TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/23 2005/16/0209

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Veröffentlicht am 23.11.2005
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

BAO §34 Abs1;
BAO §34;
BAO §35;
BAO §37;
BAO §40 Abs1;
BAO §41 Abs1;
GebG 1957 §2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 24. Juni 2005, Zl. RV/4516-W/02, betreffend Gebühren und Erhöhung (mitbeteiligte Partei: Verein "E"), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist strittig, ob dem Verein "Engel auf Pfoten" (der mitbeteiligten Partei) die Gebührenbefreiung nach § 2 Z. 3 des Gebührengesetzes 1957 (GebG 1957) zukommt.

Die Statuten der mitbeteiligten Partei lauten, soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz:

"§ 1

Der Verein führt den Namen 'E' - Verein zur Förderung der Mobilität sehbehinderter und blinder Menschen.

...

§ 2

Zweck

Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist

und gemeinnützig im Sinne der Bundesabgabenordnung ist, ist

überparteilich und überkonfessionell.

Er bezweckt

-

die Förderung der Mobilität von sehbehinderten und blinden Menschen.

-

die Vertretung der Interessen von Blindenführhundhaltern sowie sehbehinderter und blinder Menschen.

-

Schaffung eines Fonds zur Finanzierung bzw. zur Gewährung von Zuschüssen für Blindenführhunde.

-

die Information der Öffentlichkeit, Medien, Behörden und gesetzgebende Organe über die Anliegen von Führhundhaltern sowie sehbehinderter und blinder Menschen.

-

die Förderung wissenschaftlicher Forschung auf diesen Gebieten (ggfs. in Kooperation mit anderen Institutionen, Unternehmen oder Vereinigungen) nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten.

-

Mithilfe bei der Erarbeitung bei gesetzlichen Maßnahmen auf EU-, Bundes-, Länder- und Gemeindeebene durch Mitarbeit in Fachausschüssen und Gremien betreffend Führhunde sowie sehbehinderter und blinder Menschen in allen Lebensbereichen die dem technischen Bedarf sowie relevanten technischen Entwicklungen entsprechen.

-

Mithilfe bei der spezifischen Beratung von Entscheidungsträgern, die bei baulichen, technischen oder Führhundangelegenheiten betreffenden Fragestellungen fachkundige Zusammenarbeit erwarten können.

§ 3

Mittel zur Erreichung des Vereinszwecks

(1) Der Vereinszweck soll durch die in den Abs. 2 und 3 angeführten ideellen und materiellen Mittel erreicht werden.

(2) Als ideelle Mittel dienen:

a) Beratung und Information von Führhundhaltern sowie sehbehinderten oder blinden Menschen und deren Angehöriger;

b) Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel der Information der breiten Öffentlichkeit sowie relevanter Zielgruppen;

c) Veranstaltungen;

(3) Die erforderlichen materiellen Mittel sollen aufgebracht werden durch:

a)

Beiträge fördernder Mitglieder;

b)

Veranstaltungen;

c)

Spenden, Sammlungen, Vermächtnisse, Legate und sonstige öffentliche oder private Zuwendungen;

Finanzielle Zuwendungen sind ausnahmslos für den Verein 'Engel auf Pfoten' bestimmt. Ausgenommen sind eigens dafür vorgesehene Abstimmungen des Vorstands, die eine Zweidrittelmehrheit erreichen müssen.

...

§ 16

Auflösung des Vereins

...

(3) Bei Auflösung, Aufhebung oder Wegfall des bisherigen Vereinszweckes ist das Vermögen auf eine gemeinnützige Organisation im Sinne der §§ 34 ff BAO zu übertragen, die - soweit dies möglich ist - die gleichen oder ähnliche Zwecke wie dieser Verein verfolgt.

..."

Mit Bescheid vom 2. April 2002 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien für dort näher bezeichnete Eingaben der Mitbeteiligten im Jahr 2001 Gebühren gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 und gemäß § 14 TP 5 Abs. 1 GebG 1957 im Gesamtbetrag von S 1.320,-- (entspricht EUR 95,93) fest, weil - so die Begründung des Bescheides - die Gebühr nicht vorschriftsmäßig entrichtet worden sei; die Voraussetzung einer Gebührenbefreiung gemäß § 2 Z. 3 GebG 1957 sei gegenständlich nicht gegeben.

