TE OGH 1990/4/3 4Ob43/90

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Veröffentlicht am 03.04.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei T*** M*** OHG, Salzburg, Sigmund-Haffner-Gasse 16, vertreten durch Dr. Dipl.-Ing. Christoph Aigner und Dr. Thomas Feichtinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Mag. Astrid R***, 2. Mag. Haro D***, beide Inhaber der nicht prot. Firma "T*** M***", Salzburg, Bergstraße 22, beide vertreten durch Dr. Gottfried Wieser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 250.000,--; Revisionsrekursinteresse S 80.000,--) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 20.Dezember 1989, GZ 6 R 309/89-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 18.Oktober 1989, GZ 2 Cg 325/89-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstrichters in seinem stattgebenden Teil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Ebenso wie die Klägerin betreiben auch die beiden Beklagten in Salzburg eine Tanzschule. In einem Prospekt, in welchen sie das Kursprogramm ihres "T*** M***" für 1989/90 mitteilten, stellten sich die Beklagten als die "neue Leitung" dieser Tanzschule vor. Unter der Überschrift "Unser Hobby wird zum Beruf" hieß es dort:

"Seit dem Anfängerkurs, den auch wir im T*** M***

absolviert haben, hat uns das Tanzen nicht mehr losgelassen. Wir haben uns mit dem Tanz in seinen verschiedenen Formen intensiv auseinandergesetzt, von Steptanz über Jazz und klassisches Ballett bis hin zum Profiturniertanz. Da wir den Tanz sowohl von der Seite der Aktiven wie auch aus der Sicht des Trainers und Choreographen kennen, ist uns die Situation des Tanzschülers sehr wohl vertraut. Auch die spezifischen Kenntnisse aus Psychologie und Pädagogik, die wir uns in unserem Universitätsstudium und in unserer Tätigkeit als Lehrer - zusätzlich zur Tanzlehrerausbildung in Theorie und Praxis - erworben haben, kommen uns - und Ihnen - dabei zugute. Deswegen legen wir ganz besonderen Wert auf persönlichen Kontakt und individuelle Beratung.

Durch unsere Kontakte mit international anerkannten Fachkräften und durch die Teilnahme an Kongressen können wir stets den neuesten Erkenntnissen und Trends Rechnung tragen, was auch unser Erfolg als Profi-Schautanzpaar beweist. Keine andere Tanzschule kann Ihnen Vergleichbares bieten - sowohl tänzerisches Können und Know-how als auch anerkannte pädagogische Fähigkeiten!"

Mit der Behauptung, daß die Beklagten in diesem Prospekt eine ihnen tatsächlich nicht zukommende Alleinstellung in Anspruch nähmen, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung - soweit für das Rechtsmittelverfahren noch von Bedeutung - zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in Prospekten, zu behaupten, daß keine andere Tanzschule den Tanzschülern Vergleichbares bieten könne - sowohl tänzerisches Können und Know-how als auch anerkannte pädagogische Fähigkeiten. Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsbegehrens.

Die beanstandete Aussage sei weder wahrheitswidrig noch irreführend:

Beide Beklagten hätten eine abgeschlossene Tanzlehrerausbildung und ein abgeschlossenes Universitätsstudium als Lehrer; der Zweitbeklagte übe den Lehrberuf auch tatsächlich aus. Da im Rahmen der Universitätsausbildung auch eine pädagogische Prüfung abzulegen gewesen sei, könnten die Beklagten mit Recht auf anerkannte pädagogische Fähigkeiten verweisen. Sie träten auch - anders als die Gesellschafter der Klägerin - seit Jahren als Schautanzpaar auf. Der Zweitbeklagte sei überdies Leiter der Tanzgruppe "Freestyle No. 1" und Trainer beim Tanzsportklub "Kongreß".

