TE OGH 1990/3/27 10ObS370/89 (10ObS371/89)

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Veröffentlicht am 27.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Felix Joklik (Arbeitgeber) und Gerald Kopecky (Arbeitnehmer) in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Parteien 1. Elisabeth K***, Facharbeiterin,

2. mj.Nicol K***, geboren 17.Jänner 1975, gesetzlich vertreten durch die Erstklägerin als ihre Mutter, beide 4581 Rosenau 130, beide vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei A*** U*** (L*** L***), 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner und Dr.Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen zu 1. Witwenrente und Bestattungskostenbeitrages zu

2. Waisenrente infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7.August 1989, GZ 12 Rs 123, 124/89-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 16.Jänner 1989, GZ 9 Cgs 122, 123/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Siegfried K***, der Ehegatte der Klägerin Elisabeth K*** und eheliche Vater der Klägerin Nicol K***, war seit 1.4.1986 bei den Ö*** B*** (F*** W***)

als Forstarbeiter beschäftigt (und deshalb ua in der Unfallversicherung auf Grund des ASVG versichert). Auf sein Ansuchen vom 4.5.1988 bewilligte ihm sein Dienstgeber am 31.5.1988 den verbilligten Einkauf von 25 fm Rundholz am Stock im Sinne der von der Generaldirektion der Ö*** B*** im Einvernehmen mit dem B*** FÜR F*** herausgegebenen

Richtlinien vom 3.12.1984. Danach ist die einmalige verbilligte Abgabe von höchstens 25 fm Bauholz an die (eigenen) Arbeitnehmer ua für den Neu-, Aus- oder Umbau eines Eigenheimes bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (wie Mindestbetriebszugehörigkeit, gute Führung, widmungsgemäßer Verwendungszweck uä) möglich, wobei der Preisnachlaß mit dem Wert von 12,5 fm des bezogenen Bauholzes auf Basis des Tagespreises loco Straße begrenzt ist. Der Siegfried K*** gewährte Preisnachlaß von 12.011,25 S wurde nach den geltenden Richtlinien in die Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer und der Sozialversicherung einbezogen und die Verrechnung mit der normalen Lohnberechnung vorgenommen. Dabei wurden für den Preisnachlaß 1.921,80 S an Sozialversicherungsbeiträgen abgezogen. Als Siegfried K*** am 10.6.1988 (einem Freitag, nach der Arbeit) gerade dabei war, das ihm "solcherart zur Verfügung gestellte" Holz (in einem etwa 1350 m hoch gelegenen Wald auf dem Hochsur in der Nähe des Hengstpasses) aufzuarbeiten, wurde er (während eines Trockengewitters) durch Blitzschlag getötet.

Mit zwei Bescheiden vom 13.10.1988 lehnte die beklagte Partei den Anspruch der Witwe auf Teilersatz der Bestattungskosten und Witwenrente unter Berufung auf die §§ 175, 214 und 215 ASVG und den Anspruch des Kindes auf Waisenrente unter Berufung auf die §§ 175, 218 und 252 ASVG mit der Begründung ab, daß der tödliche Unfall des Ehegatten bzw Vaters kein Arbeitsunfall sei.

