TE OGH 1990/2/22 6N503/90

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Veröffentlicht am 22.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof faßt durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter über den Antrag des Dr.Michael G***F, Rechtsanwalt in Wien 1., Gonzagagasse 15 auf Erteilung einer Ausfertigung, eines Auszuges oder einer Abschrift der zu 6 Ob 525/89 gefällten Entscheidung vom 23.Februar 1989 in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Das Ansuchen wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Er ersucht um Erteilung einer Ausfertigung, eines Auszuges oder einer Abschrift der auszugsweise in einer Fachzeitschrift veröffentlichten Entscheidung. Er begründet sein Ersuchen damit, daß er zur Bearbeitung eines ihm beruflich anvertrauten Rechtsfalles die Kenntnis der Entscheidung auch in ihrem nicht veröffentlichten Umfang benötige.

Rechtliche Beurteilung

Prozeßakten unterliegen gemäß § 219 Abs 1 ZPO der Parteienöffentlichkeit. Mit Zustimmung der Parteien können nach dem ersten Satz des § 219 Abs 2 ZPO auch dritte Personen von den Prozeßakten Abschriften erheben. Mangels einer solchen Zustimmung kann nach dem zweiten Satz des § 219 Abs 2 ZPO einem Dritten die Einsichtnahme und Abschriftennahme gestattet werden, soweit der Antragsteller ein rechtliches Interesse glaubhaft macht. Im Falle eines Ansuchens um Erteilung von Ausfertigungen, Auszügen oder Abschriften einer oberstgerichtlichen Entscheidung in einer beim Obersten Gerichtshof nicht mehr anhängigen Rechtssache ist gemäß § 7 Abs 2 Buchstabe b OGHG - in Abweichung von § 219 Abs 2 ZPO - der Dreiersenat und unter der Voraussetzung des § 7 Abs 3 OGHG der einfache Senat zur Entscheidung berufen.

Das nach § 219 Abs 2 ZPO glaubhaft zu machende rechtliche Interesse ist in den Fällen des § 15 Abs 1 und des § 23 Abs 3 OGHG vom Verfahrensgesetzgeber - in offenkundiger Bedachtnahme auf die ungeachtet der Regel des § 12 ABGB bestehende Leitfunktion der höchstrichterlichen Rechtsprechung - festgeschrieben. Der Antragsteller zählt nicht zu dem durch die bezeichneten Regelungen bestimmten Kreis von Personen und Institutionen. Ein konkretes rechtliches Interesse im Sinne des § 219 Abs 2 ZPO hat der Antragsteller mit der Behauptung, die auszugsweise veröffentlichte Entscheidung auch in ihren nicht veröffentlichten Teilen für seine berufliche Tätigkeit zu benötigen, nicht glaubhaft gemacht. Würde ein solches berufliches Interesse eines Parteienvertreters, das oft ohne Verletzung von Klienteninteressen gar nicht aufdeckbar wäre, vom Verfahrensgesetzgeber schon als hinreichend angesehen worden sein, hätte dies wohl seine Berücksichtigung im § 15 OGHG finden müssen.

Der Oberste Gerichtshof findet sich nicht bestimmt, die Anregung des Antragstellers aufzugreifen, die Aufhebung der §§ 15 Abs 1 und 2 sowie 23 Abs 3 OGHG als verfassungswidrig beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

In der Öffentlichkeit des Verfahrens vermag der erkennende Senat nur ein Schutzrecht der Verfahrensbeteiligten zu erkennen, das niemandem anderen, sei es als "Mitglied" oder "Vertreter" der Öffentlichkeit einen subjektiven Rechtsanspruch zu verschaffen vermöchte. Der erkennende Senat hegt deshalb auch keinen Verdacht, daß der Gleichheitsgrundsatz durch einfachgesetzliche Regelungen verletzt sein könnte, die aus technisch-manipulativen Gründen das Recht auf Entscheidungsausfertigungen, -auszüge oder -abschriften auf bestimmte, sachlich als repräsentativ zur Wahrung des Öffentlichkeitsgebotes erachtete Gruppen beschränken; dies unter dem Gesichtspunkt, daß die Öffentlichkeit eines Verfahrens einer Kontrolle der Behördentätigkeit im Interesse der Verfahrensbeteiligten dienen solle, nicht aber der Befriedigung irgend eines, wie hoch auch immer anzusetzenden Informationsbedürfnisses einer nicht am Verfahren beteiligten Person. Das Begehren des zu den nicht am Verfahren beteiligten Personen zählenden Antragstellers war aus den dargelegten Erwägungen abzuweisen.

Anmerkung

E20067

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:00600N00503.9.0222.000

Dokumentnummer

JJT_19900222_OGH0002_00600N00503_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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