TE OGH 1990/3/8 7Ob6/90

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Veröffentlicht am 08.03.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard C***, Tapezierermeister i.R., Klagenfurt, Karfreitstraße 18, vertreten durch Dr.Georg Pertl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei E*** A*** Versicherungs-AG, Wien 1, Brandstätte 7-9, vertreten durch Dr.Dieter Sima, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 355.418,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 7. November 1989, GZ 5 R 169/89-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 9.Mai 1989, GZ 16 Cg 135/86-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.983,40 (darin S 2.163,90 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war am 25.Jänner 1986 Halter eines PKWs Volvo 760 Turbo Diesel, der in Mailand gestohlen wurde. Die bei der beklagten Partei bestandene Kaskoversicherung schloß unter anderem das Diebstahlsrisiko ein. Dem Versicherungsverhältnis lagen die AKIB zugrunde. Die beklagte Partei lehnte Deckung wegen Obliegenheitsverletzung im Sinne des Art. 6 Abs 2 Z 2 AKIB ab. Nach Art. 6 Abs 2 Z 2 AKIB wird als Obliegenheit, deren Verletzung nach Eintritt des Versicherungsfalls nach Maßgabe des § 6 Abs 3 VersVG die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt, bestimmt: nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen.

Der Kläger begehrt die Zahlung von S 355.418,-- s.A. Er habe den Diebstahl sogleich bei der Polizeistation in Italien und nach seiner Rückkehr bei der beklagten Partei gemeldet. Die beklagte Partei habe lediglich das Geständnis eines vorgetäuschten Diebstahls und seiner Beteiligung daran erlangen wollen und ihn wie einen Betrüger behandelt, statt konkrete Fragen an ihn zu stellen. Sie habe auch Aktenvermerke einseitig und ohne Objektivität formuliert. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Der Kläger habe trotz eines geringen Einkommens aus Vermietung und einer Pension als Tapezierer i.R. von S 15.000,-- sowie Sorgepflichten für zwei Kinder einen aufwendigen Lebensstil gepflogen. Über sein Vermögen sei vor wenigen Jahren der Konkurs eröffnet und dieser mit Zwangsausgleich abgeschlossen worden. Für einen angeblich am 10. Oktober 1984 in Klagenfurt gestohlenen PKW Mercedes 190 E habe die Kaskoversicherung der Wiener Städtischen Wechselseitigen Versicherungsanstalt dem Kläger eine Entschädigungsleistung von mehr als S 300.000,-- erbracht. Die beklagte Partei habe vom Kläger Aufklärungen begehrt, die dieser nicht zufriedenstellend habe erbringen können. Er habe keine Auskunft über die Art der Geschäfte gegeben, deretwegen er die Reise nach Italien unternommen habe, habe Angaben über Name und Anschrift des Geschäftsfreundes verweigert und mehrmals verneint, in Mailand in Begleitung einer anderen Person gewesen zu sein, obwohl er sich in Gesellschaft eines Oswaldo Z*** befunden habe, der zu dem Aufenthalt und den Vorkommnissen in Mailand hätte befragt werden können. Der Kläger habe noch weitere widerspruchsvolle Angaben gemacht, so über einen fehlenden Originalschlüssel und darüber, wann er von seiner Gattin mit deren PKW aus Mailand abgeholt worden sei.

Das Erstgericht wies die Klage ab und traf folgende Feststellungen:

Der Kläger trat am 24.Jänner 1986 um 6 Uhr mit seinem PKW eine Reise nach Como an, um mit einem Alessandro DE MAS Gespräche darüber zu führen, ob tiefgefrorenes Briochegebäck als Handelsware nach Klagenfurt importiert werden könne und auch, um dort mit einem Oswaldo Z*** zusammenzutreffen. Das Zusammentreffen in Como, wo der Kläger um die Mittagszeit eintraf, kam mit beiden Personen zustande. Nach dem Besuch eines Fußballspieles suchten der Kläger und Oswaldo Z***, der zuvor auch noch andere geschäftliche Besprechungen erledigt hatte, eine Pizzeria auf, in der sie sich in einer Gesellschaft mehrerer weiterer Personen befanden. Da in jenem Hotel, in dem der Kläger und Oswaldo Z*** in Como übernachten wollten, kein Zimmer frei war, beschlossen sie um 23 Uhr, nach Mailand zu fahren, um dort einen unterhaltsamen Abend zu verbringen und zu übernachten. Sie fuhren, ein jeder in seinem eigenen PKW, auch tatsächlich nach Mailand und kamen um 24 Uhr an. Der Kläger stellte seinen PKW zunächst in der Nähe des Bahnhofs ab und besuchte gemeinsam mit Oswaldo Z*** eine Bar, in der sie sich bis 1.30 Uhr (des 25.Jänner 1986) aufhielten. Anschließend holten sie den PKW des Klägers wieder ab und fuhren gemeinsam in das Hotel Berna, in dem sie Einzelzimmer bezogen. Der Kläger stellte seinen PKW auf der Hauptstraße (Via Torriani) wenige Meter vom Hoteleingang entfernt ab, Oswaldo Z*** parkte sein Fahrzeug in einer Seitengasse.

