Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus B***, Invalidenrentner, Engelsdorf 52, 9360 Friesach, vertreten durch Dr. Klaus Messiner, Dr. Ute Messiner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1. Hubert E***, Landwirt, Schratzbach 16, 9361 St. Salvator, 2. G*** W***
V*** AG, Direktion für Kärnten und Osttirol,
Bahnhofstraße 39, 9020 Klagenfurt, beide vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 261.120,-- s.A., Zahlung einer monatlichen Rente von S 4.500,-- und Feststellung (Revisionsinteresse S 373.366,33), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20. September 1989, GZ 7 R 6/89-42, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 31. März 1989, GZ 16 Cg 97/86-35, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren (Punkt 3) dahin abgeändert, daß die Entscheidung diesbezüglich zu lauten hat:
"Den beklagten Parteien gegenüber wird festgestellt, daß sie der klagenden Partei zur ungeteilten Hand für zwei Drittel aller Folgeschäden aus dem Unfall vom 5. Dezember 1981 haften, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei mit der Höhe der Versicherungssumme laut zwischen ihr und erstbeklagter Partei am Unfallstag bestehenden Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrag beschränkt ist.
Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung zu einem weiteren Drittel wird abgewiesen."
In seinem Ausspruch über das Leistungsbegehren wird das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit es nicht mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist (Abweisung eines Teilbetrages von S 9.000 und Zuspruch eines Teilbetrages von S 55.087 je samt Zinsen) aufgehoben und die Rechtssache insoweit (also hinsichtlich des Zuspruches einer monatlichen Rente von S 4.500 und eines Kapitalbetrages von S 197.033 samt Zinsen sowie im Kostenpunkt) zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Auf die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen.
Text
Begründung:
Der am 18. Juni 1957 geborene, unverheiratete Kläger ging am 5. Dezember 1981 gegen 22,30 Uhr nach dem Besuch eines Kaffeehauses, wo er drei große Normalbier getrunken hatte, auf dem (in seiner Gehrichtung gesehen) linken Gehsteig der Metnitztaler Landesstraße im Ortsgebiet von Friesach. Um Räumschnee, der sich auf dem Gehsteig im Bereich seiner Gehlinie befand, auszuweichen, trat der Kläger auf die Fahrbahn und ging in einem Abstand von 0,6 m entlang des Randes des linken Gehsteiges weiter. Der Erstbeklagte lenkte seinen etwa 1,7 m breiten, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW mit einer Geschwindigkeit von mindestens 60 km/h in derselben Richtung durch die Metnitztaler Landesstraße. Wegen einer am rechten Gehsteig befindlichen Fußgängergruppe lenkte er so weit nach links, daß sich sein Fahrzeug zur Gänze auf der linken Fahrbahnhälfte befand (der Abstand der rechten Seite des PKWs zur Fahrbahnmitte betrug 0,75 m). Der PKW erfaßte den Kläger von hinten. Der Erstbeklagte wurde vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt, den Unfall durch unaufmerksames Fahren verschuldet zu haben. Außerdem wurde er verwaltungsbehördlich wegen Schnellfahrens bestraft. Der Kläger erlitt bei dem Unfall schwere Verletzungen, als deren Folge der rechte Arm gelähmt ist, sodaß er nur als Hilfs- und Stützarm eingesetzt werden kann. Wegen dieser Lähmung ist der Kläger arbeitsunfähig, weil er in seinem bisherigen Bereich als Schlosser nicht mehr arbeiten kann. Er könnte nur als Einarmiger eingestuft werden, für Büroarbeiten fehlen ihm die schulischen und geistigen Voraussetzungen. Es ist daher auch nicht möglich, ihn für einen anderen Beruf umzuschulen.
