Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*** Massivhaus Baugesellschaft mbH, Wien 23., Perfektastraße 79, vertreten durch Dr.Helmut Hoppel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö*** F*** V***,
Wien 8., Lerchenfelderstraße 48, vertreten durch Dr.Walter Schuppich und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 60.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 6. Oktober 1989, GZ 3 R 138/89-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 19.April 1989, GZ 17 Cg 53/89-2, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin übt das Baumeistergewerbe aus und errichtet Häuser in herkömmlicher Massivbauweise.
Zu den Zwecken des beklagten Vereins gehören ua: die Untersuchung aller den Fertighausbau betreffenden wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Fragen, die Weiterentwicklung der Fertigbauweise und die Förderung aller Bestrebungen zugunsten dieser Bauweise; die Förderung der beruflichen Interessen seiner Mitglieder, darunter Maßnahmen, die in einer Generalversammlung beschlossen werden.
In der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 28.Februar 1989 wurde beschlossen, in Zeitungsinseraten für Fertighäuser zu werben und dabei den "Hausbau" der Errichtung eines "Fertighauses" gegenüberzustellen. Die Mitgliederversammlung nahm die Texte folgender vier Werbeaussagen an:
Text 1: BEIM HAUSBAU SIND DIE EIN FERTIGHAUS IST
KOSTEN UNÜBERSCHAUBAR GÜNSTIGER ALS SIE DENKEN
Text 2: EIN HAUSBAU IST BEIM FERTIGHAUS SIND DIE
UNERSCHWINGLICH KOSTEN FIX KALKULIERT
Text 3: BEIM HAUSBAU SIEHT MAN BEIM FERTIGHAUS SIEHT
OFT VIEL ZU SPÄT, WIE MAN VORHER, WAS MAN
DAS ERGEBNIS AUSSIEHT KAUFT
Text 4: HAUSBAU HEISST 1000 FERTIGHAUS HEISST 1 VER-
LIEFERANTEN UND STARKE TRAGSPARTNER UND GE-
NERVEN SCHONTE NERVEN
Die Werbetexte 1, 3 und 4 wurden bereits in Zeitungsinseraten des Beklagten veröffentlicht; auch die Werbeaussage 2 soll im Rahmen des "Mediaplans" des Beklagten veröffentlicht werden. Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr die oben unter 1 bis 4 genannten Werbetexte in Ankündigungen zu verwenden. Die über den "Hausbau" gemachten Angaben bezögen sich deutlich auf die in herkömmlicher Weise errichteten sogenannten "Baumeisterhäuser". Sie seien in ihrer allgemeinen Fassung unrichtig oder irreführend und werteten die Erzeugnisse einer gesamten Berufsgruppe pauschal ab. Es treffe nicht zu, daß die Kosten beim herkömmlichen Hausbau "unüberschaubar" seien; üblicherweise würden Aufträge zur Errichtung eines Baumeisterhauses unter Zugrundelegung von Kostenvoranschlägen oder auch eines Fixpreises erteilt. Die Errichtung eines solchen Hauses sei nicht teurer als ein Fertighaus gleicher Güte. Die Werbeaussage "unüberschaubar" erwecke auch den herabsetzenden Eindruck, daß sich die Baumeister an die allgemein üblichen Kostenvoranschläge nicht halten würden. Durch die Werbeangabe, daß ein Hausbau "unerschwinglich" sei, werde der unrichtige Eindruck hervorgerufen, daß Fertighäuser in jedem Fall günstiger seien als die in herkömmlicher Weise errichteten Häuser. Die dieser Behauptung gegenübergestellte Aussage, daß beim Fertighaus die Kosten fix kalkuliert seien, sei schon deshalb unrichtig, weil gewisse notwendige Leistungen, wie die Installationen im Keller, der Stromund der Gasanschluß sowie alle Außenanlagen, in den Angeboten der Fertighaushersteller regelmäßig nicht enthalten seien; kaum ein Fertighaushersteller biete das Fundament oder den Keller an. Unrichtig sei auch die Aussage, daß man beim Hausbau oft viel zu spät sehe, wie das Ergebnis aussieht. Baumeisterhäuser würden auf Grund individueller Beratung und unter Bezugnahme auf bereits durchgeführte Bauten nach den Vorstellungen der Bauherren errichtet; die beanstandete Aussage enthalte aber auch eine pauschale Abwertung der von Baumeistern in herkömmlicher Bauweise errichteten Häuser. Da beim Bau solcher Häuser häufig auch Generalunternehmer bestellt würden, sei die allgemein gehaltene Behauptung, Hausbau "heiße 1000 Lieferanten und starke Nerven", unrichtig; auch diese Aussage sei in ihrer Grundtendenz abwertend.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Beklagten. Die beanstandeten, allgemein gehaltenen Werbeaussagen seien ohne nähere Aufklärung unrichtig: Die Kosten beim Hausbau seien weder generell unüberschaubar noch unerschwinglich; auch das Ergebnis könne bei entsprechender Planung durchaus vorhergesehen werden. Es sei auch nicht notwendig, daß ein Bauherr mit jedem Professionisten eigene Verträge abschließt; üblicherweise würden Generalunternehmerverträge mit den Baumeistern abgeschlossen. Die Werbeaussagen des Beklagten über den Hausbau seien somit unrichtig; sie enthielten überdies eine pauschale Abwertung der Erzeugnisse von Baumeistern.