Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Albert L***, Kaufmann, Graz, Gleisdorfergasse 8, vertreten durch Dr. Hans Peter Pausch, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Hannes K***, Werbekaufmann, Graz, Neuböckweg 14, vertreten durch Dr. Harold Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert S 350.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 3. Oktober 1989, GZ 1 R 151/89-49, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 16. Mai 1989, GZ 11 Cg 91/86-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.983,40 (darin S 2.163,90 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat dem Beklagten im Jahr 1983 Grundstücke von zusammen 1.596 m2 verkauft und ist weiterhin Eigentümer von daran angrenzenden Grundstücken. Mit Bescheid vom 28.9.1983 wurde dem Beklagten die Baubewilligung für den Neubau eines Einfamilienhauses und eines Schwimmbades auf seinen Grundstücken mit folgender Auflage erteilt: "Das Bauvorhaben ist unter ständiger Aufsicht eines befugten Sachverständigen für Bodenmechanik nach dessen Anordnungen zu realisieren. Eine entsprechende Bescheinigung durch die bauausführende Firma ist bis zur Rohbaubeschau im Baupolizeiamt vorzulegen." Im Frühjahr 1985 kam es auf den Grundstücken des Beklagten, die auf einem Hang liegen, zu Geländebrüchen, wodurch auch die Grundstücke des Klägers in Mitleidenschaft gezogen wurden. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der Beklagte ihm gegenüber für alle Schäden an seinen Grundstücken, die durch großflächige Rutschungen in den Jahren 1985 und 1986 entstanden seien und noch entstehen würden, zur Gänze hafte. Der Beklagte habe schuldhaft gegen die bereits angeführte Auflage im Bescheid des Baupolizeiamtes verstoßen und ohne Genehmigung große Mengen Schüttmaterial neben seinem Schwimmbad aufgebracht. Durch die gewaltige Auflast sei es während der Tauperiode im Frühjahr 1985 zu den Geländebrucherscheinungen gekommen. Auch nach dem Auftreten der Geländerutschungen habe der Beklagte den Aufträgen des Baupolizeiamtes nur zum Teil Folge geleistet. Der Kläger habe dem Beklagten anläßlich des Verkaufes keine Zusagen bestimmter Eigenschaften der Grundstücke gegeben. Hätte sich der Beklagte an die behördlichen Anordnungen und Bescheide gehalten, wäre eine Rutschung nicht erfolgt. Die Beschaffenheit des Hanges stehe in keinem Zusammenhang mit den vom Beklagten vorgenommenen, behördlich nicht bewilligten Aufschüttungen. Die Kaufwerber eines der Grundstücke des Klägers seien wegen der Rutschungen vom Vertrag zurückgetreten. Im übrigen sei das Ausmaß des dem Kläger durch das Verhalten des Beklagten zugefügten Schadens (etwa durch Unbebaubarkeit oder Wertminderung der Grundstücke) noch nicht absehbar.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. An den Rutschungen treffe ihn kein Verschulden, weil er weder gegen Vorschriften noch gegen Bescheide verstoßen habe. Anläßlich der Kaufverhandlungen mit dem Kläger habe dieser eine Rutschgefährdung des Hanges verneint und darauf hingewiesen, daß er zwei geologische Gutachten in Händen habe, die eine Rutschung ausschlössen. Der Kläger habe daher den Beklagten bewußt falsch informiert, obwohl er von einem Hangbruch im Jahre 1972 im Bereich der gegenständlichen Grundstücke gewußt habe. Der Beklagte habe durch Behebung allenfalls entstandener Schäden in der Zwischenzeit den vorigen Zustand wiederhergestellt. Die von ihm getroffenen Maßnahmen hätten den Wert der Liegenschaft des Klägers vergrößert.
Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:
Nach dem Inhalt des Kaufvertrages zwischen den Streitteilen war dem Beklagten das Kaufobjekt bekannt. Der Kläger übernahm keine Haftung für einen bestimmten Zustand.
Der Beklagte ließ Anfang 1985 ohne baubehördliche Bewilligung zahlreiche LKW-Fuhren Schüttmaterial zu Planierungszwecken auf seinen Grundstücken im Bereich des Schwimmbeckens und des Hauses aufbringen.
Nach der Geländerutschung erstellte Dr. Helmut H*** ein baugeologisches Gutachten vom 26.4.1985, worin er darauf hinwies, daß erst durch die Auflast der Anschüttung um das Schwimmbecken des Beklagten der Hangbruch erheblichen Ausmaßes ausgelöst wurde. Auslösendes Moment für den Hangbruch war die Überlastung der infolge schichtiger Wasserführung und tiefgründiger Aufweichung konsistenzgeschwächter Muldenböden durch die Terrassenanschüttung. Die Baubehörde verfügte die Erweiterung dieses Gutachtens durch eine Standsicherheitsuntersuchung. Der Beklagte beauftragte Dipl.Ing.Dr. Ernst G*** mit der Ausarbeitung eines bodenmechanischen Gutachtens. Darin wurden für eine Sanierung der Rutschung eine entsprechende Entwässerung des Hanges für erforderlich gehalten und unter anderem die Vornahme von Tiefdränagen empfohlen.
