Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Elmar Peterlunger (AG) und Karl Klein (AN) in der Sozialgerechtssache der klagenden Partei Kurt B***, ohne Beschäftigung, 1050 Wien, Fendigasse 30/13, vertreten durch Dr.Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***
(L*** W***), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.November 1989, GZ 32 Rs 228/89-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6.Juli 1989, GZ 11 Cgs 63/89-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die einschließlich 274,40 S Umsatzsteuer mit 1.646,40 S bestimmten halben Revisionskosten zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 16.3.1989 lehnte die beklagte Partei den Antrag des am 24.1.1926 geborenen Klägers vom 12.1.1989 auf Invaliditätspension ab. Da er während der letzten 288 Kalendermonate vor dem Stichtag (1.2.1965 bis 31.1.1989) nur 36 Versicherungsmonate und vom 25.6.1940 bis zum Stichtag nur 160 Versicherungsmonate, davon nur 130 Beitragsmonate, erworben habe, sei die Wartezeit nicht erfüllt.
Die dagegen rechtzeitig erhobene Klage stützte sich im wesentlichen darauf, es sei verfassungswidrig, daß die Haftzeiten von insgesamt 18 Jahren, in denen der Kläger gesetzlich zur Arbeit verpflichtet gewesen sei und diese Arbeit auch erbracht habe, wobei er viele Häftlinge im Bekleidungsgewerbe ausgebildet und dem Staat viel Nützliches geleistet habe, überhaupt nicht als Versicherungszeiten angerechnet würden. Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes begehrte er wenigstens eine "Mindestinvalidenrente".
Das Erstgericht wies die Klage mangels Erfüllung der allgemeinen Anspruchsvoraussetzung der Wartezeit ab.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge, weil es seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die richtig angewendeten gesetzlichen Bestimmungen nicht teilte.
Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil nach dem angeregten Gesetzesprüfungsverfahren im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder allenfalls die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt. (Paragraphenzitate ohne Gesetzesangabe beziehen sich auf das ASVG).
Das ASVG regelt die Allgemeine Sozialversicherung im Inland beschäftigter Personen ... (§ 1). In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund des ASVG versichert (vollversichert) die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer (§ 4 Abs 1 Z 1) und die in den übrigen Ziffern dieses Absatzes genannten Personen. Dienstnehmer iS des ASVG ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen (§ 4 Abs 2). Personen, die aus der Pflichtversicherung ... ausgeschieden sind oder ausscheiden und vor dem Ausscheiden eine bestimmte Zahl von Versicherungsmonaten erworben haben oder aus einer Versicherung einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine laufende Leistung hatten, können sich in der Pensionsversicherung weiterversichern, solange sie nicht in einer gesetzlichen Pensionsversicherung pflichtversichert sind oder einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung haben (§ 17 Abs 1). Die Weiterversicherung ist auf Antrag des Versicherten, soweit dies nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gerechtfertigt erscheint, auf einer niedrigeren als der nach Abs 1 bis 3 in Betracht kommenden Beitragsgrundlage, jedoch nicht unter den dort angeführten Mindestbeträgen zuzulassen (§ 76a Abs 4). Die Leistungsansprüche ruhen in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung, solange der Anspruchsberechtigte ... eine länger als einen Monat währende Freiheitsstrafe