TE Vfgh Beschluss 2001/11/26 G279/01

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2001
beobachten
merken

Index

64 Besonderes Dienst- und Besoldungsrecht
64/05 Sonstiges

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
RDG §77
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrages auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Vertretungsregelung im Richterdienstgesetz mangels hinreichend konkretisierter Bezeichnung der aufzuhebenden Norm und mangels (förmlichen) Aufhebungsantrages

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1.1. Mit Eingabe vom 2.8.2001 stellte das Oberlandesgericht Wien zur Z20 Bs 249/91 unter Bezugnahme auf Art89 Abs2 zweiter Satz (iVm Art140 Abs1) B-VG den Antrag, "die Vertretungsregelung, jedenfalls aber die Bestimmung des §77 Abs6 RDG, einem Gesetzesprüfungsverfahren zu unterziehen".

1.1.2. Zu den Prozessvoraussetzungen lässt sich dem Antrag (nur) Folgendes entnehmen:

"Das Oberlandesgericht Wien hat (in der Zusammensetzung als Dreirichtersenat) über eine auf §15 StPO gestützte Beschwerde der Privatbeteiligten A B zu entscheiden, worin diese die Verletzung ihres Rechtes auf den gesetzlichen Richter geltend macht, weil die zum Zeitpunkt des Anfalles der Strafsache Ende des Jahres 2000 geschäftsverteilungsmäßig zuständige Richterin C D als Vertretungsrichterin auf der Grundlage des §77 Abs6 RDG - laut Geschäftsverteilung wurde sie allerdings als solche gemäß §77 Abs3 RDG geführt - mit 1. Juni 2001 zufolge eines Beschlusses des Außensenates des Oberlandesgerichtes Wien dem BG Hernals zugeteilt wurde. Die Aufsichtsbeschwerde enthält unter einem die Anregung, in Ansehung der Bestimmung des §77 Abs3 Z2 und Abs6 RDG ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen."

1.2. Der mit "Änderung der Verwendung" überschriebene §77 Richterdienstgesetz, BGBl. 1961/305, idF BGBl. I 1999/127, hat folgenden Wortlaut:

"§77 (1) Der Richter kann nur bei einem Gericht, für das er ernannt ist, verwendet werden, soweit in den Abs2 bis 6 und 8 sowie in den §§65a und 78 nichts anderes bestimmt ist. Die Tätigkeit als Mitglied eines Personalsenates bei einem übergeordneten Gerichtshof bleibt hievon unberührt.

(2) Für die Bezirksgerichte, bei denen nicht mehr als zwei volle Planstellen systemisiert sind, hat der Personalsenat des Gerichtshofes erster Instanz Richter benachbarter Bezirksgerichte mit der Vertretung zu betrauen. Zur Vertretung bei benachbarten Bezirksgerichten darf ein Richter ohne seine Zustimmung nicht mehr als 44 Arbeitstage je Kalenderjahr eingesetzt werden.

(3) Für jene Fälle, in denen

1. bei einem Bezirksgericht der Leiter einer Gerichtsabteilung aus anderen Gründen als wegen Erholungsurlaubes voraussichtlich oder tatsächlich länger als 44 Arbeitstage ohne Unterbrechung vom Dienst abwesend ist und die anderen Richter dieses Bezirksgerichtes durch die Vertretung erheblich stärker ausgelastet wären als es die Richter des übergeordneten Gerichtshofes sind und

2. weder eine richterliche Ersatzplanstelle nach dem Allgemeinen Teil des jährlichen Stellenplans besetzt noch ein Sprengelrichter zugeteilt werden kann,

hat die Geschäftsverteilung des Gerichtshofes erster Instanz Vertretungsrichter auszuweisen und festzulegen, für welche Bezirksgerichte die einzelnen Vertretungsrichter in welcher Reihenfolge vorgesehen sind. Vertretungsrichter sind diejenigen Richter (mit Ausnahme des Präsidenten und des/der Vizepräsidenten), deren Ersternennung zum Richter am wenigsten lang zurückliegt. Die Zahl dieser Richter hat 5 vH der bei den unterstellten Bezirksgerichten systemisierten Richterplanstellen (ohne die Planstellen mit besonderer gesetzlicher Zweckwidmung), mindestens jedoch vier zu betragen; die Zahl und die Mindestzahl erhöhen sich um die Zahl der beim Gerichtshof besetzten richterlichen Ersatzplanstellen. Für die Dauer der Verwendung bei einem Bezirksgericht ist der Vertretungsrichter von den ihm beim Gerichtshof obliegenden Geschäften so zu entlasten, daß insgesamt eine möglichst gleichmäßige Auslastung der Richter des Gerichtshofes erreicht wird (§32 Abs1 des Gerichtsorganisationsgesetzes).

(4) Soweit die nach Abs3 umschriebenen Vertretungsfälle Gerichtsabteilungen bei einem der den Landesgerichten für Zivilrechtssachen Wien und Graz unterstellten Bezirksgerichte betreffen, in denen ausschließlich oder weit überwiegend Strafsachen zu bearbeiten sind, hat die Geschäftsverteilung des jeweiligen Landesgerichtes für Strafsachen die im Abs3 angeordneten Festlegungen zu treffen.

(5) Ein Vertretungsrichter ist tunlichst so lange bei dem betreffenden Bezirksgericht zu verwenden, wie der Ersatzfall andauert, es sei denn, der betreffende Richter scheidet aus dem Kreis der Vertretungsrichter aus. Falls mehrere Richter wegen desselben Ernennungstages für das Ausscheiden in Betracht kommen, entscheidet die längere für die Vorrückung in höhere Bezüge maßgebende Dienstzeit.