Mit seiner am 28. März 1986 eingebrachten Klage begehrte der Kläger, gestützt auf Alleinverschulden des Erstbeklagten, als Schadenersatz einen Betrag von S 261.120 s.A. (darin 20.000 S Verunstaltungsentschädigung und ein auf Verdienstentgang gegründeter Anspruch) sowie eine monatliche Rente wegen Verdienstentgang von S 4.500. Außerdem begehrte der Kläger die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für die Unfallsfolgen, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei mit der Versicherungssumme beschränkt sei. Die beklagten Parteien wendeten unter anderem ein, den Kläger treffe ein Mitverschulden von einem Drittel, weil er alkoholisiert gewesen sei und gegen § 76 Abs 1 StVO verstoßen habe. Ein Anspruch auf Verunstaltungsentschädigung bestehe nicht, der Höhe nach werde das Begehren aus diesem Titel aber nicht bestritten. Der Kläger habe auch keinen Verdienstentgang erlitten, es sei ihm eine Invaliditätspension zuerkannt worden. Beide Beklagte wendeten überdies Verjährung ein, die Zweitbeklagte zog ihre Verjährungseinrede im Lauf des Verfahrens jedoch zurück. Das Erstgericht erkannte die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger einen Betrag von S 253.120 samt Zinsen sowie eine monatliche Rente von S 4.500 zu bezahlen, außerdem wurde im Sinne des Feststellungsbegehrens entschieden. Abgewiesen wurde lediglich ein Mehrbegehren von S 8.000 samt Zinsen. Das Erstgericht machte dem Erstbeklagten zum Vorwurf, gegen die Bestimmungen des § 20 Abs 1 und 2 sowie des § 7 Abs 1 StVO verstoßen zu haben, weil er mit überhöhter Geschwindigkeit im Ortsgebiet gefahren sei, die im Straßenverkehr erforderliche Vorsicht und Aufmerksamkeit außer Acht gelassen und gröblichst das Rechtsfahrgebot mißachtet habe. Das Verschulden des Erstbeklagten sei derart schwerwiegend, daß jenes des Klägers, welches in einem Verstoß gegen § 76 Abs 1 StVO bestehe, vernachlässigt werden könne. Das Gehen 60 cm vom Gehsteigrand entfernt sei überdies nicht unfallskausal gewesen. Durch die Armlähmung liege eine Verunstaltung im Sinne des § 1326 ABGB vor, auch einem Mann stehe wegen verminderter Heiratsaussichten ein Anspruch nach § 1326 ABGB zu. Der begehrte Betrag von S 20.000 sei angemessen. Der Kläger habe auch Anspruch auf Verdienstentgang (das Erstgericht errechnete diesen Anspruch auf Grund detaillierter Feststellungen über die Beträge, die der Kläger in der Zeit bis 31. März 1986 ohne den Unfall verdient hätte und zog davon die erhaltenen Leistungen, insbesondere die Invaliditätspension, ab). Nach dem Unfall seien außergerichtliche Verhandlungen mit dem Kläger geführt worden, die zweitbeklagte Partei habe mit Schreiben vom 5. Feber 1985 mitgeteilt, daß ein Mitverschulden des Klägers von einem Drittel eingewendet werde, mit Schreiben vom 14. Jänner 1986 habe die zweitbeklagte Partei mitgeteilt, daß auf die Einrede der Verjährung bis zum 31. März 1986 verzichtet werde. Dieser Verjährungsverzicht sei nicht nur namens der zweitbeklagten Partei abgegeben worden, es könne daher auch von einer Verjährung des Anspruches gegenüber dem Erstbeklagten keine Rede sein.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien lediglich hinsichtlich des Kapitalsbetrages teilweise Folge und nur dahin, daß ein Betrag von S 252.120 samt Zinsen zuerkannt und ein Mehrbegehren von S 9.000 abgewiesen wurde. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, die Ansprüche seien auch gegenüber dem Erstbeklagten nicht verjährt. Die zweitbeklagte Partei habe über die Schadenersatzansprüche des Klägers verhandelt und in diesem Zusammenhang auf die Einrede der schon drohenden Verjährung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verzichtet. Gemäß Art. 9 Abs 1 der zum Unfallszeitpunkt in Geltung gestandenen AKHB 1967 sei der Versicherer, außer im Fall der Freiheit von der Verpflichtung zur Leistung, bevollmächtigt, die ihm zur Befriedigung oder zur Abwehr der Entschädigungsansprüche des geschädigten Dritten zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers und der mitversicherten Personen abzugeben. Daß Freiheit von der Verpflichtung zur Leistung vorliege, sei nicht vorgebracht worden. Die Verhandlungen und Erklärungen der zweitbeklagten Partei hemmten auch den Lauf der Verjährungsfrist, wenn sie über die Versicherungssumme hinausgingen, der Versicherungsnehmer sei gegenüber dem Geschädigten an die im Rahmen der Regulierungsmacht nach Art. 9 AKHB abgegebenen Erklärungen gebunden. Die Erklärung des Verzichtes auf die Verjährungseinrede durch die zweitbeklagte Partei wirke daher auch gegenüber dem Erstbeklagten. Eine Beeinträchtigung der Verkehrstauglichkeit des Klägers durch Alkohol habe in den Beweisen nicht erhoben werden können, der Alkoholkonsum des Klägers vor dem Unfall reiche dazu nicht aus. Der Erstbeklagte habe eine überhöhte Fahrgeschwindigkeit eingehalten, sein Fahrzeug ohne Notwendigkeit zur Gänze auf die linke Fahrbahnhälfte gelenkt und - nach den bindenden Feststellungen im Strafurteil - den auf der Fahrbahn gehenden Kläger aus Unaufmerksamkeit übersehen. Demgegenüber habe der Kläger ohne Notwendigkeit die Fahrbahn betreten und dadurch gegen § 76 Abs 1 StVO verstoßen. Dieses Verhalten sei auch kausal für den Schaden gewesen, doch könne das Verschulden des Klägers vernachlässigt werden. Der Kläger hätte zwar auf ein vorschriftsmäßiges Verhalten des Erstbeklagten nicht vertrauen dürfen, doch habe er von der Wahrscheinlichkeit ausgehen können, daß ein einzelnes nachfolgendes 1,7 m breites Fahrzeug auf der 6,1 m breiten Fahrbahn nicht ohne Grund bis auf 0,6 m an den linken Fahrbahnrand herangelenkt werde. Somit sei vom Alleinverschulden des Erstbeklagten auszugehen. Dem Kläger stehe eine Verunstaltungsentschädigung zu, obwohl ihn wegen Verlustes einer Erwerbsfähigkeit eine Verminderung besseren beruflichen Fortkommens nicht treffen könne. Es bestehe aber die Möglichkeit, daß durch die Verunstaltung seine Heiratsaussichten beeinträchtigt worden seien. Die Teillähmung des Armes falle im täglichen Umgang mit dem Kläger auf, weil er nicht in der Lage sei, wie ein beidhändig Gesunder Gegenstände zu greifen, zu heben oder sonst zu bewegen. Es werde sich auch der Anschein von körperlicher Schwäche und Ungeschicklichkeit nicht vermeiden lassen. Die Entschädigung nach § 1326 ABGB sei mit S 20.000 nicht unangemessen hoch bestimmt. Der Schmerzengeldzuspruch sei um S 1.000 zu vermindern gewesen, weil dem Kläger ein Betrag in dieser Höhe bereits im Strafverfahren zuerkannt worden sei.
