TE OGH 1990/2/20 4Ob36/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek, Dr. Niederreiter, Dr. Redl und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** G*** U*** W***, Wien 4., Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B*** W*** Gesellschaft mbH,

Rust am See, vertreten durch DDr. Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 220.000,--), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 31. Oktober 1989, GZ 5 R 72/89-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 5. Dezember 1988, GZ 2 Cg 103/88-18, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem bestätigenden Ausspruch als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird im übrigen dahin abgeändert, daß das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 25.858,-- bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 2.643,-- Umsatzsteuer und S 10.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die B*** W*** reg. Genossenschaft mbH.

hatte sich seit vielen Jahren mit der Vermarktung des Weines der 25 burgenländischen Winzergenossenschaften befaßt. Im Jahr 1986 geriet sie in finanzielle Schwierigkeiten und konnte auch durch eine Umschuldung nicht mehr gerettet werden. Die R***

B*** reg. Genossenschaft mbH - die Oberorganisation der Raiffeisengenossenschaften - nahm sie daraufhin (durch Verschmelzung) auf und schloß mit Notariatsakt vom 26. Februar 1987 mit zwei natürlichen Personen (ihrem Obmann und ihrem Obmannstellvertreter) einen Gesellschaftsvertrag über die Errichtung der beklagten Gesellschaft mbH. Zunächst übernahm sie von dem Stammkapital in der Höhe von S 500.000 eine Stammeinlage von

S 498.000; mit Notariatsakt vom 23. April 1987 traten ihr die bisherigen Mitgesellschafter ihre Stammeinlagen von je S 1.000 ab. Als Gegenstand des Unternehmens der Beklagten wurde im Gesellschaftsvertrag festgelegt:

"a) Das Handelsgewerbe gemäß Paragraph 103, Absatz 1, litera b, Ziffer 25 der Gewerbeordnung 1973, insbesondere die Fortführung der Geschäfte des ehemaligen B*** W***

registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung sowie der Handel mit Weinen jeder Art, Traubensaft, Spirituosen und Schaumweinen;

b)

das Lagereigeschäft;

c)

der Betrieb, die Übernahme und Vermittlung aller mit dem Unternehmensgegenstand mittelbar oder unmittelbar in Verbindung stehenden Geschäfte, die Beteiligung an gleichartigen oder verwandten Unternehmungen."

Nachdem die verbliebene einzige Gesellschafterin der Beklagten in der außerordentlichen Generalversammlung vom 22.Dezember 1987 eine Erhöhung des Stammkapitals auf S 35,000.000 beschlossen hatte, übernahm sie den gesamten Kapitalerhöhungsbetrag. In der Folge änderte die Gesellschafterin der Beklagten - die am 5.März 1987 in das Handelsregister des Landesgerichtes Eisenstadt eingetragen worden war - ihren Namen in "R*** B***,

Waren- und Revisionsverband reg. Genossenschaft mbH.". 8 Winzer wurden Gesellschafter der Beklagten mit Geschäftsanteilen zu je S 10.000 (S. 69), die W*** N*** AM SEE reg.

Genossenschaft mbH und die W***- UND V*** H***

B*** reg. Genossenschaft mbH mit Geschäftsanteilen von je S 100.000 (S. 83).

Zur Kontrolle der Tätigkeit der Beklagten wurde ein Beirat eingerichtet, der aus einem Vorsitzenden, einem Stellvertreter und mehreren Mitgliedern besteht; seine Tätigkeit wird in der Geschäftsordnung vom 30.April 1987 geregelt. In diesem Beirat werden alle wichtigen Geschäfte der Beklagten - wie Dienstverträge, Investitionen und die Geschäftsgebarung bei den einzelnen Verkäufen - besprochen. Der Beirat übt eine beratende Tätigkeit aus; ihm gehören Obmänner von Winzergenossenschaften an, die wesentlichen Einfluß nehmen, um die Tätigkeit der Beklagten als Bauernhilfsorganisation zu gewährleisten. Der Geschäftsführer der Beklagten hält sich an die Vorschläge des Beirates. 24 der 25 burgenländischen Winzergenossenschaften gehören der Hauptgesellschafterin der Beklagten an. Die Beklagte kommt ihren Verpflichtungen als Raiffeisenorganisation insofern nach, als sie den Genossenschaften in der Kellerwirtschaft, dem zentralen Einkauf von Kellermaterialien, bei Kreditgeschäften, durch Besuche der Vollversammlungen der Winzergenossenschaften und bei der Festlegung der Einkaufsquoten einzelner Genossenschaften betreut. Die Organe der Beklagten besuchen auch regelmäßig die Obmännerversammlungen der Winzergenossenschaften und pflegen entgeltlich den bei ihr eingelagerten, den Winzergenossenschaften gehörigen Most und Wein. Damit leistet die Beklagte den Winzergenossenschaften die gleichen Dienste wie die B*** W*** reg. Genossenschaft