Um 9 Uhr morgens (des 25.Jänner 1986) stellte der Kläger fest, daß sich sein Fahrzeug nicht mehr vor dem Hotel befand und verständigte hievon den Hotelportier und Oswaldo Z***. Ein Anruf bei der Hauptverwaltung der Straßenreinigung ergab, daß der Wagen des Klägers nicht abgeschleppt worden war. Der Kläger fuhr daraufhin gemeinsam mit Oswaldo Z*** mit einem Taxi zur Questura di Milano und erstattete dort eine Diebstahlsanzeige. Oswaldo Z*** bat den Kläger, ihn aus der Diebstahlssache herauszuhalten, weil er sich kurz zuvor (am 17.Juli 1985) mit einem Peter N*** in Mailand befunden hatte, als diesem ein PKW Mercedes gestohlen worden war, und er nicht neuerlich im Zusammenhang mit einem PKW-Diebstahl genannt werden wollte. Nachdem sie ihr Gepäck aus dem Hotel abgeholt hatten, fuhren der Kläger und Oswaldo Z*** neuerlich ins Zentrum der Stadt. Sie suchten ein Kaffeehaus auf, von dem aus der Kläger um 12 Uhr oder 12.30 Uhr seine Frau anrief und sie ersuchte, ihn aus Mailand abzuholen. Als Treffpunkt nannte er ihr eine Autobahnabfahrt, die ihm Oswaldo Z*** zuvor aufgeschrieben hatte. Einen Vorschlag des Oswaldo Z***, ihn am nächsten Tag nach Klagenfurt zurückzubringen, lehnte der Kläger ab. Der Kläger fuhr um etwa 17 Uhr mit einem Taxi zu der vereinbarten Autobahnabfahrt, traf dort zwischen 18 und 19 Uhr seine Frau und fuhr mit ihr unverzüglich nach Klagenfurt zurück.

Am Montag, dem 27.Jänner 1986, begab sich der Kläger zur beklagten Partei, um den Diebstahl seines Fahrzeuges zu melden. Der Schadensreferent Karl S*** übergab dem Kläger ein Formular, das der Kläger in Anwesenheit des Schadensreferenten ausfüllte. Anschließend verfaßte Karl S*** eine kurze Niederschrift, die am 28.Jänner 1986 an die Generaldirektion der beklagten Partei weitergeleitet wurde. Karl S*** trug dem Kläger auf, Kaufvertrag, Typenschein und sämtliche Schlüssel des Fahrzeuges der beklagten Partei zur Verfügung zu stellen und den Diebstahl bei der Polizei in Klagenfurt anzuzeigen. Er wies den Kläger auch an, sich zur weiteren Verfügung zu halten, weil noch ein weiteres Gespräch wegen des Diebstahls geführt werden müsse. Der Kläger hat der beklagten Partei die angeforderten Papiere und drei Fahrzeugschlüssel zur Verfügung gestellt.

Am 30.Jänner 1986 kam es zu einem weiteren Gespräch zwischen Karl S*** und dem Kläger in den Räumlichkeiten der beklagten Partei. Der Kläger füllte bei diesem Gespräch in Anwesenheit des Karl S*** ein Kaskodiebstahlsformular aus, das 31 Fragen enthält. Bei der Ausfüllung dieses Formulars hat der Kläger an Karl S*** Zwischenfragen gestellt. Karl S*** sagte zum Kläger, daß er die Angabe sehr genau zu machen und auch ins Detail zu gehen habe, weil davon die Leistung der beklagten Partei abhänge. Er sagte zum Kläger auch, daß seine Angaben laut Formular überprüft würden und daß der Kläger noch einmal zu einem Gespräch erscheinen müsse. Die Frage Nr. 15, ob zum Zeitpunkt des Schadensereignisses jemand in seiner Begleitung gewesen sei, beantwortete der Kläger mit "niemand". Die Frage Nr. 16, welche Personen der Kläger am Schadensort vom Schaden in Kenntnis gesetzt habe, beantwortete der Kläger mit "Portier des Hotels Berna".