verbüßt oder in den Fällen der §§ 21 Abs 2, 22 und 23 StGB in einer der dort genannten Anstalten länger als einen Monat angehalten wird, in der Krankenversicherung überdies für die Dauer der Untersuchungshaft (§ 89 Abs 1 und 2). Unter Versicherungszeiten sind die in den §§ 225 und 226 angeführten Beitragszeiten und die in den §§ 227, 228 und 229 angeführten Ersatzzeiten zu verstehen (§ 224). Als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem 31.12.1955 sind unter den in den folgenden Ziffern genannten Voraussetzungen 1. und 2. Zeiten einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung, 3. Zeiten der Weiterversicherung oder sonstigen freiwilligen Versicherung,
4. Zeiten einer pensionsversicherungsfreien Beschäftigung, für die ein Überweisungsbetrag an einen Versicherungsträger geleistet worden ist, 5. Zeiten, für die ein Überweisungsbetrag oder erstattete Beiträge zurückgezahlt worden sind und 6. Zeiten, für die ein Überweisungsbetrag nach § 314 bzw nach § 314a geleistet worden ist, anzusehen (§ 225 Abs 1). Der Beitragszeiten vor dem 1.1.1956 regelnde § 226 ist überhaupt nicht, der Ersatzzeiten allgemeiner Art aus der Zeit vor dem 1.1.1956 regelnde § 228 und der Ersatzzeiten für einzelne Zweige der Pensionsversicherung aus der Zeit vor dem 1.1.1956 regelnde § 229 sind nur hinsichtlich einiger Ziffern näher darzustellen, weil die Haftzeiten des Klägers erst am 1.2.1965 begangen. Unter den Ersatzzeiten gemäß § 227 aus der Zeit nach dem 31.12.1955 sind Zeiten einer Haft nicht aufgezählt. Als Ersatzzeiten aus der Zeit vor dem 1.1.1956 gelten ua auch Zeiten, während derer der Versicherte infolge einer Freiheitsbeschränkung - sofern es sich nicht um Zeiten einer Freiheitsbeschränkung auf Grund einer Tat handelt, die nach den österreichischen Gesetzen im Zeitpunkt der Begehung strafbar war oder strafbar gewesen wäre, wenn sie im Inland gesetzt worden wäre - an der Verfügung über seine Arbeitskraft gehindert gewesen ist (§ 228 Abs 1 Z 4), oder Zeiten der Anstaltspflege, die unmittelbar an den 9.5.1945 anschließen und die im ursächlichen Zusammenhang mit einer Gesundheitsschädigung infolge eines der im § 1 Abs 1 lit c oder Abs 2 OFG angeführten Gründe stehen ... Unmittelbarkeit ist auch gegeben, wenn die Heimkehr aus einem Einsatz iS des § 1 Abs 1 OFG oder aus Haft oder Anhaltung iS des § 1 Abs 2 1. S OFG zwar später, jedoch innerhalb des im Abs 2 bezeichneten Zeitraumes gelegen ist (§ 228 Abs 1 Z 7). Als neutral sind ua folgende Zeiten anzusehen, die nicht Versicherungszeiten sind: Zeiten einer Untersuchungshaft, wenn das strafgerichtliche Verfahren gemäß § 90 oder § 109 StPO eingestellt worden ist oder mit einem Freispruche geendet hat, sowie Zeiten einer Strafhaft, wenn das wiederaufgenommene strafgerichtliche Verfahren eingestellt worden ist oder mit einem Freispruche geendet hat, ferner Zeiten einer Strafhaft auf Grund einer Tat, die nach den österreichischen Gesetzen im Zeitpunkt der Begehung der Tat strafbar war, nach den österreichischen Gesetzen bei Eintritt des Versicherungsfalles jedoch nicht mehr strafbar ist (§ 234 Abs 1 Z 9). Zeiten einer aus den Gründen des § 500 veranlaßten Untersuchungshaft, Verbüßung einer Freiheitsstrafe, Anhaltung oder Arbeitslosigkeit ... gelten für Personen, die vorher in der Zeit seit dem 1.7.1927 Beitragszeiten gemäß § 226 oder Ersatzzeiten gemäß §§ 228 oder 229 zurückgelegt haben, als Pflichtbeitragszeiten mit der höchstzulässigen Beitragsgrundlage. Solche als Pflichtbeitragszeiten geltende Zeiten sind beitragsfrei zu berücksichtigen (§ 502 Abs 1). Zeiten