Der Erstrichter erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Die beanstandete Werbeaussage sei als Alleinstellungswerbung zu werten; sie erwecke den Eindruck einer erheblichen Spitzenstellung gegenüber den Mitbewerbern. Dies könne jedoch nicht ohne weiteres als richtig angenommen werden: Es sei nicht nachvollziehbar, warum nicht auch die Klägerin in der Lage sein sollte, ihren Tanzschülern die nötigen Fertigkeiten des Tanzes zu vermitteln. Die Absolvierung eines Studiums oder einer pädagogischen Ausbildung sei weder die einzige noch - wie die Kritik an verschiedenen Lehrern immer wieder zeige - unbedingt die erfolgversprechendste Möglichkeit, um zu pädagogischen Fähigkeiten zu gelangen. Pädagogische Kenntnisse im Rahmen des Lehramtes einer Schule könnten auch nicht unmittelbar auf eine Tanzschule übertragen werden. Die beanstandete Behauptung der Beklagten sei daher geeignet, eine Irreführung im Sinn des § 2 UWG zu bewirken.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Es nahm - abgesehen von der eingangs wiedergegebenen

Werbeaussage - noch folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Die Beklagten sind geprüfte Tanzlehrer. Sie haben beide nach dem Studium an der Universität Salzburg die Lehramtsprüfung für höhere Schulen abgelegt, die Erstbeklagte für die Fächer Englisch und Deutsch, der Zweitbeklagte für die Fächer Französisch und Englisch. Im Rahmen der Lehramtsprüfung fand auch eine pädagogische Prüfung statt, welche die Fächer Psychologie und Pädagogik umfaßte. Die Beklagten haben diese Teilprüfung erfolgreich abgelegt. Die Erstbeklagte leistete nach der Lehramtsprüfung den Probedienst am Privatgymnasium Salzburg-Liefering, wobei ihr in dem darüber ausgestellten Zeugnis viel pädagogisches Geschick zugesprochen wurde.

Die Beklagten treten seit Jahren bei Bällen, Modeschauen und anderen Veranstaltungen als Schautanzpaar auf. Der Zweitbeklagte leitet zudem eine Amateurtanzgruppe namens "Freestyle No. 1", die bei verschiedenen Veranstaltungen Tanzeinlagen vorführt. Rechtlich meinte das Rekursgericht, die beanstandete Ankündigung enthalte die Aussage, daß die Mitbewerber der Beklagten keine Leistungen anböten, die mit denen der Beklagten vergleichbar wären. Damit werde jedoch nicht behauptet, daß die Leistungen der Beklagten von überdurchschnittlicher Qualität seien; vielmehr werde ohne Inanspruchnahme einer Spitzenstellung darauf hingewiesen, daß die Beklagten gewisse Leistungen erbrächten, die von anderen Mitbewerbern nicht angeboten würden. Im Gesamttext, in dem sich auch die beanstandete Werbeaussage als abschließende Behauptung findet, würden die wesentlichen Umstände angegeben, aus denen die Beklagten die Besonderheit ihres Leistungsangebotes gegenüber dem der Mitbewerber ableiten; dadurch werde das angesprochene Publikum in die Lage versetzt, sich ein objektives Urteil über die Vorzüge der von den Beklagten angebotenen Leistungen gegenüber denen der Mitbewerber zu bilden. Die Formulierung der beanstandeten Werbeaussage lasse im Zusammenhang mit dem Gesamttext deutlich erkennen, daß die Beklagten objektiv Tatsachen mitteilen wollten, um über die Vorzüge ihres Leistungsangebotes gegenüber dem ihrer Mitbewerber zu informieren. Dadurch sei weder auf die Minderwertigkeit der Leistungen der Mitbewerber hingewiesen noch deren Angebot abgewertet worden. Diese wahrheitsgemäße Anpreisung der eigenen Leistungen durch die Beklagten verstoße daher nicht gegen § 1 UWG.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die beanstandete Werbeaussage kann - sowohl für sich allein als auch in Verbindung mit dem gesamten Text - nur dahin verstanden werden, daß keine andere Tanzschule den Tanzschülern Lehrer mit so großem tänzerischen Können und Know-how, aber auch mit so anerkannten pädagogischen Fähigkeiten bieten könne wie die Beklagten. Damit nehmen diese aber - wie schon der Erstrichter richtig erkannt hat und auch die Klägerin in ihrem Rechtsmittel zutreffend darlegt - für ihre Tanzschule eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch. Als Ausdrucksmittel für eine Alleinstellung kommen ja nicht nur der Superlativ oder der Komparativ (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 1094 ff Rz 69 und 70 zu § 3 dUWG), sondern auch andere Formulierungen in Frage (Baumbach-Hefermehl aaO 1096 f Rz 71-74). Eine derartige Werbung ist nach ständiger Rechtsprechung (ÖBl. 1981, 119 mwN; ÖBl. 1986, 42; ÖBl. 1989, 42; MR 1989, 30 uva) primär nach § 2 UWG zu beurteilen und daher wettbewerbsrechtlich nur dann zu beanstanden, wenn die ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht oder die Werbebehauptung sonst zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet ist. Wenngleich die Beweislast für die Unrichtigkeit einer Ankündigung im Sinne des § 2 UWG grundsätzlich den Kläger trifft (ÖBl. 1984, 70 und 97 uva), tritt vor allem bei der Alleinstellungswerbung ausnahmsweise dann eine Verschiebung der Beweislast ein, wenn der Kläger mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten hat, wogegen dem Beklagten diese Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihm daher nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben (ÖBl. 1983, 42; ÖBl. 1984, 97 ua). Wer mit Behauptungen an die Öffentlichkeit tritt, die seine Spitzenstellung zum Ausdruck bringen sollen, trägt gegenüber den Umworbenen die Verantwortung für die objektive Richtigkeit seiner Angaben; von ihm muß erwartet werden, daß er sich zuvor über die geschäftlichen Verhältnisse seiner Mitbewerber unterrichtet hat und ihm daher bessere Beweismöglichkeiten als dem Kläger zustehen (Baumbach-Hefermehl aaO 1101 Rz 80). Das muß insbesondere dann gelten, wenn Behauptungen über - schwer meßbare und daher auch kaum beweisbare - persönliche Fähigkeiten des Unternehmers oder seiner Leute aufgestellt werden. Ein solcher Fall liegt auch hier vor, wäre doch nur den Beklagten gegebenenfalls der Beweis möglich, daß sie als Lehrer alle anderen Tanzschulen an tänzerischem Können und Know-how sowie an pädagogischen Fähigkeiten - deutlich (ÖBl. 1981, 102; ÖBl. 1982,