mbH.

Die Winzerverbände sind verpflichtet, ihren Bedarf an Wein bei den entsprechenden Winzergenossenschaften zu kaufen. Eine rechtliche Verpflichtung, von einzelnen Genossenschaften gewisse Mengen Wein zu bestimmten Preisen und zu bestimmten Zeitpunkten abzunehmen, besteht nicht; die Beklagte hat - wie früher die B***

W*** reg. Genossenschaft mbH - beim Einkauf und Verkauf von Wein völlig freie Hand. Solange aber bei den Genossenschaften genügend Wein entsprechender Qualität zu annehmbaren Preisen vorhanden ist, kauft die Beklagte bei den Winzergenossenschaften. Einzelne Winzer mit "interessanten" Weinen snd verpflichtet, sie vorerst ihrer Genossenschaft zu verkaufen; diese verkauft dann den Wein der Beklagten. Der Weinbedarf der Beklagten liegt bei 8 bis 10 Millionen l jährlich; die Hälfte davon entfällt auf Rot- und die andere Hälfte auf Weißwein. Die Winzergenossenschaften sind andererseits grundsätzlich nicht verpflichtet, der Beklagten ihren Wein anzubieten und zu verkaufen; sie sind in ihrer Geschäftsführung völlig frei und - ebenso wie die Beklagte - allein für ihren Geschäftserfolg verantwortlich.

Die Rotweinernte des Jahres 1987 war zu gering, um die Bedürfnisse der Beklagten durch ihre Genossenschaften decken zu können. Einzelne Rotweingenossenschaften hielten sich gewisse Quantitäten zurück, um ihre ständigen privaten Kunden bedienen zu können; sie waren daher nicht bereit, der Beklagten Rotwein zu liefern. Um nicht Marktanteile am Rotweingeschäft zu verlieren, stellten es die Obmänner der Winzergenossenschaften einstimmig dem Geschäftsführer der Beklagten frei, sich anderswo Rotwein zu besorgen. Es gelang der Beklagten, 103.000 l Rotwein in Niederösterreich zu erwerben. Mangels weiterer inländischer Einkaufsmöglichkeiten erwirkte die Beklagte ein Importkontingent von 1,5 Millionen l Rotwein. Dieses Kontingent nahm sie im Frühjahr 1988 mit 840.000 l spanischen und italienischen Rotweins in Anspruch. Mit dieser Menge fand sie für das Jahr 1988 den Anschluß an die Weinernte dieses Jahres, so daß keine weitere Einfuhr von Rotwein stattfand. Da der Gesamtbedarf der Beklagten im Jahr 1988 rund 10 Millionen l Wein betrug, ist der Importanteil mit nicht einmal 9 % einzuschätzen.

Die Beklagte und die B*** W*** reg.

Genossenschaft mbH haben mit Ausnahme dieses einzigen Geschäftes niemals Rotwein im Ausland gekauft, sofern man von den nötigen Mengen von rund 1.000 hl an Deckwein absieht, der jährlich zur Farbgebung eines zu lichten inländischen Rotweins benötigt wird und dessen Ankauf von den Winzerverbänden als notwendig angesehen wird. Die Beklagte hat weder im In- noch im Ausland Weißwein gekauft; sie betreibt auch keinen Spirituosengroßhandel. Sie vermarktet ihren Wein unter dem Markenzeichen des Storches und wirbt hiefür in den Printmedien und im ORF.

