TE OGH 1990/3/14 9ObA12/90

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Veröffentlicht am 14.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkunidgen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner und Karl Amsz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L*** S***, vertreten durch den Landeshauptmann Dr. Josef K***, Graz-Burg, dieser vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Georg M***, Oberarzt, Eggersdorf 10, vertreten durch Dr. Alois Siegl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 142.223,84 sA und Feststellung (Streitwert S 30.000), infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. September 1989, GZ 8 Ra 74/89-19, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. April 1989, GZ 34 Cga 38/89-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird in der Entscheidung über das Feststellungsbegehren mit der Maßgabe bestätigt, daß die Beschränkung der Haftung "mit 20 %" zu entfallen hat. Beide Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die im Revisionsverfahren allein entscheidende Frage der Haftung des Beklagten für die Regreßansprüche der klagenden Partei nach den §§ 2 und 4 DHG an sich zutreffend gelöst. Es reicht daher aus, insoweit auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Zur Revision des Beklagten ist ergänzend auszuführen, daß dieser in seiner Rechtsrüge nicht vom maßgeblichen Sachverhalt ausgeht, soweit er unterstellt, seine fachlichen Hinweise seien korrekt gewesen und er habe sich einer anderen Abteilung nicht "aufdrängen" können. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen gab es in der Kinderabteilung des LKH Graz Schwierigkeiten mit der Entfernung eines Dauerkatheters bei einem Kind. Die damalige Turnusärztin Dr. Claaßen erhielt daher den Auftrag, einen Urologen zu verständigen. Sie telefonierte mit dem Beklagten, der Assistenzarzt auf der Urologischen Abteilung war, und unter anderem den Rat erteilte, den Ballon durch Einspritzen von Äther aufzulösen, eine Methode, die zum damaligen Zeitpunkt auf der Urologischen Abteilung angewandt wurde. Nachdem andere Versuche, den Katheter zu entfernen, gescheitert waren, gab der Beklagte am nächsten Tag jeweils telefonisch die Anleitung durch, zunächst 2 ml und nach etwa 20 Minuten nochmals 3 ml Äther einzuspritzen. Dem Beklagten war zu diesem Zeitpunkt schon auf Grund der Anfragen die Uninformiertheit der Ärzte auf der Kinderabteilung als auch die Gefährlichkeit dieser Methode bekannt. Er hätte auf Grund seines Fachwissens abschätzen können, daß bloße telefonische Anweisungen nicht ausreichten. Dennoch unterließ er es, nachdem sich der Katheter nach der ersten Äthereinspritzung nicht entfernen hatte lassen, selbst zu prüfen, ob der Ballon nicht schon gelöst oder geplatzt war. Er riet den Turnusärzten lediglich, Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. Erst nach der zweiten Äthereinspritzung, die er überdies in überhöhter Dosis angeordnet hatte, erschien der Beklagte persönlich und überzeugte sich durch Einspritzen von Methylen blau in den Ballonkanal davon, daß der Ballon bereits geplatzt war und dessen Reste anscheinend inkrustiert waren. Um das Inkrustat aufzulösen, spritzte der Beklagte Zitratlösung in den Katheter; dies zeitigte jedoch keinen Erfolg. Der Versuch der Katheterentfernung war insoweit unsachgemäß, als der Äther nicht ausgespült und der Katheter nach dem Einspritzen von Äther nicht unverzüglich entfernt, sondern noch zwei Tage belassen wurde. Zufolge der zweimaligen Äthereinspritzung, wodurch der Äther direkt in die Blase gelangte, kam es bei dem minderjährigen Patienten zu einer schweren nekrotisierenden Cystitis an Harn, Blase und Nieren deren Folgewirkungen noch nicht abzusehen sind. Bei diesem Sachverhalt ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß das Fehlverhalten des Beklagten nicht mehr als entschuldbare Fehlleistung anzusehen ist. Obwohl seine Konsiliartätigkeit in der Regel nur telefonisch erfolgte, hätte er sich nach der ersten erfolglosen Äthereinspritzung als Urologe persönlich um den Patienten kümmern müssen, zumal ihn die in der Revision hervorgehobene Selbständigkeit der einzelnen Kliniken nicht am persönlichen Einschreiten hinderte, als der Schaden schon entstanden war.

Soweit die klagende Partei in ihrer Revision geltend macht, daß schon der Bestand einer aufrechten Haftpflichtversicherung eine (weitere) Mäßigung des Schadenersatzes verhindere, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten nur ein Kriterium der Mäßigung im Sinne des § 2 Abs. 2 DHG bilden. Es ist diesbezüglich auch zu berücksichtigen, daß die Berufsausübung des Beklagten mit der schwer vermeidbaren Wahrscheinlichkiet eines Schadeneintritts verbunden ist, daß er zwar schon rund vier Jahre auf der Urologischen Abteilung tätig war, aber noch in der Ausbildung zum Facharzt stand, und daß sich seine Konsiliartätigkeit für andere Abteilungen üblicherweise auf telefonische Auskünfte beschränkt hatte.

Das Berufungsgericht hat allerdings - ohne eine diesbezügliche Antragstellung - die für das Leistungsbegehren vorgenommene Mäßigung im Sinne der §§ 2 und 4 DHG auch auf das Feststellungsbegehren übertragen, ohne daß es diesbezüglich zu einer der Mäßigung vorgelagerten Verschuldensteilung gekommen wäre. Ein Mitverschulden anderer Ärzte oder der klagenden Partei wurde nicht behauptet und auch nicht festgestellt. Die Feststellung, in welchem Umfang das Mäßigungsrecht zukünftig ausgeübt werden soll, ist aber unzulässig (vgl. JBl. 1987, 670 mwH). Da der diesbezügliche Einwand der klagenden Partei berechtigt ist, war das angefochtene Urteil mit der Maßgabe zu bestätigen, daß die vom Berufungsgericht amtswegig eingefügte Beschränkung der Haftung des Beklagten für künftige Regreßansprüche "mit 20 %" zu entfallen hat.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40, 43 Abs. 1 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E20424

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00012.9.0314.000

Dokumentnummer

JJT_19900314_OGH0002_009OBA00012_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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