Mit einem weiteren Bescheid vom 2. April 2002 setzte die Erstbehörde für die genannten Ansuchen gemäß § 9 Abs. 1 GebG 1957 eine Gebührenerhöhung in der Höhe von 50 % der nicht in Stempelmarken entrichteten Gebühr von S 1.320,-- im Betrag von S 660,-- (entspricht EUR 47,96) fest.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die mitbeteiligte Partei vor, sie sei gemeinnützig im Sinne der §§ 34 ff BAO und ausschließlich und unmittelbar im Sinne der Befreiungsbestimmung des § 2 Z. 3 GebG 1957 tätig. Alle Tätigkeiten beträfen die Förderung von blinden und sehbehinderten Personen. Die mitbeteiligte Partei erbringe ihre Tätigkeit unmittelbar und bediene sich keiner anderen Organisation.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 21. Oktober 2002 wies die Abgabenbehörde erster Instanz diese Berufung als unbegründet ab. Unter näherer Erläuterung der Begriffe "Humanitäts- und Wohltätigkeitszwecke" im Sinn des § 2 Z. 3 GebG 1957 und "mildtätig" im Sinn des § 37 BAO schloss die Erstbehörde begründend, die laut § 2 der Statuten der mitbeteiligten Partei nicht auf Gewinn gerichtete und im Sinn der BAO gemeinnützige Tätigkeit reiche für eine Gebührenbefreiung nach § 2 Z. 3 GebG 1957 nicht aus.

In ihrem Vorlageantrag vertrat die mitbeteiligte Partei den Standpunkt, bei ihr lägen die Voraussetzungen für eine Gebührenbefreiung nach § 2 Z. 3 GebG 1957 vor. Die Berufungsvorentscheidung führe nicht aus, welche für eine Gebührenbefreiung erforderlichen Punkte nicht erfüllt seien.

Mit Erledigung vom 18. Mai 2005 teilte die belangte Behörde der Erstbehörde mit, ihrer Ansicht nach wäre der Berufung im vorliegenden Fall stattzugeben, und räumte die Möglichkeit der Stellungnahme hiezu ein.

