TE OGH 1990/3/27 10ObS52/90

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Veröffentlicht am 27.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Felix Joklik (Arbeitgeber) und Gerald Kopecky (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj. Sabine R***, Schülerin, 5020 Salzburg, Bergbräuhofstraße 27, vertreten durch Dr. Raimund Danner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei A*** U*** (L*** G***),

1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich, Dr. Vera Kremslehner und Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Waisenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Oktober 1989, GZ 13 Rs 164/89-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 30. Juni 1989, GZ 19 Cgs 181/88-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.292,80 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 548,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 7. August 1979 geborene Klägerin ist das uneheliche Kind des Johann G***, der für sie zuletzt auf Grund eines Beschlusses des Bezirksgerichtes Salzburg vom 15. Juni 1988, 3 P 46/87, einen monatlichen Unterhalt von S 1.000,-- leistete. Die Klägerin wohnt im Haushalt ihrer Mutter, die ihre Unterhaltspflicht in natura erbringt. Vermögen oder sonstiges Einkommen, abgesehen von einer Waisenpension, die die Klägerin von der

P*** DER A*** bezieht, hat sie keines.

Johann G*** erlitt am 1. August 1988 bei einem Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit schwere Verletzungen, an denen er am 13. August 1988 verstarb. Er war bei der A*** Zollamt Rosenbach, St. Jakob im Rosental, als Maurer beschäftigt, und fuhr am 1. August 1988 um cirka 6,30 Uhr von seinem Wohnort in Unterliebitsch 5, 9143 St. Michael bei Bleiburg weg, um zur Baustelle zu gelangen. Er lenkte dabei den PKW seines Schwagers und Nachbarn Josef K***, der im Fahrzeug mitfuhr. G*** war nicht im Besitz einer Lenkerberechtigung, weil ihm diese mit Bescheid vom 16. Juni 1988 für die Dauer von sechs Monaten mit der Begründung entzogen worden war, er sei vorübergehend nicht mehr verkehrszuverlässig, weil er am 9. Juni 1988 alkoholisiert einen Verkehrsunfall verschuldet habe. G*** hatte noch vom Vortag, an dem er mit seiner Gattin ein Bierzelt besucht hatte, einen Restalkohol mit einer Konzentration von 1,25 bis 1,27 %o im Blut, war aber nicht übermüdet. Im Ortsgebiet von Feistritz überholte er im Bereich einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h mit überhöhter Geschwindigkeit einen anderen PKW. Hundert Meter danach kam er wegen überhöhter Geschwindigkeit ins Schleudern; das Fahrzeug kam rechts von der Fahrbahn ab und überschlug sich mehrfach.

Die beklagte Partei lehnte mit Bescheid vom 1. Dezember 1988 den Anspruch auf Waisenrente gemäß § 218 ASVG für die minderjährige Klägerin nach ihrem verstorbenen unehelichen Vater ab. Das Feststellungsverfahren habe ergeben, daß G*** den Unfall im alkoholisierten Zustand und ohne Lenkerberechtigung erlitten habe; der Unfall habe sich somit in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung als Maurer bei der A*** Zollamt Rosenbach ereignet. Er sei im Zeitpunkt des Unfalles nicht unter Versicherungsschtz gestanden.

Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage Folge und erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin zur Abgeltung der Folgen des Arbeitsunfalles des Johann G*** vom 1. August 1988 die Waisenrente im gesetzlichen Ausmaß ab 1. August 1988 zu gewähren. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte im Rahmen der Beweiswürdigung noch aus, daß der Beweis einer durch die Alkoholisierung ausgelösten Verkehrsuntüchtigkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht hergestellt sei. Typisch alkoholisierungsbedingte Verhaltensweisen, wie eine deutlich verlangsamte Reaktion oder nicht spurhaltendes Fahren seien nicht feststellbar gewesen. Die unmittelbare Unfallursache sei in der überhöhten Geschwindigkeit gelegen; ein derartiges Risiko werde alltäglich häufig auch von nüchternen PKW-Lenkern eingegangen, die sich dessen in der Regel zu wenig bewußt seien. In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß der beweispflichtigen beklagten Partei der Beweis für das Vorliegen und die Mitursächlichkeit der absoluten Verkehrsuntauglichkeit des Versicherten nicht gelungen sei; da er unstrittig auf dem Weg zur Arbeit gewesen sei, behalte der Unfall die Eigenschaft eines Arbeitsunfalles nach § 175 Abs 2 Z 1 ASVG. Davon abgesehen, sei das Klagebegehren auch zufolge der gebotenen analogen Anwendung des § 88 Abs 2 lit b ASVG berechtigt. Bezüglich der Hinterbliebenen unterbreche nicht einmal die vorsätzliche Selbstbeschädigung den ursächlichen Zusammenhang mit der Arbeit, umsoweniger könne dies bezüglich der Hinterbliebenen von Versicherten angenommen werden, die sich alkoholisiert eines Arbeitswegunfalles fahrlässig selbst vom Leben zum Tod gebracht hätten.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge. In den Fällen einer sogenannten selbstgeschaffenen Gefahr werde der Kausalzusammenhang zwischen der dem Versicherungsschutz unterliegenden Tätigkeit und einem Unfall von der jüngsten Rechtsprechung nur dann verneint, wenn der Versicherte ohne jeden inneren Zusammenhang mit der geschützten Tätigkeit sich einer leicht erkennbaren Gefahr aussetze und dabei zu Schaden komme. Nicht jeder Verstoß gegen gesetzliche oder polizeiliche Vorschriften (zB gegen die StVO) falle dabei schon unter den Begriff der selbstgeschaffenen Gefahr. Eine solche liege nur vor, wenn der Unfall in einem völlig unvernünftigen und unsinnigen Verhalten des Versicherten beruhe. Dann seien die betriebsbedingten Verhältnisse lediglich unwesentliche Nebenbedingungen und Begleitumstände des Unfalles und die Beziehung zum Betrieb für die Bewertung der Unfallursache unerheblich. Bei Arbeits- oder Arbeitswegunfällen infolge Alkoholisierung werde in Schrifttum und Lehre als Ausdruck der gesellschaftlichen Mißbilligung der Alkoholisierung ein schäferer Standpunkt eingenommen, obwohl gleichzeitig immer wieder betont werde, daß die Alkoholisierung des Versicherten allein noch nicht zwingend zum Verlust des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung führe; die gesetzlichen Bestimmungen würden auch nicht von bestimmten Blutalkoholgrenzen ausgehen. Dabei werde auf die Ursächlichkeit einer absoluten Fahruntauglichkeit wegen Alkoholisierung bzw. das Zusammentreffen einer Übermüdung mit einem geringeren Blutalkoholgehalt abgestellt und für das Vorliegen der daraus abgeleiteten Verkehrsuntauglichkeit die Beweislast des Versicherungsträgers angenommen, hingegen für das Vorliegen und die Mitursächlichkeit betriebsbezogener Umstände, zu denen auch die mit der Teilnahme am Verkehr verbundenen Gefahren zählten, jene des Versicherten. Die Grenze zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit werde im deutschen Rechtsbereich bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 %o angenommen. Oberhalb dieser Grenze sei ohne Rücksicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalles eine von sonstigen Beweisanzeigen unabhängige Fahruntüchtigkeit festzustellen. Diese Grenze sei vorsichtsweise so hoch, daß gewisse Ungenauigkeiten und Schwankungen bei der Blutalkoholbestimmung, wie auch eine etwa erhöhte Alkoholverträglichkeit berücksichtigt seien. Bei einem niedrigeren Blutalkoholgehalt seien dagegen bei Beurteilung der Frage, ob der Verletzte fahruntüchtig gewesen sei, ob also eine relative Fahruntüchtigkeit vorgelegen sei, die einzelnen Tatbestandsmerkmale wie vernunftswidriges Verhalten, überhöhte Geschwindigkeit usw. zu berücksichtigen. Der Grad der Alkoholisierung werde auch danach verschieden beurteilt, ob ein Versicherter den Unfall als Fußgänger, als Lenker eines einspurigen Fahrzeugs oder als Lenker eines Personenkraftwagens erleide. Das Berufungsgericht folgte der Auffassung, daß erst im Falle absoluter Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholisierung, die bei 1,3 %o Blutalkohol festzusetzen sei, angenommen werden müsse, daß der Alkoholgenuß rechtlich allein als wesentliche Ursache des Arbeitsunfalles anzusehen sei. Nur dann seien die Einflüsse der betrieblichen Tätigkeit bei Verursachung des Unfalls offenkundig so weit zurückgetreten, daß diese auch als wesentliche Mitursache nicht in Frage kämen. Dagegen sei dies unterhalb des Grades einer absoluten Fahruntüchtigkeit im Regelfall fraglich, so daß schon nach den allgemeinen Beweislastregeln die objektive Beweislast für das Vorliegen einer wesentlichen Mitursache, die auch tatsächlich kausal gewesen sei, auf den beklagten Versicherungsträger falle. Im vorliegenden Fall habe das Erstgericht keinen Zweifel daran gelassen, daß es ein typisches alkoholisierungsbedingtes Verhalten wie deutlich verlangsamte Reaktion oder nicht spurhaltendes Fahren nicht habe annehmen können. Die überhöhte Geschwindigkeit habe es auch nicht zwingend darauf zurückgeführt, sondern als gleichwertige Möglichkeit mit dem Alter des Versicherten in Verbindung gebracht. Damit sei gerade zweifelhaft geblieben, ob die festgestellte Alkoholisierung von (wie zugunsten der Klägerin anzunehmen sei) 1,25 %o eine Fahruntüchtigkeit herbeigeführt habe oder überhaupt nicht kausal und damit ohne Bedeutung für das Unfallereignis gewesen sei. Auch auf Grund des bloßen Hinweises auf das Fehlen der Lenkerberechtigung sei der ursächliche Zusammenhang noch nicht zu verneinen. Entscheidend und vornehmlich komme es auf die Fähigkeit zum Lenken eines Kraftfahrzeuges an, die beim Versicherten trotz des Entzuges der Lenkerberechtigung anzunehmen sei: Diese Fähigkeit wie auch die mangelnde Beeinträchtigung durch die Alkoholisierung habe er ja durch die vorausgehende Fahrt aber 50 bis 60 km bewiesen. Es liege daher ein Arbeitsunfall nach § 175 Abs 2 Z 1 ASVG vor, weshalb es sich erübrige, darauf einzugehen, ob nicht auch eine analoge Anwendung des § 88 Abs 1 ASVG als Anspruchsgrundlage dienen könnte. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache. Sie beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt den Standpunkt, der Vater der Klägerin habe durch sein Verhalten eine erhöhte Gefahrensituation geschaffen, wodurch der Unfallversicherungsschutz ausgeschlossen werde. Dieser Grundsatz gelte auch dann, wenn der Versicherte, ohne im Besitz einer Lenkerberechtigung zu sein, ein Kraftfahrzeug in Betrieb nehme. Ein Unfallversicherungsschutz sei dann zu verneinen, wenn eine durch Alkoholisierung ausgelöste Verkehrsuntauglichkeit allein erhebliche Ursache für den Unfall gewesen sei bzw. zu einer besonderen Gefahrerhöhung geführt habe. Aus dem Umstand, daß die Unfallstelle keine besonderen, mit der Teilnahme am Verkehr verbundenen Gefahren aufgewiesen habe, die Ursache oder wesentliche Mitursache für den Unfall hätten sein können, ergebe sich, daß nur die Alkoholisierung als rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen sei.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 175 Abs 6 ASVG schließt verbotswidriges Handeln die Annahme eines Arbeitsunfalles nicht aus. Auch grobe Fahrlässigkeit des Verunglückten spricht nicht von vornherein gegen das Vorliegen eines Arbeitsunfalles. Der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall kann zwar auch wegen einer sogenannten selbstgeschaffenen Gefahr fehlen, doch schließt nur eine aus betriebsfremden Motiven selbstgeschaffene Gefahr den Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall aus. Wer sich ohne jeden inneren Zusammenhang mit seiner geschützten Tätigkeit einer leicht erkennbaren Gefahr aussetzt und von dieser Gefahr ereilt wird, kann nicht auf Leistungen der Versicherungsgemeinschaft rechnen. Nicht jeder Verstoß gegen gesetzliche oder polizeiliche Vorschriften fällt unter den Begriff der selbstgeschaffenen Gefahr. Ein Unfall bei einer selbstgeschaffenen Gefahr liegt nur vor, wenn er auf einem völlig unvernünftigen und unsinnigen Verhalten des Versicherten beruht, so daß demgegenüber die betriebsbedingten Verhältnisse zu unwesentlichen Nebenbedingungen und Begleitumständen des Unfalles herabsinken und die Beziehung zum Betrieb bei der Bewertung der Unfallursachen als unerheblich auszuscheiden ist. Entscheidend ist, ob trotz der - aus betriebsfremden Motiven - selbstgeschaffenen Gefahr die versicherte Tätigkeit eine wesentliche Bedingung des Unfalls geblieben ist, oder ob die selbstgeschaffene Gefahr in so hohem Maß vernunftwidrig war und zu einer solchen besonderen Gefährdung geführt hat, daß die versicherte Tätigkeit nicht mehr als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen ist. Es wurde daher etwa ein Unfall, der sich beim Überqueren einer breiten, stark befahrenen Strecke bei Rotlicht ereignete, noch dem Unfallversicherungsschutz unterstellt (SSV-NF 2/102). In einer anderen Entscheidung wurde ausgesprochen, daß auch durch das Überqueren der Eisenbahngeleise zu Fuß auf dem Heimweg von der Arbeit bei geschlossenem Bahnschranken der Unfallversicherungsschutz nicht verlorengeht (SSV-NF 3/81). Ferner hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß auch eine starke Alkoholisierung keinen Ausschluß vom Unfallversicherungsschutz bewirkt, wenn sie für den eingetretenen Schaden nicht ursächlich war (SSV-NF 3/65). Eine durch Alkoholgenuß herbeigeführte Verkehrsuntüchtigkeit wird dann als rechtlich allein wesentliche Ursache eines Arbeitsunfalls angesehen, wenn Einflüsse der betrieblichen Tätigkeit bei der Verursachung des Unfalls so weit zurücktreten, daß diese auch als wesentliche Mitursache nicht in Frage kommen (Lauterbach, Unfallversicherung3 38. Lfg. 240). Dann jedoch, wenn der Zusammenhang zwischen Alkoholgenuß und Unfall rein zufällig war und der dem Alkohol ienewohnende Gefahrenbereich für den eingetretenen Schaden nicht ursächlich sein konnte, geht auch im Fall einer schweren Alkoholisierung der Versicherungsschutz nicht verloren (SSV-NF 3/65). Auch in der Bundesrepublik Deutschland wird die Auffassung vertreten, die auf Alkoholgenuß zurückzuführende Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers schließe den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend der dort geltenden Kausalitätslehre aus, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund dränge, daß sie als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen sei (Brackmann, Handbuch der SV II, 72. Nachtrag 487 m). Das Bundessozialgericht schließt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall nicht schon aus, wenn der Alkoholgenuß eine von mehreren wesentlichen Bedingungen für den Unfall gebildet hat, sondern nur, wenn er nach den gesamten Umständen des Einzelfalles als rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen ist (Brackmann aaO 487 o).