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Die beanstandeten Werbetexte nähmen nicht Bezug auf ein sogenanntes "Baumeisterhaus"; in ihnen würden nur die Vorzüge des "Fertighauses" herausgestellt, ohne ausdrücklich anzugeben, ob darunter die Errichtung eines Hauses unter Verwendung fabriksmäßig vorgefertigter Teile nach der Fertigteilbaumethode verstanden werde. Der Ausdruck "Fertighaus" könne daher durchaus auch dahin verstanden werden, daß ein Haus "schlüsselfertig" durch einen Generalunternehmer errichtet wird. Ließen sich aber die Werbeaussagen des Beklagten nicht ohne weiteres dahin auslegen, daß nur die Vorzüge der Fertigteilbauweise hervorgehoben werden sollten, sondern zwanglos auch dahin, daß darunter auch die Errichtung eines schlüsselfertigen Hauses durch einen Generalunternehmer verstanden werde, dann fehle es an einem Vergleich zwischen der Fertigteilbauweise und der herkömmlichen Bauweise. Liege dieser Werbung aber kein Vergleich zweier verschiedener Baumethoden zugrunde, dann enthalte sie auch keine pauschale Herabsetzung des Baumeistergewerbes. Angesichts der Vielzahl der Möglichkeiten, ein Haus zu errichten, könne die beanstandete Werbung nicht auf die Hersteller in Massivbauweise errichteter Bauwerke bezogen werden. Der Werbetext 1 beschränke sich auf den Hinweis, daß ein Fertighaus günstiger erworben werden könne, als es der allgemeinen Vorstellung von Bauwerbern entspricht. Diese Werbeangabe enthalte keinen Vergleich, sondern entkräfte lediglich das unbegründete Vorurteil jener Personen, die vor einem Hausbau überhaupt zurückschrecken. Ob der Hausbau für einen Interessenten erschwinglich ist, hänge von dessen finanzieller Leistungsfähigkeit ab; darüber hinaus sei die Angabe "unerschwinglich" auch eine erkennbare Übertreibung, die von den Interessenten nicht ernst genommen werde. Letzteres treffe auch auf die Angabe "Hausbau heißt 1000 Lieferanten und starke Nerven" zu. Schließlich liege auch auf der Hand, daß sich ein Interessent an Hand eines Musterhauses oder eines Kataloges ein besseres Bild über das Endprodukt machen könne, wogegen bei Häusern, die nach individuellen Wünschen hergestellt werden, tatsächlich oft erst nach der Fertigstellung erkannt werden könne, ob sie den Vorstellungen des Bauherrn entsprechen. Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Der Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Mit Recht wendet sich der Revisionsrekurs gegen die Auffassung
des Rekursgerichtes, daß die beanstandeten Werbetexte keinen
Vergleich zwischen den herkömmlichen Bauweisen und der
Fertigteilbauweise enthielten; auch trifft es nicht zu, daß der
Begriff "Fertighaus" allgemein dem Begriff "Fertigteilhaus" nicht
gleichgehalten werde. Der Begriff "Fertighaus" wird nach dem
allgemeinen Sprachgebrauch für Bauwerke verwendet, die unter
Verwendung fabriksmäßig vorgefertigter Teile zusammengefügt werden
(Gabler, Wirtschaftslexikon12, Stichwort: Fertighaus). Auch der
Beklagte, dessen Mitglieder namhafte Fertighaushersteller, sohin
Fachleute, sind, versteht unter diesem Begriff im wesentlichen
nichts anderes; er fordert lediglich darüber hinaus, daß die - in
einer Fabrik vorgefertigten - Teile möglichst komplett hergestellt
werden (Broschüre Beilage K, S 19). Auch in Fachkreisen wird also
unter den Begriffen "Fertighaus" und "Fertigteilhaus" ein und
dasselbe Produkt verstanden. Durch das Gegenüberstellen von Angaben
über den "Hausbau" einerseits und über das "Fertighaus" andererseits
entsteht aber in den maßgebenden Verkehrskreisen der Eindruck, daß
unter dem Begriff "Hausbau" - im Gegensatz zum "Fertighaus" etwas
anderes verstanden wird als unter dem Begriff "Fertighaus", also die
in anderer Bauweise als der Fertigteilbauweise errichteten Häuser
mit Fertigteilhäusern verglichen werden. Der Beklagte hat daher
nicht nur nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch nach der
Auffassung fachkundiger Verkehrskreise die Fertigteilbauweise mit
den übrigen Bauweisen verglichen und nicht bloß die Vorteile der
Fertigteilbauweise den landläufigen "Vorurteilen" gegen den
"Hausbau" schlechthin gegenübergestellt; er hat vielmehr einen
sogenannten "Systemvergleich" vorgenommen.
