Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz L*** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 13.Dezember 1989, GZ 19 Vr 632/89-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 15.Feber 1958 geborene Franz L*** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (A/) und des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB (B/) schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
Nur gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung wendet sich seine auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 a, und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.
Dieser Schuldspruch lastet ihm an, am 6.Juli 1989 in Purgstall versucht zu haben, Angela K*** mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt, indem er sie vom Fahrrad riß, ihr drei Faustschläge ins Gesicht versetzte und sie an den Haaren zerrte, bis sie über eine 2,60 m hohe Unferböschung zum Flußbett der Erlauf hinunterstürzten und sie nach vorübergehend geglückter Flucht neuerlich packte, würgte, niederrieß und auf dem Rücken zum Liegen brachte, wobei er mit einem mehr als faustgroßen Stein gegen sie aufzielte und mit dem Zuschlagen drohte, wenn sie noch einmal schreie, also durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben zur Vornahme des Beischlafes zu nötigen. Die Beschwerde geht bei jedem der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe davon aus, dem Angeklagten sei nicht das Verbrechen der Notzucht nach § 201 StGB aF sondern das Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach § 204 StGB aF (beide idF vor der StG-Novelle 1989, BGBl 242) anzulasten.
Vorausgeschickt sei, daß das Schöffengericht die am 6.Juli 1989 begangene Tat dem (durch die StG-Novelle 1989 seit dem 1.Juli 1989 in Geltung stehenden) Tatbestand des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB nF unterstellt hat, sodaß die Beschwerdeausführungen im wesentlichen schon deswegen ins Leere gehen.
Die Verfahrensrüge (Z 4) macht geltend, durch die Abweisung des Antrages auf Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens über den Verletzungsgrad des Tatopfers zum Beweis dafür, daß nur eine leichte Verletzung vorlag bzw keine extreme Wehrlosigkeit und keine Widerstandsunfähigkeit des Opfers herbeigeführt wurde (AS 194, dort irrtümlich "gebrochen wurde") seien Verteidigungsrechte des Angeklagten beeinträchtigt worden. Dadurch hätte nachgewiesen werden sollen, daß infolge der bloß leichten Verletzungen des Tatopfers dessen Widerstandsunfähigkeit nicht eingetreten sei und wenn überhaupt Faustschläge, dann nur solche mit leichter Gewaltanwendung geführt sein konnten.
§ 201 Abs 1 StGB nF stellt jedoch nicht auf den Verletzungsgrad als Beschaffenheit des Taterfolges ab. Vielmehr wird die (durch schwere Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gewalt für Leib oder Leben bewirkte) Nötigung einer Person zur Vornahme der Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung pönalisiert. Schwere Gewalt bezeichnet dabei (JAB 927 Blg 17. GP S 2 f) die Anwendung überlegener physischer Kraft, die entweder einen höheren Grad der Intensität oder Gefährlichkeit erreicht, wie dies bei brutalen, rücksichtslosen Aggressionshandlungen der Fall ist, oder - ohne daß etwa mit den Aggressionshandlungen Lebensgefahr verbunden wäre, besonders gefährliche Waffen benützt worden sind, Gewalt gegen besonders gefährdete oder empfindliche Körperregionen ausgeübt wurde oder das Opfer bereits in einen "qualvollen Zustand" im Sinne des StGB versetzt worden wäre - deren Intensität oder Gefährlichkeit doch so nachhaltig ist, daß sie durch ihre (längere) Dauer eine gleichartige Wirkung herbeizuführen geeignet ist wie eine "an sich schwere" Gewalt.
Nach den Feststellungen der Tatrichter hat Angela K*** durch die Gewaltanwendung des Beschwerdeführers eine Prellung des rechten Augapfels mit Blutergüssen in der Bindehaut, Würgespuren beidseits am Hals, tiefe Hautabschürfungen an beiden Ellenbogen, eine Hautabschürfung des linken Kniegelenks, Kratzspuren an der Brust, eine Prellung der Lendenwirbelsäule und eine Prellung des Brustkorbs erlitten (US 8). Diese (objektivierten, sh AS 53) vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen, vielfältigen, auf brutale und rücksichtslose Aggression des Täters rückführbaren Verletzungen Angela K*** indizieren die qualifizierte Handlungsweise der Gewaltanwendung, ohne daß es dabei auf den Verletzungsgrad ankäme. Die Tatfolge einer schweren Körperverletzung wäre lediglich als - dem Beschwerdeführer vorliegend gar nicht
angerechnet - strafsatzerhöhende Qualifikation nach § 201 Abs 3 StGB (nF) zuzurechnen.
Durch die Ablehnung des Beweisantrags wurden daher Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt, weshalb die Verfahrensrüge versagen muß.
Auch die Tatsachenrüge (Z 5 a) wendet sich gegen die Annahme der für das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB gar nicht tatbildlichen Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit des Opfers. Sie vermag darüber hinaus aber auch keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Solche ergeben sich auch nach Prüfung der gesamten Aktenlage durch den Obersten Gerichtshof nicht, weswegen auch die Tatsachenrüge ins Leere geht.
Die Rechtsrüge (Z 10) releviert zunächst inhaltlich Begründungsmängel der angefochtenen Entscheidung, die sich nicht damit auseinandersetze, daß der Beschwerdeführer selbst eine leichte Verletzung davongetragen habe, er wegen strafbarer Handlungen mit sexuellen Motiven nicht vorbelastet sei und ein normales Ehe- und Geschlechtsleben führe. Damit werden formelle Begründungsmängel nicht geltend gemacht, weil alle diese Fragen keine entscheidungswesentlichen Umstände betreffen.
Die neuerliche Relevierung der rechtlich bedeutungslosen Frage, ob das Opfer widerstandsunfähig gemacht wurde, läßt den Vergleich des gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf anzuwendenden Gesetz vermissen. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist diesbezüglich daher nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Soweit der Rechtsrüge zugrunde gelegt wird, die Absicht des Angeklagten sei sicher nicht auf Vollziehung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs gerichtet gewesen, womit der Versuch zur Nötigung zum Beischlaf bestritten und inhaltlich die Unterstellung der Tat unter den (nunmehrigen) Tatbestand der geschlechtlichen Nötigung nach dem § 202 Abs 1 StGB nF angestrebt wird, geht sie an den diesbezüglich eindeutigen Urteilskonstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 5) vorbei. Das Rechtsmittel entbehrt daher auch diesfalls einer prozeßordungsgemäßer Darstellung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als unzulässig nach § 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Die übrigen Entscheidungen finden ihre Begründung in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen.
Anmerkung
E20535European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0140OS00026.9.0403.000Dokumentnummer
JJT_19900403_OGH0002_0140OS00026_9000000_000