Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Pflegschaftssache des am 2.Dezember 1985 geborenen mj Thomas B*** und der am 5. Juli 1987 geborenen mj. Sandra B***, beide 3333 Böhlerwerk, Körnerhof 8/3, beide vertreten durch den Unterhaltssachwalter Bezirkshauptmannschaft Amstetten, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 17.Jänner 1990, GZ R 790,791/89-12, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Waidhofen/Ybbs vom 5.Dezember 1989, GZ P 46/89-7 und P 46/89-8, bestätigt wurden, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die mj. Kinder Thomas und Sandra B*** entstammen der mit Beschluß des Erstgerichtes vom 6.7.1989 geschiedenen Ehe des Ernst B*** und der Martina B***. Der Mutter kommt die Obsorge für die Kinder zu.
Anläßlich der Ehescheidung verpflichtete sich der Vater mit Vergleich vom 6.7.1989 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von je 2.100 S für die beiden Kinder.
Der Unterhaltsschuldner befindet sich seit 20.10.1989 im landesgerichtlichen Gefangenenhaus St.Pölten in Untersuchungshaft. Am 29.11.1989 begehrten beide Kinder, vertreten durch deren Mutter, die Gewährung von monatlichen Unterhaltsvorschüssen gemäß § 3 UVG in der Höhe der bestehenden Unterhaltstitel. Die zu E 1820/89 des Erstgerichtes geführte Exekution auf das Arbeitseinkommen des Vaters habe auch unter Anrechnung hereingebrachter Rückstände auf den laufenden Unterhalt diesen für die letzten 6 Monate vor Antragstellung nicht gedeckt. Das Erstgericht gewährte den beiden Kindern antragsgemäß die begehrten Unterhaltsvorschüsse für die Zeit vom 1.11.1989 bis zum 31.10.1990.
Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtlichen Beschlüsse mit dem Ausspruch, daß der Revisionsrekurs zulässig sei, aus nachstehenden Erwägungen:
In den ersten 6 Monaten nach der Inhaftierung des Unterhaltsschuldners habe das Kind, wie sich aus § 7 Abs 2 UVG ergebe, das Wahlrecht zwischen dem Belassen der bisher laufenden Vorschüsse und den Haftvorschüssen. Entschließe sich das Kind, in diesem Zeitraum die Titelvorschüsse zu belassen, so folge daraus zwingend der Ausschluß der Wahrnehmung der Haft im Rahmen des § 7 Abs 1 Z 1 UVG. In diesem Zeitraum könne sich der Unterhaltsschuldner also nicht darauf berufen, daß er aufgrund der Freiheitsentziehung nicht in der Lage sei, seiner bestehenden Unterhaltsverpflichtung nachzukommen. Diese Konstruktion sei auch damit gerechtfertigt worden, daß im allgemeinen mit gewissen Geldreserven des Unterhaltsschuldners gerechnet werden könne. Diese Grundsätze müßten auch für den hier vorliegenden Fall gelten, daß der Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 3 UVG innerhalb der ersten 6 Monate der Freiheitsentziehung gestellt werde. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, einem Kind, das den Unterhaltsvorschuß kurz, bevor dem Unterhaltsschuldner die Freiheit entzogen wird, beantragt, das Wahlrecht zwischen Unterhaltsvorschüssen nach § 3 UVG und solchen nach § 4 Z 3 UVG während der ersten 6 Monate der Haft einzuräumen und einem Kind, das den Antrag erst innerhalb dieses Zeitraumes stellt, dieses Recht zu versagen. Die Prämisse des Gesetzgebers, daß für die ersten 6 Monate der Freiheitsentziehung im allgemeinen Geldreserven vorhanden sind, gelte in beiden Fällen gleich. Das Erstgericht habe daher zu Recht trotz bestehender Untersuchungshaft des Unterhaltsschuldners die Vorschüsse gemäß § 4 (offenbar richtig: § 3) UVG bewilligt. Nach insgesamt mehr als 6-monatiger Haftdauer werde es die Vorschüsse allenfalls von Amts wegen in solche nach § 4 Z 3 UVG umzuwandeln haben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien ist nicht berechtigt.
Das Rekursgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die Unterhaltsvorschüsse nach § 3 UVG beantragt und gewährt worden sind. Solche Vorschüsse sind nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG ganz oder teilweise zu versagen, wenn begründete Bedenken in der Richtung bestehen, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt worden ist. Anhaltspunkte für Bedenken der zweitgenannten Art liegen hier nicht vor. Anhaltspunkte für begründete Bedenken der erstgenannten Art sind aus dem Umstand allein, daß der Unterhaltsschuldner etwa einen Monat vor der Antragstellung nach § 3 UVG in U-Haft genommen worden ist, nicht abzuleiten. Das läßt sich aus § 7 Abs 2 UVG erschließen, wonach der Umstand, daß dem Unterhaltsschuldner die Freiheit im Sinne des § 4 Z 3 UVG entzogen wird, (vor Ablauf von 6 Monaten) keinen Grund für die Versagung der bisher gemäß § 3 (oder § 4 Z 1, 2 oder 4) UVG gewährten Unterhaltsvorschüsse bildet. Diese Regelung hielt der Justizausschuß nämlich nicht nur aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung für geboten, sondern auch bei einer Durchschnittsbetrachtung, wonach im allgemeinen davon ausgegangen werden könne, daß der Unterhaltsschuldner einige Geldmittel angesammelt hat oder angesammelt haben sollte, die ihm für eine gewisse Zeit auch nach dem Entzug der Freiheit die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht ermöglichen sollten, für sachlich gerechtfertigt (395 BlgNR 15.GP 2 f, abgedruckt in Ent-Hopf, UVG ErgBd.23; vgl. auch Knoll, Kommentar zum UVG Rz 37 zu § 7). Bei dieser Sach- und Rechtslage ist in der Unterlassung der Einholung einer Erklärung des Vertreters der Kinder im Sinne des § 11 Abs 2 UVG darüber, ob der Unterhaltsschuldner bei Haftantritt über Geldreserven verfügte, die es ihm ermöglichten, für die Dauer von 6 Monaten seine titelmäßigen Unterhaltsverpflichtungen zu erfüllen, auch ein Verfahrensmangel nicht zu erblicken.
Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E20325European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00546.9.0327.000Dokumentnummer
JJT_19900327_OGH0002_0050OB00546_9000000_000