(6) Soweit bei einem Gerichtshof erster Instanz auf Grund des Allgemeinen Teils des jährlichen Stellenplans mehr Richter ernannt sind als Richterplanstellen (ohne die Planstellen mit besonderer gesetzlicher Zweckwidmung) systemisiert sind, ist (sind) derjenige (diejenigen) Richter (mit Ausnahme des Präsidenten und des/der Vizepräsidenten) Inhaber der auf Grund des Allgemeinen Teils des jährlichen Stellenplans zur Verfügung stehenden richterlichen Ersatzplanstelle(n), dessen (deren) Ersternennung zum Richter am wenigsten lang zurückliegt. Inhaber derartiger Planstellen können für die Dauer des Zeitraums, währenddessen - nach Auslaufen eines Ersatzfalles nach dem Allgemeinen Teil des jährlichen Stellenplans - bei diesem Gerichtshof mehr Richter tätig sind (oder wären) als Richterplanstellen (ohne die Planstellen mit besonderer gesetzlicher Zweckwidmung) systemisiert sind, für einen anderen Ersatzfall nach dem Allgemeinen Teil des Stellenplans auch außerhalb des Sprengels des Gerichtshofes erster Instanz verwendet werden. Die Inhaber der richterlichen Ersatzplanstellen sind in der Geschäftsverteilung auszuweisen.

(7) Sobald eine Richterin die beabsichtigte Inanspruchnahme eines Karenzurlaubes nach dem Mutterschutzgesetz 1979 meldet, kann die Ausschreibung (§30) der nach dem Allgemeinen Teil des jährlichen Stellenplans hiefür vorgesehenen Ersatzplanstellen erfolgen. Die Planstelle kann frühestens mit dem Beginn der mutterschutzbedingten Abwesenheit der Richterin besetzt werden.

(8) Soweit im Abs6 sowie im Allgemeinen Teil des jährlichen Stellenplans auf Gerichtshöfe erster Instanz abgestellt wird, sind darunter sinngemäß auch Bezirksgerichte mit zumindest zehn (ganzen) systemisierten Richterplanstellen zu verstehen."

2.1.1. Gemäß §62 Abs1 erster Satz VerfGG muss ein Antrag begehren, "dass entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden".

2.1.2. Dem unter Punkt 1.1.1. wörtlich wiedergegebenen Antrag haftet nun ein nicht iSd §18 VerfGG verbesserungsfähiger - gravierender - Mangel an (vgl. VfSlg. 10.702/1985, 11.152/1986, 13.736/1994), denn er enthält entgegen der zwingenden Vorschrift des '62 Abs1 VerfGG keine bestimmte Bezeichnung jener Gesetzesstellen, deren Aufhebung begehrt wird (vgl. zB VfSlg. 9850/1983, 10.141/1984, 11.802/1988, 13.736/1994): Mit der Wendung "die Vertretungsregelung, jedenfalls aber die Bestimmung des §77 Abs6 RDG" wird der laut Antragsvorbringen verfassungswidrig erachtete Teil des in Rede stehenden Bundesgesetzes nicht - in einer den Anforderungen des VerfGG entsprechenden Weise - klar und unmissverständlich abgegrenzt sondern offengelassen, welche Stellen der angefochtenen (Gesetzes)Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Oberlandesgerichtes tatsächlich der Aufhebung verfallen sollen (sh. etwa auch die Bezugnahme auf Abs3 des §77 RDG, S 1 des Antrages). Der Verfassungsgerichtshof ist aber nicht befugt, Gesetzesbestimmungen auf Grund bloßer Vermutungen darüber, welche Normen der Antragsteller ins Auge gefasst haben könnte, in Prüfung zu ziehen (VfSlg. 8552/1979, 11.152/1986, 11.802/1988, 13.736/1994).

2.2.1. Selbst eine Deutung aber des Antrages dahingehend, dass damit eine Aufhebung nur des §77 Abs6 RDG beantragt wird, könnte seine Zulässigkeit nicht bewirken; dies aus folgenden Gründen:

2.2.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesvorschrift sind - wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren (sh. VfSlg. 8461/1978, 12.535/1990; VfGH 20.6.2001 G99/00) schon wiederholt darlegte - notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen (mit) erfasst werden. Ein Antrag iSd Art140 B-VG, der diese Grundsätze missachtet, ist formell unzulässig:

Im vorliegenden Fall ist es offensichtlich, dass der angefochtene Abs6 des §77 RDG mit dem Abs8 leg. cit., welche Bestimmung auf die erstgenannte verweist, in einem untrennbaren Zusammenhang steht. Selbst in diesem Sinn gedeutet, wäre der Antrag daher jedenfalls zu eng gehalten, er richtete sich gegen eine Gesetzesstelle, die einer isolierten Prüfung und Aufhebung gar nicht zugänglich wäre (vgl. VfSlg. 10.904/1986, 12.535/1990).

2.3. Insgesamt musste schon aus diesen Erwägungen der Antrag als unzulässig zurückgewiesen werden.

Im Übrigen bleibt zu bemerken, dass der Antrag im Hinblick auf seine Formulierung: "einem Gesetzesprüfungsverfahren zu unterziehen" - entgegen der Vorschrift des §15 Abs2 iVm §62 Abs1 erster Satz VerfGG - einen (förmlichen) Aufhebungsantrag vermissen lässt.

3. Dieser Beschluss konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lit(a und) c VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Richter, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G279.2001

Dokumentnummer

JFT_09988874_01G00279_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten