Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*** DER K***, S*** UND K***
Ö***, Wien 6, Getreidemarkt 11, vertreten durch Dr. Alois Bergbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Brigitte W***, Private, Schwechat, Reitbahngasse 1, vertreten durch Dr. Otto Schuhmeister u.a. Rechtsanwälte in Schwechat wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 26. September 1989, GZ 48 R 292/89-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 29. März 1989, GZ 4 C 468/88-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Berufungsurteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach Verfahrensergänzung, an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen haben wird.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist die Pächterin einer Reihe von Grundstücken, auf der die Kleingartenanlage R*** errichtet worden ist. Die Beklagte wurde mit Vertrag vom 18. September 1971 Unterbestandnehmerin der Parzelle 40 im Bereich der Gruppe "Satzberg alt". Die Klägerin kündigte dieses Bestandverhältnis mit der bekämpften Kündigung zum 30. November 1988 auf und stützte ihr Begehren auf § 12 Abs 2 KlGG sowie § 12 Abs 2 lit e KlGG. Die Beklagte habe ihre Parzelle mit dem darauf stehenden Haus vereinbarungswidrig an Herrn P*** und Frau R*** gegen Entgelt weiterverpachtet und weigere sich trotz Abmahnung eine solche Weiterverpachtung zu unterlassen. Die Einräumung eines Wohn- und Benützungsrechtes an dritte Personen stelle eine entgeltliche Leistung dar, die nicht mit § 3 Abs 3 KlGG im Einklang zu bringen sei. Eine entgeltliche Überlassung der Kleingartenparzelle wäre außerdem von der ausdrücklichen Zustimmung der klagenden Partei abhängig gewesen. Die Beklagte benötige wegen ihrer Übersiedlung in ein Reihenhaus in Schwechat die aufgekündigte Parzelle nicht mehr. Sie beabsichtige nur, deren Benützung "zur gegebenen Zeit" einer ihrer Töchter zu übertragen.
In ihren Einwendungen behauptete die Beklagte, daß sie zufolge ihrer Übersiedlung nach Schwechat im Juli 1987 nicht mehr in der Lage gewesen sei, den Garten nach der Gartenordnung der klagenden Partei zu betreuen und das Haus vor Einbruchsdiebstählen zu schützen. Sie habe deshalb an Herrn P*** und Frau R*** die Gartenpflege und die Überwachung des Hauses übertragen. Richtig sei, daß diesen Personen das Recht eingeräumt worden sei, im Haus zu nächtigen, jedoch ohne dafür ein Entgelt zu bezahlen. Im übrigen wäre die Kündigung nur bei gleichzeitigem Ausschluß der beklagten Partei aus dem Kleingartenverein zulässig. Ein solcher sei jedoch nicht ausgesprochen worden.
Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und verurteilte die Beklagte (ohne Auferlegung einer Entschädigungszahlung) zur Räumung. Es stellte dabei folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Im Unterpachtvertrag vom 18. September 1971 verpflichtete sich die Beklagte, zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragung oder (sonstigen) Überlassung des Kleingartens an einen Dritten die schriftliche Zustimmung des Verpächters einzuholen. Dementsprechend wurde ihr auch eine Untervermietung, Unterverpachtung oder Teilhaberschaft usw. untersagt. Gleichzeitig verpflichtete sich die Beklagte auch zur ordnungsgemäßen Gartenpflege. Im Zusammenhang mit ihrer Übersiedlung in ein 1987 erworbenes Reihenhaus in Schwechat sah sich die Beklagte nicht mehr in der Lage, den Garten zu pflegen und überließ ohne Verständigung, daher ohne Zustimmung der klagenden Partei, den Garten und das Haus Martin P*** und Natascha R***. P*** und R*** verpflichteten sich unentgeltlich den Garten in Ordnung zu halten, das Obst zu ernten und das Haus zu betreuen, dieses im Winter auch zu beheizen. Es wurde ihnen erlaubt, bis auf Widerruf im Haus zu wohnen und den Garten zu benützen. Der Pachtzins wurde weiterhin von der Beklagten bezahlt, die Betriebskosten, Strom-, Heizungs- und Telefonkosten wurden von P*** und R*** beglichen, die das Telefon auf ihre Namen anmeldeten. Als Kaution sagten P*** und R*** für Garten, Haus und das darin befindliche Gerät und Geschirr die Zahlung von S 60.000,- zu, wovon S 6.000,- bei Vertragsabschluß und der Rest in 18 Monatsraten a S 3.000,- zu bezahlen waren. Diese Monatsraten wurden eingehalten. Die Beklagte hat jedoch das Geld (im Dezember 1988, sohin während des laufenden Verfahrens) größtenteils den beiden "Gartenpfleger" retourniert, weil sie zu ihnen Vertrauen gefaßt hatte und keine größeren Beschädigungen mehr befürchtete. Die Benützung von Haus und Garten unter den erwähnten Bedingungen wurde P*** und R*** bis zur Beendigung ihres Studiums gestattet. Bei Abschluß der Vereinbarung war absehbar, daß R*** für sein Studium noch etwa zwei Jahre benötigen werde, P*** jedoch noch wesentlich länger. P*** und R*** wohnen im Häuschen und haben bisher die Gartenpflege vereinbarungsgemäß erbracht. Eine wesentliche Beteiligung der Beklagten und ihrer Familie an den Gartenarbeiten hat seit der Überlassung des Kleingartens an P*** und R*** nicht stattgefunden. Die Beklagte hat seither nur mehr einen Teil des angefallenen Obstes von P*** und R*** abgeholt. Das nachträglich gestellte
Ansuchen der Beklagten um Zustimmung zur vorübergehenden Überlassung des Kleingartens an Martin P*** und Natascha R*** wurde von der klagenden Partei abschlägig beantwortet.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß die vertragswidrige Überlassung des Kleingartens durch die Beklagte auf längere Zeit ohne Zustimmung der Klägerin gegen die Generalklausel des § 12 Abs 2 KlGG verstoßen habe.