Im vorliegenden Fall ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, davon auszugehen, daß von einer absoluten Fahruntüchtigkeit des Versicherten keine Rede sein konnte. Dies folgt allein daraus, daß er von seinem Heimatort St. Michael bei Bleiburg einschließlich eines Umweges über Klagenfurt bis zur Unfallstelle das Kraftfahrzeug 50 bis 60 km gelenkt hatte. Der Unfall war damit nicht auf eine durch den Alkoholgenuß am Vorabend des Unfallstages noch vorhandene Alkoholisierung und dadurch bedingte Fahruntüchtigkeit zurückzuführen, sondern, wie die Vorinstanzen feststellten, auf Fahren mit einer überhöhten Geschwindigkeit, wodurch das Fahrzeug nach dem Übersezten eines Eisenbahnüberganges ins Schleudern geriet. Schon das Erstgericht hat richtig darauf hingewiesen, daß das Einhalten einer überhöhten Geschwindigkeit als unmittelbare Ursache für den Verlust der Herrschaft über das Fahrzeug alltäglich häufig auch bei nüchternen, insbesondere jüngeren PKW-Lenkern zu beobachten ist und daß weiters typisch alkoholisierungsbedingte Fahrweisen wie deutlich verlangsamte Reaktion oder nicht spurhaltendes Fahren nicht festgestellt werden konnten. Es mag durchaus sein, daß eine Alkoholisierung die Neigung zum Schnellfahren erhöht, doch kann die Alkoholisierung im gegenständlichen Fall nicht als rechtlich allein wesentliche Ursache angesehen werden. Damit verliert der Unfall auf dem Weg zur Arbeitsstätte nicht den Charakter eines Arbeitsunfalls iS des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG.