In den dagegen rechtzeitig erhobenen, auf die in den Bescheiden abgelehnten Leistungen im gesetzlichen Ausmaß gerichteten Klagen vertraten die Klägerinnen die gegenteilige Rechtsansicht. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagen und wendete ein, der Bezug von verbilligtem Bauholz von den Ö*** B*** sei kein vertraglich oder kollektivvertraglich festgelegter Sachbezug, sondern basiere auf einer "Kannbestimmung". Der Unfall vom 10.6.1988 habe sich daher nicht bei der Gewinnung oder Bearbeitung von Sachbezügen aus dem Dienstverhältnis ereignet und sei deshalb kein Arbeitsunfall. Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei, der Witwe den Bestattungskostenbeitrag und die Witwenrente im gesetzlichen Ausmaß und dem Kind die Waisenrente im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen. Es vertrat die Rechtsansicht, daß der tödliche Unfall des Ehegatten bzw Vaters der Klägerinnen ein Arbeitsunfall im Sinne des § 175 Abs 2 Z 4 ASVG sei.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Daß der Dienstnehmer für den Bezug der Ware oder Leistung einen (ermäßigten) Beitrag habe zahlen müssen, ändere nichts am Entgeltcharakter. Wegen der eindeutigen Beziehung des Vergabemodus zum Dienstverhältnis sei klar, daß es sich um einen Bezug auf Grund des Dienstverhältnisses und nicht um einen dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnenden Kauf gehandelt habe. Dafür spreche auch die Steuer- und Sozialversicherungspflicht des der Verbilligung entsprechenden Betrages. Auch die Freiwilligkeit dieser Dienstgeberleistung ändere nichts am Entgeltcharakter des Sachbezuges.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision der beklagten Partei wegen unrichigter rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Das nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Rechtsmittel ist nicht berechtigt. Die Revisionswerberin bestreitet nicht, daß das Dienstverhältnis Anknüpfungspunkt des Verkaufes des verbilligten Bauholzes (durch den Dienstgeber an den Dienstnehmer) war, meint jedoch, daß die Bauholzabgabe im eigenwirtschaftlichen Interesse des Versicherten gelegen gewesen sei und es deshalb an einem ursächlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit fehle. Es handle sich auch um keinen Sachbezug im Sinne des § 175 Abs 2 Z 4 ASVG. Daß der der Verbilligung entsprechende Betrag für die Ermittlung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge herangezogen worden sei, ändere daran ua deshalb nichts, weil es für die Beitragspflicht unerheblich sei, ob die Zuwendung im Interesse des Dienstgebers oder im eigenwirtschaftlichen Interesse des Dienstnehmers liege. Arbeitsunfälle sind nach § 175 Abs 2 Z 4 ASVG auch Unfälle, die sich bei häuslichen und anderen Tätigkeiten des Versicherten im Zusammenhang mit der Gewinnung und Verarbeitung von Produkten, die ihm vom Dienstgeber als Sachbezüge gewährt werden, ereignen. Das ASVG übernahm aus der RVO den Schutz landwirtschaftlicher Arbeitnehmer bei der Gewinnung und Verarbeitung land- und forstwirtschaftlicher Produkte, wenn diese als Sachbezüge gewährt wurden. Da dieser Schutz nur für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft gelten sollte, wurde die Bestimmung ursprünglich im § 175 Abs 3 Z 3 eingereiht. Durch Art III Z 4 lit a der 29.ASVGNov wurde diese Bestimmung seit 1.1.1974 auf alle Dienstnehmer und alle Arten von Sachbezügen ausgedehnt und daher als Z 4 in den Abs 2 des § 175 umgereiht. Für diese Änderung wurden ausschließlich Gründe der Verwaltungsökonomie genannt. Da die AUVA ab 1974 auch für Dienstnehmer aus der Land- und Forstwirtschaft zuständig sein sollte, wollte man eine Rechtsvereinheitlichung durchführen (vgl 404 BlgNR 13.GP). Nach Tomandl, Der Schutzbereich der UV ZAS 1975, 123 (130) ist die normative Bedeutung dieser Ziffer gering. Er verweist darauf, daß der Sozialausschuß schon die Urfassung des Abs 3 Z 3 ASVG für überflüssig gehalten habe, weil sie inhaltlich nicht weitergehe als § 175 Abs 2 Z 3 (613 BlgNR 7.GP 19). Der Sozialausschuß habe sich nur deshalb zur Aufrechterhaltung dieser Bestimmung entschlossen, "um jeden Zweifel auszuschließen". Der Versicherte soll auch bei häuslichen und anderen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Gewinnung (zB Schlägerung von Bäumen) und Verarbeitung (zB Zerkleinern von geschlägertem Holz) von Produkten, die ihm vom Dienstgeber als Sachbezüge gewährt werden, unter Unfallversicherungsschutz stehen, weil es sich bei solchen Tätigkeiten um Ausstrahlungen der die Versicherung begründenden Beschäftigung handelt. Dienstnehmer, denen vom Dienstgeber erst zu gewinnende oder noch zu verarbeitende Produkte als Sachbezüge gewährt werden, haben nämlich gegenüber Dienstnehmern, die nur Geldbezüge oder bereits gebrauchsfertige Sachbezüge erhalten, ein zusätzliches berufsbedingtes Risiko (so auch Tomandl, SV-System

4. ErgLfg 284; OLG Wien 11.4.1968 SSV 8/39 = SVSlg 18.073).

In der E 26.3.1980, 34 R 45/80 SSV 20/36 = SVSlg 25.553 sprach

das OLG Wien, das damals letzte Instanz in Leistungsstreitsachen war, aus, ein Unfall, der sich dabei ereignet, daß ein Dienstnehmer mit Zustimmung des Dienstgebers - wenn auch während eines nur dafür genommenen Urlaubes - ihm kostenlos überlassenes Abfallholz auf eigene Kosten vom Unternehmen abtransportiere, stehe unter Unfallversicherungsschutz. Bei der zwischen den Partnern des Dienstvertrages abgeschlossenen Vereinbarung über den Holzbezug und den Holztransport handle es sich um eine Zusatzvereinbarung zum Dienstvertrag über einen Sachbezug, nämlich um ein Holzdeputat. Tomandl zitiert diese E aaO FN 22 für seine Rechtsansicht, bezeichnet sie allerdings als sehr weitgehend.