Am 31.Jänner 1986 gegen 9.15 Uhr erstattete der Kläger eine Diebstahlsanzeige bei der Polizeidirektion in Klagenfurt. Im Anschluß daran begab er sich zur beklagten Partei und hatte dort um

11.30 Uhr ein Gespräch mit dem Gruppenleiter der beklagten Partei, Adolf D***, bei dem auch Karl S*** anwesend war. Adolf D*** klärte den Kläger auf, daß es Pflicht der beklagten Partei sei, den Sachverhalt aufzuklären und dem Kläger Fragen zu stellen. Der Kläger wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken habe, daß er vertraglich dazu verpflichtet sei und andernfalls eine Obliegenheitsverletzung begehe. Der Kläger war ungehalten und sagte, er habe sich erkundigt, wie er sich zu verhalten habe. Danach seien weitere Fragen an ihn überflüssig, die beklagte Partei habe den Diebstahl zur Kenntnis zu nehmen und zu zahlen; weitere Details gingen die beklagte Partei nichts an. Nach der Belehrung durch Adolf D*** beruhigte sich jedoch der Kläger und beantwortete die an ihn gestellten Fragen. Die Frage, ob er eine Begleitperson bei sich gehabt habe, als er von Como nach Mailand gefahren sei und dort übernachtet habe, beantwortete der Kläger damit, daß er auf der Fahrt von Como nach Mailand allein gewesen sei, allein im Hotel Berna übernachtet und auch allein nach Feststellung des Diebstahls die Anzeige erstattet habe. Auf die Frage nach dem Zweck seiner Fahrt antwortete der Kläger zunächst, dies gehe die beklagte Partei nichts an. Nach einer weiteren Belehrung erklärte der Kläger, er sei "dienstlich" unterwegs gewesen. Er nannte dabei den Namen DE MAS und erwähnte, daß es sich hiebei um einen Sägewerksinhaber handle. Er erwähnte nichts davon, daß er wegen des Imports von Gebäck die Reise angetreten habe. Einen genaueren Zweck seiner Reise wollte der Kläger nicht angeben. Er erblickte in dieser Fragestellung eine Einmengung in seine Privatsphäre. Adolf D*** belehrte den Kläger, daß er verpflichtet sei, auch Angaben über seine Privatsphäre zu machen, wenn dies der Aufklärung des Sachverhalts diene. Den Zweck der Reise von Como nach Mailand begründete der Kläger damit, daß die Hotels in Como sehr teuer seien. Der Kläger gab an, er habe seine Gattin telefonisch gebeten, ihn abzuholen, was um ca. 12 Uhr gewesen sei. Nach Vorhalt des Adolf D***, daß dies aus zeitlichen Gründen nicht möglich sei, verbesserte der Kläger seine Angabe dahin, daß er um 17 Uhr abgeholt worden sei. Die Fragen, mit welcher Type von PKW er von seiner Gattin abgeholt worden und wo er mit ihr zusammengetroffen sei, beantwortete der Kläger nicht. Das Gespräch dauerte etwa eine halbe Stunde. Als sich der Kläger entfernte, wurde ihm gesagt, daß die beklagte Partei noch weitere Informationen einholen müsse.

Karl S*** übergab dem Kläger aus Anlaß seiner Befragung am 31.Jänner 1986 ein Exemplar der AKIB.

In der Folge wurde der Detektiv Lothar Q*** von der beklagten Partei beauftragt, Ermittlungen in der Diebstahlsangelegenheit durchzuführen. Im Hotel Berna erhielt Q*** die Auskunft, daß der Kläger in Begleitung des Oswaldo Z*** war, als er am 25.Jänner 1986 in diesem Hotel abstieg. Aus einer Kartei stellte Lothar Q*** fest, daß Oswaldo Z*** im Zusammenhang mit dem Diebstahl eines PKW Mercedes zum Nachteil des Rechtsanwaltes Dr.Walter M***, mit dessen Stiefsohn Peter N*** Oswald Z*** in Mailand gewesen war, stand. Lothar Q*** verständigte hievon die beklagte Partei.

