TE OGH 1990/2/28 9ObA21/90

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Veröffentlicht am 28.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Oder und Peter Pulkrab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sühret U***, Arbeiterin, Dornbirn, Schmelzhütterstraße 22, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Firma Rudolf Ö***, Nährmittel- und Backwarenfabrik, Dornbirn, Schmelzhütterstraße 14, vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 63.313,46 S brutto und 1.827 S netto samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Oktober 1989, GZ 5 Ra 132/89-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. April 1989, GZ 34 Cga 20/89-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin noch folgendes zu entgegnen:

Da es der Klägerin infolge der täglichen Flugverbindung in die Türkei möglich gewesen wäre, noch am 27. oder 28. Oktober 1988 zurückzukehren, war ihr Entschluß, nach Verständigung von der schweren Erkrankung ihrer Schwiegermutter - diese starb am 27. Oktober 1988 - mit ihrem Ehegatten am 26. Oktober 1988 in die Türkei zu fliegen, auch dann gerechtfertigt, wenn sie zu einem derartigen Beistand nach türkischem Recht - das aber in Artikel 151 des bürgerlichen Gesetzbuches eine gegenseitige Beistandspflicht der Ehegatten normiert (siehe Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderübersicht Türkei, 30, 97. Lieferung, abgeschlossen am 31. Oktober 1988) - keine (rechtliche) Verpflichtung getroffen hätte. Die unvorhersehbare Kollision der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Pflichten mit der sich aus der Ehe ergebenden Beistandspflicht rechtfertigte jedenfalls für die verhältnismäßig kurze Zeit von 1 bis 2 Tagen die Hintansetzung der vertraglich geschuldeten Arbeitspflicht (vgl. Kuderna, Entlassungsrecht, 45; Martinek-Schwarz AngG6 620 mwH; WBl. 1987, 342). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin für eine Verständigung ihres Arbeitgebers sorgte und sich um dessen nachträgliche Genehmigung - die Einholung einer vorherigen Zustimmung war wegen des Feiertages nicht möglich - bemühte, und daher bestrebt war, den Interessen ihres Arbeitgebers nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.

Was das weitere Fernbleiben der Klägerin bis 7. November 1988 betrifft, ist der Revisionswerberin zuzubilligen, daß es in diesem Ausmaß allein durch den Anlaß nicht gerechtfertigt war; diesbezüglich mangelt es aber, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, an dem für die Verwirklichung des Entlassungstatbestandes des unbefugten Verlassens der Arbeit (§ 82 lit.f GewO, erster Tatbestand) erforderlichen Verschulden der Klägerin. Der mit der Kontaktaufnahme mit der beklagten Partei beauftragte Schwiegersohn der Klägerin Irfan Y*** traf im Personalbüro lediglich die Angestellte Elisabeth H*** an, die erklärte, der Prokurist sei nicht anwesend. Dennoch nahm sie das aus der Türkei gesandte Telegramm über die Erkrankung der Schwiegermutter der Klägerin entgegen, fertigte davon eine Kopie an und fragte, wie lang die Klägerin abwesend sein werde. Daraufhin teilte ihr Irfan Y*** mit, der Ehemann der Klägerin habe von seinem Arbeitgeber Urlaub bis 7. November erhalten und auch die Klägerin werde ein bis zwei Wochen abwesend sein. Da Elisabeth H*** auf diese Worte mit der abschließenden Bemerkung reagierte, "dies ist erledigt, ich werde es weiterleiten", lag für Irfan Y*** durchaus der Schluß nahe, der Urlaub sei bewilligt, zumal Elisabeth H*** nicht klarstellte, daß sie zur Bewilligung von Urlauben nicht berechtigt war. Da demnach der Irrtum, der Klägerin sei Urlaub bewilligt worden, von der im Personalbüro der beklagten Partei beschäftigten Elisabeth H*** veranlaßt wurde, kann weder dem Beauftragten der Klägerin Irfan Y*** noch der Klägerin - die von Irfan Y*** in diesem Sinn verständigt wurde - ein Schuldvorwurf darauf gemacht werden, daß sie annahmen, die beklagte Partei sei mit der Abwesenheit der Klägerin einverstanden.

Abschließend sei bemerkt, daß der Einwand der Revisionswerberin, die Klägerin habe sich im Prozeß niemals darauf berufen, die beklagte Partei habe ihr Urlaub bis 7. November gewährt, dem Akteninhalt nicht entspricht. Tatsächlich hat die Klägerin ein diesbezügliches Vorbringen in der Tagsatzung vom 28. März 1989 erstattet.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E20132

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00021.9.0228.000

Dokumentnummer

JJT_19900228_OGH0002_009OBA00021_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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