Diese Abgabenbehörde erster Instanz nahm hiezu in ihrer Erledigung vom 3. Juni 2005 zusammengefasst dahingehend Stellung, in den Fällen, in denen ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt würden (wie ihrer Ansicht nach im vorliegenden Fall) oder zumindest ein Wechselbereich gemeinnütziger und humanitärer Zwecke gegeben sei und die tatsächliche Geschäftsführung als gemeinnützig anzusehen sei, könne die Gebührenbefreiung nach § 2 Z. 3 GebG 1957 nicht zur Anwendung kommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen die Bescheide der Abgabenbehörde erster Instanz vom 2. April 2002, betreffend Gebühren und Erhöhung, Folge und hob diese Bescheide auf. Begründend führte sie im Kern aus, aus den Vereinszwecken laut Statuten gehe eindeutig hervor, dass die mitbeteiligte Partei ausschließlich und unmittelbar Humanitätszwecke sowie wissenschaftliche Zwecke verfolge. Der Abgabenbehörde erster Instanz könne in ihrer Stellungnahme, wonach die mitbeteiligte Partei gemeinnützig, nicht aber humanitär sei, nicht gefolgt werden. Auch im vorliegenden Fall werde der Vereinszweck - wenn auch nicht wörtlich, so doch aus den Statuten erkennbar - als humanitär umschrieben (§ 2 der Statuten) und sei auf die Unterstützung von Personen gerichtet. Jede geförderte Person sei im Einzelfall als hilfsbedürftig anzusehen. Vereinsstatuten seien nach den Grundsätzen der §§ 6 ff ABGB so auszulegen, dass ein billiges und vernünftiges Ergebnis erzielt wird. Unklare Bestimmungen seien in vernünftiger und billiger Weise so auszulegen, dass deren Anwendung im Einzelfall brauchbare Ergebnisse zeitige. Diesem Grundsatz entsprechend könne man nur zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich (bei der mitbeteiligten Partei) um einen humanitär tätigen Verein handle. Dass sich die mitbeteiligte Partei als "gemeinnützig im Sinne der Bundesabgabenordnung" bezeichne, hindere § 2 Z. 3 GebG 1957 nicht. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 24. April 1978, Zl. 1054/77, festgestellt, dass es nicht begünstigungsschädlich sei, wenn eine Körperschaft teils gemeinnützige teils mildtätige Zwecke fördere, außer ein abgabenrechtlicher Begünstigungstatbestand würde nicht beide Bereiche betreffen, wie zB § 2 Z. 3 GebG 1957, wo nur mildtätige und wissenschaftliche Zwecke begünstigt seien. Dazu sei aber zu bemerken, dass sich Teilbereiche der Gemeinnützigkeit mit jenen der Humanität durchaus decken könnten, wobei im vorliegenden Fall nach der Definition der §§ 35, 36 BAO eher die Gemeinnützigkeit hinter die Zwecke der Humanität (Mildtätigkeit) zurücktrete. Alleine wegen der Bezeichnung der "Gemeinnützigkeit" könne die Begünstigung nach § 2 Z. 3 GebG 1957 nicht versagt werden, wenn sich aus dem Inhalt der Statuten und dem Zweck des Vereins ergebe, dass dieser humanitäre und wissenschaftliche Zwecke fördere. Wie die Abgabenbehörde erster Instanz zutreffend festgestellt habe, habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Zl. 93/13/0210, ausgeführt, dass auf Grund von Passagen in der Satzung wie "soweit dies möglich oder erlaubt ist" und "Organisation ..., die gleiche oder ähnliche Zwecke verfolgt" nicht sichergestellt sei, dass das Vermögen des Vereins im Falle einer Auflösung oder Aufgabe einem nach § 34 BAO begünstigten Zweck erhalten bleibe. Der beschwerdegegenständliche Fall unterscheide sich aber eindeutig in der Formulierung. Hier werde nämlich dezidiert festgeschrieben, dass das Vermögen bei Auflösung, Aufhebung oder bei Wegfall des bisherigen Vereinszwecks auf eine gemeinnützige Organisation im Sinne der §§ 34 ff BAO zu übertragen wäre, die - "soweit dies möglich ist" - die gleichen oder ähnliche Zwecke wie dieser Verein verfolgte. "Soweit dies möglich ist" beziehe sich demnach auf "ähnliche Zwecke" wie dieser Verein. Eine Organisation im Sinne der §§ 34 ff BAO sei jedenfalls gefordert. Die mitbeteiligte Partei sei gegenwärtig humanitär (wissenschaftlich) tätig. Es könne somit davon ausgegangen werden, dass das verbleibende Vermögen wiederum einer humanitär tätigen Organisation übertragen werden solle, die nach Möglichkeit die gleichen oder ähnliche Zwecke (nämlich die Unterstützung blinder Menschen) verfolgen solle. Die mitbeteiligte Partei sei vom Finanzamt für den 12./13./14. Bezirk und Purkersdorf als gemeinnützig anerkannt worden. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Übung mit den Statuten in Einklang stehe. Die Begünstigungsbestimmung des § 2 Z. 3 GebG 1957 stehe demnach zu. Auf Grund der Aufhebung des Gebührenbescheides sei auch der Bescheid über die Gebührenerhöhung mangels Rechtsgrundlage aufzuheben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Erstbehörde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Abgabenbehörde erster Instanz vertritt in ihrer Beschwerde die Auffassung, dass der im § 2 der Vereinsstatuten festgelegte Vereinszweck überwiegend als gemeinnützig anzusehen sei, werde doch im § 2 die Tätigkeit der mitbeteiligten Partei als "gemeinnützig im Sinne der Bundesabgabenordnung" bezeichnet. So spreche auch die bezweckte Förderung für die gemeinnützige Tätigkeit. In dem dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 1991, Zl. 90/15/0168, zu Grunde liegenden Fall sei der Vereinszweck als humanitär bezeichnet worden, während im vorliegenden Fall der Vereinszweck als gemeinnützig umschrieben und festgelegt worden sei. Die Bezeichnung "Gemeinnützigkeit" würde zwar nicht allein für eine Versagung der Gebührenbefreiung nach § 2 Z. 3 GebG 1957 ausreichen, dieser Bezeichnung in den Statuten komme aber trotzdem eine wesentliche Bedeutung zu. Die Folgerung der belangten Behörde, im vorliegenden Fall träte die Gemeinnützigkeit hinter die Zwecke der Humanität zurück, erscheine als zu wenig, denn bei den nicht begünstigten Zwecken müsse es sich um völlig untergeordnete Nebenzwecke handeln.