Mit Bescheid der Baubehörde vom 17.12.1985 wurde dem Beklagten unter anderem die Durchführung der laut Gutachten Dris. G*** vorzunehmenden Sicherungsmaßnahmen aufgetragen. Der Beklagte erhob gegen diesen Bescheid Berufung, und, als dieser keine Folge gegeben wurde, eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Dieser hob den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Der Beklagte hat während des gegenständlichen Verfahrens Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Das gerutschte Grundstück des Klägers wurde im wesentlichen planiert, die Oberfläche des Geländes aber noch nicht zur Gänze eingeebnet. Die Grundstücke des Klägers neben der Terrasse des Beklagten sind noch nicht in dem Zustand, in dem sie sich vermutlich ursprünglich, vor Eintritt der Rutschung, befunden haben.
Die Austrocknung des Geländes wird etwa vier bis fünf Jahre nach Fertigstellung der Dränagen in Anspruch nehmen. Aber auch nach weitergehender Austrocknung der oberflächennahen Schichten werden bei einer allfälligen Bebauung der Grundstücke des Klägers umfangreichere Fundierungsmaßnahmen als vor dem Auftreten der Rutschungen erforderlich sein. Es muß damit gerechnet werden, daß Bauten, die im Rutschungsbereich errichtet werden, unter Umständen ausschließlich mit Tiefgründungen - im Unterschied zu einer Flachgründung, wie sie beim Haus des Beklagten ausgeführt wurde - vorgenommen werden. Eine Tiefgründung verursacht höhere Fundierungskosten.
In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß der Beklagte entgegen dem Bescheid der Baubehörde vom 28.9.1983, das Bauvorhaben unter ständiger Aufsicht eines befugten Sachverständigen für Bodenmechanik durchzuführen, gehandelt und keine baubehördliche Genehmigung zum Aufbringen des Schüttmaterials und Verteilen desselben eingeholt habe. Er habe dadurch rechtswidrig gehandelt. Es hätte ihm klar sein müssen, daß der Hang keinesfalls zusätzlich hätte belastet werden dürfen. Das Verschulden des Beklagten an der Hangrutschung sei daher gegeben. Da der Kläger keine Haftung für den Zustand der Grundstücke übernommen habe, gehe der Einwand des Beklagten, daß ihm die Rutschfreiheit des Hanges zugesichert worden sei, ins Leere. Das Feststellungsinteresse des Klägers sei gegeben, da das Ausmaß seines Schadens noch nicht beziffert werden könne. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Ein allgemeiner Gewährleistungsverzicht sei nicht auf Ansprüche aus der ausdrücklichen Zusicherung bestimmter Eigenschaften zu beziehen. Die Haftung des Verkäufers für die zugesicherte Mängelfreiheit bleibe ungeachtet eines vereinbarten Gewährleistungsausschlusses nach Maßgabe der gegebenen Zusicherung wirksam. Dem Einwand des Beklagten, es sei ihm die Rutschfreiheit des Hanges zugesichert worden, komme jedoch aus rechtlichen Erwägungen im Ergebnis keine Berechtigung zu. Eine Haftung oder Mithaftung des Klägers für seinen Schaden sei abzulehnen, weil die Belastungsmomente auf seiten des Beklagten jene auf seiten des Klägers bei weitem überwögen. Der Schaden sei dem Beklagten allein zuzurechnen, weil er durch seinen selbständigen, nicht durch eine Zusicherung der Rutschfreiheit der Grundstücke herausgeforderten Entschluß, die Auflage im Bescheid vom 28.9.1983 nicht zu beachten, ein eigenes Schadensrisiko geschaffen habe. Hätte der Beklagte dieser Auflage entsprochen, wäre es nicht zur Überlastung der Grundstücke durch die Terrassenaufschüttung gekommen. Der Beklagte habe überdies auf Grund eines baugeologischen Gutachtens des Dr. H*** vom 22.10.1983 gewußt, daß der Hang als labil zu bezeichnen sei. Der Kausalzusammenhang zwischen der vom Beklagten behaupteten Zusicherung des Klägers und dem eingetretenen Schaden sei daher zu verneinen. Es bestehe ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung für künftige Schadenersatzansprüche. Der Kläger behaupte, daß das Gesamtausmaß seines Schadens noch nicht feststehe. Da die Austrocknung des Geländes noch nicht abgeschlossen sei und erst danach der Umfang des Gesamtschadens des Klägers festgestellt werden könne, habe das Berufungsgericht keine Bedenken gegen die Berechtigung des Feststellungsbegehrens.
Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Abs 2 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zum Revisionsgrund nach § 503 Abs 2 Z 4 ZPO führt der Beklagte aus, es sei eine Feststellung, daß der Kläger dem Beklagten die Rutschfreiheit des Hanges zugesichert habe, zu Unrecht nicht getroffen worden. Der Beklagte habe auf Grund der (von ihm behaupteten) Zusicherung der Rutschfreiheit seines Baugrundes darauf vertrauen dürfen, daß eine Bauführung auf diesem Grund möglich sei. Leite man auch aus dem Verstoß des Beklagten gegen die Auflagen der Baubehörde ein Verschulden des Beklagten ab, sei es doch unrichtig, den Kläger wegen dieses Verstoßes gänzlich von seiner Haftung zu befreien. Den Kläger treffe vielmehr zumindest ein Mitverschulden am eingetretenen Schaden. Die Zusicherung der Rutschfreiheit sei mitursächlich für den Entschluß gewesen, Aufschüttungen durchzuführen.
Diesen Revisionsausführungen kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß ein allgemeiner Gewährleistungsverzicht (wie er in dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Kaufvertrag enthalten war) nicht auf Ansprüche aus der ausdrücklichen Zusicherung bestimmter Eigenschaften (die vom Beklagten behauptete Zusicherung des Klägers, der Hang sei rutschfrei) zu beziehen ist (Koziol-Welser, Grundriß8 I 249; Reischauer in Rummel2, ABGB, Rz 2 zu § 929; SZ 55/2 u.a.). Dennoch begründet der Umstand, daß die Vorinstanzen eine Feststellung über die vom Beklagten behauptete und vom Kläger bestrittene Zusicherung der Rutschfreiheit des Hanges nicht getroffen haben, keinen Feststellungsmangel.
Die Zurechnung einer Schadensfolge ist dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn diese auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluß des Verletzten selbst beruht (RZ 1976/90). Ergibt eine umfassende Interessenwertung, daß die Belastungsmomente auf seiten des Verletzten oder des Dritten jene auf seiten des Ersttäters bei weitem überwiegen, ist es nicht mehr gerechtfertigt, diesem den Schaden noch zuzurechnen (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 170).
Geht man auch davon aus, daß der Kläger entsprechend der Behauptung des Beklagten diesem die Rutschfreiheit des Hanges zugesichert hat, könnte eine solche Zusicherung redlicherweise doch nur auf eine Hangbelastung bezogen werden, wie sie üblicherweise und im allgemeinen beim Bau eines Einfamilienwohnhauses unter Einhaltung der in der Baubewilligung enthaltenen Auflagen entsteht, nicht aber auf die ungewöhnliche Belastung durch eine ohne baubehördliche Bewilligung durchgeführte Aufbringung zahlreichewr LKW-Fuhren Schüttmaterial unter gleichzeitiger Mißachtung der für die Baubewilligung erteilten besonderen Auflagen. Die Zurechnungsmomente auf seiten des Beklagten überwögen daher jene auf seiten des Klägers bei weitem. Es darf doch nicht übersehen werden, daß nach den getroffenen Feststellungen (baugeologisches Gutachten des Dr. Helmut H*** vom 24.4.1985) der Hangbruch nicht etwa durch den Bau des Hauses oder des Schwimmbeckens, sondern erst durch die Auflast der vom Beklagten vorgenommenen Anschüttungen ausgelöst wurde. Wäre die Rutschung eine Folge des Hausbaues gewesen, könnte der behaupteten Zusicherung des Klägers ungeachtet des Verstoßes des Beklagten gegen die ihm erteilte Auflage, das Bauvorhaben unter ständiger Aufsicht eines befugten Sachverständigen für Bodenmechanik durchzuführen, Mitursächlichkeit wohl beigemessen werden. Denn der Beklagte könnte geltend machen, er habe von der ihm aufgetragenen Beiziehung eines Sachverständigen für Bodenmechanik im Vertrauen auf die (behauptete) Zusicherung abgesehen. Mit der Vornahme umfangreicher Aufschüttungen ohne baubehördliche Bewilligung durch den Beklagten aber brauchte der Kläger, sollte er auch dem Beklagten die Rutschfestigkeit des Hanges zugesichert haben, nicht zu rechnen, und die behauptete Zusicherung könnte diese daher auch nicht berücksichtigen. Daß dem Beklagten wegen des Verstoßes gegen baubehördliche Vorschriften ein Verschulden an den Hangrutschungen anzulasten ist, bestreitet er in der Revision nicht mehr.
Mit Recht haben daher die Vorinstanzen die alleinige Haftung des Beklagten für die Folgen der Hangrutschung angenommen. Nach den Feststellungen wurde ungeachtet der während des Verfahrens vorgenommenen Sanierungsmaßnahmen des Beklagten der frühere Zustand der von den Rutschungen mitbetroffenen Grundstücke des Klägers noch nicht gänzlich wiederhergestellt. Es wurde darüber hinaus festgestellt, daß weitere Schäden des Klägers durch einen schwierigen und ungünstigeren Verkauf dieser Grundstücke keineswegs ausgeschlossen werden können. Bleibt aber die Möglichkeit offen, daß das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen könnte, kann dem Geschädigten ein Feststellungsinteresse nicht abgesprochen werden. Die konkrete Möglichkeit des Eintritts bestimmter Schäden ist eine ausreichende Interessengrundlage (SZ 49/66, SZ 56/38, SZ 60/180).
Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E20086European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00537.9.0322.000Dokumentnummer
JJT_19900322_OGH0002_0070OB00537_9000000_000