Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Schalich als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann Rudolf W***, Detektiv, Wiener Neudorf, Bahnstraße 11/14, vertreten durch Dr. Walter Papis, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei
S*** DER G*** W***, Wien 5.,
Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Michael Graff und Dr. Christian Kuhn, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 61.000,-) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9. März 1989, GZ 3 R 137/89-9, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 3.November 1987, GZ 25 Cg 70/87-5, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
In Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes wird das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.818,50 bestimmten Verfahrenskosten (einschließlich S 1.355,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 24.7.1985, 5 S 110/85, wurde über das Vermögen des nunmehrigen Klägers der Konkurs eröffnet und der ihn jetzt vertretende Rechtsanwalt zum Masseverwalter bestellt. Im Rahmen dieses Konkursverfahrens wurden von der beklagten Partei für den Gemeinschuldner Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum von der Konkurseröffnung bis zum 31.12.1986 als Masseforderungen geltend gemacht. Bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge für das Jahr 1985 ging die beklagte Partei vom Einkommensteuerbescheid des Jahres 1982 aus, bei jener für das Jahr 1986 vom Einkommensteuerbescheid für 1983. Durch die Anwendung der im GSVG enthaltenen Vorschriften über die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge und unter Berücksichtigung der Mehrfachversicherung in der Pensionsversicherung im Zeitraum von Jänner 1985 bis einschließlich Februar 1986, die dazu führte, daß der Gemeinschuldner gemäß § 4 Abs 2 Z 3 lit a GSVG für diesen Zeitraum von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG ausgenommen war, gelangte die beklagte Partei zu Sozialversicherungsbeiträgen in der Höhe von insgesamt S 51.286,80. Der Gemeinschuldner übte auch nach der Konkurseröffnung weiterhin seine Gewerbeberechtigungen "Privatdetektiv" und "Auskunftei" aus. Nach Abschluß eines Zwangsausgleiches gemäß § 157 Abs 1 KO wurden der Konkurs und alle die freie Verfügung des Gemeinschuldners beschränkenden Maßnahmen aufgehoben. Der Masseverwalter wurde seines Amtes enthoben; er schreitet nunmehr als Klagevertreter ein. Der Kläger beantragte mit der vorliegenden Klage gegenüber der beklagten Partei die Feststellung, daß die von ihr für den Zeitraum seit Konkurseröffnung, das ist der 24.7.1985, bis 23.12.1986, als Masseforderung geltend gemachten sowie die künftigen Sozialversicherungsbeiträge des Gemeinschuldners, die die beklagte Partei geltend machen wird, insoferne keine Masseforderungen darstellen, als die von der beklagten Partei berechneten Sozialversicherungsbeiträge von einer höheren Bemessungsgrundlage als den vom Gemeinschuldner nach Konkurseröffnung tatsächlich erzielten, unter die Versicherungspflicht nach GSVG fallenden Einkünften, bemessen wurden bzw. bemessen werden. Nach seiner, des Klägers, Ansicht seien Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 46 Abs 1 Z 2 KO nur insoweit Masseforderungen, als sie von dem vom Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung tatsächlich erzielten Erwerbseinkommen gebührten. Jede Berücksichtigung eines vor der Konkurseröffnung liegenden Sachverhaltes bei der Berechnung dieser Sozialversicherungsbeiträge beraube sie ihres Charakters als Masseforderung.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Ihrer Ansicht nach sei der die Abgabepflicht auslösende Tatbestand im Sinne des § 46 Abs 1 Z 2 KO die Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit des seinerzeitigen Gemeinschuldners während der Dauer des Konkursverfahrens. Für die Höhe der dafür zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge seien die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen maßgebend. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es hielt die "negative Feststellungsklage" für zulässig und verwies darauf, daß der die Sozialversicherungspflicht erzeugende Sachverhalt auch nach der Konkurseröffnung andauerte, weshalb die danach fälligen Beträge wie bei einem privatrechtlichen Dauerschuldverhältnis Konkursforderungen seien; auf die tatsächliche Höhe des Einkommens im Beitragszeitraum komme es nicht an. Die Bemessungsgrundlage sei in den §§ 25 ff GSVG geregelt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, änderte die erstgerichtliche Entscheidung ab und gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Auffassung, daß für die Behandlung der Beiträge im Konkursverfahren die jeweils geltenden Vorschriften der Konkursordnung maßgebend seien, weshalb nach § 46 Abs 1 Z 2 KO unter anderem Masseforderungen die die Masse treffenden Steuern, Gebühren, Zölle, Beiträge zur Sozialversicherung und andere öffentliche Abgaben seien, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht wird. Welcher Sachverhalt eine Sozialversicherungspflicht nach dem GSVG auslöse, sei diesem Gesetz zu entnehmen; im vorliegenden Falle sei § 6 Abs 1 Z 1 GSVG maßgebend, wonach die Versicherungspflicht während der Dauer einer sie "begründenden Berechtigung" besteht. Unbestritten sei, daß der Gemeinschuldner die Gewerbeberechtigungen "Privatdetektiv" und "Auskunftei" schon vor Konkurseröffnung besaß und auch weiterhin besitzt, daß es sich hiebei um die Versicherungspflicht nach dem GSVG begründende Berechtigungen im Sinne des § 6 Abs 1 Z 1 dieses Gesetzes handelt und daß der Gemeinschuldner diese Berechtigungen auch während des Konkursverfahrens weiter ausübte. Damit stehe grundsätzlich die Verwirklichung eines die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes während des Konkurses im Sinne des § 46 Abs 1 Z 2 KO fest. Da auch vom Gemeinschuldner während des Konkurses erworbenes Vermögen nach § 1 KO zur Konkursmasse gehört, träfen die mit dem Vermögenserwerb verbundenen öffentlichen Abgaben, zu denen auch die Sozialversicherungsbeiträge gehören, die Masse. Sie stellten "insoweit" eine Masseforderung dar (§ 46 Abs 1 Z 2 KO). Dies sei auch grundsätzlich nicht strittig; strittig sei lediglich, ob derartige Abgaben (Sozialversicherungsbeiträge) zur Gänze Masseforderungen sind. Nach § 46 Abs 1 Z 2 KO gehörten zu Masseforderungen "auch die nach persönlichen Verhältnissen des Gemeinschuldners bemessenen öffentlichen Abgaben; soweit jedoch diese Abgaben nach den verwaltungsbehördlichen Feststellungen auf ein anderes als das für die Konkursmasse nach der Konkurseröffnung erzielte Einkommen entfallen, ist dieser Teil auszuscheiden". Es sollten eben die den Gemeinschuldner persönlich treffenden öffentlichen Abgaben (Sozialversicherungsbeiträge) nur insoferne Masseforderungen sein, als sie von einem in die Konkursmasse gehörigen Einkommen erhoben werden. Die Bemessungsgrundlage für die Pflichtversicherungsbeiträge der selbständig Erwerbstätigen seien nach § 25 GSVG die Einkünfte des drittvorangegangenen Kalenderjahres. Ursache für die zeitliche Differenz zwischen Beitragszeitraum und Bemessungszeitraum seien die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens bei selbständig Erwerbstätigen, die nur auf Grund des erst zwei bis drei Jahre nach dem Veranlagungsjahr ergehenden Einkommensteuerbescheides erfolgen kann. Zu rechtfertigen sei dieses Nachhinken der Bemessungsgrundlage nur durch die Annahme, daß sich die zeitbedingten Einkommensunterschiede im Versicherungsverlauf letztlich ausgleichen. Das GSVG sehe bei einer trotz Konkurses fortdauernden Versicherungspflicht eine Anpassung der Beitragsgrundlage an allenfalls veränderte Einkommensverhältnisse nicht vor. Es verweise aber bezüglich der Behandlung der Beiträge auf die Konkursordnung (§ 38 GSVG). Diese unterscheide bezüglich der die Konkursmasse treffenden öffentlichen Abgaben zwischen Konkurs- und Masseforderungen (§§ 46, 50 KO). Die nach den persönlichen Verhältnissen des Gemeinschuldners bemessenen Sozialversicherungsbeiträge stellten dabei nur insoferne eine Masseforderung dar, als sie auf das "für die Konkursmasse nach der Konkurseröffnung erzielte Einkommen entfallen". Nur dieses Einkommen könne somit für den Umfang der Masseforderungen maßgebend sein. Soweit für dieses Einkommen Sozialversicherungsbeiträge auf der Grundlage eines nicht erst nach der Konkurseröffnung der Konkursmasse zugekommenen Einkommens vorgeschrieben werden, handle es sich nicht um eine privilegierte Masse-, sondern eine gewöhnliche Konkursforderung. Das Feststellungsbegehren des Klägers sei daher berechtigt.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die beklagte Partei vertritt die Auffassung, daß Sozialversicherungsbeiträge, die nach der Konkurseröffnung fällig werden, immer Masseforderungen seien; der Rückgriff auf die Einkünfte des drittvorvergangenen Kalenderjahres bei Ermittlung der Beitragsgrundlage sei die Voraussetzung für eine kontinuierliche Beitragseinhebung, weil nur "mittels dieses Hilfsinstrumentes" quartalsweise ein Sozialversicherungsbeitrag festgestellt werden könne. Die Grundsätze über die Bemessung des Beitrages müßten uneingeschränkt Anwendung finden.
