Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*** V*** Gesellschaft mbH & Co KG, Wien 19, Muthgasse 2, vertreten durch Dr. Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K*** P*** Ö***,
Wien 20, Höchstädtplatz 3, vertreten durch Dr. Andreas Löw, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 14. Dezember 1989, GZ 3 R 200/89-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 26. Juli 1989, GZ 38 Cg 217/89-3, abgeändert wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.125,80 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 1.854,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung "N*** K***-Z***", die Beklagte ist Verlegerin der Tageszeitung "V*** - DIE L*** T***". Beide Zeitungen berichten
über aktuelle Tagesereignisse, insbesondere aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport; sie veröffentlichen auch Inserate.
In der "N*** K***-Z***" vom 22. Juni 1989 war ein mit "cato" gezeichneter Kommentar zu einem TV-Interview des - damals erst designierten - ÖVP-Obmanns Josef R*** erschienen; in diesem Kommentar hatte es (u.a.) geheißen:
"Zum Hrdlicka-Denkmal - wie es schon ganz allgemein richtig genannt wird - sagte R*** nur banal: 'Moderne Kunst muß man nicht verstehen'. Von der stalinistischen Substanz durch Einmeißelung des Namens Koplenig - KPÖ-Häuptling und Putschist gegen Österreich - weiß er offenbar nichts."
Am 23. Juni 1989 hatte die "N*** K***-Z***" in der Rubrik "Blickpunkt" folgenden Kommentar von Kurt S*** mit der Überschrift "Schandmal des Panzerkommunismus" gebracht:
"Das mit Steuermillionen finanzierte KPÖ-SPÖ-Denkmal des Panzerkommunisten Hrdlicka auf dem Wiener Albertinaplatz steht seit den dramatischen internationalen Ereignissen der letzten Wochen unter einem neuen Licht: als Schandmal des Panzerkommunismus, das in seiner ganzen abgrundtiefen Häßlichkeit auf seinen Schöpfer zurückfällt!
Der Kommunismus, dem der Denkmalbauer mit dem Schandmal seine Reverenz erweisen wollte, hat in Peking einmal mehr seine Panzer-Blutspur in den Geschichtsbüchern hinterlassen. Es ist jener Panzerkommunismus, der schon in Österreich die Nazi-Herrschaft durch eine stalinistische KP-Diktatur fortsetzen wollte, und Hrdlicka ist jener Mann, der bis in die jüngste Zeit für den Stalinismus Verständnis äußerte.
Wohin immer man über Österreichs Grenzen hinausschaut, werden heute Mahnmale gegen den Panzerkommunismus errichtet: In Budapest eine Gedächtnisstätte für Imre Nagy, in Hongkong eine 'Pekinger Freiheitsstatue', in Polen und in der Sowjetunion plant man historisch korrekte Gedächtnisstätten für die Opfer von Katyn, nur 'Wien ist anders': Hier werden die Touristen mit einem 38(!) Jahre nach dem versuchten KPÖ-Putsch errichteten Denkmal für den Panzerkommunismus erschreckt."
Darauf erwiderte die "V***" vom 24. Juni 1989 mit
folgendem mit "M.G." gezeichneten Kommentar unter der Überschrift
"Durchgedreht":
"Die 'Krone' dreht durch. Mit Schaum vor dem Mund oder eher mit Dreck in der Schreibe entdeckt sie wieder einmal das Denkmal gegen Krieg und Faschismus auf dem Albertinaplatz von Alfred Hrdlicka. Was heißt Denkmal? Laut gestriger 'Krone' ist es ein SPÖ-KPÖ-'Schandmal des Panzerkommunismus', das 38 Jahre nach dem 'versuchten KPÖ-Putsch' errichtet wurde.
Haider hat bekanntlich die österreichische Nation zur 'Mißgeburt' erklärt. Da will das Kleinformat nicht nachstehen. Das Denkmal, das den Wiederaufstieg Österreichs aus Krieg ung Faschismus symbolisiert, ein Denkmal der Unabhängigkeit und der nationalen Würde, ist da der 'Krone' zum Anpinkeln gerade gut genug. Warum? Weil der Bildhauer Hrdlicka nicht nach der antikommunistischen Pfeife der 'Krone' tanzt. Ja sich sogar erlaubt hat, unter die Regierungserklärung der ersten Provisorischen Regierung der zweiten Republik auch den Namen Johann Koplenig als Vizekanzler einzumeißeln (in der 'Krone'-Diktion 'Putschistenhäupling').
Apropos 'KPÖ-Putsch': Auch eine 38 Jahre alte Lüge wird durch die 'Krone' nicht wahrer. Aber diese Lüge ist schon seit je Bestandteil der antikommunistischen Hetze der 'Krone' gewesen. Jetzt fehlen dem Lügenblatt offenbar nur noch die Brechstangen des Herrn Olah - um vielleicht das Hrdlicka-Denkmal niederzureißen?"