einer Anhaltung, in Ansehung derer ein österreichisches Gericht rechtskräftig einen Entschädigungsanspruch für strafgerichtliche Anhaltung oder Verurteilung zuerkannt hat, gelten, sofern der Versicherte vor der Anhaltung Beitragszeiten oder Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung nach dem ASVG erworben hat, als Versicherungszeiten, und zwar die vor dem Zeitpunkt, ab dem von der betreffenden Versichertengruppe erstmals Beiträge entrichtet werden konnten, gelegenen Anhaltungszeiten als Ersatzzeiten und die nach diesem Zeitpunkt gelegenen Anhaltungszeiten als Beitragszeiten der Pflichtversicherung. Die auf diese Beitragszeiten entfallenden Beiträge hat der Bund an den zuständigen Versicherungsträger nach den jeweils in Geltung gestandenen Vorschriften nachzuentrichten ... (§ 506a). Die Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen haben nach Maßgabe der Bestimmungen den StVG für den Unterhalt der Strafgefangenen zu sorgen (§ 31 Abs 1 StVG). Soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, hat jeder Verurteilte für seinen Unterhalt (§ 31 Abs 1) einen Beitrag zu den Kosten des Strafvollzuges in der Höhe des Fünfzehnfachen der Arbeitsvergütung je Arbeitsstunde in der höchsten Vergütungsstufe (§ 52 Abs 1) für jeden Tag der Strafzeit zu leisten (§ 32 Abs 5 StVG). Die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages nach Abs 5 entfällt, soweit der Strafgefangene im Rahmen seiner Arbeitspflicht eine zufriedenstellende Arbeitsleistung (§ 51) erbracht hat oder soweit ihn daran, daß er eine solche Leistung nicht erbracht hat, weder ein vorsätzliches noch ein grob fahrlässiges Verschulden trifft ... (§ 32 Abs 6 StVG). Jeder arbeitsfähige Strafgefangene ist verpflichtet, Arbeit zu leisten (§ 44 Abs 1 StVG). Der Ertrag der Arbeit fließt dem Bund zu. Strafgefangene, die eine befriedigende Arbeitsleistung erbringen, haben für die von ihnen geleistete Arbeit eine Arbeitsvergütung zu erhalten (§ 51 Abs 1 und 2 StVG). Die §§ 66 bis 74 StVG regeln die ärztliche Betreuung der Strafgefangenen. Die §§ 75 bis 84 leg cit die Soziale Fürsorge. Im Rahmen derselben sind die Strafgefangenen auch anzuleiten, für die Betreuung ihres Vermögens Vorsorge zu treffen. Ihre darauf gerichteten Bemühungen sind auf ihr Ansuchen im Zusammenwirken mit den zuständigen Behörden und Stellen der freien Wohlfahrtspflege mit Rat und Tat zu unterstützen (§ 75 Abs 2 StVG). Die Strafgefangenen sind über die Möglichkeiten und Vorteile der freiwilligen Weiterversicherung und Höherversicherung zu belehren. Für die Entrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung dürfen die Strafgefangenen auch Gelder verwenden, die ihnen sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzuge nicht zur Verfügung stehen (§ 75 Abs 3 StVG). Die §§ 76 bis 84 StVG regeln die Unfallfürsorge.
Aus der dargestellten Gesetzeslage ergibt sich, daß der Gesetzgeber die Sozialversicherungspflicht der Strafgefangenen und die Berücksichtigung von Haftzeiten in der Pensionsversicherung - entgegen der Meinung des Revisionswerbers - insofern geregelt hat als er in bestimmten Fällen (§§ 502, 506a, 228 Abs 1 Z 4) Haftzeiten als Beitrags- oder Ersatzzeiten und in anderen Fällen (§ 234 Abs 1 Z 9) als neutrale Zeiten berücksichtigt. In allen nicht besonders geregelten Fällen sind dagegen Strafgefangene weder in der gesetzlichen Kranken-, noch in der Unfall-, noch in der Pensionsversicherung pflichtversichert, und zwar auch dann nicht, wenn sie im Rahmen ihrer Arbeitspflicht Arbeitsleistungen erbringen, für die sie eine Arbeitsvergütung erhalten.