Der klagende Schutzverband begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, binnen drei Monaten dem Landesgericht Eisenstadt als Registergericht die Änderung ihrer Firma in der Form anzuzeigen, daß der Firmenbestandteil "Winzerverband" darin nicht mehr erscheint. Für den Fall der Abweisung dieses Urteilsantrages stellt er das Eventualbegehren auf Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr auf der Verkaufsseite den Teil ihrer Firma "Winzerverband" anzukündigen oder zu gebrauchen und hilfsweise das weitere Eventualbegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, beim Handel mit Waren aller Art, insbesondere beim Handel mit Wein, den Firmenbestandteil "Winzerverband" hervorzuheben, anzukündigen oder zu gebrauchen; ferner stellt er ein Veröffentlichungsbegehren. Die Beklagte betreibe im großen Umfang den Handel mit Weinen jeder Art und kaufe diese Weine vor allem von dritter Seite und nicht von burgenländischen Winzern; sie sei als Weinimporteur tätig und schädige damit den Absatz der Weinbauern und der Winzergenossenschaften im Burgenland. Der Firmenkern "B*** W***" erwecke den irrigen Eindruck, daß

die Beklagte nur Weinbauern zu Gesellschaftern oder Genossenschaftern habe, eine bäuerliche Hilfsorganisation sei und nur Bauernwein - also nur naturbelassene und inländische Produkte - vertreibe. Die Beklagte sei aber weder ein Verband, noch seien Winzer ihre Gesellschafter; sie sei als Gesellschaft mbH nicht nur handelsrechtlich, sondern - zu ihrem Nachteil - auch steuerrechtlich ein reines Handelsunternehmen. Ihrem Beirat komme keine Entscheidungsbefugnis zu; sein Vorsitzender sei kein Winzer, er vertrete nur die Interessen des Raiffeisenverbandes, der eine Unzahl von Geschäften betreibe und daher auch andere Interessen (als solche der Winzer) zu wahren habe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie nenne sich "B*** W***", weil sie die Geschäfte

der früheren Genossenschaft gleichen Namens fortführe. Zu den Aufgaben ihrer "Muttergesellschaft", der (nunmehr)

"R*** B***, Waren- und Revisionsverband reg.

Genossenschaft mbH", gehöre die Interessenwahrnehmung für ihre Winzer und Winzergenossenschaften; im Beirat seien die maßgebenden örtlichen Winzergenossenschaften vertreten. Sie sei in Wahrheit ohnehin eine Bauernhilfsorganisation und vermarkte weit überwiegend "Bauernweine". Obgleich es ihr nicht verwehrt sei, Fremdweine zuzukaufen, mache sie davon nur in geringem Ausmaß Gebrauch. Ihr Firmenkern sei daher nicht zur Täuschung geeignet.

Der Erstrichter wies das Klagehauptbegehren sowie beide Eventualbegehren ab. Die Beklagte habe keine ausländischen Weine in größerem Umfang zugekauft. Der Ankauf von Deckwein sei eine wirtschaftliche Notwendigkeit; der einmalige Kauf von 840.000 Litern Rotwein in Spanien und Italien auf wirtschaftliche Zwänge zurückzuführen. Damit habe die Beklagte nicht gegen ihre Aufgabe als Bauernhilfsorganisation verstoßen. Die Firmenwahrheit könnte nach der rechtskräftigen Registrierung nur bei einer Änderung der Geschäftsusancen der Beklagten gegenüber der B***