Am 26.Februar 1986 kam es in Klagenfurt zu einem Gespräch zwischen Lothar Q*** und dem Beklagten in Anwesenheit des Schadensreferenten Karl S***. Lothar Q*** wies den Kläger auf die Wahrheitspflicht hin und darauf, daß er als Versicherungsnehmer im Schadensfall seiner Gesellschaft Auskunft zu geben und so weit wie möglich zur Wiederbeschaffung des gestohlenen Fahrzeuges beizutragen habe. Der Kläger gab an, seine bereits gemachten Angaben seien richtig. Nach dem Zweck seiner Reise befragt, erwiderte der Kläger, dieser habe mit dem Diebstahl nichts zu tun. Er sei beim Sägewerk DE MAS gewesen, um Brioches zu kaufen.

Er sagte: "Schreiben Sie, was Sie wollen, von mir aus auch, daß ich Brioches gekauft habe." Zur Frage, warum er von Como nach Mailand gefahren sei, gab der Kläger an, die Hotels in Como seien ihm zu teuer gewesen. Auf den Hinweis des Lothar Q***, daß er auch in Mailand in einem Hotel übernachtet habe, das pro Nächtigung 106.000 Lire berechnet habe, gab der Kläger an: "Ich kann übernachten, wo ich will, ob in Paris, Mailand oder Como. Es ist auch für den Schaden völlig unbedeutend." Der Kläger fügte hinzu, es ginge die beklagte Partei nichts an, selbst wenn er "mit einem Hasen" unterwegs gewesen sei. Er sei jedenfalls allein von Como nach Mailand gefahren und auch im Hotel in Mailand allein gewesen. Vom Diebstahl habe er zunächst nur den Portier des Hotels und irgendeinen Geschäftsmann informiert. Er sei mit dem Taxi zur Polizei gefahren und habe dort allein die Diebstahlsanzeige erstattet. Auf die Frage, wo er sich mit seiner Frau in Mailand habe treffen wollen, gab der Kläger zunächst an, es sei eine Bar als Treffpunkt vereinbart worden, und über Aufforderung, den Treffpunkt näher zu beschreiben, dies gehe Q*** nichts an. Auf nochmaliges Befragen erklärte der Kläger schließlich, er habe mit seiner Frau als Treffpunkt eine Mautstelle an der Autobahn vereinbart. Bei dem Fahrzeug seiner Frau handle es sich um einen "Renault". Die Hotelrechnung habe er mit einer Euro-Card bezahlt; er nannte dann aber auch eine "American Express" und meinte schließlich, als er gebeten wurde, einen Beleg hierüber vorzulegen: "Dann schreiben Sie halt in bar oder was Sie sonst wollen". Nach den Fahrzeugschlüsseln befragt, gab der Kläger an, es müßten noch drei Schlüssel vorhanden sein, ein weiterer Schlüssel habe sich beim Fahrzeug befunden. Auf die Aufforderung, dies näher zu definieren, meinte der Kläger zunächst, dies gehe die beklagte Partei nichts an, sagte aber schließlich, der Schlüssel "picke am Fahrzeug".

Nach Auskunft des Verkäufers werden PKWs der Marke "Volvo" serienmäßig mit nur drei Schlüsseln geliefert.

Als der Kläger von Lothar Q*** befragt wurde, wieso er bei der Anzeigenerstattung in Mailand die Polizzennummer habe angeben können, gab er an, er kenne diese auswendig. Nach Vorhalt, daß dies ungewöhnlich sei, behauptete er, er habe die grüne Versicherungskarte mitgehabt und dort nachgesehen. Er versicherte immer wieder, er sei allein nach Mailand gefahren, habe ohne Begleitung im Hotel übernachtet und auch allein die Diebstahlsanzeige erstattet. Als der Kläger darauf hingewiesen wurde, es gäbe gegebenenfalls Zeugen, die seine Aussage widerlegen könnten, meinte er, diese könnten bestenfalls bestochen sein und gab zu verstehen, daß auch er dazu in der Lage wäre.