Gegen diese Regelung der Berücksichtigung von Haftzeiten nur unter bestimmten, im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Nach den übereinstimmenden Rechtsmeinungen des BMsV (SVSlg 19.570), des VwGH (2.2.1972, 782/71 und 62/72, VwSlgNF 8162 = SVSlg 21.171) und des Oberlandesgerichtes Wien (SVSlg 8.868, 21.172, 26.918, 30.930 und 32.418) unterliegen diese auf Grund einer gesetzlichen und nicht auf einer freiwillig übernommenen Arbeitsverpflichtung erbrachten Arbeitsleistungen nicht der Pflichtversicherung. Auch die Lehre vertrtitt die Auffassung, das Sozialversicherungsrecht fordere wie das Arbeitsrecht, daß Beschäftigungsverhältnisse freiwillig begründet werden. Dienste auf Grund öffentlich-rechtlicher Gewaltverhältnisse beruhten auf keinem Dienstvertrag. Deshalb seien Beschäftigungen im Rahmen des Strafvollzuges nicht unter § 4 Abs 2 ASVG zu subsumieren (vgl Krejci-Marhold in Tomandl, SV-System 3. ErgLfg 46;
MGA ASVG 49. ErgLfg 125; Krejci in Rummel, ABGB § 1151 Rz 16). Der VfGH hat in seinem Erkenntnis vom 26.11.1971, B 128/71, VfSlg 6582 = SVSlg 21.170, ausgesprochen, daß die Entscheidung des Gesetzgebers, wonach eine im Rahmen des Strafvollzuges erbrachte Arbeitsleistung nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt, weil die für den Bestand eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erforderliche freiwillige Übernahme einer bestimmten Arbeitsverpflichtung fehlt, nicht gegen das Gleichheitsgebot verstößt.
Der Gesetzgeber ist durch den Gleichheitsgrundsatz verpflichtet, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen (VfSlg 5727 ua). Differenzierungen sind dann sachlich begründet, wenn sie nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen vorgenommen werden. Wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich müssen zu unterschiedlichen Regelungen führen (VfSlg 8806 ua). Nur unterschiedliche Regelungen, die nicht in entsprechenden tatsächlichen Unterschieden eine Grundlage haben, sind gleichheitswidrig (VfSlg 8600 ua). Unter der Sachlichkeit einer Regelung ist nicht eine Zweckmäßigkeit oder Gerechtigkeit zu verstehen (VfSlg 4711). Dem einfachen Gesetzgeber kommt auch eine - freilich nicht unbegrenzte - rechtspolitische Gestaltungsfreiheit zu, die außer bei einem Exzeß nicht der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt und insoweit auch nicht mit den aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbaren Maßstäben zu messen ist. Innerhalb dieser Grenzen ist die Rechtskontrolle nicht zur Beurteilung der Rechtspolitik berufen (VfSlg 9583 mwN). Unter Berücksichtigung dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof gegen die Anwendung der oben dargestellten gesetzlichen Bestimmungen aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit keine Bedenken.
Die Strafgefangenen nach den §§ 66 ff StVG zustehende ärztliche Beutreuung und die ihnen nach den §§ 76 ff leg cit gebührenden Leistungen nach Arbeitsunfällen und Krankheiten iS des § 76 Abs 2 bis 4 dieses Gesetzes gewährt diesem Personenkreis einen dem Strafvollzug angepaßten gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherungsschutz.
Daß Strafgefangene auch dann, wenn sie im Rahmen ihrer Arbeitspflicht eine Arbeitsleistung erbringen, - anders als zB bei einem Dienstgeber beschäftigte Dienstnehmer - in der gesetzlichen Pensionsversicherung nicht pflichtversichert sind, ist durch die schon erwähnten wesentlichen Unterschiede der Verhältnisse zu rechtfertigen und widerspricht daher - wie vom Verfassungsgerichtshof im zit Erkenntnis festgestellt wurde - , nicht dem Gleichheitsgrundsatz.