Mit der Behauptung, daß die Beklagte sie unter Verletzung der guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) mit Schlagworten sowie pauschal abwertend angegriffen und dabei den Boden einer sachlichen Aufklärung des Publikums verlassen habe, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung die herabsetzenden Behauptungen über das Unternehmen der Klägerin und über Handlungen der Klägerin, insbesondere
a)
die "Krone" dreht durch,
b)
die "Krone" agiert mit Schaum vor dem Mund oder eher mit Dreck in Schreibe,
c) das Denkmal gegen Krieg und Faschismus auf dem Albertinaplatz von Alfred Hrdlicka ist der "Krone" zum Anpinkeln gerade gut genug,
d) die "Krone" ist ein Lügenblatt,
zu untersagen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie habe nicht zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt; vielmehr sei die "Volksstimme" ihrer Aufgabe als Zeitung zur Berichterstattung nachgekommen und habe auf die gegen die Beklagte als politische Partei gerichtete massive politische Attacke erwidert. Der beanstandete Artikel sei auch objektiv nicht geeignet gewesen, den Absatz der "Volksstimme" auf Kosten der Klägerin zu fördern. Ein Verstoß gegen § 1 UWG liege daher nicht vor.
Der Erstrichter erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Das Verhalten der Beklagten sei objektiv geeignet, den Absatz ihres Unternehmens auf Kosten eines Mitbewerbers zu fördern. Die Wettbewerbsabsicht werde dann unwiderleglich vermutet, wenn in abfälligen Worten über einen Mitbewerber gesprochen werde. Der beanstandete Kommentar mache die Klägerin verächtlich, bezeichne ihre Zeitung als "Lügenblatt" und versuche sie in ein schiefes Licht zu bringen; dabei handle es sich nicht nur um weltanschauliche Differenzen. Die Verwendung der beanstandeten Ausdrücke widerspreche den anständigen Gebräuchen der Zeitungsbranche und damit auch den guten Sitten im Wettbewerb.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000,-- übersteige. Selbst wenn - wie hier - zwei Presseerzeugnisse einander entgegengesetzte weltanschauliche und politische Zielsetzungen verfolgten, sei doch durchaus anzunehmen, daß jeweils ein Teil der Leser der einen Zeitung den Kauf der anderen in Betracht ziehe, um sich an Hand mehrerer Presseerzeugnisse zu informieren, oder auch deshalb, weil jedes Presseerzeugnis unterschiedliche Informationsbedürfnisse befriedige. Das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Streitteilen sei daher grundsätzlich zu bejahen. Damit lägen die objektiven Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung vor; das bedeute aber noch nicht, daß die Beklagte mit dem beanstandeten Kommentar auch subjektiv in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe:
Im Bereich der Massenmedien sei die Wettbewerbsabsicht nicht allein schon deshalb zu bejahen, weil die Parteien in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen. Befasse sich ein Presseunternehmen kritisch mit Vorgängen, die von allgemeiner Bedeutung oder sonst für die Öffentlichkeit von Interesse sind, dann dürfe die Pressefreiheit nicht durch eine zu weite Auffassung des Begriffs der Wettbewerbsabsicht beeinträchtigt werden, und zwar auch dann nicht, wenn eine Kritik ein Konkurrenzblatt betrifft. Ob bei Presseverlautbarungen eine Wettbewerbsabsicht anzunehmen ist, bedürfe regelmäßig einer eingehenden Prüfung aller dafür in Betracht zu ziehenden Umstände, um die öffentliche Berichterstattung und die Teilnahme am Prozeß der Meinungsbildung nicht über das sachlich Gebotene und verfassungsrechltich Zulässige hinaus einzuschränken. Kollidiere das - durch einen Gesetzesvorbehalt
beschränkte - Grundrecht der Pressefreiheit mit wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, dann habe eine Interessenabwägung stattzufinden. Nur wenn es sich um weltanschauliche Auseinandersetzungen handelt, lasse das Grundrecht der Pressefreiheit eine wesentlich schärfere Kritik an einem anderen Presseerzeugnis zu; in diesen Fällen finde die Pressefreiheit ihre Grenze in der "Schmähkritik".
