TE OGH 1990/2/28 9ObA48/90 (9ObA49/90, 9ObA50/90, 9ObA51/90, 9ObA52/90, 9ObA53/90)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Ernst Oder und Peter Pulkrab als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1) Haydar P***, Hilfsarbeiter, Linz, Baumbachstraße 5, 2) Hayrettin A***, Hilfsarbeiter, Linz, Hofgasse 18, 3) Hakki G***, Hilfsarbeiter, Linz, Wienerstraße 246, 4) Nuri D***,

Hilfsarbeiter, Linz,

Dinghoferstraße 28, 5) Cavit A***, Hilfsarbeiter, Linz, Wurmstraße 15a, 6) Mehmet C***, Hilfsarbeiter, Linz, Baumbachstraße 25, sämtliche vertreten durch Dr.Helga K***, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Linz, Volksgartenstraße 40, diese vertreten durch Dr.Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei S*** Gastronomie- und Personalbereitstellung Gesellschaft mbH, Schlägl, Natschlag 39, vertreten durch den Kurator Dr.Ludwig Pramer, Rechtsanwalt in Linz, wegen 1) S 35.251,12 brutto sA (im Revisionsverfahren S 5.146,47 sA), 2) S 30.901,70 brutto sA (im Revisionsverfahren S 3.022,75 sA), 3) S 36.821,76 brutto sA (im Revisionsverfahren S 5.334,27 sA), 4) S 27.881,23 brutto sA (im Revisionsverfahren S 2.133,69 sA), 5) S 30.901,70 brutto sA (im Revisionsverfahren S 3.022,75 sA), 6) S 3.465,23 brutto sA (im Revisionsverfahren S 410,34 sA), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.November 1989, GZ 12 Ra 130-135/89-28, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 5.Juli 1989, GZ 13 Cga 10/89-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Die Bestimmung der Kosten des für die beklagte Partei bestellten Kurators wird dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erst- bis Fünftkläger waren bis Juli 1987 mit einem monatlichen Nettolohn zwischen S 9.000 und S 10.000 bei der D*** als Schiffsreiniger beschäftigt. Auch nach ihrer Kündigung durch die D*** arbeiteten sie im Wege der Personalbereitstellung unter Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse bis zur Beklagten weiterhin als Schiffsreiniger. Für die Kläger war es ohne Belang, für wen sie arbeiteten; wichtig war ihnen nur, daß sie ihre Arbeit als Schiffsreiniger weiterverrichten können und daß sie etwa gleich viel verdienen wie bei der D***

Der für das Personalbereitstellungsunternehmen H*** auftretende Gerd S*** erklärte den Erst- bis Fünftklägern, daß er monatlich nur S 9.000 zahlen könne. Die Erst- bis Fünftkläger waren einverstanden und vereinbarten mit S*** einen monatlichen Pauschallohn zur Abgeltung für 40 Arbeitsstunden von S 9.000 netto sowie ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld ebenfalls im Betrag von S 9.000 netto. Aus welchen Lohnbestandteilen sich dieser Nettobetrag zusammensetzt, wurde nicht erörtert; auch eine Auslöse wurde nicht vereinbart. Dieses Nettoentgelt wurde den Klägern monatlich ausgezahlt. Im September 1988 vereinbarten die Erst- bis Fünftkläger mit der Beklagten eine Lohnerhöhung auf den Betrag von S 9.500 netto pro Monat. Auch der Sechstkläger, der am 7.September 1988 bei der Beklagten eintrat, vereinbarte mit dieser einen monatlichen Nettolohn von S 9.500. Zum 30.September 1988 wurden die Kläger gekündigt.

Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger ua jeweils eine im Revisionsverfahren noch allein gegenständliche, der Höhe nach unbestrittene Differenz zur Urlaubsentschädigung. Der Arbeitgeber sei auch bei einer Nettolohnvereinbarung nicht berechtigt, die Urlaubsentschädigung nur auf der Basis der Nettoentlohnung zu ermitteln, sondern sei verpflichtet, den dabei zu beachtenden Steuervorteil an die Arbeitnehmer weiterzugeben.

Die Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Die Kläger hätten ihre Abrechnungen erhalten und unbeanstandet angenommen.