Am 5.Mai 1986 wurde der Kläger in der Polizeidirektion Klagenfurt vernommen. Er gab an, er habe in Como hauptsächlich nur mit Alessandro DE MAS wegen eines möglichen Imports von tiefgekühltem Gebäck gesprochen. Spätabends sei er mit seinem PKW nach Mailand gefahren, wobei ein Bekannter, Oswaldo Z***, der aus der Schweiz angereist sei, mit seinem PKW ebenfalls mit nach Mailand gefahren sei. Oswaldo Z*** habe ebenfalls wie er seinen PKW auf der Straße vor dem Hotel abgestellt. Nach der Feststellung des Diebstahls sei der Kläger gemeinsam mit Oswaldo Z*** mit einem Taxi zur Polizei gefahren. Um die Mittagszeit habe der Kläger seine Gattin angerufen, die um 18 oder 19 Uhr in Mailand bei einer Autobahnabfahrt erschienen sei.

Der zuletzt genannte Umstand wurde von der Gattin des Klägers bei ihrer Einvernahme bestätigt.

Bestätigt wurden die Angaben des Klägers bei seiner Einvernahme in der Polizeidirektion Klagenfurt auch von Oswaldo Z***, der von der Polizei am 9.Mai 1986 befragt wurde. Oswaldo Z*** gab auch an, er habe den Kläger ersucht, seinen Namen im Zusammenhang mit dem PKW-Diebstahl nicht zu erwähnen, weil sein Name im Zusammenhang mit dem PKW-Diebstahl zum Nachteil des Rechtsanwaltes Dr.M*** genannt worden sei.

Am 10.Oktober 1984 wurde in Klagenfurt ein PKW des Klägers, Marke Mercedes Benz 190 E, gestohlen und nicht wiedergefunden. Das Fahrzeug war bei der Wiener Städtischen Wechselseitigen Versicherungsanstalt teilkaskoversichert, der Kläger erhielt eine Entschädigungsleistung von S 308.950,--. Die Schadensregulierung mit dem Kläger hatte sich "problematisch gestaltet".

Über das Vermögen des Klägers war am 23.Mai 1977 ein Konkursverfahren eröffnet worden. Am 20.September 1977 wurde in diesem Verfahren ein Zwangsausgleich abgeschlossen, der mit Beschluß vom 12.Oktober 1977 bestätigt wurde. Der Kläger hat den Zwangsausgleich erfüllt.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die beklagte Partei sei leistungsfrei, weil der Kläger ihr bewußt verschwiegen habe, daß er am 24.Jänner 1986 gegen 17 Uhr Oswaldo Z*** getroffen habe, mit diesem in Como beisammengewesen und nach Mailand gefahren sei und sich erst am 25.Jänner 1986 gegen

