkungen zu erzeugen (vgl EvBl 1964/263, 14 Os 156/87, 14 Os 162,163/88 = JBl 1989, 400 = EvBl 1989/64). Er war daher, ohne daß damit ein Nachteil für den Verurteilten verbunden sein kann, aufzuheben. Die aufgezeigte Gesetzesverletzung konnte deshalb unterlaufen, weil das Vollzugsgericht nicht sofort vom Widerrufsbeschluß (zur aktenkundigen Zahl des Verfahrens über die bedingte Entlassung) verständigt worden war. Damit wurde § 494 a Abs. 7 erster Satz aF (nunmer § 494 a Abs. 8) StPO verletzt, wonach das gemäß § 494 a StPO erkennende Gericht unverzüglich, und zwar schon vor Rechtskraft (EvBl 1989/64) alle Gerichte zu verständigen hat, deren Vorentscheidungen von seiner Entscheidung betroffen sind. In Stattgebung der Beschwerde war somit spruchgemäß zu erkennen.
Anmerkung
E19680European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0140OS00005.9.0220.000Dokumentnummer
JJT_19900220_OGH0002_0140OS00005_9000000_000