Zeiten einer Untersuchungshaft oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder sonstigen Anhaltung werden nach dem ASVG nur dann als Pflichtbeitragszeiten berücksichtigt, wenn die mit Freiheitsentzug verbundene Maßnahme entweder aus politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung veranlaßt wurde (§§ 500 und 502 Abs 1) oder wenn ein österreichisches Gericht für die Zeiten der Anhaltung (nach dem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz) rechtskräftig einen Entschädigungsanspruch für strafgerichtliche Anhaltung oder Verurteilung zuerkannt hat (§ 506a). Solche als Pflichtbeitragszeiten geltende Zeiten sind im erstgenannten Fall beitragsfrei zu berücksichtigen (§ 502 Abs 1 Satz 3); im zweitgenannten Fall hat der Bund die auf diese Zeiten entfallenden Beiträge an den zuständigen Versicherungsträger nachzuentrichten (§ 506a Satz 2). In beiden Fällen handelt es sich um den Ersatz sozialversicherungsrechtlicher Nachteile, die durch vom begünstigten Versicherten nicht verschuldete Freiheitsentzüge verursacht wurden. Eine Ausdehnung dieser Ausnahmebestimmungen auf Zeiten einer verschuldeten Anhaltung wäre gleichheitswidrig. Auch die Anerkennung solcher Zeiten als Ersatzzeiten widerspräche aus ähnlichen Gründen dem Gleichheitsgrundsatz. Unter den vom Gesetzgeber in äußerst kasuistischer Weise festgelegten Fällen, in denen aus soziapolitischen Gründen Zeiten ohne Beitragsentrichtung als Versicherungszeiten berücksichtigt werden, finden sich nur solche, in denen keine Beiträge entrichtet werden konnten, weil sie vor dem Wirksamwerden der heutigen Sozialversicherungsgesetze liegen, oder in denen jemand aus sozial anerkannten Gründen keine Beitragszeiten erwerben konnte. Aus der Zeit nach dem 31.2.1955 handelt es sich dabei vor allem um Zeiten im Zusammenhang mit einer Schulausbildung, Entbindung, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Präsenz- oder Zivildienstleistung (vgl auch Teschner in Tomandl, SV-System 4. ErgLfg 377; Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts4, 49). Zeiten, während derer jemand infolge einer (selbstverschuldeten) Freiheitsbeschränkung auf Grund einer Tat an der Verfügung über seine Arbeitskraft gehindert war, die nach den österreichischen Gesetzen im Zeitpunkt der Begehung strafbar war oder strafbar gewesen wäre, wenn sie im Inland gesetzt worden wäre, unterscheiden sich von den sozial anerkannten Hinderungsgründen so wesentlich, daß ihre Nichtanerkennung als Ersatzzeiten (vgl § 228 Abs 1 Z 4) nicht gleichheitswidrig erscheint. Ob es dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht, daß Zeiten einer Strafhaft nur unter den im § 234 Abs 1 Z 9 genannten Voraussetzungen als neutral anzusehen sind, mußte nicht geprüft werden, weil diese Gesetzesstelle im vorliegenden Fall nicht anzuwenden ist. Ein Strafgefangener, auf den die oben erwähnten Ausnahmen des § 502 Abs 1 und des § 506a nicht zutreffen, erwirbt zwar dadurch, daß er im Rahmen seiner Arbeitspflicht Arbeitsleistungen erbringt, weder Beitragszeiten der Pflichtversicherung noch Ersatzzeiten. Er wird aber durch den Strafvollzug nicht gehindert, sich in der Pensionsversicherung nach § 17 weiterzuversichern und durch Beitragsentrichtung Beitragszeiten der freiwilligen Versicherung zu erwerben, wobei die Weiterversicherung auf Antrag des Versicherten, soweit dies nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gerechtfertigt erscheint, nach § 76a Abs 4 auf einer