Bevor auf diese Fragen eingegangen werden kann, ist das von den Streitteilen übereinstimmend angenommene Beschwerdeinteresse der beklagten Partei zu überprüfen. Feststeht, daß nach Abschluß des Zwangsausgleiches und nach der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz gemäß § 157 Abs 1 KO am 28.3.1989 der Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners aufgehoben wurde. Die Aufhebung darf nur erfolgen, wenn ua für die im § 150 Abs 1 etwa erforderlichen Sicherheitsleistungen vorgesorgt ist. Darunter fallen nach letzter Bestimmung Masseforderungen, die, soweit sie festgestellt sind, zu bezahlen, andernfalls aber - wie im vorliegenden
Fall - sicherzustellen sind (vgl. auch Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht, 645). Den Parteien muß es daher unbenommen bleiben, die Höhe der Masseforderungen endgültig klarzustellen; dies ist aber nunmehr infolge Aufhebung des Konkurses nur noch zwischen dem seinerzeitigen Gemeinschuldner und der beklagten Partei möglich. Die grundsätzliche Berechtigung, bei Meinungsverschiedenheiten die Zugehörigkeit einer Forderung zum Kreis der Masseforderungen einer Klärung mittels Feststellungsklage zuzuführen, ist nach der Judikatur nicht mehr bestritten (vgl. SZ 58/191 ua). Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die Dauer des Konkurses über das Vermögen des Klägers nunmehr feststeht; da aber das Begehren, soweit es auch künftige Sozialversicherungsbeiträge "des Gemeinschuldners" erfaßt, nur solche betreffen kann, die während seines Konkurses zu entrichten sind, bedarf es keiner diesbezüglichen Einschränkung des Begehrens.
In der Sache selbst war zu erwägen: Der Kläger hat auch nach der Konkurseröffnung über sein Vermögen als Gemeinschuldner weiterhin seine Gewerbeberechtigung (Privatdetektiv und Auskunftei) ausgeübt; die während dieser Zeit anfallenden Sozialversicherungsbeiträge sind deshalb Masseforderungen (§ 46 Abs 1 Z 2 KO). Auch wenn der Beitrag des Klägers zur Sozialversicherung gemäß § 25 GSVG nach dem drittvorangegangenen Kalenderjahr zu berechnen ist, so entfällt er doch auf das während des Konkurses erzielte Einkommen und nicht auf jenes, hier vor der Konkurseröffnung erlangte, das doch lediglich als Hilfsgröße für die Beitragsbemessung herangezogen wird. Deshalb, weil das zur Beitragsbemessung als bloße Hilfsgröße heranzuziehende Einkommen vor der Konkurseröffnung erzielt wurde, kann nicht gefolgert werden, daß auch nur ein Teil des so berechneten Beitrages - wie der Kläger und das Berufungsgericht annehmen - "auf ein anderes als das für die Konkursmasse erzielte Einkommen" entfalle und deshalb auszuscheiden sei.
Dies hat das Erstgericht im Ergebnis richtig erkannt und daher das diesen Grundsätzen entgegenstehende Feststellungsbegehren mit Recht abgewiesen; seine Entscheidung war daher in Abänderung des berufungsgerichtlichen Urteiles wiederherzustellen. Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E20109European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00608.89.0309.000Dokumentnummer
JJT_19900309_OGH0002_0080OB00608_8900000_000