124) - überträfen; das haben sie aber nicht einmal behauptet. Daß beide Beklagten die Lehramtsprüfung abgelegt haben, läßt nicht einmal zwingend auf "anerkannte pädagogische Fähigkeiten" (sondern höchstens auf pädagogische Kenntnisse) schließen, ganz abgesehen davon, daß kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß nicht auch in anderen Tanzschulen Lehrer mit gleichartiger Ausbildung tätig sind. Die Beklagten haben auch weder behauptet noch bescheinigt, daß es keine anderen Tanzschulen gebe, in denen Tanzlehrer wirkten, die bei Schautänzen aufgetreten sind. Nicht einmal nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten kann daher angenommen werden, daß sie allen anderen Tanzschulen an tänzerischem und pädagogischem Können überlegen wären. Da gerade diese Fähigkeiten über die Qualität der von einer Tanzschule angebotenen Leistungen entscheiden, handelt es sich dabei nicht - wie das Rekursgericht meint - um "gewisse Leistungen", die von anderen Mitbewerbern nicht angeboten würden; könnten nämlich die in anderen Tanzschulen tätigen Lehrer schlechter tanzen und ihre Kenntnisse weniger erfolgreich den Schülern vermitteln als die Beklagten, dann erbrächten sie Leistungen von geringerer Qualität als die Beklagten, wären diesen also eindeutig unterlegen.

Da die beanstandete Werbeankündigung somit gegen § 2 UWG verstößt, braucht nicht mehr untersucht zu werden, ob damit gleichzeitig auch eine gegen § 1 UWG verstoßende vergleichende Werbung betrieben wurde.

Aus diesen Erwägungen war der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E20303

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00043.9.0403.000

Dokumentnummer

JJT_19900403_OGH0002_0040OB00043_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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