Bedenken bestünden auch hinsichtlich des im § 2 der Vereinsstatuten enthaltenen Zweckes "Schaffung eines Fonds zur Finanzierung bzw. Gewährung von Zuschüssen für Blindenführhunde", zumal dabei die Unmittelbarkeit des begünstigten Zweckes nicht klar hervorgehe. Der Fond selbst müsste seinerseits die Voraussetzung der Mildtätigkeit erfüllen.

Für eine "ausschließliche Förderung" (der begünstigten Zwecke) nach § 39 BAO müssten alle fünf Ziffern dieser Bestimmung zutreffen. Eine ausreichende Bindung der Vermögensverwendung im Sinn des § 39 Z. 5 BAO liege vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres Zweckes zu verwenden sei, in der Satzung so genau bestimmt werde, dass auf Grund der Satzung geprüft werden könne, ob der Verwendungszweck als gemeinnützig, mildtätig oder kirchlich anzuerkennen sei (§ 41 Abs. 2 BAO). Die im § 16 Abs. 3 der Vereinsstatuten enthaltene Bestimmung lasse auch die Übertragung an einen beispielsweise als gemeinnützig anzusehenden "kirchlichen" Zweck zu. Kirchliche Zwecke seien aber von der Befreiungsbestimmung des § 2 Z. 3 GebG 1957 nicht erfasst. Der von der belangten Behörde getroffenen Schlussfolgerung, der zufolge davon ausgegangen werden könne, dass das verbleibende Vermögen wiederum einer humanitär tätigen Organisation übertragen werden sollte, zumal die mitbeteiligte Partei gegenwärtig humanitär tätig wäre, könne nicht gefolgt werden. Die Auflösungsbestimmung lasse die Vermögensübertragung an einen gemeinnützigen Verein im Sinne der §§ 34 ff BAO zu. Damit sei aber nicht gewährleistet, dass dieses Vermögen weiterhin den im § 2 Z. 3 GebG 1957 normierten Zwecken diene. Überdies begründe die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, dass die mitbeteiligte Partei humanitär tätig wäre, verweise aber gleichzeitig auf eine vom Finanzamt für den 12./13./14. Bezirk und Purkersdorf festgestellte Gemeinnützigkeit. Daraus ergebe sich aber, dass in den Fällen, in denen ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt würden oder zumindest ein Wechselbereich gemeinnütziger und humanitärer Zwecke gegeben sei, und die tatsächliche Geschäftsführung als gemeinnützig bzw. gemeinnützig und humanitär anzusehen sei, die Gebührenbefreiung nach § 2 Z. 3 GebG 1957 nicht zur Anwendung kommen könne.

Damit ist die Beschwerde im Recht.

Nach § 2 Z. 3 GebG 1957 sind von der Entrichtung von Gebühren öffentlich-rechtliche Körperschaften, weiters alle Vereinigungen, die ausschließlich wissenschaftliche, Humanitäts- oder Wohltätigkeitszwecke verfolgen, hinsichtlich ihres Schriftenverkehrs mit den öffentlichen Behörden und Ämtern befreit.