Sämtliche beanstandeten Äußerungen der Beklagten überschritten zwar die Grenzen einer in einer sachlichen Auseinandersetzung noch vertretbaren Ausdruckweise; diese habe jedoch offensichtlich nur dem Ausdruck schärfsten politischen Gegensatzes gedient, ohne daß sie mit der Absicht verbunden gewesen wäre, auch den Absatz des Konkurrenzproduktes zu beeinträchtigen. Wirtschaftliche Überlegungen seien bei dieser politischen Auseinandersetzung sicher völlig bedeutungslos, sei doch der beanstandete Artikel durch zwei an den vorangegangenen Tagen erschienene Kommentare der "N*** K***-Z***" zum neuen Hrdlicka-Denkmal und die damit verbundenen Angriffe gegen die Beklagte veranlaßt worden. Der hier vorliegenden bloßen Replik der von der "N*** K***-Z***" als politische Partei angegriffenen Beklagten sei jedenfalls keine Wettbewerbsabsicht zu unterstellen. Der nur auf das UWG gestützte Unterlassungsanspruch sei daher zu verneinen.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechlticher Beurteilung mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstrichters wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die Klägerin meint, daß politische Stellungnahmen von den österreichischen Tageszeitungen keineswegs nur aus innerster politischer Überzeugung publiziert würden; sie dienten vielmehr ganz klar Zwecken des Wettbewerbes, bedeute doch eine gut durchgezogene politische Kampagne den Gewinn von Lesern und Käufern. Damit sei eine solche Publikation eindeutig (auch) wirtschaftlich motiviert. Gerade im vorliegenden Fall bedeute der massive Angriff der "Volksstimme" auf die "N*** K***-Z***" nicht nur den Ausdruck schärfsten politischen Gegensatzes, sondern eine Aktion gegenüber dem präsumptiven Käufer, er möge vom Kauf der "Krone" Abstand nehmen und eine andere Tageszeitung, möglicherweise die "Volksstimme", kaufen. Dem ist folgendes zu erwidern:
Ob die Beklagte in Wettbewerbsabsicht gehandelt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Tat- und keine Rechtsfrage (ÖBl. 1970, 97; SZ 47/23; MR 1988, 84, MR 1989, 219 u.a.).Bei abfälligen Äußerungen über Mitbewerber spricht allerdings schon nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung für die Wettbewerbsabsicht. Diese muß freilich nicht das einzige oder wesentliche Ziel der Handlung sein; sie darf nur gegenüber dem eigentlichen Beweggrund nicht völlig in den Hintergrund treten (MR 1989, 219 mwN). Ob dann, wenn das Gericht zweiter Instanz - wie hier - die Vermutung der Wettbewerbsabsicht allein auf Grund des Inhaltes der beanstandeten (urkundlichen) Äußerung als widerlegt ansieht, für den Obersten Gerichtshof damit bindend das Fehlen der Wettbewerbsabsicht festgestellt ist, muß hier nicht untersucht werden; selbst wenn man nämlich eine solche Tatsachenfeststellung nicht annehmen wollte, wäre doch für die Klägerin nichts zu gewinnen: Wie weit nämlich die Wettbewerbsabsicht gegenüber dem eigentlichen Beweggrund der Handlung in den Hintergrund getreten ist, ist als Wertung jedenfalls eine - auch noch in dritter Instanz zu überprüfende -
Rechtsfrage (MR 1989, 61; MR 1989, 219 u.a.). Daß aber im vorliegenden Fall eine allenfalls vorhandene Absicht der Beklagten, mit der beanstandeten Glosse Leser der "K***-Z***" für sich zu gewinnen, gegenüber dem offenbar vorrangigen politischen Beweggrund ganz in den Hintergrund getreten ist, liegt auf der Hand, hat doch die Beklagte mit ihren beanstandeten Äußerungen auf vorangegangene Angriffe der "N*** K***-Z***" gegen sie als politische Bewegung erwidert. Sie hat sich solcherart mit Hilfe ihres Zentralorgans gegen Zeitungsartikel zur Wehr gesetzt, in denen der Kommunismus schlechthin abfällig kommentiert wird ("Panzerkommunismus"; "Der Kommunismus ... hat ... einmal mehr seine Panzer-Blutspur in den Geschichtsbüchern hinterlassen"), der KPÖ vorgeworfen wurde, sie habe in Österreich die "Nazi-Herrschaft durch eine stalinistische KP-Diktatur fortsetzen" wollen und 1950 einen Putsch versucht (Koplenig als "KPÖ-Häuptling und Putschist gegen Österreich"; "38 Jahre nach dem versuchten KPÖ-Putsch"). Die Annahme, daß die Beklagte in der "V***" ihre Idologie und ihre Politik nicht - ausschließlich oder doch ganz überwiegend - aus politischer Überzeugung vertrete und verteidige, sondern um Leser und Käufer zu gewinnen, erscheint unter diesen Umständen völlig lebensfremd.
Hat aber der Beklagten die Wettbewerbsabsicht gänzlich gefehlt oder ist diese zumindest völlig in den Hintergrund getreten, dann hat sie den von der Klägerin geltend gemachten Tatbestand des § 1 UWG nicht verwirklicht.
Der Revisionsrekurs mußte somit erfolglos bleiben.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO.
Anmerkung
E20298European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00029.9.0227.000Dokumentnummer
JJT_19900227_OGH0002_0040OB00029_9000000_000