TE OGH 1990/3/28 3Ob614/89

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Veröffentlicht am 28.03.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Georg K***, Hauseigentümer, Wien 23., Haselbrunnerstraße 8, vertreten durch Dr. Manfred Melzer ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Gülcar S***, Arbeiterin, Wien 20., Hartlgasse 29/19 und 19 a, vertreten durch Dr. Roland Hubinger ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung einer Wohnung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 30.August 1989, GZ 41 R 181/89-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 2.Dezember 1988, GZ 7 C 312/88m-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen vierzehn Tagen die mit 1.977,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 329,60 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger vermietete mit schriftlichem Mietvertrag vom 20. Jänner 1986 der Tochter der Beklagten eine Wohnung in seinem Haus in Wien 20., Hartlgasse 29. Das Mietverhältnis begann am 20. Jänner 1986, wurde für die Dauer eines Jahres, nämlich bis 19. Jänner 1987, abgeschlossen und sollte durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlöschen (Beilage C). Mit schriftlichem Mietvertrag vom 12.Jänner 1987 vermietete der Kläger dieselbe Wohnung der Beklagten, beginnend mit 20.Jänner 1987 für die Dauer eines Jahres, nämlich bis 19.Jänner 1988, wobei wieder vereinbart war, daß das Mietverhältnis mit dem Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlösche (Beilage B).

Der Kläger bestreitet das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes und begehrt von der Beklagten die Räumung der Wohnung, weil das Mietverhältnis wegen Zeitablauf beendet sei und die Beklagte die Wohnung seither titellos benütze.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und beruft sich auf den Umgehungscharakter des zweiten Vertrages. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es traf im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Der erste Mietvertrag kam durch Vermittlung eines Immobilienbüros zustande, welches von der Hausverwaltung des Klägers beauftragt war, Mieter zu suchen, wobei der Auftrag ausdrücklich dahin lautete, daß wegen einer geplanten Generalsanierung nur für ein Jahr befristete Mietverträge zu vermitteln seien. Nach Abschluß des ersten Vertrages zogen außer der Mieterin (Tochter der Beklagten) auch die Beklagte und andere Familienangehörige von der früheren Wohnung in Wien 20., Pazmanitengasse 14/2/5, in die gemietete Wohnung. In der früheren Wohnung verblieb hingegen ein Sohn der Beklagten.

Mit Schreiben vom 24.November 1986 wurde die Mieterin des ersten Mietvertrages auf den baldigen Ablauf des Mietverhältnisses hingewiesen. Sie sprach daraufhin beim Immobilienbüro vor und erkundigte sich wegen einer Verlängerung. Eine solche wurde abgelehnt. Die Angestellte des Immobilienbüros machte ihr aber den Vorschlag, daß mit einem ihrer Elternteile ein neuer, abermals befristeter Vertrag abgeschlossen werden könne. In der Folge begaben sich die Beklagte und ihre Tochter gemeinsam zu dem Immobilienbüro, und es wurde der zweite Mietvertrag ausgefüllt. Die Beklagte nannte dabei als ihre Adresse die Wohnung in der Pazmanitengasse, welche Adresse im Mietvertrag vermerkt wurde. Die Unterfertigung des zweiten Mietvertrages erfolgte bei der Hausverwaltung, wo der Beklagten nochmals dargelegt wurde, daß der Vertrag nur auf ein Jahr abgeschlossen werden könne, ohne daß ihr hiefür Gründe genannt wurden. Der Erstmieterin wurde die erlegte Kaution zurückgezahlt. Auf Grund dieses Sachverhaltes war das Erstgericht der Ansicht, daß kein ungültiger Kettenmietvertrag vorliege, weil der zweite Mietvertrag mit einer anderen Partei abgeschlossen worden sei. Selbst eine auf seiten der klagenden Partei vorhandene Umgehungsabsicht könnte nicht schaden; im übrigen habe aber die klagende Partei triftige Gründe für den Abschluß befristeter Mietverträge gehabt.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde, und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, gelangte aber zu einer anderen rechtlichen Beurteilung: Mangels anderen Vorbringens sei davon auszugehen, daß über die strittige Wohnung im Sinne des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG nur Zeitverträge bis zur Dauer eines Jahres wirksam seien. Die Zeiten wirtschaftlich als Einheit zu betrachtender Verträge seien aber zusammenzurechnen, um eine Umgehung zu verhindern. Im vorliegenden Fall sei die erste Mieterin in der Wohnung geblieben und der zweite Mietvertrag sei mit einem Familienangehörigen abgeschlossen worden, der die strittige Wohnung gleichfalls schon bewohnt habe. Das Verhalten des Immobilienbüros sei der Hausverwaltung und damit der klagenden Partei zuzurechnen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG wird ein Hauptmietvertrag über eine Wohnung durch Zeitablauf aufgelöst, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt. Diese Bestimmung kann nicht dadurch umgangen werden, daß statt einer Mietvertragsverlängerung ein neuer Mietvertrag im Sinne eines Kettenmietvertrages abgeschlossen wird. Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß einem solchen Kettenmietvertrag auch ähnliche Umgehungsversuche einer Unterlaufung des Mietrechtsgesetzes gleichzustellen sind. So liegt gerade auch der vorliegende Fall, in dem der neue Mietvertrag mit einem bisherigen Hausgenossen des alten Mieters abgeschlossen wird, sodaß der alte Mieter nicht räumen muß, sondern mit seinem bisherigen Hausgenossen nur die Rollen tauscht und der bisherige Hausgenosse neuer Mieter und der alte Mieter Hausgenosse des neuen Mieters wurde (Beispiele bei Bernat und Derbolav, jeweils in Korinek-Krejci, HbzMRG 113 und 434, ähnlich Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 6 zu § 29 MRG).