Die Bundesabgabenordnung (BAO) lautet, soweit im Beschwerdeverfahren von Relevanz, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 151/1980 sowie des Abgabenänderungsgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 9/1998:

"... Gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke

§ 34. (1) Die Begünstigungen, die bei Betätigung für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke auf abgabenrechtlichem Gebiet in einzelnen Abgabenvorschriften gewährt werden, sind an die Voraussetzung geknüpft, dass die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, der die Begünstigung zukommen soll, nach Gesetz, Satzung, Stiftungsbrief oder ihrer sonstigen Rechtsgrundlage und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar der Förderung der genannten Zwecke dient. ...

...

§ 35. (1) Gemeinnützig sind solche Zwecke, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird.

(2) Eine Förderung der Allgemeinheit liegt nur vor, wenn die Tätigkeit dem Gemeinwohl auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder materiellem Gebiet nützt. Dies gilt insbesondere für die

Förderung ... der Fürsorge für alte, kranke oder mit körperlichen

Gebrechen behaftete Personen ...

...

§ 37. Mildtätig (humanitär, wohltätig) sind solche Zwecke, die darauf gerichtet sind, hilfsbedürftige Personen zu unterstützen.

§ 38. (1) Kirchlich sind solche Zwecke, durch deren Erfüllung gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften gefördert werden.

...

§ 39. Ausschließliche Förderung liegt vor, wenn folgende fünf Voraussetzungen zutreffen:

1. Die Körperschaft darf, abgesehen von völlig untergeordneten Nebenzwecken, keine anderen als gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen.

...

5. Bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zweckes darf das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, nur für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verwendet werden.

§ 40. (1) Unmittelbare Förderung liegt vor, wenn eine Körperschaft den gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck selbst erfüllt. Dies kann auch durch einen Dritten geschehen, wenn dessen Wirken wie eigenes Wirken der Körperschaft anzusehen ist.

...

§ 41. (1) Die Satzung der Körperschaften muss eine ausschließliche und unmittelbare Betätigung für einen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck ausdrücklich vorsehen und diese Betätigung genau umschreiben; als Satzung im Sinn der §§ 41 bis 43 gilt auch jede andere sonst in Betracht kommende Rechtsgrundlage einer Körperschaft.

(2) Eine ausreichende Bindung der Vermögensverwendung im Sinn des § 39 Z. 5 liegt vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zweckes zu verwenden ist, in der Satzung (Abs. 1) so genau bestimmt wird, dass auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck als gemeinnützig, mildtätig oder kirchlich anzuerkennen ist.

...

§ 42. Die tatsächliche Geschäftsführung einer Körperschaft muss auf ausschließliche und unmittelbare Erfüllung des gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweckes eingestellt sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung aufstellt.

§ 43. Die Satzung (§ 41) und die tatsächliche Geschäftsführung (§ 42) müssen, um die Voraussetzung für eine abgabenrechtliche Begünstigung zu schaffen, den Erfordernissen dieses Bundesgesetzes bei der Körperschaftssteuer und bei der Gewerbesteuer während des ganzen Veranlagungszeitraumes, bei den übrigen Abgaben im Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld entsprechen."

Für die Beurteilung der Gebührenbefreiungsbestimmung nach § 2 Z. 3 GebG 1957 sind auch die Vorschriften der §§ 34 ff BAO über das Gemeinnützigkeitsrecht von Bedeutung, wobei jedoch zu beachten ist, dass die Gebührenbefreiung nach § 2 Z. 3 GebG 1957 gemeinnützige Zwecke im Sinne des § 35 BAO selbst nicht erfasst (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band I, Rz. 36 zu § 2 GebG). Mit der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft (im Sinne der §§ 34 ff BAO) ist keineswegs eine generelle Gebührenbefreiung verbunden (vgl. Fellner, aaO, Rz. 37 zu § 2 GebG mwN).

Nach einhelliger Meinung ist der Begriff "Humanität" (wie jener der Wohltätigkeit) im § 2 Z. 3 GebG 1957 dem Begriff "mildtätig" im § 37 BAO gleichgestellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 1991, Zl. 90/15/0168, mwN).

