Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paul F***, Holzgroßhändler, Bahnhofstraße 1, 3300 Amstetten, vertreten durch Dr.Stefan Gloß und Dr.Hans Pucher, Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagte Partei W*** Gesellschaft mbH, Preßholzwerk, Bahnhofstraße 11, 4843 Ampfelwang, vertreten durch Dr.Thomas Wanek, Rechtsanwalt in Perchtoldsdorf, wegen S 630.696 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 21. November 1989, GZ 4 R 142/89-31, womit das Urteil des Kreis- als Handelsgerichtes Wels vom 21.Februar 1989, GZ 3 Cg 416/87-25, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 72.056 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 8.675 S Umsatzsteuer und 20.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei betreibt ein Preßholzwerk. Sie bestellte am 14.1.1986 beim Kläger 6.600 Raummeter (rm) Schleifholz, das in monatlichen Teilmengen von 550 rm geliefert werden sollte. In den ersten drei Monaten 1986 lieferte der Kläger die vereinbarten Holzmengen aus; weitere Holzlieferungen wurden von der beklagten Partei jedoch nicht mehr angenommen.
Der Kläger begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zum Ersatz seines schließlich mit 630.696 S sA bezifferten Verdienstentganges, weil diese durch die Annahmeverweigerung ihre Vertragspflichten verletzt habe; hiedurch sei ihm ein Schaden von S 132/rm, bezogen auf die vereinbarte, aber nicht ausgelieferte restliche Holzmenge, erwachsen.
Die beklagte Partei bestritt nicht nur die Richtigkeit der Schadensberechnung, sondern wendete dem Grunde nach ein, der Kläger habe sich nicht an die vereinbarten Lieferzeiten gehalten und dadurch eine Kontrolle von Holzmenge und -qualität erschwert oder gar verhindert. Einer der beiden Geschäftsführer der beklagten Partei habe den Kläger bei einem Gespräch mit einem ihrer Mitarbeiter in einer Situation angetroffen, die die Annahme eines Bestechungsversuches gerechtfertigt habe. Nach Ausschaltung des Klägers als Holzlieferant sei der rechnerische Holzeinsatz trotz geringfügiger Produktionssteigerung und gleichbleibender Herstellungsmethode deutlich zurückgegangen.
Im Zuge des Verfahrens berief sich die beklagte Partei auch auf die §§ 48 Abs 2 und 50 Abs 1 der Österreichischen Holzhandelsusancen (ÖHHU) 1973 und brachte hiezu vor, der Kläger habe es verabsäumt, den von ihm behaupteten Vertragsbruch der beklagten Partei schriftlich festzustellen und für die Annahme weiterer Holzlieferungen eine Nachfrist zu setzen, so daß das Geschäft als einverständlich aufgelöst anzusehen sei.
Darauf replizierte der Kläger, die ÖHHU seien durch die beiderseits anerkannten Liefer- und Zahlungsbedingungen der beklagten Partei abbedungen worden; außerdem gehe der Geschäftsbetrieb des Klägers nach Art und Umfang nicht über den eines Kleingewerbes hinaus.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte - soweit für die Erledigung des Rekurses von Bedeutung - fest:
Zwischen den Streitteilen bestand eine schon jahrelange Geschäftsverbindung. Der Kläger war bereits 1985 mehrmals wegen verspäteter Holzanlieferung - nach Einbruch der Dunkelheit - beanstandet worden. Auf solche Beanstandungen hatte er jeweils zugesichert, er werde sich an die abgemachte Anlieferungszeit (6 bis 14 Uhr) halten. Die verspäteten Anlieferungen rechtfertigte er mit widrigen Verkehrs- und Witterungsverhältnissen.