In der E 21.10.1986, 34 R 262/86 SSV 26/103 = SVSlg 31.192 unterstellt das OLG Wien bei einem dem nunmehrigen Fall sehr ähnlichen Sachverhalt Schlägerungsarbeiten eines Forstarbeiters nach seiner betrieblichen Tätigkeit zur Gewinnung von Holz zum Bau seines Eigenheimes gegen Zahlung eines Anerkennungszinses an den Dienstgeber auf Grund einer Vereinbarung zum Kollektivvertrag dem Unfallversicherungsschutz des § 175 Abs 2 Z 4 ASVG. Selbst wenn man davon ausginge, daß als Sachbezüge iS dieser Gesetzesstelle nur Leistungen des Dienstgebers angesehen werden könnten, auf die ein Rechtsanspruch bestehe, wäre diese Voraussetzung erfüllt, weil die Vereinbarung zwischen den Dienstvertragspartnern über den verbilligten Holzbezug als Zusatzvereinbarung zum Kollektivvertrag einen Rechtsanspruch des Dienstnehmers auf die vereinbarte Sachleistung begründe. Die vereinbarten Bedingungen des verbilligten Holzbezuges zeigten den engen Zusammenhang zwischen dem Dienstverhältnis und dem eingeräumten Holzbezugsrecht. Auch daß der Dienstnehmer einen geringfügigen Anerkennungszins pro Festmeter zu zahlen gehabt habe, ändere am Entgeltcharakter des gewährten Naturalbezuges nichts (SZ 50/46).

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß sich der tödliche Unfall des Ehemannes bzw Vaters der Klägerinnen bei einer Tätigkeit des Versicherten im Zusammenhang mit der Gewinnung von Produkten, die ihm vom Dienstgeber als Sachbezug gewährt wurden, ereignete.

Daß es sich beim Abstocken von Holz um die Gewinnung von (forstwirtschaftlichen) Produkten (des Dienstgebers) handelt, ist nicht strittig.

Diese Produkte wurden dem versicherten Dienstnehmer vom Dienstgeber auch als Sachbezug gewährt, wobei es für den Entgeltcharakter nach § 49 Abs 1 ASVG entscheidend ist, daß der pflichtversicherte Dienstnehmer darauf aus dem Dienstverhältnis Anspruch hatte oder daß er diese Produkte darüber hinaus - also entgegen der Meinung der Revisionswerberin auch ohne einen solchen Anspruch - auf Grund des Dienstverhältnisses erhielt. Daß es sich bei diesem verbilligten Holzbezug um eine freiwillige und einmalige soziale Zuwendung des Dienstgebers iS des § 49 Abs 3 Z 11 ASVG handeln könnte, würde nur dazu führen, daß diese Zuwendung nicht als Entgelt iS der Abs 1 und 2 dieser Gesetzesstelle gelten und sich daher auf die Beiträge zur Pflichtversicherung auf Grund des Arbeitsverdienstes (allgemeine Beitragsgrundlage) nicht auswirken würde. Diese im die Mittel der Sozialversicherung behandelnden Abschnitt V des Ersten Teiles des ASVG angeordnete Nichtzurechnung von Geld- oder Sachbezügen, die sonst unter den (weiten) Entgeltbegriff des ASVG fallen würden, soll nur sicherstellen, daß derartige soziale Zuwendungen des Dienstgebers dem Dienstnehmer beitragsfrei - also ohne diesbezügliche Abzüge zukommen (vgl auch die entsprechende steuerrechtliche Bestimmung des § 3 Z 16 EStG 1988). Dies hat aber keine Auswirkungen auf die im Dritten Teil des ASVG geregelte Unfallversicherung. Insbesondere soll damit nicht bewirkt werden, daß Tätigkeiten des Versicherten im Zusammenhang mit der Gewinnung und Verarbeitung von Produkten, die ihm vom Dienstgeber als Sachbezüge gewährt werden, nicht unter Unfallversicherungsschutz stünden, oder daß Unfälle auf einem mit der unbaren Überweisung einer solchen beitragsfreien Zuwendung zusammenhängenden Weg von der Arbeitsstätte oder der Wohnung zu einem Geldinstitut zum Zweck der Behebung des Entgelts und anschließend auf dem Weg zurück (§ 175 Abs 2 Z 8 ASVG) keine Arbeitsunfälle wären. Daß es sich aber bei der verbilligten Abgabe von Bauholz um einen Sachbezug auf Grund der Arbeitsverhältnisse gehandelt hat ergibt sich daraus, daß Voraussetzung für den Bezug nicht nur das bestehende Arbeitsverhältnis sondern auch eine Mindestbetriebszugehörigkeit, gute Führung etc war, zwischen dem Holzbezugsrecht und dem Arbeitsverhältnis daher ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß der Tod des Versicherten durch einen Arbeitsunfall iS des § 175 Abs 2 Z 4 ASVG verursacht wurde, weshalb der Witwe ein Teilersatz der Bestattungskosten nach § 214 ASVG und eine Witwenrente nach § 215 leg cit, dem Kind eine Waisenrente nach § 218 ASVG gebühren, ist daher richtig, weshalb der Revision nicht Folge zu geben war.

Anmerkung

E20464

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00370.89.0327.000

Dokumentnummer

JJT_19900327_OGH0002_010OBS00370_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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