Nach dem im § 41 Abs. 1 BAO zum Ausdruck kommenden Grundsatz der formellen Satzungsmäßigkeit müssen die Satzungszwecke und die Art der Verwirklichung so genau bezeichnet sein, dass auf Grund der Satzung die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die in Betracht kommenden Abgabenbegünstigungen geprüft werden können (vgl. die in Fellner, aaO, unter Rz. 45 zu § 2 GebG wiedergegebene hg. Judikatur sowie Stoll, BAO-Kommentar, 476).

Ausgehend vom besagten Grundsatz der formellen Satzungsmäßigkeit ist im Ergebnis der Ansicht der Abgabenbehörde erster Instanz beizupflichten, dass der Zweck der mitbeteiligten Partei schon in Ansehung des ersten Satzes des § 2 ihrer Statuten als gemeinnützig im Sinn des § 35 BAO einzustufen ist, mögen auch die im Folgenden spezifizierten Mittel und Zwecke der mitbeteiligten Partei zudem eine Mildtätigkeit im Sinn des § 37 BAO und damit Humanitäts- oder Wohltätigkeitszwecke im Sinn des § 2 Z. 3 GebG 1957 indizieren, ohne damit jedoch zu statuieren, dass - wie von § 2 Z. 3 GebG 1957 ausdrücklich gefordert - die begünstigten Humanitäts- oder Wohltätigkeitszwecke "ausschließlich" verfolgt würden. Selbst unter Zuhilfenahme der von der belangten Behörde ins Treffen geführten zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätze kann dem Auslegungsergebnis des angefochtenen Bescheides nicht gefolgt werden, dass die mitbeteiligte Partei "ausschließlich" mildtätige (humanitäre, wohltätige) Zwecke verfolgen würde. Gerade die im § 2 der Statuten im Näheren genannten Zwecke - die Förderung der Mobilität von sehbehinderten und blinden Menschen, die Vertretung der Interessen von Blindenführhundhaltern sowie sehbehinderter und blinden Menschen, die Schaffung eines Fonds, die Information der Öffentlichkeit, Medien, Behörden und gesetzgebende Organe über Anliegen von Führhundhaltern sowie sehbehinderter und blinder Menschen, die Förderung wissenschaftlicher Forschung auf diesem Gebieten, die Mithilfe bei der Erarbeitung gesetzlicher Maßnahmen und die Mithilfe bei der spezifischen Beratung von Entscheidungsträgern - sind jedenfalls auch dem Tatbestand des § 35 Abs. 2 zweiter Satz BAO ("... die Förderung der Fürsorge für ... mit körperlichem Gebrechen behaftete Personen ...") zu subsumieren. Die im § 3 der Statuten aufgezählten ideellen und materiellen Mittel vermögen der Satzung nicht mehr die Bedeutung einer ausschließlichen Verfolgung mildtätiger (humanitärer und wohltätiger) Zwecke zu verleihen.

Das von der belangten Behörde u.a. zitierte hg. Erkenntnis vom 7. März 1983, Zl. 82/12/0120, befasste sich mit der Auslegung des § 63 Abs. 3 RDG, BGBl. Nr. 305/1961, betreffend die Gestattung einer Nebenbeschäftigung, sodass daraus für die im vorliegenden Fall zu beantwortende Frage der ausschließlichen Verfolgung der Humanitäts- oder Wohltätigkeitszwecke im Sinn des § 2 Z. 3 GebG 1957 nichts gewonnen werden kann.

Zutreffend verweist die Beschwerde auch darauf, dass - ausgehend vom besagten Grundsatz der formellen Satzungsmäßigkeit -

die im § 2 der Statuten vorgesehene Schaffung eines Fonds zur Finanzierung bzw. Gewährung von Zuschüssen für Blindenführhunde mangels näherer Determinierung auch dem Erfordernis der unmittelbaren Förderung eines begünstigten Zweckes nicht genügt:

Die begünstigten Zwecke müssen durch die Körperschaft selbst und unmittelbar gefördert werden. Wenn Idealziele gefördert, diese aber über den Weg und mit Hilfe Dritter erreicht werden sollen, dann wäre das Unmittelbarkeitsprinzip nicht erfüllt. Die zweite Seite des Unmittelbarkeitsprinzips ist die, dass die begünstigten Zwecke direkt und nicht über selbständige Rechtsträger oder Wirtschaftskörper gefördert werden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1996, Zl. 94/16/0246, unter Hinweis auf Stoll, aaO, 472 f).