Was nun den Entzug der Lenkerberechtigung durch die Verwaltungsbehörde für die Dauer von sechs Monaten betrifft, so hat auch hier der Versicherte durch Lenken eines Kraftfahrzeuges verbotswidrig gehandelt. Dies schließt aber die Annahme eines Arbeitsunfalles selbst dann nicht aus, wenn bei einem nicht verbotswidrigen Handeln der Arbeitsunfall nicht eingetreten wäre. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges nach Entziehung der Lenkerberechtigung für die Dauer von sechs Monaten schadete im gegenständlichen Fall schon deshalb nicht, weil - worauf bereits oben hingewiesen wurde - die grundsätzliche Fähigkeit zum Lenken eines Kraftfahrzeuges damit nicht beeinträchtigt wurde, hat doch der Versicherte das Fahrzeug bis zum Unfall 50 bis 60 km offenbar anstandslos gelenkt. Ob diese Beurteilung auch dann zuträfe, wenn ein Versicherter, der nie im Besitz eines Führerscheines war und auch keine Lenkerausbildung genossen hat, einen Verkehrsunfall verursacht, braucht hier nicht erörtert zu werden. Zu verweisen ist jedenfalls darauf, daß auch im deutschen Rechtsbereich ein Fahren ohne Führerschein noch als verbotswidriges Verhalten im Rahmen der versicherten Tätigkeit angesehen wird (Brackmann aaO 485 e). Obwohl also der vorliegende Unfall vom Versicherten durch gravierendes Zuwiderhandeln gegen straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen verschuldet wurde, war er dennoch vom Versicherungsschutz umfaßt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASVG.

Anmerkung

E20454

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00052.9.0327.000

Dokumentnummer

JJT_19900327_OGH0002_010OBS00052_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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