Die beklagten Parteien bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, machen die Anfechtungsgründe der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen das angefochtene Urteil unter Zugrundelegung einer Verschuldensteilung 1 : 2 zu Lasten des Erstbeklagten im Umfang der Anfechtung dahin abzuändern, daß das Leistungsbegehren - mit Ausnahme eines Teilzuspruches von S 55.087 - und das über eine Haftung der beklagten Parteien im Umfang von zwei Dritteln hinausgehende Feststellungsbegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellen die Beklagten einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Zum Verschulden:
Gemäß § 76 Abs 1 StVO war der Kläger verpflichtet, den Gehsteig zu benützen. Daß ihm die Benützung des Gehsteiges nicht möglich oder unzumutbar gewesen wäre, hat der Kläger nicht einmal behauptet. Derartiges ist auch nicht hervorgekommen, sondern lediglich, daß in der Gehlinie des Klägers Räumschnee lag. Daß dieser Räumschnee die gesamte Fahrbahnhälfte einnahm, wurde nicht festgestellt, aus den im Strafakt befindlichen Lichtbildern ergibt sich vielmehr, daß auf dem Gehsteig die Möglichkeit gewesen wäre, dem Räumschnee auszuweichen. Der Kläger hat somit gegen die Vorschrift des § 76 Abs 1 StVO verstoßen. Darin liegt ein keinesfalls gering zu wertendes Verschulden. Dazu kommt, daß der Kläger die Fahrbahn betrat, obwohl er den herannahenden PKW wahrnehmen konnte. Darauf, daß der PKW nur die rechte Fahrbahnhälfte benützen werde, durfte sich der Kläger nicht verlassen. Überdies ging der Kläger nicht einmal knapp am linken Fahrbahnrand, sondern etwa 60 cm von diesem entfernt. Dem Erstbeklagten ist hingegen anzulasten, daß er eine überhöhte Geschwindigkeit (mindestens 60 km/h) einhielt, die linke Fahrbahnhälfte benützte und laut bindendem Strafurteil unaufmerksam fuhr. Dieses Verschulden des Erstbeklagten wiegt schwerer als jenes des Klägers, doch ist das Fehlverhalten des Klägers keinesfalls derart geringfügig, daß es vernachlässigt werden könnte. Vielmehr ist die von den beklagten Parteien angestrebte Schadensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zugunsten des Klägers gerechtfertigt, und zwar auch dann, wenn man dem Kläger nicht noch zusätzlich anlastet, alkoholisiert gewesen zu sein. Auf die Ausführungen zum Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit, die nur die Frage einer Alkoholisierung des Klägers betreffen, braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Zur Verunstaltungsentschädigung:
Daraus, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen beim Kläger eine angeborene Hirnleistungsschwäche besteht, ergibt sich - entgegen der in der Revision vertretenen
Ansicht - keineswegs, daß der Kläger, der immerhin den Beruf eines Schlossers ausüben konnte, vor dem Unfall keine Heiratschancen gehabt hätte. Im Fall einer Verunstaltung hat er daher gemäß § 1326 ABGB Anspruch auf Zuerkennung einer Entschädigung. Nicht zielführend ist auch der Hinweis der Beklagten darauf, daß sich der Zustand des Klägers gebessert habe. Fest steht, daß der rechte Arm nach wie vor gelähmt ist und nur als Hilfs- und Stützarm eingesetzt werden kann. Diese Lähmung stellt eine Verunstaltung im Sinne des § 1326 ABGB dar. Der zuerkannte Betrag von S 20.000 ist auch der Höhe nach angemessen. Überdies sei darauf hingewiesen, daß die beklagten Parteien schon in der Klagebeantowrtung ausdrücklich ausführten, die begehrte Verunstaltungsentschädigung werde dem Grunde nach, nicht aber der Höhe nach bestritten.
Zum Verdienstentgang:
Zutreffend weisen die beklagten Parteien darauf hin, daß im Hinblick auf das Mitverschulden des Klägers hinsichtlich des Verdienstentganges das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers zu beachten ist (zur Berechnung vgl. etwa die in MGA-ABGB33 zu § 1304 Nr. 267 abgedruckten Entscheidungen). Der festgestellte Sachverhalt reicht nicht aus, um den künftigen Verdienstentgang unter Bedachtnahme auf das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers zu ermitteln. Das Erstgericht hat das fiktive Einkommen und die vom Kläger bezogene Rente nämlich nur bis 31. März 1986 festgestellt und gelangte zu dem Ergebnis, daß die begehrte monatliche Rente von S 4.500 ohnedies unter dem errechneten Verdienstentgang liege. Da sich der Anspruch auf Verdienstentgang wegen des Mitverschuldens und des Quotenvorrechtes des Sozialversicherungsträgers vermindern wird, kann eine Entscheidung über das Verdienstentgangsbegehren erst erfolgen, wenn detaillierte Feststellungen über die Höhe des fiktiven Einkommens und der Invaliditätspension bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vorliegen.