Eine Ausnahme von dieser Regel ist zufolge § 40 Abs. 1 zweiter Satz BAO vorgesehen, dass ein Dritter, dessen Wirken wie ein eigenes der (fördernden) Körperschaft anzusehen ist, den begünstigten Zweck für die (sodann nur mittelbar fördernde) Körperschaft erfüllt. Dieser "Dritte" kann eine natürliche oder eine juristische Person sein. Diese "Dritten" müssen jedoch in einem Weisungsverhältnis zur Trägerkörperschaft stehen. Die Weisungsgebundenheit (vertraglich, der Satzung nach) muss von der Art sein, dass die Rechtsfolgen der Handlungen des "Dritten" der Körperschaft zuzurechnen sind. Es können auch vertraglich (gesellschaftsrechtlich) abhängige juristische Personen handeln, die in ihrem Handeln der Körperschaft gegenüber verbunden sind und deren Handeln dem gemäß geeignet ist, wie ein Handeln der Körperschaft zu wirken (vgl. Stoll, aaO, 473, sowie Ritz, BAO-Kommentar2, Rz. 1 zu § 40).

Abgesehen davon, dass nach dem bisher Gesagten die im § 2 der Statuten vorgesehene Schaffung eines Fonds gerade gemeinnützigen Zwecken dienen könnte, womit die ausschließliche Verfolgung der im § 2 Z. 3 GebG 1957 genannten Zwecke verfehlt wäre, ermöglicht die vorliegende Satzung nicht nur die Einrichtung eines Sondervermögens, sondern auch diejenige eines eigenen Rechtsträgers (etwa eines Fonds im Sinne des Bundes-Stiftungs- und Fondgesetzes), der sich weder durch vertragliche noch durch gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit von der mitbeteiligten Partei auszeichnen müsste, die die ausschließliche Verfolgung der im § 2 Z. 3 GebG 1957 genannten Zwecke sicherstellen könnte.

Letztlich ist die Beschwerde auch mit ihrem Vorbringen im Recht, dass an Hand der Statuten der mitbeteiligten Partei - und unter Anwendung des besagten Grundsatzes der formellen Satzungsmäßigkeit - auch für den Fall ihrer Auflösung oder Aufhebung oder den Wegfall ihres bisherigen Zweckes entgegen § 39 Z. 5, § 41 Abs. 2 BAO wiederum nicht die ausschließliche Verfolgung der im § 2 Z. 3 GebG 1957 genannten Humanitäts- oder Wohltätigkeitszwecke sichergestellt ist. § 16 Abs. 3 der Statuten sieht vor, dass bei Auflösung, Aufhebung oder Wegfall des bisherigen Vereinszwecks das Vermögen der mitbeteiligten Partei auf eine "gemeinnützige Organisation im Sinne der §§ 34 ff BAO zu übertragen" sei, womit eindeutig die zukünftige Förderung gemeinnütziger, nicht jedoch mildtätiger (humanitärer, wohltätiger) Zwecke festgelegt wird. Auch die im zweiten Halbsatz der genannten Statutarbestimmung vorgesehene Einschränkung, wonach die gemeinnützige Organisation (im Sinne der §§ 34 ff BAO) - soweit dies möglich ist - die gleichen oder ähnliche Zwecke wie die mitbeteiligte Partei verfolgt, fügt diesem Auslegungsergebnis insbesondere unter Bedachtnahme auf die bereits erörterten Zwecke der mitbeteiligten Partei nichts Gegenteiliges hinzu.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 23. November 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005160209.X00

Im RIS seit

25.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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