Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** B***-A***, Linz, Poschacherstraße 35, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger, Rechtsanwalt in Hallein, wider die beklagte Partei Marianne S***, Gastwirtin, Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 8, vertreten durch Dr. Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Vertragszuhaltung (Streitwert 300.000,-- S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 16. Oktober 1989, GZ 1 R 154/89-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14. Feber 1989, GZ 7 Cg 230/87-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 11.125,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.854,30 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Walter R*** schloß im Oktober 1984 als Pächter des Unternehmens "Tagescafe" in Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 8, mit der Klägerin ein Leistungs- und Lieferungsübereinkommen. Die Vertragspartner verpflichteten sich, dieses Übereinkommen auf die beiderseitigen Rechts- und/ oder Geschäftsnachfolger sowie Rechtsnehmer unter Fortdauer ihrer Haftung nachweislich so zu überbinden, daß dieselben diese Vereinbarung als ihre eigene Verpflichtung anerkennen. Gegen Bezahlung eines Betrages von 54.000 S verpflichtete sich Walter R*** der Klägerin gegenüber für die Dauer von 10 Jahren ab Vertragsabschluß, das von ihm für die Absatzstätte Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 8, benötigte Bier ausschließlich und ununterbrochen von der Klägerin bzw. dem zuständigen Verkaufslager, Verkaufsdepot oder einer ihm namhaft gemachten anderen Firma zu beziehen bzw. beziehen zu lassen und somit jeden Bezug, Ausschank oder Verkauf eines anderen in- oder ausländischen Bieres zu unterlassen. Als jährliche Mindestbezugsmenge wurden 50 hl Bier vereinbart. Für den Fall, daß der Vertragspartner der Klägerin wesentliche Bestimmungen dieses Übereinkommens nicht einhält, ist die Klägerin berechtigt, die Zuhaltung des Übereinkommens zu begehren.
Die Klägerin begehrte die Verurteilung der Beklagten, das an der Absatzstätte "Tagescafe" in Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 8 benötigte Bier ausschließlich von der Klägerin zu beziehen und jeden Bezug, Ausschank oder Verkauf eines anderen inländischen Bieres zu unterlassen. Walter R*** habe seine Rechte und Pflichten aus dem Leistungs- und Lieferungsübereinkommen vom Oktober 1984 mit Vereinbarung vom 18. Jänner 1985 auf die Beklagte überbunden, die seit diesem Zeitpunkt Pächterin des Unternehmens "Tagescafe" sei. Entgegen der übernommenen vertraglichen Verpflichtung beziehe die Beklagte Bier von einer inländischen Konkurrenzbrauerei und stelle trotz Aufforderung den vertragswidrigen Fremdbezug von Bier nicht ein.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Ihr sei über Form und Inhalt eines allfälligen Leistungs- und Lieferungsübereinkommens der Klägerin mit dem Vorpächter nichts bekannt gewesen. Sie habe mit der Klägerin keine Vereinbarung betreffend eine Übernahme der Rechte und Pflichten aus einem Leistungs- und Lieferungsübereinkommen mit dem Vorpächter übernommen. Sie sei auch niemals gegenüber der Klägerin eine Verpflichtung dahin eingegangen, während eines bestimmten Zeitraumes Brauereiprodukte ausschließlich von dieser zu beziehen. Eine vertragliche Bindung auf 10 Jahre sei mit ihr nicht ausgehandelt worden. Sie habe zwar eine Zeit lang von der Klägerin Bier bezogen. Seit 1986 beziehe sie das Bier aber nicht mehr von der Klägerin, welche dies widerspruchslos zur Kenntnis genommen habe. Das Erstgericht gab der Klage statt. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus folgende Feststellungen:
Mit Vereinbarung vom 18. Jänner 1985 gab Walter R*** sein Mietrecht am Gaststättenlokal "Tagescafe" an die Beklagte ab, wobei zwischen dem Eigentümer und der Beklagten ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wurde. Zwischen Walter R*** und der Beklagten wurde ein Ablösebetrag von 354.000 S vereinbart, den die Beklagte auch tatsächlich bezahlte. Walter R*** verpflichtete sich, für allfällige Verbindlichkeiten, die bis zum Zeitpunkt der Übergabe aus dem Geschäftsbetrieb aushafteten, die Beklagte gegen Dritte schad- und klaglos zu halten. Walter R*** ergänzte sodann die maschinschriftlich verfaßte Vereinbarung durch den handschriftlichen Nachsatz "Biervertrag von B***-AG wird von Frau S*** übernommen", worauf die Beklagte sowohl den maschingeschriebenen Teil dieser Vereinbarung als auch den handschriftlichen Zusatz eigenhändig unterfertigte.
Die Beklagte bezog auch weiterhin das Bier von der Klägerin. Im April 1986 stellte sie diesen Bierbezug aber ein und schloß ein Lieferungsübereinkommen mit der O*** B***.