W*** reg. Genossenschaft mbH bezweifelt werden. Die Wahl der Gesellschaftsform sei nicht geeignet, den Konsumenten darüber zu täuschen, daß er nicht Wein burgenländischer Winzer kauft. Der Winzer liefere seinen Wein der örtlichen Winzergenossenschaft, die ihrerseits Mitglied der R*** B***, Waren- und Revisionsverband reg. Genossenschaft mbH, der wirtschaftlich bedeutendsten Gesellschafterin der Beklagten sei. Die gewählte Gesellschaftsform täusche nicht über den Zweck des Winzersverbandes, Weine von Winzern örtlicher Winzergenossenschaften zu vermarkten. Tatsächlich leiste die Beklagte die erforderliche zentrale Hilfestellung für die Winzergenossenschaften; sie könne daher nicht einem gewöhnlichen Weinhändler gleichgestellt werden, der gleichfalls hauptsächlich burgenländische Weine aufkauft. Bei der Vermarktung ausländischen Rotweins sei die Beklagte nach § 26 WeinG verpflichtet, diese Herkunft dem Konsumenten auf dem Etikett mitzuteilen; damit werde eine Täuschung verhindert. Biete die Beklagte auch in Zukunft unter ihrer Firma Wein mit dem Markenzeichen "Storch" an, so handle es sich dabei um burgenländischen Wein, der von burgenländischen Winzern stammt, über eine Winzergenossenschaft zur Beklagten kommt und von dort vermarktet wird; ein interessierter Konsument könne daher über das Angebot der Beklagten nicht getäuscht werden. Der Firmenbestandteil "Winzerverband" werde daher nicht mißbräuchlich verwendet. Das Berufungsgericht gab dem Klagehauptbegehren auf Firmenänderung zur Gänze und dem Begehren auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im "Kurier" und in der "Neuen Kronen-Zeitung" - unter Abweisung des Mehrbegehrens auf Veröffentlichung auch in der "Presse" und im Fernsehen - statt; es sprach aus, daß der Wert des von der Stattgebung betroffenen Teils des Streitgegenstandes S 15.000, jener des bestätigenden Teiles nicht S 60.000, der Wert des gesamten Streitgegenstandes nicht S 300.000 übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Für den überwiegenden Teil des angesprochenen Publikums müsse auf Grund des beanstandeten Firmenwortlautes der Eindruck entstehen, daß es sich beim "B*** W***" um einen "Verband" handle, dem

eine große Zahl von Winzern oder Winzergenossenschaften des Burgenlandes angehören. Diesen Vorstellungen werde aber eine Gesellschaft mbH, deren Hauptgesellschafterin die Raiffeisenlandesbank ist und an der lediglich 8 Winzer sowie 2 Winzergenossenschaften, deren Stammanteile nicht einmal 1 % erreichten, beteiligt seien, keineswegs gerecht. Daran könne auch der Umstand, daß ein "Beirat", dem Obmänner von Winzergenossenschaften angehören, eingerichtet wurde, nichts ändern, weil diesem Beirat nur beratende Funktion zukomme und er somit keine rechtlichen Möglichkeiten habe, auf die Geschäftsführung der Beklagten Einfluß zu nehmen. Das im Firmenwortlaut der Beklagten enthaltene Wort "Winzerverband" sei zweifellos irreführend im Sinne des § 2 UWG, da ihm von einem nicht unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise eine nicht den Tatsachen entsprechende Aussage über die Gesellschafter oder die besondere Beschaffenheit der Ware - nämlich als eines nur von burgenländischen Winzern stammenden Weines - entnommen werden könne. Das Wort "Winzerverband" in der Firma der Beklagten sei somit durchaus geeignet, den Entschluß der angesprochenen Interessenten wesentlich dahin zu beeinflussen, daß den von der Beklagten angebotenen Weinen der Vorzug vor denen anderer Konkurrenten gegeben wird. Dazu komme, daß die Beklagte auf Grund ihrer Gewerbeberechtigung die Möglichkeit habe, auch mit nicht von burgenländischen Winzern stammenden Weinen zu handeln, und daß sie davon zumindest im Jahr 1988 in größerem Umfang Gebrauch gemacht habe. Die Aufnahme des Wortes "Winzerverband" in den Firmenwortlaut der Beklagten sei somit geeignet, eine Täuschung über Art und Umfang des Geschäftes oder die Verhältnisse des Geschäftsinhabers herbeizuführen; sie verstoße damit auch gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit (§ 18 Abs 2 HGB). Der geltend gemachte Beseitigungsanspruch (§ 15 UWG) sei daher berechtigt. Das Interesse des Klägers an der Urteilsveröffentlichung in zwei Tageszeitungen sei gerechtfertigt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das gesamte Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil - soweit überblickbar - ein gleichartiger Sachverhalt noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes war. Daß es zu dem unbestimmten Rechtsbegriff der Irreführungs- (§ 2 UWG) oder Täuschungseignung (§ 18 Abs 2 HGB) schon allgemeine, von der Rechtsprechung entwickelte Leitsätze gibt, schließt nicht aus, daß die Beurteilung der Irreführungseignung im Einzelfall eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO idF vor der WGN 1989 ist. Gerade im Wettbewerbsrecht kann der Oberste Gerichtshof seiner Leitfunktion nur dann gerecht werden, wenn er nicht nur die richtige Wiedergabe von Leitsätzen der Judikatur, sondern überall dort, wo es nach der Lage des Falles die Rechtssicherheit, die Rechtseinheit und die Rechtsentwicklung fordern, auch die richtige Konkretisierung der in Betracht kommenden unbestimmten Gesetzesbegriffe prüft (ÖBl 1989, 144 mwN).