Das Erstgericht wies die auf die Differenz zur Urlaubsentschädigung gerichteten Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß Arbeitnehmer bei einer Nettolohnvereinbarung keinen Anspruch auf die Weitergabe von Steuervorteilen hätten. Die Urlaubsentschädigung und Urlaubsabfindung seien schon ihrer Natur nach als das für den Urlaub gebührende Entgelt gleich wie das laufende Nettoentgelt zu behandeln.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision hinsichtlich aller Kläger zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß die Parteien eine "echte Nettolohnvereinbarung" geschlossen hätten, nach der der Lohn "brutto für netto" zustehe und der Arbeitgeber die sonst vom Arbeitnehmer zu tragenden Abgaben zur Zahlung übernommen habe. Anhaltspunkte dafür, daß ein noch nicht konkret feststellbarer Bruttobezug vereinbart worden wäre (unechte Nettolohnvereinbarung), seien nicht hervorgekommen. Da das Urlaubsentgelt das für den Urlaub gebührende - gleich wie das laufende - Entgelt sei, sei es gleichfalls von den vereinbarten Nettobeträgen zu ermitteln.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Kläger mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der gestellten Begehren abzuändern.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da es zur Frage der Ermittlung der Urlaubsentschädigung beim Vorliegen einer Nettolohnvereinbarung noch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gibt; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Entgelthöhe richtet sich im Arbeitsverhältnis primär nach der Vereinbarung, subsidiär nach der Angemessenheit (§ 1152 ABGB) oder dem Ortsgebrauch und der Angemessenheit (§ 6 Abs 1 AngG). Verstößt die Einzelvereinbarung gegen eine Norm kollektiver Rechtsgestaltung, ist sie insoweit nichtig (teilnichtig). An die Stelle der nichtigen Lohnabrede tritt der Lohnsatz der kollektiven Rechtsquelle (Schwarz-Löschnig, Arbeitsrecht4 269 f; Arb 9.171 ua). Kollektivvertragswidrigkeit der Lohnvereinbarung wurde im vorliegenden Fall ebensowenig behauptet wie Unangemessenheit, so daß sich die Prüfung der Rechtslage auf die Zulässigkeit der festgestellten Vereinbarung zu beschränken hat.

Richtig ist, daß sich der Lohnanspruch des Arbeitnehmers auf einen Bruttobetrag richtet (vgl Mayer-Maly/ Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 124 mwH) und der Arbeitgeber grundsätzlich eine Bruttovergütung schuldet. Es steht jedoch den Parteien des Arbeitsvertrages frei, zu vereinbaren, daß die vom Arbeitgeber geschuldete Vergütung netto geschuldet werden soll. Eine solche Vereinbarung, durch die der Arbeitgeber die sonst vom Arbeitnehmer zu tragenden Abgaben übernimmt, ist zulässig und rechtswirksam (vgl Mayer-Maly/Marhold aaO; Dungl, Handbuch des Österreichischen Arbeitsrechts5, 105; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 187; Arb 10.213; WBl 1988, 124 ua). Arbeitsrechtlich ist zwischen der abgeleiteten (unechten) Nettolohnvereinbarung, bei der zunächst der Bruttobetrag ermittelt wird, und der originären (echten) Nettolohnvereinbarung, bei welcher sich die Parteien überhaupt nicht im klaren darüber sind, welcher Bruttobetrag dem Nettolohn zuzuordnen ist, zu unterscheiden (vgl Schaub, Arbeitsrechtshandbuch6, § 71, V; 390 ff). Letzteres ist hier der Fall, da zwischen den Parteien gar nicht erörtert wurde, aus welchen Lohnbestandteilen sich der Nettobetrag zusammensetzt. Daß die Beklagte in ihre Lohnzettel fiktive Auslösen aufgenommen hat, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Liegt aber eine originäre Nettolohnvereinbarung vor, sind Lohnzuschläge, Urlaubsabgeltungen, Lohnerhöhungen usw vom Nettolohn zu berechnen (Schaub aaO, 392). Hier wird innerhalb der aufgezeigten Schranken der Nettolohn als konstante Größe geschuldet. Mit ihrem Einwand, auch hinter dem Nettolohn stehe das geschuldete Bruttoentgelt, verkennen die Revisionswerber das Wesen der originären Nettolohnvereinbarung. Ihre Erwägungen könnten allenfalls auf eine - hier nicht vorliegende - abgeleitete Nettolohnvereinbarung zutreffen, bei der die Bruttolohnvergütung Vertragsgrundlage geblieben ist. Auch aus den Bestimmungen des Urlaubsgesetzes ist für die Kläger nichts zu gewinnen. Gemäß § 9 UrlG gebührt dem Arbeitnehmer eine Urlaubsentschädigung in der Höhe des noch ausstehenden Urlaubsentgeltes. Dieses ist gemäß § 6 Abs 3 UrlG jenes Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn der Urlaub nicht angetreten worden wäre; hier sohin der vereinbarte Nettolohn.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 bzw § 10 ZPO begründet. Über die Kosten des obsiegenden Kurators hat das Prozeßgericht erster Instanz zu entscheiden, da der Kurator selbst und die Kläger zueinander nicht im unmittelbaren Parteienverhältnis des Zivilprozesses stehen (vgl Fasching, Kommentar ZPO 170 ff, 174; derselbe Lehrbuch2 Rz 354).

Anmerkung

E20432

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00048.9.0228.000

Dokumentnummer

JJT_19900228_OGH0002_009OBA00048_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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