Das Berufungsgericht änderte über Berufung der beklagten Partei diese Entscheidung dahin ab, daß es das Kündigungsbegehren kostenpflichtig abwies. Es erachtete die erstrichterlichen Feststellungen als unbekämpft. Aus diesen lasse sich rechtlich keine Unterverpachtung im Sinne des § 3 Abs 3 KlGG ableiten, weil P*** und R*** das Objekt unentgeltlich benützten. Eine vertragswidrige unentgeltliche Überlassung des Kleingartens an Dritte durch die Beklagte könne aber nicht unter die Generalklausel des § 12 Abs 2 KlGG subsumiert werden, weil nicht jeder Vertragsverletzung das Gewicht eines Kündigungsgrundes zukomme, sondern nur solchen, die wichtige Interessen des Vermieters beeinträchtigen. Derartige Beeinträchtigungen seien aber in der Kündigung nicht behauptet worden. Die Bestimmung des § 12 Abs 2 KlGG schütze den Bestandnehmer und wolle die Kündigungsmöglichkeiten des Bestandgebers beschränken. Eine extensive Auslegung in dem Sinne, daß schon jeder Verstoß gegen den Bestandvertrag einen wichtigen Kündigungsgrund darstelle, sei daher nicht zulässig. Der von der Beklagten begangene Verstoß gegen die vorgenannte ? Vertragsbestimmung berechtige die klagende Partei nur zu einem Unterlassungsbegehren.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, dieses im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Den Erwägungen des Berufungsgerichtes zur Auslegung der Generalklausel des § 12 Abs 2 KlGG ist beizupflichten. Die wörtliche Übereinstimmung dieser Norm mit jener des § 30 Abs 1 MRG erlaubt daher Analogieschlüsse in der aufgezeigten Richtung. Demnach stellen Verstöße des Mieters gegen vertragliche Verpflichtungen an sich noch keinen wichtigen Kündigungsgrund dar, weil ihnen durch Klage auf Zuhaltung oder Unterlassung begegnet werden kann (vgl EvBl 1967/53 = MietSlg. 18.364). Die Anerkennung eines solchen Verhaltens als Kündigungsgrund erfordert, daß durch diesen Verstoß wichtige Interessen des Vermieters in einer Weise verletzt werden, daß sie einer Gefährdung der (wirtschaftlichen) Existenz des Vermieters gleichkommen (vgl MietSlg 31.347 f, 33.324). Überdies ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, der Vermieter verpflichtet, dies bereits in der Kündigung zu behaupten (vgl MietSlg 33.402). Zu ergänzen wäre, daß die Generalklauseln des § 30 Abs 1 MRG und des § 12 Abs 2 KlGG nicht die Aufgabe haben, fehlende Merkmale der im folgenden beispielsweise aufgezählten Kündigungsgründe zu ersetzen, sondern dazu dienen, die Kündigung wegen vom Gesetz sonst nicht erfaßter, aber an Gewicht den Spezialtatbeständen gleichwertiger
Sachverhalte zu ermöglichen (vgl EvBl 1973/201 = MietSlg 25.261;
JBl 1976, 595 = MietSlg 28.281, 31.344, 33.319). Aus dem
erforderlichen Vergleich ergibt sich daher, daß ein Sachverhalt, der einem Spezialtatbestand zu unterstellen wäre, für dessen Verwirklichung jedoch ein Merkmal fehlt, nur dann einen wichtigen Kündigungsgrund darstellt, wenn das fehlende Merkmal durch ebenso gewichtige zusätzliche Sachverhaltselemente ersetzt wird (vgl EvBl 1973/201 = MietSlg 25.261 und 26.221).