Im Rahmen der erstgerichtlichen Beweiswürdigung sind die weiteren Feststellungen enthalten, daß vor der Unterfertigung der Vereinbarung vom 18. Jänner 1985 samt Nachsatz zwischen Walter R*** und der Beklagten über die Bierbezugsverpflichtung gesprochen wurde und sich die Behauptungen der Beklagten, ihr sei von einer Bierbezugsverpflichtung gegenüber der Klägerin nichts bekannt gewesen und sie habe insbesondere keine diesbezügliche Übernahmsverpflichtung unterfertigt, als unrichtig herausgestellt hätten.
In rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhalts führte das Erstgericht aus, daß Walter R*** seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Klägerin zur Überbindung der Bezugsverpflichtung aus dem Leistungs- und Lieferungsübereinkommen durch die Vereinbarung mit der Beklagten nachgekommen sei. Walter R*** habe mit der Beklagten diesbezüglich einen Vertrag zugunsten Dritter, nämlich zugunsten der Klägerin, geschlossen, dessen Erfüllung die Klägerin gemäß § 881 Abs 2 ABGB verlangen könne. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens sowie einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte zur Rechtsrüge der Beklagten aus:
Unbestritten sei, daß das Leistungs- und Lieferungsübereinkommen vom Oktober 1984 zwischen Walter R*** und der Klägerin, nicht aber zwischen der Beklagten und der Klägerin ausgehandelt wurde. Im vorliegenden Rechtsstreit sei ausschließlich die Frage zu klären, ob die Rechte und Pflichten aus diesem Leistungs- und Lieferungsübereinkommen rechtswirksam auf die Beklagte überbunden worden seien. Auf die Frage, ob es sich bei der ausschließlichen und ununterbrochenen Bierbezugsverpflichtung für die Dauer von 10 Jahren um eine Bestimmung ungewöhnlichen Inhalts handle, brauche schon deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil ein erstinstanzliches Vorbringen hiezu fehle. Die Behauptungs- und Beweislast für die Nachteiligkeit und Ungewöhnlichkeit einer Klausel treffe nämlich denjenigen, der sich auf deren Unwirksamkeit berufe. Daß die objektive Ungewöhnlichkeit dieser Verpflichtung geradezu auf der Hand liege, könne jedenfalls nicht gesagt werden. Das Erstgericht habe, gestützt auf die Vereinbarung vom 18. Jänner 1985, zutreffend festgestellt, daß die Beklagte in den Bierbezugsvertrag eingetreten sei. Der Beklagten wäre es allenfalls freigestanden, die Übernahme des Bierbezugsvertrages abzulehnen. Dies sei aber nicht geschehen. Wenn sie nun selbst in Unkenntnis der konkreten Vertragsbestimmungen des zwischen Walter R*** und der Klägerin geschlossenen Leistungs- und Lieferungsübereinkommens die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen übernommen habe, so hindere dies die Klägerin nicht, auf die Einhaltung der übernommenen Verpflichtungen zu drängen. Die Unkenntnis des Inhalts des Leistungs- und Lieferungsübereinkommens zwischen der Klägerin und Walter R*** könne nämlich nicht zum Nachteil der Klägerin wirken, solange nicht hervorkomme, daß es für die Beklagte unzumutbar gewesen wäre, vom Inhalt dieses Leistungs- und Lieferungsübereinkommens Kenntnis zu erlangen. Dies sei aber von der Beklagten nicht einmal behauptet worden. Ihrer Aussage sei vielmehr zu entnehmen, daß sie den Inhalt dieses Leistungs- und Lieferungsübereinkommens gar nicht zur Kenntnis nehmen habe wollen. Zur Auffassung der Beklagten, die Klägerin habe auf eine allfällige Bezugsverpflichtung verzichtet, weil sie auf die Nichtbestellung durch die Beklagte durch mehr als ein Jahr nicht reagiert habe, sei darauf zu verweisen, daß bloßes Schweigen grundsätzlich keinen Erklärungswert habe. Es gelte also in der Regel weder als Zustimmung noch als Ablehnung, weil der Schweigende im allgemeinen nicht zum Handeln verpflichtet sei. Es sei nur dann als Zustimmung zu werten, wenn der Schweigende nach dem Gesetz oder nach der Übung des redlichen Verkehrs reden hätte müssen. Ob ein stillschweigender Verzicht vorliege, sei mit besonderer Vorsicht zu beurteilen und nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände auf einen ernstlichen Vertragswillen hinweisen. Die Unterlassung der Geltendmachung eines Rechtes durch längere Zeit mache für sich allein die Rechtsausübung keinesfalls unzulässig. Der Nichtgebruach eines Rechtes sei vielmehr nur dann als Verzicht auf das Recht anzusehen, wenn nach Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund bestehe, am Verzicht zu zweifeln. Daß besondere Umstände über den Zeitablauf hinaus, der übrigens