12.30 Uhr von ihm getrennt habe. Oswaldo Z*** zu befragen, wäre für die Aufklärung des Schadensfalls wichtig und zumindest abstrakt zur Aufklärung des Schadensereignisses geeignet gewesen. Überdies habe der Kläger absichtlich konkrete Fragen über den Zweck seiner Reise, den Grund der Fahrt von Como nach Mailand, nach der Art der Bezahlung der Hotelrechnung, nach dem Zeitpunkt seiner Rückreise nach Österreich, nach dem Ort, an dem der PKW abgestellt worden sei, nach dem Verbleib eines weiteren Autoschlüssels sowie nach dem gesamten Verlauf der Reise unvollständig, tatsachenwidrig und widerspruchsvoll beantwortet. Er habe damit vorsätzlich den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung gesetzt, so daß die beklagte Partei, selbst wenn dies keinen Einfluß auf die Feststellung und den Umfang der Versicherungsleistung gehabt hätte, bedingungslos leistungsfrei sei. Da der Kläger absichtlich konkrete Fragen der beklagten Partei nich habe beantworten wollen, habe er auch einen ihm möglichen Entlastungsbeweis nicht erbracht. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und teilte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Abs 1 Z 2 ZPO idF vor der erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach Art. 6 Abs 2 Z 2 AKIB hatte der Kläger nach Eintritt des Versicherungsfalles mit der Sanktion der Leistungsfreiheit des Versicherers nach Maßgabe des § 6 Abs 3 VersVG die Obliegenheit zu erfüllen, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen. Sinn der Aufklärungspflicht ist es, den Versicherer in die Lage zu versetzen, sachgemäße Entscheidungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen (ZVR 1984/190). Der Versicherer soll die Möglichkeit haben, die Angaben des Versicherungsnehmers zu überprüfen; er soll besonders vor betrügerischen Machenschaften geschützt werden (SZ 59/148). Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachzuweisen. Sache des Versicherungsnehmers ist es, zu behaupten und zu beweisen, daß er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich, noch grob fahrlässig begangen habe (SZ 46/106). Die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, zur Feststellung des Sachverhalts nach Möglichkeit beizutragen, besteht selbst dann, wenn sie seinen eigenen Interessen widerstreitet. Es kommt nur darauf an, daß die begehrte Auskunft abstrakt zur Aufklärung des Schadensereignisses geeignet ist. Die geforderte Aufklärung darf nicht von vornherein zweckwidrig sein (ZVR 1975/102; ZVR 1979/55, ZVR 1985/34). Die Annahme von Vorsatz setzt voraus, daß das die Obliegenheitsverletzung begründende Verhalten bewußt und gewollt war. Für die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung nach Art. 6 Abs 2 Z 2 AKIB genügt das allgemeine Bewußtsein des Versicherungsnehmers, daß er bei der Aufklärung des Sachverhalts nach besten Kräften aktiv mitwirken muß. Dieses Bewußtsein ist mangels besonderer Entschuldigungsumstände bei einem Versicherungsnehmer in der Regel bis zum Beweis des Gegenteils vorauszusetzen (SZ 60/139). Nur der Nachweis des Vorliegens ganz besonderer, den Vorsatz im Einzelfall ausschließender Gründe könnte dem Versicherungsnehmer zugutekommen (ZVR 1977, 301).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger durch mehrere Angaben die ihn treffende Aufklärungspflicht verletzt, obwohl er vom Gruppenleiter und vom Schadensreferenten der beklagten Partei mehrfach auf diese Verpflichtung hingewiesen wurde. Der Kläger hat insbesondere ungeachtet dahinzielender Fragen verschwiegen, daß er sich in Mailand nicht allein, sondern in Begleitung des Oswaldo Z*** befunden hat. Er war aber auch bestrebt, die beklagte Versicherungsgesellschaft im Unklaren über den Zweck seiner Fahrt nach Como und ebenso der Weiterfahrt nach Mailand zu lassen und vermochte auch die Umstände über einen am PKW angebrachten Autoschlüssel und jene seiner Abholung durch seine Gattin keineswegs in befriedigender Weise offenzulegen. Daß er vorsätzlich Angaben darüber unterlassen habe, daß er sich in Mailand in Gesellschaft des Oswaldo Z*** befunden habe, hat der Kläger ausdrücklich zugestanden. Es ist aber auch nicht zweifelhaft, daß die Nachforschungen der beklagten Partei in gleicher Weise durch die anderen Angaben des Klägers absichtlich erschwert oder sogar verhindert werden sollten. Der Nachweis des Vorliegens ganz besonderer, den Vorsatz im Einzelfall ausschließender Gründe ist dem Kläger insoweit keinesfalls gelungen.

Daß die vom Kläger geforderte Auskunft über die festgehaltenen Umstände abstrakt zur Aufklärung des Schadensereignisses geeignet gewesen wäre und keineswegs von vornherein zweckwidrig war, ist keine Frage. Der Kläger hat etwas Gegenteiliges auch gar nicht geltend gemacht.

Es ist daher davon auszugehen, daß der Kläger seine Aufklärungspflicht vorsätzlich verletzt hat.

Die vorsätzliche Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Versicherungsnehmer aber befreit den Kaskoversicherer von seiner Leistungspflicht selbst dann, wenn die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluß auf die Feststellung oder den Umfang der von ihr zu erbringenden Leistung gehabt hat (§ 6 Abs 3 VersVG; SZ 50/39; SZ 59/148). Bei Feststellung einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung tritt bedingungslos Leistungsfreiheit des Versicherers ein, ohne daß es einer Prüfung der Kausalität der Obliegenheitsverletzung für das Bestehen und das Maß der Leistungspflicht des Versicherers bedürfte (ZVR 1977, 301; SZ 60/139).

Für die Annahme, das Verhalten des Versicherers sei sitten- und vertragswidrig gewesen, weil die beklagte Partei es geradezu darauf abgestellt habe, den Kläger "unglaubwürdig zu machen und ihn in eine Obliegenheitsverletzung hineinrennen zu lassen", fehlt in den Feststellungen jeder Anhaltspunkt.

Mit Recht haben daher die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E20392

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00006.9.0308.000

Dokumentnummer

JJT_19900308_OGH0002_0070OB00006_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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