Eines Tages im März oder April 1986 erfolgte die Holzlieferung dennoch wieder erst gegen 20 Uhr. Dem Kläger wurde die Übernahme des Holzes auf dem Lieferschein zwar bestätigt, doch erklärte der bei der Holzlieferung anwesende Geschäftsführer der beklagten Partei, daß der Kläger "das Haus" - also die Geschäftsräumlichkeiten der beklagten Partei - nicht mehr zu betreten habe und keine weiteren Lieferungen mehr erbringen dürfe. Der zweite Geschäftsführer der beklagten Partei wurde am nächsten Tag angewiesen, vom Kläger keine Holzlieferungen mehr zu übernehmen. Im Verlaufe des Jahres 1986 fragte der Kläger drei- oder viermal fernmündlich und einmal auch persönlich beim zweiten Geschäftsführer der beklagten Partei an, ob er wieder liefern könne, doch lehnte dieser jedes mal ab. Mit Schreiben vom 13.1.1987 kündigte der Kläger an, er werde Schadenersatzansprüche erheben, falls die Angelegenheit nicht binnen 14 Tagen geregelt werde. Darauf entgegnete die beklagte Partei mit Schreiben vom 21.1.1987, sie könne von ihm kein Holz mehr beziehen. Rechtlich meinte das Erstgericht, Handelsbräuchen sei vertragsergänzende Geltung zuzubilligen, selbst wenn sie die Vertragspartner gar nicht kennen sollten und dispositiv-gesetzliche Regelungen die Vertragslücken schließen könnten. Der Kläger wäre deshalb verpflichtet gewesen, den Vertragsbruch der beklagten Partei gemäß den §§ 48 Abs 2 und 49 Abs 2 ÖHHU frist- und formgerecht festzustellen, um den geltend gemachten Schadenersatzanspruch zu wahren. Da er dies nicht getan habe, gelte das Geschäft als einverständlich aufgelöst.
Das Gericht zweiter Instanz hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte aus, Vereinbarungen, wie bei Annahmeverweigerung zu verfahren sei, seien nicht abgeschlossen worden. Der Kläger räume selbst ein, er habe mit den von ihm gegen die Geltung der ÖHHU ins Treffen geführten Liefer- und Zahlungsbedingungen der beklagten Partei jene Vertragsmodalitäten gemeint, die in der vorliegenden Korrespondenz angesprochen gewesen seien. Die Streitteile hätten nach den erstinstanzlichen Feststellungen keine Vereinbarungen getroffen, die die Anwendung der "gewohnheitsrechtlichen Rechtsfolgenregelung" bei Vertragsbruch (§§ 48 ff ÖHHU) im Sinne des § 1 Abs 4 ÖHHU ausschließen würde. Soweit der Kläger seine Vollkaufmannseigenschaft und die Geltung der ÖHHU für seine Person deshalb bestreite, genüge der Hinweis, daß die im § 346 HGB vorgesehene Rezeption des "handelsrechtlichen Gewohnheitsrechtes" auch für Minderkaufleute gelte. Daß Handelsbräuche dispositive Gesetzesvorschriften verdrängten und auch dann anzuwenden seien, wenn sie keiner der Geschäftspartner kenne, habe das Erstgericht zutreffend bejaht. Es sei lediglich zuzugeben, daß gewichtige Lehrmeinungen (zB Kramer in Straube, HGB, § 346 Rz 17 mwN) dem Vorrang dispositiven Gesetzesrecht das Wort redeten, passe sich der Handelsbrauch nicht harmonisch in das Wertungsgefüge des konkreten Vertrages ein. Dieser Meinungsstreit könne indessen auf sich beruhen, weil auch die Anwendung der ÖHHU dem Standpunkt des Klägers Rechnung trage. Bänden diese Usancen die Streitteile, gelte auch § 1 Abs 2 dieser Usancen. Danach träten die an die Nichteinhaltung bestimmter formaler Vorschriften geknüpften Rechtsfolgen dann nicht ein, wenn deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstoße und der mit ihnen verbundene Zweck erkennbar - wenngleich in anderer als der vorgeschriebenen Weise - erreicht worden sei. Darauf habe sich der Kläger zwar nicht ausdrücklich berufen, doch sei von der Bestreitung der Anwendbarkeit der §§ 48 ff ÖHHU auch dieser Einwand mitumfaßt. Das Beharren der beklagten Partei "auf dem Formalismus des § 48 Abs 2 ÖHHU" verstoße gegen Treu und Glauben. Es sei davon auszugehen, daß sie von dem zu ihren Gunsten angewendeten Handelsbrauch gar keine Kenntnis gehabt habe. Das begründe zwar für sich noch nicht den Vorwurf treuwidrigen Verhaltens, doch träten gewichtige Umstände hinzu. Es falle schon die Beurteilung schwer, wer von den Streitteilen überhaupt vertragsbrüchig geworden sei. Die Bestimmungen der §§ 48 ff ÖHHU seien auf den Fall zugeschnitten, daß der eine Teil mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten in Verzug gerate und der andere vertragstreu handle. Nun möge der Kläger zwar gegen die Verpflichtung, wegen der notwendigen Qualitäts- und Mengenkontrolle bis 14 Uhr zu liefern, verstoßen haben, es