Es fehlt zwar im vorliegenden Fall an Anhaltspunkten dafür, daß der zweite Mietvertrag ein Scheinvertrag war, der nur geschlossen wurde, um das wirklich beabsichtigte Geschäft, nämlich die Verlängerung des ersten Mietvertrages, zu verschleiern. Die Parteien wählten aber den Umweg, dasselbe wirtschaftliche Ergebnis durch den Abschluß eines zweiten Mietvertrages mit einem anderen als Mieter eingesetzten Mitglied der Familie des ersten Mieters zu erreichen (zum Unterschied von Scheingeschäften und Umgehungsgeschäften ausführlich Gschnitzer, Allgemeiner Teil 169; SZ 60/158). In einem solchen Fall ist zwar ein Umgehungsgeschäft nicht, wie dies früher verschiedentlich vertreten wurde, schlechthin und immer nichtig; es ist aber derjenigen Rechtsnorm zu unterwerfen, die für das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft anzuwenden ist (EvBl 1988/10; 7 Ob 602/89). Im vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die zweite Mieterin so zu behandeln ist, als stelle der mit ihr abgeschlossene Mietvertrag nur eine Verlängerung des schon bestehenden Mietverhältnisses um ein Jahr dar, sodaß wegen Überschreitung der Frist des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG der Mietvertrag nicht schon durch bloßen Zeitablauf aufgelöst wurde.

Auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Parteien kommt es in der Regel nicht an. Es genügt, daß das Umgehungsgeschäft objektiv den Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt (Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 40 zu § 879, JBl 1988, 250; WoBl 1989/77 ua). Uneingeschränkt gilt dies freilich nur dann, wenn der Zweck der umgangenen Norm wie etwa bei den Grundverkehrsgesetzen präzise faßbar ist (Bydlinski, Die Risikohaftung des Arbeitgebers, 104, FN 141, mit differenzierender Abschwächung seines früheren Standpunkts über die Bedeutungslosigkeit einer Umgehungsabsicht in Klang2 IV/2, 481 FN 330). Da Zeitmietverträge nicht schlechthin verboten sind, kann in Fällen der vorliegenden Art auf die Kenntnis jener Tatumstände, die objektiv die Gesetzesumgehung bewirken, nicht verzichtet werden.

Zutreffend hat das Berufungsgericht aber das Verhalten und Wissen des Vermittlers der klagenden Partei zugerechnet. Der Vermittler hatte zwar keine Abschlußvollmacht, er führte aber mit Billigung der klagenden Partei (bzw ihres Verwalters) einen Teil der Vertragsverhandlungen und nahm vor allem das Ausfüllen des vorgesehenen Mietvertragsformulars vor, war also bei der Gestaltung des Vertrages für die klagende Partei tätig.

Ein Vermittler, der bei einer solchen vorbereitenden Tätigkeit einen Irrtum veranlaßt, ist kein Dritter iSd § 875 ABGB, sondern ein von ihm bewirkter Irrtum wäre dem Geschäftsherrn wie ein von diesem selbst veranlaßter zuzurechnen (MietSlg 38.070). Ähnlich müßte ein Geschäftsherr für die Verletzung vorvertraglicher Pflichten ua iSd § 1313 a ABGB bei Verschulden des von ihm herangezogenen Vermittlers einstehen (vgl JBl 1986, 177). Auf derselben Linie liegt die Annahme einer Passiv-Vertretung nach redlicher Verkehrsauffassung bei Verwendung von Angestellten oder Mittelspersonen (Schilcher in Krejci, KSchG-Handbuch 437 mwN). Der Grundgedanke dieser Haftungen liegt darin, daß die einem Vertragspartner zustehenden Rechtsbehelfe vom anderen Vertragspartner nicht dadurch entzogen werden können, daß er sich zu seinem Vorteile eines Gehilfen bedient, sodaß nur mehr dieser die dem anderen Teil nachteiligen Handlungen setzen kann (dazu ausführlich Iro, JBl 1982, 470 und 510). Dem ABGB kann der natürliche Rechtsgrundsatz entnommen werden, daß immer dann, wenn der Einsatz von Gehilfen eine Verschlechterung der vom Gesetzgeber iS eines gerechten Interessenausgleiches vorgesehenen Rechtsposition Dritter mit sich bringen würde, der Geschäftsherr sich das Verhalten des Gehilfen wie sein eigenes zurechnen lassen muß (Iro aaO 514). Zumindest muß dies dann gelten, wenn das Verhalten des Gehilfen zu dem ihm vom Geschäftsherrn übertragenen Aufgabenbereich gehört und der Dritte seine vom Gesetz eingeräumten Rechte nicht wirksam auch gegen den Gehilfen geltend machen kann (Iro aaO 519). Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei den Abschluß von Mietverträgen ihrem Hausverwalter übertragen. Sie hat nie geltend gemacht, daß der Hausverwalter diese Aufgabe nicht teilweise weiterübertragen konnte. Soweit daher der Hausverwalter den Immobilienmakler nicht nur zur Vermittlung eines Mieters heranzog, sondern ihm auch die zur Ausfüllung des Mietvertragsformulars führenden ersten Vertragsgespräche überließ, war dies der klagenden Partei ebenso zuzurechnen wie die Tätigkeit des Hausverwalters selbst.

Der Vorschlag, die Dauer des ersten Mietvertrages praktisch dadurch zu "verlängern", daß ein zweiter Mietvertrag von einem Familienangehörigen des ersten Mieters abgeschlossen werde, kam nach den getroffenen Feststellungen vom Immobilienmakler. Diesem wie auch dem Hausverwalter war erkennbar, daß alter und neuer Mieter gemeinsam auftraten (Schlüsselübergabe, Kautionsaustausch). Die den wahren Sachverhalt verschleiernde Eintragung einer unrichtigen Voradresse kam im Immobilienbüro zustande. Dort erfolgte auch die ebenfalls irreführende Vertauschung von Vor- und Zuname ("Herr Zülfiyc S***" im ersten Mietvertrag, obwohl es sich um eine Mieterin handelte, und "Frau Sahin G***" im zweiten Mietvertrag). Alle diese Fakten sind so zu behandeln, wie wenn sie der klagenden Partei selbst bekannt gewesen wären. Wenn die klagende Partei trotz Kenntnis dieser Umstände den zweiten Mietvertrag abschloß, steht die Gesetzesumgehung objektiv fest.

Das Einstehenmüssen für das Verhalten des Immobilienmaklers in dem oben umschriebenen engen Umfange erscheint auch sachgerecht, weil sonst die dem Gesetz unerwünschte Umgehung der Bestimmungen über den Kündigungsschutz zu sehr erleichtert würde. Dem Vermieter, der sich zum Zwecke der Bewirkung eines Umgehungsgeschäftes der hier festgestellten Art eines Vermittlers bedient, wäre selten nachweisbar, daß er von dem Umgehungscharakter des Mietvertrages Kenntnis hatte. Für den Fall aber, als dem Vermieter eine Umgehungsabsicht tatsächlich fehlte, stellt sein Schadenersatzanspruch gegen den unredlichen Vermittler einen ausreichenden Schutz dar. Dem Mieter soll aber auch in einem solchen Fall das Recht zustehen, sich auf den Umgehungscharakter des strittigen Mietverhältnisses zu berufen. Wegen der für den Mieter hier im allgemeinen gegebenen Zwangslage schadet es auch nicht, wenn er selbst den Charakter des Umgehungsgeschäftes erkannte, was im vorliegenden Fall überdies nicht feststeht, weil ausländische Mieter die Bestimmungen des österreichischen Rechts über Zeitmietverträge nicht kennen müssen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E20264

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00614.89.0328.000

Dokumentnummer

JJT_19900328_OGH0002_0030OB00614_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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