für sich allein schon gegen die Auffassung der Beklagten spreche, vorgelegen hätten, sei im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht worden bzw. nicht erweislich gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die gegen die Ansicht der Vorinstanzen, die Klägerin sei berechtigt, die Beklagte auf Zuhaltung des Leistungs- und Lieferungsübereinkommens vom Oktober 1984 in Anspruch zu nehmen, erhobenen rechtlichen Einwände versagen gleichfalls. Die zwischen Walter R*** und der Beklagten geschlossene Vereinbarung, sie übernehme den "Biervertrag" von der B***-AG, ist zunächst nicht mangels Bestimmtheit unwirksam. Dem Erfordernis der Bestimmtheit, d.h. nach herrschender Ansicht der eindeutigen Bestimmbarkeit (vgl. Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 869;
Koziol-Welser8 I 100; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht AT 26;
Gschnitzer in Klang2 IV/1, 53), wurde Genüge getan. Nach den Umständen des vorliegenden Falles kann es nicht zweifelhaft sein, daß mit dem "Biervertrag" das Leistungs- und Lieferungsübereinkommen vom Oktober 1984 gemeint war. Daß dieses Übereinkommen der Beklagten in keiner Weise bekannt gewesen wäre, widerspricht den Feststellungen, wonach zwischen Walter R*** und der Beklagten sehr wohl über die Bierbezugsverpflichtung gegenüber der Klägerin gesprochen wurde. Der Umstand allein, daß der Beklagten der inhaltliche Umfang und die zeitliche Dauer der Bierbezugsverpflichtung im Zeitpunkt der Übernahme dieser Verpflichtung nicht näher bekannt gewesen sein mag, steht der Wirksamkeit der Übernahme der Verpflichtung nicht entgegen. Die Beklagte hat dadurch, daß sie sich über den genaueren Inhalt des Leistungs- und Lieferungsübereinkommens nicht informierte - daß sie dies vergeblich versucht hätte, ist weder vorgebracht noch festgestellt worden -, diesen Inhalt zumindest insoweit, als er nicht als ungewöhnlich anzusehen ist, in Kauf genommen (vgl. Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 8 zu § 871 und EvBl 1973/15). Umstände, welche die gegenständliche Bierbezugsverpflichtung hinsichtlich ihres inhaltlichen Umfanges oder ihrer zeitlichen Dauer als ungewöhnlich erscheinen lassen könnten, wurden aber weder vorgebracht noch festgestellt (vgl. Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 86 zu § 879;
EvBl 1983/12 ua).
Aus dem zuletzt Ausgeführten ergibt sich weiters, daß die Bierbezugsverpflichtung der Beklagten auch der von ihr angestrebten Geltungskontrolle nach § 864 a ABGB standhielte. Dasselbe gilt von der Inhaltskontrolle, zumal auch Umstände, welche die Bierbezugsverpflichtung als sittenwidrig erscheinen lassen könnten, weder vorgebracht noch festgestellt wurden.
Die zwischen Walter R*** und der Beklagten vereinbarte Übernahme des Leistungs- und Lieferungsübereinkommens ist als kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt) zu beurteilen. Dafür spricht die Präambel des Übereinkommens, wonach die Vertragspartner dieses Übereinkommen unter Fortdauer ihrer Haftung auf die beiderseitigen Rechts- und/oder Geschäftsnachfolger zu überbinden haben, sowie die auch für den Schuldnervertrag geltende Zweifelsregel des § 1406 Abs 2 ABGB (vgl. Ertl in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1405). Die Anspruchsberechtigung der Klägerin folgt aus § 881 Abs 2 ABGB (vgl. Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 881; Apathy in Schwimann, ABGB, Rz 1 und 4 zu § 881; Ertl in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1405; 7 Ob 561/78). Der Zustimmung der Klägerin bedurfte es nicht (Mader in Schwimann, ABGB, Rz 5 zu §§ 1405 f). Schließlich ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß die Klägerin auf die Zuhaltung des Leistungs- und Lieferungsübereinkommens durch die Beklagte auch nicht schlüssig verzichtet hat. Daraus allein, daß die Klägerin die Beklagte, die den Bierbezug von der Klägerin im April 1986 eingestellt hatte, erst mit Schreiben vom 15. April 1987 zur Vertragszuhaltung aufforderte und wegen Erfolglosigkeit dieser Aufforderung am 24. Juni 1987 die gegenständliche Klage überreichte, kann mangels Vorliegens besonderer Umstände noch nicht mit der nach § 863 ABGB notwendigen Eindeutigkeit auf einen derartigen Verzicht geschlossen werden (vgl. EvBl 1957/253 uva).
Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E20326European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00542.9.0313.000Dokumentnummer
JJT_19900313_OGH0002_0050OB00542_9000000_000