niedrigeren als der nach Abs 1 bis 3 leg cit in Betracht kommenden Beitragsgrundlage zuzulassen ist. Nach § 75 Abs 3 StVG sind die Strafgefangenen über die Möglichkeiten und die Vorteile ua der freiwilligen Weiterversicherung zu belehren, und sie dürfen für die Entrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung auch Gelder verwenden, die ihnen sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzug nicht zur Verfügung stehen. Durch die insbesondere hinsichtlich des Beginnes, des Endes und der Bestimmung der Beitragsmonate sehr flexible Weiterversicherung (vgl § 17 Abs 7 und 8) kann auch ein Strafgefangener weitere Beitragsmonate für die Erfüllung der Wartezeit und/oder einen höheren Steigerungsbetrag erwerben. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, daß dann, wenn man davon ausginge, ein Strafgefangener sei durch seine im Rahmen seiner Arbeitspflicht erbrachte Arbeitsleistung in der Pensionsversicherung pflichtversichert, für diese Zeiten wohl ebenfalls Beiträge zu leisten wären. Anders als nach § 506a, wonach der Bund die auf diese Beitragszeiten entfallenden Beiträge (als Teil der strafrechtlichen Entschädigung) an den zuständigen Versicherungsträger nachzuentrichten hat, wäre ein Bundesbeitrag hier nicht zumutbar. Nach § 32 Abs 5 StVG hat jeder Verurteilte, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, für seinen Unterhalt (§ 31 Abs 1 leg cit) einen Beitrag zu den Kosten des (defizitären) Strafvollzuges in der Höhe des Fünfzehnfachen der Arbeitsvergütung je Arbeitsstunde in der höchsten Vergütungsstufe (§ 52 Abs 1 StVG) für jeden Tag der Strafzeit zu leisten. Diese Verpflichtung entfällt, soweit der Strafgefangene im Rahmen seiner Arbeitspflicht eine zufriedenstellende Arbeitsleistung (§ 51 leg cit) erbracht hat oder soweit ihn daran, daß er eine solche Leistung nicht erbracht hat, weder ein vorsätzliches noch ein grob fahrlässiges Verschulden trifft (§ 32 Abs 6 StVG). Da auch der Versichertengemeinschaft die Erbringung von Leistungen für Zeiten, für die keine Beiträge erbracht wurden, in solchen Fällen nicht zumutbar wäre, müßten diese Beiträge vom Strafgefangenen aufgebracht werden, so daß kein wesentlicher Unterschied zur freiwilligen Versicherung bestünde. Wenn daher der Gesetzgeber die im Rahmen der Arbeitspflicht von Strafgefangenen erbrachten Arbeitsleistungen grundsätzlich weder als Pflichtbeitragszeiten noch als Ersatzzeiten wertet und hievon nur die oben angeführten Ausnahmen macht, beruht dies auf sachlichen Erwägungen.
Der Oberste Gerichtshof hat daher gegen die im vorliegenden Fall anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit keine Bedenken, weshalb er entgegen der Anregung des Revisionswerbers beim Verfassungsgerichtshof keinen Antrag nach Art 89 Abs 2 B-VG auf Aufhebung solcher Bestimmungen, insbesondere auch nicht der in der erwähnten Anregung genannten §§ 224 oder 227, zu stellen hat.
Da der Sachverhalt vom Berufungsgericht nach der verfassungsrechtlich unbedenklichen Gesetzeslage rechtlich richtig beurteilt wurde, war der Revision nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Wegen der rechtlichen Schwierigkeiten war dem zur Gänze unterlegenen Revisionswerber gegenüber dem Versicherungsträger ein Anspruch auf Ersatz der halben Revisionskosten zuzubilligen (SSV-NF 1/66; 2/29 ua).
Anmerkung
E20781European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00066.9.0227.000Dokumentnummer
JJT_19900227_OGH0002_010OBS00066_9000000_000