Der Spezialtatbestand des § 12 Abs 2 lit e KlGG erlaubt keinen Analogieschluß zu jenen des § 30 Abs 2 Z 4 MRG, weil der erstzitierte Kündigungstatbestand eine Weiterverpachtung erfordert, während der zweiterwähnte schon mit einer Weitergabe verwirklicht ist. Eine Pacht setzt jedoch eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung voraus (vgl Würth in Rummel zu § 1090 ABGB Rz 6). Der Begriff der Weitergabe ist umfassender und schließt auch eine unentgeltliche Überlassung des Bestandgegenstandes ein (zuletzt 8 Ob 587/89 vom 21. September 1989). Die Pachtbeschränkungen des § 3 Abs 1 KlGG werden nach der Regierungsvorlage zu diesem Gesetz (472 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR in der VII. GP, 8 f) damit begründet, daß Kleingärten grundsätzlich nur der Deckung des Eigenbedarfes des Kleingärtners und seiner Familienangehörigen oder zu (deren) Erholungszwecken dienen sollen. Die Tatsache, daß das Weiterverpachtungsverbot des Unterbestandnehmers im Anschluß an diese Bestimmung in Abs 3 der zitierten Norm ausgesprochen wird, läßt den Schluß zu, daß der Gesetzgeber auch das Weiterverpachtungsverbot unter dem Gesichtspunkt des vorerwähnten Zweckes sehen wollte und die Kündigungsmöglichkeit des Unterbestandnehmers daher im Blickwinkel dieser Ausführungen gesehen werden muß. Dies ändert aber nichts daran, daß die Überlassung des Kleingartens gegen ein, für einen Bestandvertrag übliches Entgelt erfolgen muß. Dieses Entgelt, der Bestandzins, wodurch sich der Bestandvertrag von der Leihe unterscheidet, ist daher die Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung. Es muß daher eine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung bestehen. Von einem Anerkennungszins für ein Prekarium ist nur dann auszugehen, wenn die Leistung gegenüber dem Wert der Nutzung nicht ins Gewicht fällt (vgl Würth aaO Rz 3 mwN). Inwieweit der von der Beklagten der klagenden Partei zu bezahlende Bestandzins einer gesetzlichen Zinsbildungsvorschrift unterliegt, die die Beklagte nur zu einem geringeren als den ortsüblichen Bestandzins verpflichtet, kann mangels Behauptungen und Feststellungen nicht beurteilt werden. Dem kommt jedoch keine Bedeutung zu. Die Entrichtung der mit dem Gebrauch ordentlicherweise verbundenen Kosten (zB Wassergebühr und Grundsteuer - vgl MietSlg 31.327) oder bloß der anteiligen Betriebskosten ist noch nicht als entgeltliche Benützung anzusehen. Eine solche liegt nur dann vor, wenn mehr als der tatsächliche Aufwand oder andere Betriebskostenanteile übernommen werden (vgl Würth aaO mwN). Die zugesagte Bearbeitung des Gartens allein stellt aber zweifellos keine einem Bestandzins gleichzuhaltende Gegenleistung dar, weil die Kleingartenparzelle der Beklagten allein auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen nicht größer als 650 m2 sein kann und von diesem Umfang her beurteilt die Pflege, die im wesentlichen im Mähen von Gras, dem jährlich einmal vorzunehmenden Schneiden der Obstbäume und allenfalls dem Begießen von Blumen beschränkt, keineswegs mehr als ein paar Stunden pro Woche erfordert. Aus der Übernahme dieser Pflege kann daher weder auf eine Weiterverpachtung noch auf ein wirtschaftlich gleichwertiges Rechtsgeschäft geschlossen werden.
Das Berufungsgericht hat jedoch übersehen, daß die klagende Partei in ihrer Berufungsbeantwortung die Feststellung des Erstgerichtes, daß die von Martin P*** und Natascha R*** zugesagte Zahlung von S 60.000,- als Kaution gegeben worden ist, bekämpft und an deren Stelle erkennbar die Feststellung begehrt hat, daß es sich bei dieser Zahlung um ein Entgelt handle, das offensichtlich im Zuge dieses Verfahrens zum Anschein, daß tatsächlich eine Kaution vereinbart worden sei, zurückbezahlt worden sei. Dies wird in der Revision wiederholt. Auch auf die in diesem Zusammenhang von der klagenden Partei als nicht ausreichend gerügte Behandlung von Widersprüchen in Aussagen ist das Berufungsgericht tatsächlich nicht eingegangen. Sollte aber mit einer derartigen Zahlung tatsächlich versteckt ein Bestandzins zugesagt worden sein, so läge eine die Kündigung rechtfertigende Weiterverpachtung im Sinne des § 3 Abs 3 KlGG vor. Das Berufungsverfahren leidet daher unter einem Mangel, der einer abschließenden rechtlichen Beurteilung entgegensteht. Da der Mangel im Berufungsverfahren unterlaufen ist, war diesem Gericht gem den §§ 503 Z 2 und § 510 Abs 1 2. Satz ZPO die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E20370European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00733.89.0222.000Dokumentnummer
JJT_19900222_OGH0002_0070OB00733_8900000_000