Der "Systemvergleich" vermeidet die Nennung eines bestimmten
Mitbewerbers oder seiner Ware und bezieht sich nur auf die Darlegung der Vorteile und Nachteile bestimmter Herstellungs-, Einkaufs- oder Vertriebssysteme (ÖBl 1972, 88; ÖBl 1975, 108; ÖBl 1985, 92; ÖBl 1986, 63); er ist daher nicht nach den für die vergleichende Werbung entwickelten Grundsätzen zu beurteilen, weil bei ihm die Bezugnahme auf namentlich genannte oder doch deutlich erkennbare Mitbewerber fehlt (Gamerith, Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur vergleichenden Werbung Verbotsprinzip oder Mißbrauchsprinzip?, HWR H 6, 7 ff Ä33Ü). Das für die Zulässigkeit wahrer Werbevergleiche bestehende Sachlichkeitsgebot gilt aber auch hier: Auch der Systemvergleich muß wahr, sachlich und informativ sein; Pauschalabwertungen, unnötige Bloßstellungen und aggressive Tendenzen sind auch dann sittenwidrig, wenn eine gezielte Bezugnahme auf bestimmte Mitbewerber fehlt (Gamerith aaO 27; ÖBl 1974, 82; ÖBl 1975, 108; ÖBl 1978, 146; ÖBl 1983, 139; ÖBl 1986, 63). Gegen diese sowohl für die kritisierende vergleichende Werbung als auch für den sogenannten Systemvergleich bestehenden Grundsätze hat der Beklagte jedoch verstoßen:
Die über den (konventionellen) Hausbau gemachten Angaben "beim Hausbau sind die Kosten unüberschaubar" und "ein Hausbau ist unerschwinglich" treffen in dieser Allgemeinheit nicht zu; sie erwecken im Zusammenhang mit den korrespondierenden Angaben über das Fertighaus den Eindruck, daß nur beim Fertighaus das Gegenteil der Fall sei. Auch ist es nicht richtig, daß das endgültige Aussehen eines in herkömmlicher Massivbauweise errichteten Hauses von vornherein nicht ausreichend sicher bestimmbar wäre; diesen unrichtigen Eindruck erweckt aber die Aussage, daß man beim "konventionellen" Hausbau oft viel zu spät sehe, wie das Ergebnis aussieht. Schließlich ist auch mit der Verwendung der herkömmlichen Massivbauweise keineswegs notwendigerweise der Nachteil verbunden, daß die einzelnen Werkaufträge an einzelne Professionisten direkt vergeben werden müssen. Durch die von ihm in allen Fällen gewählte Gegenüberstellung erweckt der Beklagte den Eindruck, daß nur die Fertigteilbauweise es ermögliche, schon vorher zu sehen, was man kauft, bzw nur einen Vertragspartner und damit "geschonte Nerven" zu haben. Die beanstandeten Werbeaussagen sind daher unwahr und unsachlich; sie werten nach ihrer gesamten Tendenz andere Bauweisen als die Fertigteilbauweise pauschal ab. Damit verstoßen sie aber nicht nur gegen § 2 UWG, sondern auch gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG.
In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich, soweit sie die Kosten der Klägerin betrifft, auf § 393 Abs 1 EO, soweit sie die Kosten des Beklagten betrifft, auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E20023European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00171.89.0220.000Dokumentnummer
JJT_19900220_OGH0002_0040OB00171_8900000_000