Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Siegfried H*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer weiteren strafbaren Handlung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung sowie über diese Rechtsmittel (selbst) gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 4.Oktober 1989, GZ 16 Vr 40/88-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Angeklagten wird wider die Versäumung der Frist zur Ausführung der Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes St.PÖlten als Schöffengericht vom 4.Oktober 1989, GZ 16 Vr 40/88-38, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Nach dem unbedenklichen - durch die gerichtliche Vernehmung (ON 43) der Margarete H*** bestätigten - Vorbringen seines Verteidigers sind die im Spruch bezeichneten Rechtsmittel des Wiedereinsetzungswerbers deswegen verspätet ausgeführt worden, weil die zuvor genannte Kanzleileiterin seines Rechtsvertreters, die sich bis dahin in mehrjähriger Tätigkeit als stets verläßliche Kanzleikraft erwiesen hatte, den bereits unterschriebenen Schriftsatz in der "Fixmappe" am 10.Jänner 1990, dem letzten Tag der Rechtsmittelausführungsfrist, versehentlich liegen ließ, sodaß die Rechtsmittelschrift erst am nächsten Tag zur Post gegeben wurde. Da in diesem Versehen der ansonsten verläßlichen Kanzleikraft ein für den Angeklagten unabwendbarer Umstand lag, der es ihm ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich machte, die Frist einzuhalten, wobei auch die übrigen Voraussetzungen des § 364 Abs 1 StPO gegeben sind, war die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelausführungsfristen zu bewilligen.
Demnach war sogleich in die Hauptsache einzugehen (§ 364 Abs 2 letzter Satz StPO).
Mit dem im Spruch bezeichneten Urteil wurde der nunmehr 30jährige Siegfried H*** (I.) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und (II.) des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt.
Darnach hat er den bestehenden Vorschriften zuwider (zu I) im Jahr 1987 im Raum Amstetten Suchtgift in einer großen Menge, nämlich zumindest 500 Gramm Haschisch, durch Weitergabe an andere Personen in Verkehr gesetzt, und
(zu II) von Sommer 1986 bis Anfang Dezember 1987 in Amstetten und anderen Orten außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG ein Suchtgift, nämlich Haschisch, über die zu I angeführte Menge hinaus erworben, besessen und anderen überlassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Sache nach nur den Schuldspruch wegen des bezeichneten Verbrechens bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Mit der eine unvollständige und offenbar unzureichende Begründung des Ersturteils reklamierenden Mängelrüge (Z 5) unternimmt der Beschwerdeführer der Sache nach nur den Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, ohne einen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen. Das Urteil hat - entgegen dem Beschwerdevorbringen - sehr wohl dargelegt, auf Grund welcher Beweisergebnisse es zu der dem Angeklagten angelasteten (Mindest-)Menge von 500 Gramm Haschisch gelangt ist. Die bezügliche Feststellung findet in den im Urteil erörterten und gemäß § 258 Abs 2 StPO für glaubwürdig befundenen Gendarmerieangaben der Zeugen Christian L*** (S 139 ff), Walter B*** (S 157, 163) und Friedrich B*** (S 75 b in ON 9 und S 225) eine ausreichende Stütze (vgl US 4 ff). Daß gegebenenfalls aus einzelnen Verfahrensergebnissen, insbesondere aus den in der Hauptverhandlung hinsichtlich der vom Angeklagten erhaltenen Suchtgiftmengen geänderten Aussagen der Zeugen L*** und B***, auf welche die Beschwerde Bezug nimmt, denen jedoch der Schöffensenat insoweit den Glauben versagte, auch andere Schlüsse hätten gezogen werden können, stellt keinen formalen Begründungsmangel, sondern einen im Nichtigkeitsverfahren unbekämpfbaren Akt tatrichterlicher Beweiswürdigung dar.
Die Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a) hinwieder geht nicht von den anderslautenden Urteilskonstatierungen (vgl US 4, 7) aus, wonach der seit Jahren suchtgifterfahrene und auch schon einschlägig vorbestrafte Angeklagte davon Kenntnis hatte, daß die von ihm in Verkehr gesetzte Suchtgiftmenge (Haschisch durchaus guter Qualität) als groß anzusehen ist. Da die Rechtsrüge solcherart nicht, wie dies zur gesetzmäßigen Ausführung des angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes (auch bei der Behauptung von Feststellungsmängeln) erforderlich wäre, den im Urteil tatsächlich als erwiesen angenommenen vollständigen Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht, gelangt sie nicht zur prozeßordnungsgemäßen Ausführung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit - übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs 1 StPO zurückzuweisen. Hieraus folgt, daß über die Berufung des Angeklagten der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu entscheiden hat (§ 285 i StPO).
Anmerkung
E20208European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0140OS00012.9.0403.000Dokumentnummer
JJT_19900403_OGH0002_0140OS00012_9000000_000