sei nach den erstgerichtlichen Feststellungen aber auch die beklagte Partei insofern vertragsbrüchig geworden, als sie die keineswegs erwiesene Vermutung unrichtiger Mengenangaben des Klägers zum Anlaß genommen habe, ihm für alle Zukunft "Hausverbot" zu erteilen. In dieser Verstrickung beiderseitiger Vertragsbrüche wäre auch die beklagte Partei gemäß § 48 Abs 2 ÖHHU verpflichtet gewesen, auf die Nichteinhaltung der vereinbarten Lieferzeit schriftlich hinzuweisen, um sich das Recht zum Vertragsrücktritt zu wahren. Im Sinne der ÖHHU sei jeder Verstoß gegen eine Vertragsbestimmung zu verstehen, der die Erfüllung verhindere. Die dem Kläger vorgeworfene verspätete Lieferung falle ebenso darunter wie die Annahmeverweigerung durch die beklagte Partei. Erschwerend komme hinzu, daß die beklagte Partei jede einzelne verspätete Teillieferung gesondert hätte feststellen müssen. Bei Sukzessivlieferungen bedeute die einverständliche Auflösung in bezug auf einzelne Teillieferungen nicht, daß deshalb auch weitere Teillieferungen storniert würden. Damit habe die beklagte Partei eben dieselben Versäumnisse begangen, die sie jetzt dem Kläger gegenüber zum Anlaß nehme, "die Geltendmachung seines Nichterfüllungsschadens wegen der Verletzung von Formvorschriften der ÖHHU zu verhindern". Dem stehe § 1 Abs 2 ÖHHU entgegen. Das Erstgericht werde deshalb noch zumindest zur Höhe der geltend gemachten Schadenersatzansprüche Beweise aufnehmen müssen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der beklagten Partei ist berechtigt.
Sie strebt die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes, das die geltend gemachten Schadenersatzansprüche in Anwendung der §§ 48 ff ÖHHU verneint hat, an. Der Kläger hat in erster Instanz auf die darauf abzielende Einwendung der beklagten Partei (ON 21, S 1 f = AS 73 f) lediglich repliziert, die ÖHHU gälten gemäß ihrem § 1 Abs 4 deshalb nicht, weil die Liefer- und Zahlungsbedingungen von der beklagten Partei "vorgegeben" worden seien und der Kläger überdies kein Vollkaufmann sei. Diesen Standpunkt hat er in der Beweisrüge seiner Berufung noch näher ausgeführt.
Auf die Replik der mangelnden Vollkaufmannseigenschaft des Klägers hat schon das Gericht zweiter Instanz zutreffend erwidert, die Handelsbräuche bänden auch jene Kaufleute, deren Gewerbebetrieb nicht über den Umfang des Kleingewerbes hinausgehe, weil sie vom (persönlichen) Geltungsbereich der Handelsbräuche weder im § 4 noch an anderer Stelle des Handelsgesetzbuches ausgenommen würden. Im übrigen ist die Frage, ob ein Handelsbrauch besteht, Tatfrage (RdW 1985, 370 uva; Kramer, aaO, Rz 30). Das Erstgericht hat festgestellt, daß die ÖHHU als Handelsbrauch Holzlieferungsverträgen zwischen Holzhändlern und deren Abnehmern stillschweigend zugrundegelegt werden. Diese Feststellung bekämpfte der Kläger in seiner Berufung in Wahrheit nicht. Er führte - wenngleich fälschlich mit der Beweisrüge - wie schon in erster Instanz gegen die Anwendung dieser Usancen allein ins Treffen, sie seien durch die in den Vertrag einbezogenen Liefer- und Zahlungsbedingungen - richtig wohl Einkaufsbedingungen - der beklagten Partei im Sinne ihres § 1 Abs 4 verdrängt worden. Diesen Ausführungen ist aber schon deshalb der Boden entzogen, weil das Erstgericht den Inhalt der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen - auch nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Streitteile in der mündlichen Berufungsverhandlung - vollständig festgestellt hat und in den Vereinbarungen auf solche - vor allem mit den ÖHHU in Widerspruch stehenden - "Liefer- und Zahlungsbedingungen" der beklagten Partei gar nicht Bezug genommen wurde. Nach den - somit unbekämpft gebliebenen - Feststellungen des Erstgerichtes ist daher von den ÖHHU als für "alle Geschäfte in Holz aller Art" (vgl § 1 Abs 1) und damit auch für den mit Schreiben vom 14.1.1986 festgehaltenen Holzlieferungsvertrag zwischen den Streitteilen geltenden Handelsbrauch auszugehen, der unter Kaufleuten - wie den Streitteilen - für deren beiderseitige Handelsgeschäfte und sonstigen Betriebsvorkommnisse selbst dann gilt, wenn er ihnen zwar unbekannt und von ihnen deshalb gar nicht gewollt war, jedoch von ihnen keine abweichende - ausdrückliche oder
schlüssige - Parteienabrede getroffen wurde (JBl 1984, 383 uva; Holzhammer, Handelsrecht2, I, 73; Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3, I, 51 f; Kramer, aaO, Rz 14).
Gegen diese Auffassung wird von einem Teil der Lehre (Rummel in Rummel2, ABGB, § 914 Rz 22; Kramer, aaO, Rz 17) eingewendet, ergänzende Auslegung komme nur bei Vorliegen einer Lücke des Vertrages selbst unter Einschluß des dispositiven Rechtes in Betracht; im allgemeinen sei daher dem dispositiven Recht vor dem Handelsbrauch und der Verkehrssitte der Vorrang einzuräumen. Nur wenn die Anwendung des dispositiven Rechtes im Einzelfall zu wertungsmäßig unbefriedengenden Ergebnissen führte und sich der Handelsbrauch harmonisch in das Wertgefüge des konkreten Vertrages einpasse, sei von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen. Diese Einwände bedürfen im vorliegenden Fall jedoch keiner abschließenden Erörterung. Schon der Zweck der Regelung der §§ 48 ff ÖHHU, die die Verzugsfolgen der §§ 918 ff ABGB in Wahrheit überwiegend bloß ergänzen, bei Leistungsstörungen unverzüglich Klarheit zu schaffen, ob der vertragstreue Teil dennoch am Vertrag festhalten oder von ihm abgehen will, gebietet deren Einbeziehung in den Holzlieferungsvertrag. Beim Holzhandel sind rasche Dispositionen schon deshalb erforderlich, weil die Qualität des Holzes bei längerer Lagerung sehr stark leiden kann (vgl Sachverständiger, ON 21, S 4 = AS 76). Bei Untätigkeit des vertragstreuen Teiles entscheiden sich die Usancen demgemäß für die Vertragsauflösung und beschränken die Vertragsteile dann auf deren Rückabwicklungsansprüche (vgl § 50 Abs 1 ÖHHU). Diese Lösung ist sachgerecht und paßt die gesetzlichen Verzugsfolgen den Besonderheiten der Holzlieferungsverträge an. Jedenfalls die §§ 48 ff ÖHHU sind somit auch dann in Holzlieferungsverträge einbezogen, selbst wenn die Vertragsteile bei Abschluß des Vertrages an sie gar nicht gedacht haben.
Gemäß § 48 ÖHHU hat der vertragstreue Teil den Vertragsbruch spätestens am siebenten Werktag danach dem Vertragspartner gegenüber durch eingeschriebene briefliche, telegraphische oder fernschriftliche Anzeige festzustellen und - abgesehen bei Fixgeschäften - eine angemessene, jedoch nicht längere als vierwöchige Nachfrist zu erteilen. Bei Unterlassung dieser Anzeige gilt das Vertragsverhältnis als vom Erfüllungstag an gerechnet stillschweigend um vier Wochen verlängert. Ist der Vertrag nach wie vor nicht erfüllt worden, muß der vertragstreue Teil nach Ablauf der derart verlängerten Erfüllungsfrist ebenso vorgehen wie beim Ablauf der ursprünglichen Erfüllungsfrist, nur bedarf es naturgemäß keiner Nachfrist mehr (§ 49 ÖHHU). Wurde nicht spätestens am siebenten Werktag nach Ablauf der Prolongationsfrist der Vertragsbruch usancengemäß festgestellt, gilt das Geschäft als einverständlich aufgelöst und auch der vertragstreue Teil bleibt dann auf die Rückabwicklungsansprüche beschränkt (§ 50 Abs 1 ÖHHU). Nur bei rechtzeitiger Feststellung des Vertragsbruches stehen dem vertragstreuen Teil nach seiner Wahl die im § 51 Abs 1 ÖHHU aufgezählten Ansprüche, darunter auch (lit e) - so wie hier vom Kläger geltend gemacht - auf Ersatz seines konkret berechneten Schadens zu.
Als Vertragsbruch im Sinne der ÖHHU ist jeder Verstoß gegen eine Vertragsbestimmung, der die Erfüllung verhindert, anzusehen. Zu den wichtigsten Fällen des Vertragsbruches zählt auch die Nichtabnahme (Neuteufel in ÖJZ 1976, 146). Ein solcher Vertragsbruch, der sich zudem auf alle noch ausständigen Lieferungen erstreckte, war zweifelsohne das vom Geschäftsführer der beklagten Partei ausgesprochene Verbot, das Haus zu betreten und weiter Lieferungen zu erbringen, zumal auch deren zweiter Geschäftsführer stets ablehnte, wenn ihn der Kläger trotz des dezidierten Hausverbotes anging, "ob er wiederum liefern könne" (ON 25, S 10 = AS 98). Erst mit Schreiben vom 13.1.1987 forderte der Kläger die beklagte Partei mit dem Bemerken, ihm sei mit der Hinauszögerung der Abnahmeverpflichtung ein beträchtlicher Schaden erwachsen, auf, innerhalb von 14 Tagen Vorschläge für die Regelung der Angelegenheit zu unterbreiten.
Selbst wenn man, da an Form und Inhalt der zwecks Feststellung des Vertragsbruches an den andern Teil zu richtenden Anzeige keine besonderen Anforderungen zu stellen sind (vgl Neuteufel, aaO), das Schreiben vom 13.1.1987 als solche anspruchwahrende Anzeige des Klägers ansehen wollte, kann es nicht zweifelhaft sein, daß damit die in den ÖHHU vorgesehenen Fristen nicht eingehalten wurden. Das muß, obgleich der am 14.1.1986 schriftlich bestätigte Holzlieferungsvertrag eine Sukzessivlieferungsvereinbarung ist, der Vertragsbruch an sich bei jeder einzelnen Teillieferung gesondert festgestellt werden (§ 53 ÖHHU; Neuteufel, aaO, 147), und daher der Kläger mit seinem Schreiben vom 13.1.1987 für die beiden letzten Teillieferungen die anspruchswahrenden Fristen der Usancen an sich eingehalten haben könnte, auch für diese Teillieferungen gelten. Da der Geschäftsführer der beklagten Partei anläßlich der letztmalig ausgeführten Teillieferung die Abnahme aller weiteren Holzlieferungen unmißverständlich für alle Zukunft untersagt und den Kläger darüber hinaus mit einem Hausverbot belegt hatte, mußte sich dieser klar sein, daß die beklagte Partei damit das gesamte Vertragsverhältnis und überhaupt die Geschäftsverbindung mit ihm ein für allemal beenden wollte. Er konnte daher mit einer - nicht durch rechtliche Schritte erzwungenen - Fortsetzung des Vertragsverhältnisses schon damals nicht mehr rechnen. Der Vertragsbruch der beklagten Partei erstreckte sich demnach im Hinblick auf die eindeutigen Erklärungen ihres Geschäftsführers auf alle noch ausständigen Lieferungen, so daß er vom Kläger schon damals hätte festgestellt werden müssen, um die in den Usancen wahlweise vorgesehenen Ansprüche zu wahren.
Das Berufungsgericht hat den Eintritt der an die Säumnis geknüpften Rechtsfolgen der §§ 48 ff ÖHHU verneint, weil das Beharren der beklagten Partei auf diesem "Formalismus" gemäß § 1 Abs 2 ÖHHU gegen Treu und Glauben verstieße. Nach dieser Bestimmung treten die an die Nichteinhaltung bestimmter formaler Vorschriften geknüpften Rechtsfolgen dann nicht ein, wenn ihre Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt und der mit ihnen verbundene Zweck erkennbar - wenngleich in einer anderen als der vorgeschriebenen Weise - erreicht wurde. Auf diese Bestimmung hat sich der Kläger in erster Instanz aber überhaupt nicht berufen, sondern deren Geltung bloß mit der - unbewiesen gebliebenen - Behauptung bestritten, die Usancen seien durch die Liefer- und Zahlungsbedingungen der beklagten Partei verdrängt worden. Das Gericht zweiter Instanz rechtfertigte denn auch die Prüfung der Klagsansprüche unter diesem Gesichtspunkt bloß damit, die Bestreitung der Anwendbarkeit der §§ 48 ff ÖHHU decke auch diesen Einwand, übersah dabei jedoch, daß die Bestreitung auf ganz bestimmte Gründe gestützt worden war. Es ist herrschende Auffassung, daß Sittenwidrigkeit nur über Einrede wahrzunehmen ist, wenngleich es genügt, daß die Parteien Umstände geltend machen, die die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung begründen können (vgl die Nachweise bei Krejci in Rummel2, aaO, § 879 Rz 248). Gleiches muß wohl auch für die Einwendung treuwidrigen Verhaltens des Vertragspartners gelten. Der Kläger hat in dieser Richtung jedoch keinerlei Behauptungen aufgestellt, die auch nur der Sache nach als solcher Vorwurf aufgefaßt werden könnten.
Der berufungsgerichtlichen Argumentation kann aber auch sonst nicht beigepflichtet werden. Ob und inwieweit das Beharren auf Formmängeln sittenwidrig ist, hängt vorzüglich vom Zweck des Formgebotes ab (Krejci, aaO, Rz 141). Nichts anderes kann gelten, wenn jener Teil, dem der Formverstoß zum Nachteil gereicht, dem anderen damit Handeln wider Treu und Glauben vorwirft. Wie schon erwähnt, ist es Zielsetzung der §§ 48 ff ÖHHU, bei Leistungsstörungen unverzüglich klarzustellen, ob der vertragstreue Teil am Vertrag festhalten oder von ihm abgehen will. Das ist schon wegen der im Holzhandel unbedingt notwendigen raschen Dispositionen erforderlich. Durch die Bindung an gewisse Förmlichkeiten soll - wie auch sonst - Beweisschwierigkeiten vorgebeugt werden. Lehnte die beklagte Partei aus einem - vermeintlich - wichtigen Grund jede weiter Holzübernahme vom Kläger ab, so mußte sie schon zur Aufrechterhaltung ihres Betriebes rasch anderweitige Einkaufsdispositionen treffen. Schon deshalb kann der beklagten Partei ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Klarstellung der weiteren Haltung des Klägers - Fortsetzung oder Beendigung des Vertragsverhältnisses - nicht abgesprochen werden, um nicht letztlich mit mehrfachen Lieferungen (aufgrund des Vertrages und des Deckungsgeschäftes) konfrontiert zu sein. Daran kann auch der Umstand, daß der beklagten Partei die Usancenregelung - möglicherweise - im fraglichen Zeitpunkt nicht bekannt war, nichts ändern.
Dem Berufungsgericht kann auch darin nicht beigepflichtet werden, daß keiner der Vertragsteile als vertragstreu im Sinne der Usancen angesehen werden könne. Wohl hat das Erstgericht festgestellt, daß der Kläger einige Male außerhalb der vereinbarten Tageszeit geliefert habe. In allen Fällen (und auch im Anlaßfall) wäre es der beklagten Partei aber unbenommen geblieben, die Leistung zurückzuweisen und den Kläger auf die vereinbarte Lieferzeit zu verweisen. Sie hat aber die außerhalb der vereinbarten Tageszeit angebotene Lieferung in allen Fällen angenommen und kann sich deshalb auf dieses an sich vertragswidrige Verhalten des Klägers nicht mehr weiter berufen, weil dessen Leistungsverzug mit der Übernahme beendet wurde (vgl Schumacher in Straube, aaO, § 358 Rz 6). Die behauptete Bestechung des Mitarbeiters der beklagten Partei, der die Lieferung übernommen hatte, ist nicht erwiesen. Ein wichtiger Grund zur sofortigen Auflösung des Vertragsverhältnisses kann der beklagten Partei somit nicht zugebilligt werden. Mangels frist- bzw formgerechter Feststellung des Vertragsbruches durch den Kläger ist das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen aufgelöst worden. Der Kläger bleibt deshalb auf Rückabwicklungsansprüche beschränkt (§ 50 Abs 1 ÖHHU). Solche hat er nicht geltend gemacht. Da sich die beklagte Partei in rechtlich zulässiger Weise auf den durch die Mißachtung der usancenmäßigen Förmlichkeiten eingetretenen Rechtsverlust des Klägers berufen hat, war das Urteil des Erstgerichtes, das das Klagebegehren deshalb abgewiesen hatte, in Stattgebung des Rekurses der beklagten Partei wiederherzustellen (§ 519 Abs 2 zweiter Satz aF ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E20692European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00546.9.0329.000Dokumentnummer
JJT_19900329_OGH0002_0060OB00546_9000000_000