Zur Verjährung:
Die Ansicht des Erstbeklagten, die gegen ihn erhobenen Ansprüche seien verjährt, kann nicht geteilt werden. Gemäß § 1502 ABGB kann der Verjährung im voraus zwar nicht entsagt werden, doch kann nach ständiger Rechtsprechung und Lehre einer trotz Verjährungsverzichtes erhobene Verjährungseinrede Arglist entgegengehalten werden (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1501 mwN). Zu prüfen ist daher, ob der von der zweitbeklagten Partei abgegebene Verjährungsverzicht auch den Erstbeklagten bindet. Dazu hat schon das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß der Erstbeklagte gemäß Art. 9 Abs 1 AKHB an die vom Haftpflichtversicherer im Rahmen der Regulierungsmacht abgegebenen Erklärungen gebunden ist. Die zweitbeklagte Partei hat in ihren mit dem Klagevertreter geführten Verhandlungen und im "Verjährungsverzicht" nicht darauf hingewiesen, daß sie nur im eigenen Namen auftritt. Der Vertreter des Klägers konnte daher davon ausgegen, daß die zweitbeklagte Partei in Sinne des Art. 9 Abs 1 AKHB auch im Namen des Erstbeklagten Erklärungen abgibt und sie sich nicht auf eine Leistungsfreiheit beruft (die in der Revision ins Treffen geführte Leistungsfreiheit wegen Fahrerflucht würde überdies nur einen Teilbetrag von S 100.000 betreffen). Da sich auch der Erstbeklagte im Verfahren erster Instanz nicht darauf berufen hat, die zweitbeklagte Partei wäre wegen Leistungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs 1 AKHB nicht berechtigt gewesen, für ihn Erklärungen abzugeben, gelangten die Vorinstanzen zutreffend zu dem Ergebnis, die Forderungen seien auch gegenüber dem Erstbeklagten nicht verjährt.
Auf die Frage, ob die zweitbeklagte Partei berechtigt war, auch für zukünftige Ansprüche, die die Versicherungssumme übersteigen, als Bevollmächtigte des Erstbeklagten auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, braucht nicht eingegangen zu werden. Die beklagten Parteien haben nämlich das Urteil in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren, soweit es zwei Drittel nicht übersteigt (ebenso wie hinsichtlich von zwei Dritteln des Leistungsbegehrens, soweit die Ansprüche nicht der Höhe nach bestritten werden) ausdrücklich unbekämpft gelassen, somit auch den Ausspruch, daß der Erstbeklagte für zwei Drittel der künftigen Unfallsfolgen haftet, ohne daß diese Haftung mit der Versicherungssumme beschränkt worden wäre. Eine Zurückstellung zur Verbesserung des Revisionsantrages kam nicht in Frage, weil auf Grund des eindeutigen Reivsionsantrages bereits Teilrechtskraft eingetreten ist (§ 84 Abs 3 ZPO).
Daß der Ausspruch über das Feststellungsbegehren, soweit es über zwei Drittel nicht hinausgeht, hinsichtlich beider Beklagter nicht bekämpft wurde, ergibt sich auch eindeutig aus der in der Revision enthaltenen detaillierten Berechnung des Revisionsstreitwertes. Das Mitverschulden des Klägers führt zu einer Abänderung hinsichtlich des Feststellungsbegehrens, die mit Teilurteil zu erfolgen hatte. Bezüglich des Leistungsbegehrens waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben. Das Erstgericht wird nach Ergänzung des Verfahrens hinsichtlich des Verdienstentganges über den noch offenen Teil des Leistungsbegehrens unter Bedachtnahme auf das Mitverschulden des Klägers von einem Drittel und das Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers neuerlich zu entscheiden haben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E20593European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00004.9.0228.000Dokumentnummer
JJT_19900228_OGH0002_0020OB00004_9000000_000