Die Revision ist auch berechtigt.

Nach § 2 Abs 1 UWG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über geschäftliche Verhältnisse zur Irreführung geeignete Angaben macht. Auch im Gebrauch einer eingetragenen Firma und eines Firmenbestandteils kann eine Angabe im Sinne des § 2 UWG liegen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 1063 Rz 19 zu § 3 dUWG). Eine solche Angabe verstößt dann gegen § 2 UWG, wenn sie auch nur bei einem nicht völlig unerheblichen Teil des Publikums - nach ihrem Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit - einen irrigen Eindruck erwecken kann (ÖBl 1979, 94 uva). Die irreführende Angabe muß freilich als wesentlich angesehen werden (ÖBl 1987, 18 uva); zwischen dem Umstand, daß die durch die Angabe hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, und dem Entschluß, sich mit dem Angebot des Werbenden zu befassen, muß daher ein Zusammenhang bestehen (SZ 54/97; ÖBl 1987, 18 uva).

Da für die Beurteilung, ob der Firmenkern oder ein Firmenzusatz zur Täuschung über die Verhältnisse des Geschäftsinhabers oder über Art oder Umfang des Geschäftes geeignet ist (§ 18 Abs 2 HGB; Schuhmacher in Straube, HGB, Rz 7 zu § 18 mwN), der gleiche Prüfungsmaßstab wie bei § 2 UWG anzulegen ist (Schuhmacher aaO, Rz 8), kann die Frage, ob der klagende Schutzverband auch berechtigt wäre, einen Verstoß gegen die firmenrechtlichen Vorschriften mit Klage nach § 37 Abs 2 HGB geltend zu machen, offen bleiben. Dem Kläger mag darin zugestimmt werden, daß die von der Beklagten angesprochenen Verkehrskreise zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil auf Grund der Firma der Beklagten zu der Ansicht kommen können, daß nur Winzer oder Winzergenossenschaften Gesellschafter der Beklagten seien und es sich bei ihr um eine "Bauernhilfsorganisation" handle. Nun trifft es zwar zu, daß in Wahrheit das Stammkapital in ganz überwiegendem Ausmaß nicht in der Hand einzelner Winzer oder Winzergenossenschaften liegt, sondern der R*** B***, Waren- und Revisionsverband reg.

Genossenschaft mbH gehört. Zu deren Mitgliedern zählen aber mit einer einzigen Ausnahme alle burgenländischen Winzergenossenschaften. An der Beklagten sind demnach zumindest mittelbar fast alle Mitglieder der früheren B***

W*** reg. Genossenschaft mbH beteiligt. Daß der Mehrheitsgesellschafterin - im Unterschied zur früheren Genossenschaft - auch andere Mitglieder als Winzergenossenschaften angehören, wäre nur dann von Bedeutung, wenn das zu einer geringeren Berücksichtigung der Winzerinteressen führte; nach den - ungerügt gebliebenen - Feststellungen des Ersturteils leistet aber die Beklagte den Winzergenossenschaften die gleichen Dienste wie die B*** W*** reg. Genossenschaft mbH. Der Geschäftsführer der Beklagten hält sich an die Vorschläge des Beirates, in welchem Obmänner von Winzergenossenschaften wesentlich darauf Einfluß nehmen, daß die Tätigkeit der Beklagten als Bauernhilfsorganisation gewährleistet bleibt. (Diese Feststellung steht entgegen den Berufungsausführungen des Klägers ÄS. 115Ü keineswegs im Widerspruch zu der unmittelbar davor getroffenen Feststellung, daß der Beirat nur ein rein beratendes Organ ist, kann doch von einem "Einfluß" gerade dort gesprochen werden, wo jemand seinen Willen durchsetzt, ohne rechtliche oder faktische Macht zu haben.) Die Beklagte kauft - ebenso wie die ihr vorangegangene Genossenschaft gleichen Namens - Wein in erster Linie bei den Winzergenossenschaften, und zwar so lange, als diese davon genügend in entsprechender Qualität zu annehmbaren Preisen anbieten, wenngleich sie dazu - wie die B*** W*** reg.

Genossenschaft mbH - rechtlich nicht verpflichtet ist. Unterscheidet sich somit die Geschäftspolitik der Beklagten in bezug auf die Winzer(genossenschaften) nicht von jener der früheren Genossenschaft gleichen Namens, so sind die geänderten Beteiligungsverhältnisse für das Publikum ohne Bedeutung; der durch den beanstandeten Firmenwortlaut darüber allenfalls ausgelöste Irrtum ist dann nicht geeignet, die angesprochenen Verkehrskreise in ihrem Entschluß, mit der Beklagten in Verbindung zu treten, zu beeinflussen. Daß die Beklagte keine Genossenschaft mbH, sondern eine Gesellschaft mbH ist, über eine Gewerbeberechtigung für den Weingroßhandel verfügt und einer anderen Besteuerung als ein Winzerverband unterliegt, ist für das Publikum gleichfalls unerheblich. Soweit der Kläger im Rechtsmittelverfahren geltend macht, daß die Beklagte im Gegensatz zur früheren Genossenschaft auch Trauben direkt zugekauft habe und keine einheitlichen Preise für den Wein zahle, sondern ihn mit den Genossenschaften im einzelnen aushandle und bei den Preisverhandlungen "wesentlich mehr Druck" mache, ist darauf infolge des Neuerungsverbotes nicht einzugehen, weil diese Umstände in 1. Instanz weder behauptet noch festgestellt wurden. Daß das Gesellschaftskapital der Beklagten fast ausschließlich von juristischen Personen und nicht von Winzern, also natürlichen Personen, gehalten wird, schadet nicht, geht doch der Kläger selbst davon aus, daß unter einem "Verband" eine Vereinigung überwiegend juristischer Personen verstanden wird und die Firma der B*** W*** reg. Genossenschaft mbH nicht

irreführend gewesen sei (S. 50 f und 59).

Ob ein nicht unbeträchtlicher Teil der beteiligten Verkehrskreise aus der Firma der Beklagten darauf schließt, daß diese nur Weine burgenländischer Winzer vertreibe, muß nicht untersucht werden; selbst wenn dies nämlich zuträfe, könnte doch der beanstandete Firmenwortlaut keinen relevanten Irrtum im oben dargestellten Sinn hervorrufen: Wendet sich jemand auf Grund eines solchen Irrtums an die Beklagte, dann kann er ja - in aller Regel - tatsächlich Wein burgenländischer Winzer kaufen. Legt er gerade auf solchen Wein Wert, dann wird er bei der Beklagten nicht etwa deshalb spanischen oder italienischen Rotwein erwerben, weil diese auch solchen anbietet. Daß die Beklagte aber zu irgendeinem Zeitpunkt nur ausländische Weine zur Verfügung gehabt und den Kunden, die durch die Bezeichnung "B*** W***"

zu ihr gelockt worden waren, angeboten hätte, wurde weder behauptet noch festgestellt; ein solcher Fall ist im Hinblick auf die Feststellungen, daß die Beklagte nur einmal, im Jahr 1987, 9 % des von ihr vertriebenen Weines im Ausland eingekauft hat, auch völlig unwahrscheinlich.

Ist aber die Bezeichnung "B*** W***" im Hinblick auf die derzeit gegebenen tatsächlichen Verhältnisse nicht irreführend im Sinne des § 2 UWG, dann ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch - und zwar sowohl das Haupt- wie die beiden Eventualbegehren - nicht gerechtfertigt. Das schließt freilich nicht die Möglichkeit aus, daß eine künftige Änderung der Verhältnisse die Beibehaltung dieser Firma unzulässig machen könnte (Baumbach-Hefermehl aaO 1299, Rz 415).

Aus diesen Erwägungen war der Revision dahin Folge zu geben, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00036.9.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19900220_OGH0002_0040OB00036_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten