Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. Wilhelm S***, Pensionist, Graz, Bahnhofgürtel 63, vertreten durch Dr. Gerhard Rene Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Mag. Wolfgang C***, Privater, Graz, Dr. Anton-Weg 3, 2.) Otto C***, Privater, Graz, Karolinenweg 41, und 3.) Ida S***, Private, Graz, Weingartenweg 30, alle vertreten durch Dr. Lothar Troll, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung des Umfangs einer Dienstbarkeit und Untersagung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 20.September 1989, GZ 6 R 97/89-14, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 6.Februar 1989, GZ 25 Cg 251/88-10, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 4.262,14 S (darin 710,36 Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger einerseits und die Beklagten andererseits sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Die Rechtsvorgänger der Beklagten stellten am 3.4.1939 bei der Agrarbezirksbehörde Graz den Antrag, ihnen über ein nunmehr dem Kläger gehörendes Grundstück ein landwirtschaftliches Bringungsrecht einzuräumen. Die Rechtsvorgänger der Parteien schlossen am 6.6.1939 vor der Agrarbezirksbehörde Graz einen "Vertrag (Vergleich)", in dem der damalige Eigentümer des nunmehr dem Kläger gehörenden Grundstücks für sich und seine Rechtsnachfolger den jeweiligen Eigentümern der nunmehr im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücke zum Zweck der Herstellung einer direkten Fahrverbindung mit dem öffentlichen Weg das Recht der Dienstbarkeit des Fahrens und des Treibens von Tieren (von Vieh) über sein Grundstück einräumte und die Einwilligung zur Einverleibung dieser Dienstbarkeit im Grundbuch erteilte. In dem Vergleich heißt es ua noch: "Im Streitfalle unterwerfen sich die Vertragsteile dem Spruche der Agrarbezirksbehörde Graz als zuständiger Verwaltungsbehörde." Die damaligen Eigentümer der nunmehr den Beklagten gehörenden Grundstücke erklärten, daß ihr Antrag auf Einräumung eines landwirtschaftlichen Bringungsrechtes durch den Abschluß des Vergleiches "voll Befriedigung gefunden" habe. Mit Bescheid vom 13.6.1939 entschied die Agrarbezirksbehörde Graz, daß das von den Rechtsvorgängern der Beklagten begehrte Bringungsrecht unvergreiflich der endgültigen Entscheidung über den Antrag unter die Bestimmungen des Gesetzes betreffend das landwirtschaftliche Bringungsrecht LGBl 1934/53 fällt. Mit Bescheid vom 20.6.1939 genehmigte die angeführte Behörde den "Vergleich (Vertrag vom 6.6.1939)" gemäß § 17 des angeführten Gesetzes. Der Kläger begehrt gegen die Beklagten die Feststellung, daß die auf seinem Grundstück auf Grund des Vergleiches einverleibte Dienstbarkeit nur den jeweiligen Eigentümern der herrschenden Grundstücke, nicht jedoch dritten Personen zustehe (eine offensichtlich versehentlich unrichtige Bezeichnung der Grundstücksnummer des dienenden und der Einlagezahl des herrschenden Grundstücks ist hier nicht bedeutsam). Außerdem sollen sie (erkennbar) schuldig erkannt werden, dritten Personen Zuwiderhandlungen gegen die Unterlassungspflicht zu untersagen. Die Beklagten erhoben die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und der sachlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes, wobei sie hiezu auf die im Vergleich enthaltene Vereinbarung über die Beilegung von Streitigkeiten und auf § 19 des Steiermärkischen Güter- und Seilwege-Landesgesetzes (GSLG) 1969, LGBl 1970/21, hinwiesen, und beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht schränkte "das Prozeßthema auf die Frage des Bestehens einer Schiedsvereinbarung" ein und wies die Klage zurück. Es sei wegen der dem Vergleich zu entnehmenden Schiedsvereinbarung sachlich nicht zuständig.
Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses des Klägers den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit und der Unzulässigkeit des Rechtswegs verwarf. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 15.000 S, aber nicht 300.000 S übersteigt und daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Die dem Vergleich zu entnehmende Schiedsvereinbarung sei ungültig, weil eine Behörde ebenso wie ein Gericht nicht als Schiedsrichter eingesetzt werden könne und die Vertragsteile sich hier nicht bloß dem Spruch eines bestimmten Organes der Agrarbezirksbehörde, sondern dieser Behörde selbst unterworfen hätten. Da kein gültiger Schiedsvertrag vorliege, sei das Erstgericht gemäß § 50 iVm § 49 Abs 1 JN sachlich zuständig. Obwohl dieses die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges in seiner Entscheidung nicht behandelt habe, könne hierüber entschieden werden, weil auf die Unzulässigkeit des Rechtswegs von Amts wegen Bedacht zu nehmen sei. Auch der Rechtsweg sei aber zulässig. Der Kläger mache nämlich einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch geltend, und die Entscheidung hierüber sei nicht durch ein Gesetz einer anderen Behörde als dem Gericht übertragen worden. Da weder behauptet noch hervorgekommen sei, daß es sich beim Recht der Beklagten um ein landwirtschaftliches Bringungsrecht handelt, komme insbesondere § 19 des StmkGSLG nicht in Betracht. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Schiedsvereinbarung eine mit dem konkreten Fall vergleichbare Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der von den Beklagten gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist zwar auch zulässig, soweit damit die Entscheidung über die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit bekämpft wird (SZ 58/60), er ist aber nicht berechtigt. Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, daß der Schiedsvertrag, auf den die Beklagten die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes gründen, ungültig ist, weil darin eine Verwaltungsbehörde als Schiedsgericht eingesetzt wurde. Verwaltungsbehörden können ebenso wie Gerichte, für die sich dies schon aus § 578 ZPO ergibt, nicht als Schiedsrichter bestellt werden (Fasching, Kommentar IV 744; iglS Rosenberg-Schwab, dZPO14, 1165; Albers in Baumbach ua, dZPO48, 2171; vgl auch JBl 1955, 273; die abweichende Meinung von Schlosser in Stein-Jonas, dZPO20, Rz 2 zu § 1032 ist für den österreichischen Rechtsbereich ohne Bedeutung, weil es hier eine den §§ 54 ff dVwVfG vergleichbare Regelung öffentlichrechtlicher Verträge nicht gibt). Das Recht und die Pflicht der Behörden zur Entscheidung ergeben sich aus dem Gesetz und können von den Parteien nicht ohne gesetzliche Grundlage in Anspruch genommen werden.
Der von den Beklagten erst im Revisionsrekurs gewünschte Auslegung des Schiedsvertrages dahin, daß der jeweilige Leiter der Agrarbezirksbehörde Graz als Schiedsrichter eingesetzt werden sollte, ist nicht zu folgen. Abgesehen davon, daß das Vorbringen gegen das Neuerungsverbot verstößt, haben sich die Parteien des Vergleiches dem Spruch der Agrarbezirksbehörde Graz "als zuständiger Verwaltungsbehörde" und damit also ausdrücklich dem Spruch der Behörde selbst und nicht dem eines ihrer Mitglieder, das nicht "zuständige Verwaltungsbehörde" sein kann, unterworfen. Im übrigen überzeugt das Argument der Beklagten nicht, aus der Tatsache, daß der Vergleich vor dem Amtsleiter der Agrarbezirksbehörde unterschrieben wurde, sei abzuleiten, daß die Parteien ihn als Schiedsrichter bestellen wollten. Aus der Entscheidung ZBl 1928/47 ist für die Beklagten nichts zu gewinnen, weil in dem ihr zugrundeliegenden Fall nicht eine Behörde als Schiedsrichter bestellt wurde.
Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs ist nach ständiger Rechtsprechung vom Klagebegehren und von den Klagsbehauptungen auszugehen (SZ 51/41; RZ 1984/18 ua). Maßgebend ist die Natur des erhobenen Anspruchs. Es kommt bloß darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch behauptet wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. Nur wenn sich weder aus dem Begehren noch aus dem vorgebrachten Sachverhalt die Natur des Anspruchs als privatrechtlicher Anspruch eindeutig erschließen läßt, kann über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs durch den Beklagten dessen Vorbringen eine erweiterte Grundlage für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges ergeben. Die Einwendung des Beklagten, mit der er einen eindeutig privatrechtlich zu qualifizierenden Klagsanspruch durch Behauptung eines ihm zustehenden Anspruchs des öffentlichen Rechts abwehren will, begründet daher nicht die Unzulässigkeit des Rechtswegs (SZ 47/40 ua).
Der Kläger hat als Klagsgrund geltend gemacht, daß die Beklagten die Benützung seines Grundstücks durch Dritte zuließen, obwohl diese hiezu nicht berechtigt seien. Er hat also die Eigentumsfreiheitsklage im Sinn des § 523 ABGB erhoben. Damit wird stets ein privatrechtlicher Anspruch geltend gemacht, der auch dann im Rechtsweg zu beurteilen ist, wenn sich der Beklagte auf ein Recht beruft, für dessen Begründung, Inhalt und Umfang öffentliche Rechtsvorschriften maßgebend sind und über den Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben (3 Ob 184/75; 4 Ob 568/78 und 5 Ob 530/81, wobei in diesen beiden Fällen ebenfalls das Bestehen eines Bringungsrechts eingewendet wurde). Der Rechtsweg kann für eine Klage, in der ein privatrechtlicher Anspruch, hier also ein Anspruch aus dem Eigentum, geltend gemacht wird, nicht deshalb unzulässig werden, weil sich der Beklagte auf ein Recht zur Benützung der Liegenschaft beruft, über das im Streitfall die Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben. Das Gericht hat entweder über das Bestehen und den Umfang dieses Rechtes als Vorfrage zu entscheiden oder allenfalls, wenn eine Sonderregelung besteht, die Entscheidung der Verwaltungsbehörde einzuholen oder abzuwarten (vgl SZ 45/139). Die Rechte des Beklagten werden durch die Entscheidung des Gerichtes auch nicht beeinträchtigt, weil es ihm freisteht, sein Recht im Verwaltungsweg geltend zu machen, und die Verwaltungsbehörde an die Beurteilung der Vorfrage durch das Gericht nicht gebunden ist (Walter-Mayer, Verwaltungsverfahren4 Rz 311 mwN aus der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts; vgl auch Fasching, ZPR2 Rz 1520; JBl 1984, 489).
Hier kann also dahingestellt bleiben, ob die vom Beklagten behauptete, durch Vereinbarung begründete Dienstbarkeit zu den Bringungsrechten zählt, auf die § 19 Abs 2 Z 2 des StmkGSLG anzuwenden ist und über deren Bestand, Inhalt, Umfang und Ausübung daher auf Antrag die Agrarbehörde unter Ausschluß des Rechtsweges zu entscheiden hat. Selbst wenn dies zuträfe, wäre der Rechtsweg nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagten sich darauf berufen. Den allein maßgebenden Gegenstand der Klage bildet nämlich ein aus dem Eigentum abgeleiteter und damit privatrechtlicher Anspruch, über den gemäß § 1 JN die Gerichte zu entscheiden haben. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E20600European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00617.89.0314.000Dokumentnummer
JJT_19900314_OGH0002_0030OB00617_8900000_000