TE OGH 1990/3/21 13Os10/90

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Veröffentlicht am 21.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Wolf als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günter H*** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach dem § 281 Abs. 2 StGB nF und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. August 1989, GZ 2 a Vr 6972/88-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten Günter H*** und der Verteidigerin Dr. Mühl zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der Günter H*** unter B 1 a und B 1 b des Urteilsspruches angelasteten Taten als Verbrechen der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 StGB nF und als Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach dem § 202 Abs. 1 StGB nF sowie demgemäß auch im Strafausspruch, jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung sowie der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach dem § 21 Abs. 2 StGB aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Günter H*** hat durch die ihm laut Punkt B 1 a des Urteilsspruches zur Last fallende Tat das Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB aF sowie durch die ihm laut Punkt B 1 b des Urteilsspruches zur Last fallende Tat das Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB aF begangen. Er wird hiefür sowie für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last fallenden Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1, Abs. 3, erster Fall, StGB (A) und des Diebstahls nach dem § 127 StGB (B 2) in gleichzeitiger Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft nach dem § 202 Abs. 1 StGB aF unter Bedachtnahme auf den § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.Juni 1961 geborene Tischler Günter H*** des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 und Abs. 3, erster Fall, StGB (A), des Verbrechens der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 2 StGB (B 1 a), des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach dem § 202 Abs. 2 (richtig Abs. 1) StGB (B 1 b) und des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 StGB (B 2) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien am 15.April 1988 ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW BMW 320 des Franz M*** ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, wobei der durch die Tat am Fahrzeug verursachte Schaden 25.000 S übersteigt (A) und am 17.September 1988 der Gertrude B*** eine fremde bewegliche Sache in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich 3.000 S Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern (B 2).

Zu B 1 des Urteilssatzes liegt ihm zur Last, am 17. September 1988 in Wien Gertrude B*** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, nämlich durch Anhalten eines Küchenmessers an ihre Kehle und die Äußerung, er werde sie töten, zur Duldung des Beischlafs (B 1 a), sowie zur Duldung von wiederholtem Anal- und Oralverkehr, wobei er auch in ihren Mund urinierte (B 1 b) genötigt zu haben.

Nur die beiden zuletzt genannten Schuldsprüche ficht die Staatsanwaltschaft (zugunsten des Angeklagten) mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde insoferne an, als diese Straftaten nicht den Tatbeständen nach den §§ 202 Abs. 1 und 204 Abs. 1 StGB aF unterstellt wurden. Den Strafausspruch bekämpft sie (zum Nachteil des Angeklagten) mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend weist die Anklagebehörde in der Subsumtionsrüge zunächst darauf hin, daß der Angeklagte bei Anwendung der durch die Strafgesetznovelle 1989, BGBl 1989/242 geschaffenen, mit 1.Juli 1989 in Kraft getretenen Rechtslage allein den Tatbestand der Vergewaltigung zu verantworten hätte, weil nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers (vgl Punkt 7 des Berichtes des Justizauschusses zur Vergewaltigung, 927 der BlgNr XVII.GP) die geschlechtliche Betätigung in Form eines Anal- bzw Oralverkehrs als eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung zu werten ist (so auch 14 Os 127/8 = EvBl 1990/329).

Unter Zugrundelegung der vom Erstgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen, denen zufolge der Angeklagte der Getrude B*** in den Mund urinierte und sie durch drohende Äußerungen sowie durch Anhalten eines Messers an die Kehle zum Schlucken des Urins zwang (US 10), geschah die ihm zur Last gelegte Vergewaltigung unter Begleitumständen, die das damit notwendigerweise verbundene Maß der Demütigung des Opfers erheblich überschritten haben (vgl Punkt 8 des erwähnten Justizausschußberichtes), weshalb die vergewaltigte Person einer besonderen Erniedrigung im Sinne des dritten Qualifikationsfalles des § 201 Abs. 3 StGB nF ausgesetzt war. Der Beschwerdeführerin ist auch darin beizupflichten, daß es bei der im Hinblick auf die Tatbegehung vor der eingetretenen Gesetzesänderung gebotenen Prüfung der Frage, ob das zur Tatzeit oder zur Zeit der Urteilsfällung geltende Recht für den Angeklagten günstiger ist, auf die Gesamtauswirkungen ankommt, die den Täter nach altem und neuem Recht treffen (§ 61 StGB). Eine Gegenüberstellung der hier aktuellen Strafdrohungen des zweiten Strafsatzes des § 201 Abs. 3 StGB nF (1 Jahr bis 10 Jahre Freiheitsstrafe) einerseits und des § 202 Abs. 1 StGB (6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe) sowie des § 204 Abs. 1 StGB aF (Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren) andererseits zeigt, daß die Anwendung des zur Tatzeit geltenden Strafgesetzes in der Gesamtauswirkung für den Angeklagten günstiger ist. Die gegenständliche Straftat des Angeklagten hätte demnach mit Rücksicht auf ihre Begehung vor Inkrafttreten der Strafgesetznovelle 1989 rechtsrichtig den Tatbeständen der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB aF (B 1 a) und der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB aF (B 1 b) unterstellt werden müssen. In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde waren die dem Erstgericht unterlaufenen Subsumtionsfehler spruchgemäß zu korrigieren.

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen, den raschen Rückfall nach dem am 27. Oktober 1987 in Rechtskraft erwachsenen Urteil im Verfahren 2 a Vr 8677/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sowie die Begehung der zu B angeführten Delikte während des zum Faktum A bereits anhängigen Strafverfahrens, und die das Opfer besonders erniedrigenden Begleitumstände der Straftat zu B 1 b des Urteilsspruches. Als mildernd war das Teilgeständnis zu berücksichtigen.

Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe und bei Würdigung der hohen Täterschuld erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in der (dem Berufungsbegehren der Anklagebehörde Rechnung tragenden) Dauer von fünf Jahren als tätergerecht und schuldangemessen.

Mithin war wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E20193

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00010.9.0321.000

Dokumentnummer

JJT_19900321_OGH0002_0130OS00010_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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