Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Alfred M***, Pensionist, Linz, Auerspergstraße 23/II, 2.) Anna K***, Pensionistin, Linz, Stockhofstraße 2-6/12, 3.) Frieda G***, Pensionstin, Linz, Volksgartenstraße 2/I, sämtliche vertreten durch Dr. Heinz Oppitz und Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Henriette A***, Pensionistin, Linz, Auerspergstraße 23/I, vertreten durch Dr. Otto Haselauer und Dr. Klaus Steiner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30. August 1989, GZ 18 R 536/89-50, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 27. April 1989, GZ 9 C 1014/87t-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.411,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 568,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Josef A***, der Ehegatte der Beklagten, führte in den von ihm gemieteten, nunmehr aufgekündigten Räumen ein Elektroinstallationsunternehmen und einen Handel mit Elektrogeräten. Mit auf unbestimmte Zeit abgeschlossenem, bis 30. Juni 1982 unkündbarem Pachtvertrag vom 19. April 1962 verpachtete er sein Unternehmen an seine damaligen Bediensteten Rupert S*** und Herbert M***. Es war Betriebspflicht vereinbart. Gegenstand des Pachtvertrages waren nicht nur die Geschäftsräumlichkeiten, sondern das gesamte von Josef A*** betriebene Unternehmen. Die Pächter gründeten mit Vertrag vom 23. Mai 1962 eine offene Handelsgesellschaft, die in den aufgekündigten Räumen das gepachtete Unternehmen betrieb. Eine Änderung im Geschäftsumfang ergab sich daraus, daß die offene Handelsgesellschaft eine Gewerbeberechtigung für Radio- und Fernsehtechnik, beschränkt auf den Antennenbau, erwarb. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin des am 22. Juni 1981 verstorbenen Josef A***. Am 9. Dezember 1986 kündigte sie den am 19. April 1962 abgeschlossenen Pachtvertrag zum 30.Juni 1987 auf. Am 4. Dezember 1986 schloß sie mit Herbert M*** über das Unternehmen einen mit 1. Juli 1987 beginnenden Pachtvertrag. Die Vertragsbestimmungen entsprechen im wesentlichen dem Vertrag vom 19. April 1962. Herbert M*** verpflichtete sich weiters, das Geschäftsschild lautend auf Josef A***, während der Dauer des Pachtvertrages als Betriebskennzeichen zu belassen. Auch hier ging die Absicht der vertragschließenden Teile darauf, daß das gesamte Unternehmen verpachtet werden sollte. Ein Teil des dem Herbert M*** überlassenen Kundenstockes war noch mit dem Josef A*** ident. Am 30. Juni 1987 kam es durch Herbert M*** nach Räumung von den Warenvorräten zur Übergabe der Geschäftsräumlichkeiten an die Beklagte, die ihrerseits noch am selben Tag Herbert M*** das Unternehmen ausdrücklich übergab. Herbert M*** hat insgesamt 14 von 19 Mitarbeitern der OHG übernommen. Die OHG befindet sich in Liquidation.
Mit der am 9. März 1987 eingebrachten, der Beklagten am 11. März 1987 zugestellten Aufkündigung kündigten die Kläger als Hauseigentümer die Geschäftsräume samt Zubehör zum 30. Juni 1987 auf. Geltend gemacht wird, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Relevanz ist, der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG. Wegen Ausweitung des Geschäftsbetriebes durch die offene Handelsgesellschaft bestehe das Unternehmen des Josef A*** nicht mehr weiter. Nicht das Unternehmen, sondern nur die Geschäftslokalitäten sollten Herbert M*** mit dem Vertrag vom 4. Dezember 1986 verschafft werden. Zum Zeitpunkt der Aufkündigung habe die Beklagte das Unternehmen noch nicht zurückerhalten, sie werde es auch nicht zurückerhalten, sie habe daher gar nicht die Möglichkeit, das Unternehmen zu übergeben. Es liege eine selbständige Verwertung des Bestandgegenstandes vor. Die Beklagte wendete ein, sie habe das ihr gehörende Unternehmen verpachtet und das zurückgestellte Unternehmen an Herbert M*** übergeben.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Der geltend gemachte Kündigungsgrund müsse schon zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung vorgelegen sein. Die Kläger erblickten den Grund zu der am 11. März 1987 der Beklagten zugestellten Aufkündigung darin, daß die Beklagte sich verpflichtet habe, in Zukunft an Herbert M*** das Bestandobjekt weiterzugeben. Die Verpachtung mit Vertrag vom 19. April 1962 sei demnach nicht als Kündigungsgrund geltend gemacht worden. Im Zeitpunkt der Zustellung seien die Geschäftsräumlichkeiten aber von der offenen Handelsgesellschaft aufgrund des Vertrages vom 19. April 1962 genutzt worden. Im übrigen handle es sich auch bei dem mit Herbert M*** abgeschlossenen Vertrag um eine Unternehmenspacht.
Das Berufungsgericht gab der nur aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Berufung der Kläger nicht Folge. Es srpach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist nicht berechtigt.
Weitergabe im Sinn des § 19 Abs 2 Z 4 MRG ist jede entgeltliche oder unentgeltliche Gebrauchsüberlassung (MietSlg 37.419, 30.392 ua; Würth in Rummel, ABGB, Rz 24 zu § 30 MRG). Zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (11. März 1987) waren die aufgekündigten Räumlichkeiten aufgrund des Unternehmenspachtvertrages vom 19. April 1962 an Rupert S*** und Herbert M*** weitergegeben, d.h. ihnen zum Gebrauch überlassen. Darin erblickten die Kläger keinen Kündigungsgrund. Dieser liege vielmehr in der Weitergabe der Geschäftsräumlichkeiten an Herbert M***. Ob der geltend gemachte Kündigungsgrund vorliegt, ist grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Kündigungsgegner zu beurteilen (MietSlg 35.388, 30.464 uva; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 26 zu § 33 MRG; Würth aaO Rz 5 zu § 33 MRG). Dieser Grundsatz gilt für alle Kündigungsgründe, demnach auch für den Fall der Weitergabe eines Bestandobjektes nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG (8 Ob 1503/88). Wurden bei einer dem Mietrechtsgesetz unterliegenden Aufkündigung Einwendungen erhoben, so hat gemäß § 33 Abs 1 MRG der Vermieter nachzuweisen, daß der von ihm geltendgemachte Kündigungsgrund gegeben ist. Dieser Beweis ist den Klägern aber schon aufgrund ihres eigenen Vorbringens nicht gelungen. Eine verfrühte Aufkündigung, die nach dem Willen des Aufkündigenden ehestens rechtskräftig werden soll, kann selbst durch spätere Entwicklungen nachträglich nicht gerechtfertigt werden (MietSlg 33.354). Ob der geltend gemachte Kündigungsgrund nunmehr gegeben wäre, braucht dann aber nicht mehr beurteilt zu werden. Schon aus diesem Grund ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt, da die Bemessungsgrundlage in der Aufkündigung ziffernmäßig nicht geltend gemacht wurde, S 24.000 (§ 10 Z 2 lit a RAT).
Anmerkung
E20227European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00705.89.0221.000Dokumentnummer
JJT_19900221_OGH0002_0010OB00705_8900000_000